Körperdiskurse und Moralpolitik: die Konstruktion sexueller Devianz um die Jahrhundertwende
In: Gender and politics: "Geschlecht" in der feministischen Politikwissenschaft, S. 121-147
Abstract
Der Beitrag untersucht die Darstellung und Diskussion sexueller Devianz und Gewalt um die Jahrhundertwende. Entgegen dem heute dominierenden Diskurs, der minderjährige Prostituierte als "Opfer" ansieht, wurde damals entgegengesetzt argumentiert, daß Mädchen die eigentlichen "Täterinnen" seien. Die Freier wurden dagegen als "Verführte" oder höchstens als moralisch degenerierte Lebemänner verstanden. Durch diese Sicht konnte sich um 1900 moralische Empörung Luft schaffen, ohne irgendwelche Konsequenzen für Männer ins Auge fassen zu müssen. Dem "Verwerflichen" wurde eine "heile Welt" der bürgerlichen Familie entgegengestellt, die Tugendhaftigkeit, Sicherheit und Aufstieg versprach. Die historische Rekonstruktion erhellt nicht nur die Relativität und Variabilität von Gewaltdiskursen, sondern sie zeigt auch, inwieweit die Frauenbewegung hier eine Bewußtseinsänderung herbeigeführt hat. (pre)
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