Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2002

"Nach einem dreifachen Sieg-Heil auf den Führer ging man zum gemütlichen Teil über": Propaganda und Unterhaltung im Nationalsozialismus ; zu den historischen Wurzeln eines nur vermeintlich neuen Phänomens

In: Politikvermittlung in Unterhaltungsformaten: Medieninszenierungen zwischen Popularität und Populismus, S. 73-87

Abstract

Der Autor beschäftigt sich in seinem Beitrag mit den negativen Folgen einer totalitär genutzten "Volksaufklärung". Am Beispiel der nationalsozialistischen Propaganda, zeigt er auf, dass unterhaltende Strategien im Rahmen politischer Kommunikationskonzepte eine Tradition besitzen, die weit über das Fernsehzeitalter hinausgreift. Das gezielt entworfene NS-"Blut-und-Boden-Politainment" diente der Zerstreuung und der Ablenkung der Massen vom politischen Geschehen. Als theoretisches Fundament zieht der Autor das kulturwissenschaftliche Konzept der Populärkultur heran. Nach diesem Modell der Cultural Studies, stellt die Populärkultur eine gesellschaftliche Gegenmacht dar, die ihre Kraft aus der subversiven Konterkarierung der jeweils herrschenden Hochkultur zieht. Es wird deutlich, warum die nationalsozialistische Propaganda die tradierten Rezeptionsmuster der Bevölkerung bedienen musste, warum sie eine Fassade errichtete, die akzeptierte populärkulturelle Formen nutzte. Im Mittelpunkt der medialen Angebote standen keine dezidiert politischpropagandistischen Inhalte, sondern vielmehr unterhaltsame Formen, die nach den Worten des Propagandaministers Goebbels die "gute Laune des Volkes" gewährleisten sollten. Auch Hitlers Status als "Popstar" und die Freizeitangebote der "Kraft-durch-Freude"-Programme zielten in diese Richtung. Der totalitäre Staat inszenierte leicht bekömmliche kulturelle Identifikationsangebote von oben, um das Entstehen einer authentischen und möglicherweise gar widerständigen Populärkultur "von unten" zu verhindern. Dabei übernahm die Bevölkerung aber keineswegs immer die von oben intendierten Deutungen. Diese stießen vielfach auf Ablehnung und wurden entsprechend ignoriert, interpersonal nicht weiter verbreitet oder in ihrem ideologischen Gehalt radikal umgedeutet. (RG)

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