Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2003

Bulgarische Gärtner in Brünn: ein Blick von innen und außen

In: Vom Wandergesellen zum Green-Card-Spezialisten: interkulturelle Aspekte der Arbeitsmigration im östlichen Mitteleuropa, S. 83-105

Abstract

"Den Anfang des gewerbsmäßigen Gemüseanbaus datiert die bulgarische Forschung in die Mitte des 18. Jahrhunderts und verbindet ihn mit der Region Veliko Tarnovo im nördlichen Zentralbulgarien. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kamen bulgarische Gärtner saisonweise in die Österreichisch-Ungarische Monarchie auf das Gebiet des heutigen Ungarn und der Slowakei. Zu einem größeren Zustrom in die böhmischen Länder kam es dann nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik. Das erste Ziel bulgarischer Migranten in den 1920er und frühen 1930er Jahren waren vor allem Bratislava und Brünn, wo es zu dieser Zeit an die 20 bulgarische Gärtnereien gab. Die Berühmtheit bulgarischer Gärtner in der größten mährischen Stadt Brünn ist heute fast vergessen. Dennoch sind sie im kollektiven Bewußtsein der älteren Brünner heute noch präsent. Die gegenwärtig laufende Feldforschung hat Erkenntnisse über die Art und den Grad der Akkulturation und Assimilation der bulgarischen Gärtner erbracht. Diese gewannen in der tschechischen Gesellschaft einen sehr guten Ruf dank ihrer Arbeitsamkeit und Konfliktlosigkeit sowie der hohen Qualität und der niedrigen Preise ihrer Waren. Aus den Erzählungen ist ersichtlich, daß die bulgarischen Gärtner sich nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch dank ihrer positiven Aufnahme durch die tschechische Gesellschaft in Brünn und an anderen Orten der Tschechoslowakei niederließen. Dieses positive Stereotyp überdauert bei der älteren Generation bis heute. Die Bulgaren gliederten sich so weit in die tschechische Gesellschaft in Brünn ein, daß diese deren ethnische Identität nicht mehr kennt. Die heutige Situation der Bulgaren kann man als eine unvollendete Assimilation bezeichnen. Sie übernahmen einige tschechische Bräuche und Sitten auch in ihr privates Familienleben, zugleich behalten sie aber das ethnische und teilweise auch kulturelle Bewußtsein ihrer Herkunft, die Kenntnis der Sprache ihrer Vorfahren und eine gemeinsame Organisationsbasis bei, die ihnen den Kontakt untereinander erleichtert." (Autorenreferat)

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