Olympische Spiele und Politik
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft 29/30, S. 6-12
ISSN: 2194-3621
Olympische Spiele sind, so der Verfasser, vor allem anderen ein globales Sportereignis, ein sportdominiertes Gesamtkunstwerk und als solches Teil des Weltkulturerbes. Bei einem solchen Blick auf den Eigensinn der Olympischen Spiele ist offensichtlich, dass ihre Sinnstruktur denkbar weit entfernt ist von der Sinnstruktur politischen Handelns. Wie weit dabei der autonome kulturelle Eigensinn des Sports respektiert, befolgt, gefördert, zumindest geduldet wird, ist die Messlatte zur Beurteilung jeglichen sportlichen, pädagogischen, ökonomischen oder politischen Handelns in diesem Sinnbezirk. Die Betrachtungsweise führt den Autor zu der These, dass der olympische Sport nicht politisch ist. Die genannte These aber fordert direkt zum Widerspruch heraus. Im laufenden Olympiajahr wurden Sportereignisse ohne Rücksicht auf deren autonomen kulturellen Eigensinn zur Durchsetzung allgemeinpolitischer Ziele instrumentalisiert. Boykotte sind nicht deshalb abzulehnen, weil sie faktisch meist wirkungslos, sondern weil sie prinzipiell als politisches Mittel illegitim sind. Diese Befunde untermauern die zweite These: Der olympische Sport ist politisch, aber in zahlreichen Fällen in einer illegitimen Weise. Politisches Handeln, das auf die praktische Umsetzung des olympischen Eigensinns gerichtet ist, blieb maßgebliche Voraussetzung der weiteren Entwicklung. Dies gilt sowohl für die "innere Diplomatie" zur Durchsetzung von weltweit geltenden Regelwerken in der olympischen Bewegung als auch für die "äußere Diplomatie" zur Schaffung der politisch-rechtlich-ökonomischen Voraussetzungen für eine nachhaltige Gewährleistung der Olympischen Spiele. Zu den sinngerechten politischen Maßnahmen können hier durchaus auch Ausschluss und Boykott gehören. Die dritte These lautet: Der olympische Sport ist politisch, vielfach in einer legitimen, für die Unabhängigkeit, Gestaltung und Zukunftsfähigkeit der olympischen Bewegung unverzichtbaren Weise. Abschließend plädiert der Autor dafür, die herkömmliche Blickrichtung auf olympiapolitische Probleme umzukehren. Um zu gehaltvollen Einsichten zu kommen, muss die leitende Frage lauten: Was war in Entscheidungssituationen politisch geboten, um das Kulturereignis Olympische Spiele aktuell und dauerhaft sinngerecht gelingen zu lassen, was stand dagegen? (ICF2)