In dem Beitrag werden soziokulturelle Identitätsprobleme der Ostdeutschen als solche einer "peripheren" Bevölkerung diskutiert. Aus dieser Blickrichtung ergibt sich die Frage, ob und wie die Ostdeutschen ihre Konstrukte soziokultureller Identitäten in Rücksicht auf die primär systemintegrativ angelegte Vereinigung und Transformation produktiv mobilisieren und nutzen können. Es wird eine Erklärung für die derzeit ablaufenden, vielfach disparaten und unübersichtlichen Vorgänge der Orientierung und Selbstverortung der ostdeutschen Menschen gesucht. Der Zusammenhang von Systemintegration und sozialer und kultureller Integration wird betrachtet. In der Zusammenführung der Moderne-Diskurse im Westen und der Transformationsdebatten im Osten wird die folgende konzeptionelle Rahmenthese diskutiert: Der politische und diachrone Modus von staatlicher Vereinigung und Systemtransformation, die Implantation externer Institutionen sowie die Dominanz von "ready made actors", der hohe zeitliche Druck der Szenarien hat einen geschichtlichen Vorgang in Bewegung gesetzt, der als Peripherienbildung begriffen und beschrieben werden kann. (ICA)
Dei Autorin resümiert die neuere Forschung zur Berufswahl von Mädchen und kommt zu dem Schluß, daß die bisherigen Ansätze nicht ausreichen, um die Frage zu beantworten, was bei Mädchen in der Adoleszenz geschieht. Die in dieser Phase wichtigen Themen Identität, Beruf und Geschlechterverhältnis werden mit drei Konzepten analysiert: Selbst-in Beziehung; Selbst-in-der-Welt; Verortung in der Zweigeschlechtlichkeit. In der Adoleszenz geht es für junge Frauen vor allem um die Gestaltung der Beziehung zur Mutter, zu Freundinnen und zu jungen Männern. Dieses Paradigma ist analytisch zur Beantwortung der Frage geeignet, warum in der weiblichen Adoleszenz Beziehungen besonders intensiv reflektiert werden und warum es zu einer "auffälligen Schwächung des Selbstwertgefühls" kommt. Weiterhin ist die je individuelle Konstruktion des Geschlechts bzw. die "Verortung in der Zweigeschlechtlichkeit" auf die jeweilige konkrete Lebenslage der Jugendlichen zu beziehen. (pre)
Ausgehend von der These, daß sich das politische Bewußtsein der Bürger der BRD in allem Wesentlichen im Windschatten der großen nationalen Fragen ausgebildet hat, werden in dem Beitrag die Wandlungen der nationalen Identität betrachtet. Zunächst wird deutlich gemacht, daß die Identifikation der werdenden BRD mit der klassischen nationalen Tradition unreflektiert und bereitwillig erfolgte. Die Ausblendung der geschichtlichen Dimension aus dem Selbstverständnis der Bundesbürger wird problematisiert. Es wird aufgezeigt, daß sich angesichts des brüchigen politischen Konsens und der politischen Polarisierung der Weltsysteme im Kalten Krieg die Tendenzen der Deutschen in der BRD, die eigene politische Ordnung unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu sehen und als positive Entgegensetzung zu den kommunistischen Systemen in Osteuropa zu betrachten, verschärfte. Ausgehend von der Feststellung, daß sich in der BRD in den letzten Jahren zunehmend Unbehagen an den bisherigen Begründungen der politischen und gesellschaftlichen Ordnung der BRD als eines Transpantats des westlichen liberaldemokratischen Gesellschaftsmodells nach Mitteleuropa ausgebreitet hat, wird die Suche nach einem neuen Fundament, nach einer neuen Identität der Deutschen beschrieben. Vor diesem Hintergrund werden dann ein bundesrepublikanisches und ein gesamtdeutsches Nationalbewußtsein gegeneinander abgewogen. Ausgehend von der BRD als Repräsentant der Kulturnation werden die deutsche Teilung und die Entwicklung in der DDR bewertet. (RW)
Das liberale, »postmoderne« Individuum ist das revolutionäre Subjekt unserer Zeit. Im Gegensatz zu Proletariat oder Bourgeoisie ist es nicht nur klassenlos, sondern ganz im Sinne der »völligen Autonomie« und des »freien Willens« wahlweise auch geschlechtsneutral, bar jeder ethnischen Herkunft oder nationalen Zugehörigkeit. Diese Ideologie, die Herrschaft des »Gesellschaftsvertrags« und der »individuellen Freiheit«, ist das Urübel des allumfassenden europäischen Niedergangs dieser Tage. Wir haben sie längst vergessen, unsere europäische Identität. Henri Levavasseur geht daher ad fontes. Er sucht nach den Quellen des europäischen Genius. Wer sind wir – anthropologisch, ethnisch, kulturell und religiös? Was ist überhaupt eine Nation – und wie aktuell ist diese Idee in Zeiten der Massenmigration? Nicht zuletzt: In welchem Verhältnis stehen Ethnos und Polis in einer gesunden Gemeinschaft zueinander? Rasse, Volk, Nation, Religion und Kultur: Levavasseur sucht nach den essenziellen Bestandteilen der europäischen Identität. Eine Schrift, die angesichts der westlichen Hybris, der europäischen Identitätssuche und des weißen Selbsthasses zur rechten Zeit erscheint. Denn Identität ist das Fundament jeder organischen Gemeinschaft. (Verlagstext)
Der vorliegende Band ist dem langjährigen Vorsitzenden der Gesellschaft für Deutschlandforschung, Prof. Dr. Karl Eckart, für seine vielfältigen Verdienste um die Gesellschaft zu dessen zehnjährigem Amtsjubiläum gewidmet. Die Beiträge beleuchten eine der Grundfragen der deutschen Gesellschaft: ihre Identität in Europa. Ekkehard Klausa sieht das Konzept der »Deutschen Leitkultur« inhaltlich zunehmend akzeptiert. Eckhard Jesse konstatiert die Akzeptanz eines über den Verfassungspatriotismus hinausreichenden Patriotismus, der sich vom Nationalismus unterscheidet. Der demographische Wandel und die Immigration mit ihren möglichen Auswirkungen auf die deutsche und europäische Identität stehen im Mittelpunkt der Ausführungen von Helmut Jenkis. Er geht auch unterschiedlichen Integrations- bzw. Desintegrationsindikatoren nach. Die Bevölkerungsentwicklung in deutschen Großstädten und »Wege aus der Krise« sind die Themen von Stefan Luft. Ralf Elger fragt nach einer islamischen Identität im aufgeklärten Europa und plädiert, sich auf muslimische Normquellen außerhalb des Korans zu besinnen. Die Soziale Marktwirtschaft bildet die Wirtschaftsidentität der Deutschen und Europäer, konstatiert Spiridon Paraskewopoulos. Er attestiert ihr Zukunftsfähigkeit, sogar -notwendigkeit. Andreas Haratsch untersucht anhand von nationalen und supranationalen Normen staatliche bzw. suprastaatliche Identitäten. Für einen europäischen Basisvertrag plädieren Eckart Klein und Marten Breuer. Hans-Jörg Bücking verknüpft die Themenstränge Ausländerintegration und staatliche Identität anhand des Staatsangehörigkeitsgesetzes.
Die deutsch-deutsche Vereinigung hat zwei polarisierende politische Tendenzen in der Bevölkerung heraufbeschworen, einmal eine zunehmende Nationalisierung in Ost- und Westdeutschland, zum anderen eine daraus resultierende Abwehr deutscher Identität und eine innere Ablösung vieler Deutscher vom sozialen Verband der deutschen Nation, verbunden mit einer Flucht in den Internationalismus und Individualismus. Auf diesem Hintergrund und aufgrund der Entwicklung, daß es nun wieder eine deutsche Nation gibt, befaßt sich der Beitrag mit der Frage, was es eigentlich bedeute, "deutsch" zu sein. Die Unterschiede in der Ausprägung des Nationalismus in Ost und West und der daraus folgende fatale Kreislauf von Dominanz und Abwehr werden beschrieben. Eine sinnvolle Bewältigung der deutschen Vergangenheit setzt voraus, daß anstatt Verdrängung echte Erinnerungsarbeit geleistet wird. Dies ist in vielfacher Hinsicht weder in der Bundesrepublik noch in der ehemaligen DDR geschehen. Nun wird im Osten der gesteigerte Nationalismus als Folge der Unterhöhlung ostdeutschen Selbstbewußtseins geschürt, ausgelöst durch die Vorherrschaft des Westens, dessen Überlegenheit dann leicht in nationalen Größenwahn ausarten könnte. (ICE)
Der Autor zeigt am Beispiel dreier Filme, wie sich die Konstruktion der nationalen Identität in den USA nach den Terroranschlägen vom 11. September verändert hat: (1) Der Film "Ausnahmezustand" steht für die Zeit vor dem 11. September und für die "alte" amerikanische Identität. Anhand dieses Films wird gezeigt, dass eine Verletzung der verfassungsmäßig verbrieften Rechte in den USA selbst im Falle eines "Ausnahmezustands" als nicht akzeptabel angesehen wurde. Der Film antizipiert jedoch in fiktiver Weise die Ereignisse des 11. September und seiner politischen Konsequenzen und eignet sich daher als Folie, um vor ihm die tatsächlichen innenpolitischen Reaktionen in Amerika nach dem 11. September zu betrachten und somit der Veränderung des gesellschaftlichen Klimas nachzuspüren. (2) In dem Film "Collateral Damage" wird deutlich, dass sich die politische Stimmung in den USA nach den Terroranschlägen grundlegend geändert hat. Der Film mutet dem Publikum eine Sichtweise des Phänomens Terrorismus aus dem Blickwinkel einer Welt vor dem 11. September zu und wurde - gemessen an den Besucherzahlen - dementsprechend auch nicht akzeptiert. Daran lässt sich nach der These des Autors eine Wandlung der US-Identität im Umgang mit Anderen und der eigenen Politik feststellen. (3) Der Film "Black Hawk Down" zeigt schließlich exemplarisch, dass nach dem 11. September Filme gefragt waren, die den Fremden entweder als zweifelhafte und amorphe Gestalt oder als hilfs- und schutzbedürftig darstellen - die Amerikaner jedoch als Verteidiger von Freiheit und Menschlichkeit. "Black Hawk Down" kann daher als Paradigma einer neuen kollektiven US-Identität interpretiert werden. (ICI2)
Der Beitrag entwickelt eine neue sozialpsychologische Perspektive auf (soziale) Macht und Machtprozesse. Aufbauend auf der neueren sozialpsychologischen Identitäts- und Gruppenforschung überwindet diese Perspektive Blickverengungen der traditionellen sozialpsychologischen Machtanalyse und schlägt gleichzeitig Brücken zur Diskussion des Machtkonzepts in den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen. Im Anschluss an die kritische Analyse der bisherigen sozialpsychologischen Zugänge zu Macht und die Darstellung des Ansatzes wird auf wichtige Implikationen des vorgeschlagenen Perspektivenwechsels für das Verständnis von Stabilität und Veränderbarkeit von Machtstrukturen eingegangen. In diesem Zusammenhang wird einerseits der ungenügende Erklärungswert der Idee von einem "falschen Bewusstsein" aufgezeigt und andererseits für eine stärkere Beachtung des Respektkonzepts plädiert. In einem abschließenden Ausblick wird das Anwendungspotenzial des Identitätsmodells der Macht anhand aktueller Beispiele verdeutlicht. So bereichert diese Fassung des Machtkonzepts auch die soziale Bewegungs- und Protestforschung. Man kann sozialen Protest und soziale Bewegungsaktivitäten verstehen als Versuch, soziale Gegenmacht zu organisieren. Gegenmacht gegen empfundene soziale Ungerechtigkeit, gegen Stereotypisierung und Diskriminierung durch mächtige Personen oder Gruppen, deren Opfer man geworden ist. (ICA2)
I. Fragestellung und vortheoretische Annahmen -- II. Theoretische Vorklärungen -- 1. Begriff der Identität und politische Theorie -- 2. Identität — Identifikation — Prozeß der Identitätsverwirklichung -- III. Zur Definition der politischen Identität und Identifikation -- IV. Zum Problem der Identifizierung -- V. Zur politischen Identität primärer Tendenz -- VI. Zur politischen Identifikation -- VII. Zur politischen Identität sekundärer Tendenz -- 1. Grundsätzliche Überlegungen -- 2. Weiterführende Erörterungen -- VIII. Zum Problem der Korrelation -- 1. Diskussion zweier Sonderfälle -- 2. Weiterführung der Diskussion -- IX. Politische Elite als politische Identität -- X. Zum politischen Identitätsstil -- XI. Zur Soziologie der politischen Identität -- XII. Zum Problem der Disposition und Verbindlichkeit -- XIII. Politische Identität und politischer Wandel -- XIV. Politische Identität und politische Entfremdung -- Schlußbemerkungen -- Anmerkungen.
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In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1790-1801
"Das neu erwachte Interesse an einer Körpersoziologie reagiert auf die Beobachtung, dass im Zuge gesellschaftlicher Modernisierung der Körper verstärkt zu einem herausgehobenen Repräsentationsmedium wird und sich als Mittel sozialer Distinktion 'vervielfältigt'. Damit reflektiert die Körpersoziologie den in der 'Erlebnisgesellschaft' (Schulze 1993) akzentuierten Körperbezug und greift den Zusammenhang zwischen Biografie, Identität und Leiblichkeit auf, dessen Krisenhaftigkeit am Beispiel chronischer Erkrankung besonders deutlich wird. Die körpersoziologische Sicht erhellt den Zusammenhang von Sozialisationsprozessen und medial vermittelten gesellschaftlichen Körperkodierungen. Das Konzept des sozial kodierten und des in milieuspezifischen Zusammenhängen eingebetteten Körpers sieht die Entwicklung des Selbst und der leiblichen Identität als Ergebnis des komplexen Zusammenspiels zwischen gesellschaftlichen Wertvorstellungen, Medien, normativen Zwängen und sozialen Interaktionen in der Familie und in Peer-Groups. Die von Gugutzer in Anlehnung an Plessner vorgeschlagene begriffliche Unterscheidung zwischen dem 'Leibkörper', dem lebendigen, spürbaren Leib, und dem 'Körperding', 'das von außen wahrnehmbar und wie ein Instrument oder Werkzeug gebraucht werden kann' (Gugutzer 2002: 15), erweist sich dabei für die Untersuchung von chronischen Krankheiten und Ernährungsstörungen als hilfreich. Die in qualitativen Interviews befragten Jugendlichen berichteten den Umgang zwischen subjektivem Leibsein und instrumentellem Körperbezug, so ließ sich rekonstruieren, wie Jugendliche ihre körperlich-leibliche Identität erstens geschlechtsspezifisch, zweitens entlang sozialer Anforderungen an das Erwachsenwerden und drittens angesichts der als Überforderung oder als Herausforderung wahrgenommenen gesellschaftlichen Veränderungen modellieren. Die Adoleszenzphase bietet sich als Beobachtungszeitraum an, weil sie entscheidend für Identitätsbildungsprozesse, Geschlechtsrollenentwicklung, Autonomiegewinne und die Ausprägung des Leib-Körper-Bildes ist und sich in ihren Krisen die Verfestigung folgenreicher abweichender Muster besonders deutlich beobachten lässt. Die neuen medial begleiteten gesellschaftlichen Diskurse um veränderte Geschlechtsrollen, Körperbilder und Beziehungsformen, führen zu Unsicherheiten und neuen Begründungsverpflichtungen sowie zu einer zunehmend von erwarteter Selbstverpflichtung und Selbstkontrolle erzwungenen rationalen Lebensführung. Diese Anforderungen schärfen den Blick dafür, dass 'verpasste' Gelegenheiten sich später immer schlechter ausgleichen lassen und können zu Entmutigung und zu somatischen Ausweich- und Kompensationsreaktionen führen. Gezeigt werden im Vortrag die Körperselbstkonzepte von chronisch kranken Jugendlichen, deren objektiv beschädigter Körper im Zuge der Identitätsarbeit wieder 'repariert' werden soll. Als Kontrastfolie soll die Arbeit am Körper von Jugendlichen gezeigt werden, die an Anorexie erkrankt sind. Die 'Sozialisationsgeschichte' der inkorporierten Körperpraktiken gilt es, fall- und milieuspezifisch aufzudecken, um die spezifischen Wege und Mechanismen, die zur Entwicklung von Ernährungsstörungen führen, zu rekonstruieren." (Autorenreferat)
AbstractDie ersten Bemerkungen Wittgensteins zur Identität stammen vom Herbst 1913; Spuren zeitweise intensiver Beschäftigung mit dem Thema finden sich indes bis in die Logisch-philosophische Abhandlung. Die vorliegende Arbeit versucht zu zeigen, dass und wie die Identität inWittgensteins frühem Denken mit der Typentheorie zusammenhängt. Nach einer historischen Begründung der These, wonach die kritische Auseinandersetzung mit Russells Typentheorie den jungen Wittgenstein dazu bewegt hat, sich verstärkt der Identität zuzuwenden, wird, ausgehend von der Kritik am Reduzierbarkeitsaxiom, seine Ablehnung wirklicher Variablen vor dem Hintergrund ihrer Typ-Unbestimmtheit (typical ambiguity) betrachtet. Dabei offenbart sich eine aufschlussreiche Verwandtschaft mit Whitehead, insbesondere mit einigen revidierenden Erklärungen zur Typ- Unbestimmtheit in seiner Einleitung zum zweiten Band der Principia Mathematica. Von hier aus nähert sich dann der vierte Abschnitt ausgewählten und aus der Vorkriegszeit stammenden Bemerkungen Wittgensteins zur Identität und zu Existenzsätzen. Der fünfte Abschnitt schließlich verfolgt einige der begonnenen Gedankenläufe weiter bis in die Endfassung der Abhandlung.
Abstract Die ersten Bemerkungen Wittgensteins zur Identität stammen vom Herbst 1913; Spuren zeitweise intensiver Beschäftigung mit dem Thema finden sich indes bis in die Logisch-philosophische Abhandlung. Die vorliegende Arbeit versucht jenen Gedankenläufen Wittgensteins zu folgen, die in seine eigentümliche Schreibweise gebundener Variablen und der Streichung des Identitätszeichens aus der Begriffsschrift mündeten. Neben der Typentheorie Russells hat,was im ersten Abschnitt gezeigt wird, besonders seine Analyse definiter Beschreibungen Wittgensteins frühe Gedanken zur Identität angeregt, zumal er sich nach der Ablehnung von Russells Definition der Identität der neuerlichen Frage gegenübersah, ob sich Sätze, worin das Zeichen der Identität vorkommt, weiter zerlegen lassen oder ob dieses vielmehr als Urzeichen angenommen werden müsse. Diese Frage stand für Wittgenstein in engem Zusammenhang mit dem,was er als das Grundproblem der Logik ausgemacht zu haben glaubte, d. i. mit der Frage nach der Beschaffenheit eines idealen Zeichensystems, das jede Tautologie auf ein und dieselbe Weise als Tautologie erkennen ließe. Wie in einer ausführlichen Besprechung der ab-Notation im dritten Abschnitt nachgewiesen wird, war die Lösung des Grundproblems denn auch das Ziel seines fieberhaften, letztlich aber erfolglosen Versuchs, die ab-Notation auf allgemeine Sätze - und insbesondere auf solche, worin das Identitätszeichen vorkommt - auszuweiten. Der vierte Abschnitt schließlich folgt Wittgensteins neuerlichem Anlauf zur Lösung des Grundproblems, der ausgeht von einer früheren Betrachtung zu dem bereits im zweiten Abschnitt behandelten Phänomen der Rekurrenz und deren Affinität zur Frage nach der richtigen Handhabung der Identität. Am Ende erweist sich die durch eine veränderte Variablenschreibweise ohne Verlust an Ausdruckskraft ermöglichte Streichung des Identitätszeichens gleichsam als Begleitprodukt der umfassenderen Bemühung, das Grundproblem der Logik doch noch einer Lösung zuzuführen.
In: Welche Modernität?: Intellektuellendiskurse zwischen Deutschland und Frankreich im Spannungsfeld nationaler und europäischer Identitätsbilder, S. 67-80
Der Zusammenhang von Identitäts- und Machtbildung gilt nach Meinung des Autors auch in dem umgekehrten Sinne, dass die europäische Identität im Prozess der Machtbildung erworben und erfahren wird. Diese Erfahrung stärkt wiederum die Identitätsbildung und bringt einen sich selbst tragenden Prozess in Gang. Dieser These zufolge sind für die gegenwärtige Krise der Europäisierung Europas weder eine konstitutionelle Schwäche europäischer Identität noch eine unzureichende Machtbildung als solche verantwortlich sondern die Tatsache, dass kein sich selbst tragender Prozess von Identitäts- und Machtbildung entstanden ist. Diesen Mangel reflektiert der Verfasser für drei grundlegende Felder: die wirtschaftliche, politische und kulturelle Gliederung des europäischen Raumes, die Grenzen globaler Modernisierung in Europa und die Verfassung eines europäischen Selbst. Die räumliche Realisierung veralltäglichter zentrierter Herrschaft in Staat, Weltgemeinschaft, Kommune und freiem Lebensraum privater Haushalte hat ihren idealtypischen Status als Ganzes verloren und ist auch nicht in der Lage, andere Machtkonzentrationen vollständig auszuschalten. Der Autor beschreibt die "Entzauberung" des Staates durch die ökonomische Integration Europas nach Maastricht und die Erfahrungskonflikte zwischen französischen und deutschen Eliten bei der Europäisierung Europas. Die anthropologische Basis für eine europäische Anpassungsfähigkeit an eine radikal veränderte Welt kann nur durch die Selbstanerkennung des europäischen Menschen als eines sich fremden geschaffen werden; die Rückversicherung des Macht- und Identitätsbildungsprozesses kann zur Idee des "öffentlichen Glücks" führen, wie sie das Amerika des späten 18. Jahrhunderts entwickelt hatte. (ICI2)
Der Sieg der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland im »Großen Vaterländischen Krieg« ist ein zentraler Baustein der nationalen Identität Russlands. Die russische Regierung sieht die Verbreitung einer unkritischen, »korrekten« Interpretation dieses Sieges als eine wichtige Aufgabe. Um damit auch die russische Jugend zu erreichen, bedient sie sich der Unterstützung durch »patriotische« Jugendorganisationen wie Naschi. Während der Mythos zur Konsolidierung der russischen nationalen Identität beiträgt, provoziert er im post-sowjetischen Raum starken Widerstand.