PR-Ausbildung in Deutschland — ein facettenreiches Bildungproblem. Eine Einleitung -- I PR-Ausbildung in Deutschland: Historische Entwicklung und Zugangsproblematik -- Auf dem Weg zu einer Fata Morgana ? Anspruch und Wirklichkeit deutscher PR-Bildungsarbeit. Ein historischer Abriß -- "Öffentlichkeitsarbeit ist Journalisten beschwatzen und Mappen verteilen". Die Arbeitsverwaltung als Wegweiser in die Öffentlichkeitsarbeit: Eine Stichprobe -- II Berufsbezogene Studienmöglichkeiten an Universitäten -- Universitäre Public Relations-Ausbildung in den Vereinigten Staaten von Amerika: Daten, Fakten, Diskussionen -- Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Zur PR-Aus- und Weiterbildung an der Freien Universität Berlin -- Innovation in der Tradition: Praxisbezogenes PR-Studium an der Universität Leipzig -- Öffentlichkeitsarbeit und Journalistik — kompatible Felder in Lehre und Forschung? -- Public Relations als Gegenstand der Kulturwissenschaft -- III Berufsbezogene Studienmöglichkeiten an privaten Hochschulen und Fachhochschulen -- Public Relations als Lehrprogramm der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL -- Public Relations-Studium an der Hochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft Pforzheim -- IV Fachbezogene Qualifikationsmodelle auf Basis des Arbeitsförderungsgesetzes -- Das Bildungsprojekt "PR-Berater/in" der Initiative Communication, Heidelberg -- Aufbauqualifikation "Fachreferent/in für Öffentlichkeitsarbeit (DIPR)" -- Ausbildungspraxis am Potsdam-Kolleg, Berlin -- Bildungs-Angebote an der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) -- Bremisch und systemisch. Fortbildung zur PR-Beraterin/ zum PR-Berater, Fachkraft für InformationsDesign und Advertising im Berufs-Bildungs-Institut Bremen GmbH -- "Das war schon immer mein Traum!" Die ibis-Vollzeitmaßnahme "Geprüfter PR-Berater (DAPR)" -- Leipzig sieht weiter — Kommunikation in der künftigen Medienstadt -- Fortbildung für Akademiker bei TIP Fortbildung: Fachmann/frau für Public Relations/Marketing -- V Berufsbegleitende Bildungsmodelle: Kommunikationsakademien, Kirche und andere Institutionen -- Das Münchner Studienkonzept der BAW -- Kommunikationswirte für die Kirche. Fernstudiengang Öffentlichkeitsarbeit des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik e.V. (GEP) -- Berufsbegleitende Fortbildung in Aufbauform. Ein Fortbildungsangebot zur Qualifizierung von Fachkräften für die Öffentlichkeitsarbeit in gemeinnützigen Einrichtungen der Jugendarbeit, des Sozialwesens, der Bildung und der Kultur -- AIDA. Fortbildungspaket Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation des Paritätischen Bildungswerks Nordrhein-Westfalen -- Das Kölner Modell: Kommuniations-Design für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit -- VI Kompaktmodelle für die Praxis -- Deutsches Institut für Public Relations e.V. (DIPR): Trainingsangebot für Praktiker und Seiteneinsteiger -- Die AFK Akademie Führung und Kommunikation: Thesen zur außeruniversitären PR-Ausbildung, Entwicklung, Programm und Statistik -- Das Intensiv-Colleg Public Relations Ein neues Angebot berufsbegleitender PR Grundbildung — Ein Curriculum der Initiative Communication -- VII Verbandsinitiativen -- Für die Zukunft gerüstet. Deutsche Akademie für Public Relations GmbH (DAPR) setzt Ausbildungsmaßstäbe für PR-Berufe -- Die DAPR-Prüfungen: Erfahrungen mit einem Modell -- Aus- und Weiterbildung bei der Gesellschaft Public Relations Agenturen e. V. (GPRA) -- VIII Anforderungen, Rückblick und Perspektiven -- Der Modellversuch Öffentlichkeitsarbeit — zehn Jahre danach. Erfahrungen, uneingelöste Ansprüche, neue Herausforderungen -- Praxisanforderungen zukunftsorientierter Öffentlichkeitsarbeit -- Zu einer Programmatik von Lehrprogrammen der Public Relations -- Öffentlichkeitsarbeit und Kompetenz: Probleme und Perspektiven künftiger Bildungsarbeit -- IX Epilog -- Ein Gespräch mit Franz Ronneberger "Ich habe versucht, eine deutsche PR-Tradition aufzubauen" -- X PR-Bildungsmöglichkeiten auf einen Blick -- XI PR-Ausbildung in Deutschland. Eine Auswahlbibliographie -- Autorenverzeichnis.
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'Subjektpsychologie' oder 'subjektlose Psychologie' — Gesellschaftliche und institutionelle Bedingungen der Herausbildung der modernen Psychologie -- Die Thematisierung von Subjektivität im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft -- Die Selbstverständigung aufgeklärter Bürger über gesellschaftliche Subjektivitätsformen -- Bürgerliche Institutionen und die Partialisierung von Subjektivitätsaspekten -- Institutionalisierte Erkenntnisproduktion an den Universitäten und die Anfänge psychologischer Forschung -- Alternative Ansätze und Programme in der Psychologie um die Jahrhundertwende -- Die experimentelle Psychologie an den deutschsprachigen Universitäten von der Wilhelminischen Zeit bis zum Nationalsozialismus -- Die Wilhelminische Zeit -- Der Protest der Philosophen -- Die Weimarer Zeit — Institutionelle Entwicklungen -- Experimentelle Psychologie und Weimarer Ideologie am Beispiel der Rezeption der Gestalttheorie -- Von der Aufbaukrise zur Bestandskrise -- Verfolgung, "Gleichschaltung", Emigration -- Zur Herausbildung von Praxisfeldern der Psychologie bis 1933 -- Ansätze zur Prüfung und Bildung von Fähigkeiten im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft -- Individuelle Bildungsvoraussetzungen als Problem für die Effektivierung des Ausbildungssystems -- Die Herausbildung der experimentellen Pädagogik und das Problem der schulischen Arbeit -- Die Psychotechnik und die Rationalisierung der Arbeit -- Die Auseinandersetzungen um die Konzeption und Funktion der angewandten Psychologie103 -- Psychoanalyse bis 1945 -- Eckdaten zur Frühgeschichte der Psychoanalyse -- Ein psychologisches Kolloquium und die "Blütezeit unserer Wissenschaft" -- Die Psychoanalyse im Krieg -- Massenanwendung, Ausbreitung und Beruf: das psychoanalytische Unternehmen in den 20er Jahren -- "Eine erfolglose Revolution bedarf der Psychologie"(Paul Lazarsfeld) -- Von der "jüdischen" Wissenschaft zur "deutschen" Psychotherapie133 -- Polemos panton pater — Militär und Psychologie im Deutschen Reich 1914–1945 -- Der Erste Weltkrieg — Eignungsdiagnostik im technisierten Krieg -- Fortführung einer Kooperation — Die militärische Auswertung der Erfahrungen mit der Psychologie -- Offiziere, Ärzte und Psychologen — Das Problem der professionellen Zuständigkeit für die psychologische Eignungsprüfung im Heere -- Die Spezialisten- und Offiziersauslese der Reichswehr -- Die Nachfrage der Reichswehr nach Psychologen -- Die nationalsozialistische Aufrüstung und die Wehrmachtpsychologie -- Wehrmacht- und Universitätspsychologie im Nationalsozialismus -- Die Auflösung der Heeres- und Luftwaffenpsychologie 1942 -- Polemos panton pater166 -- Nationalsozialistische Ideologie und Psychologie -- Nationalsozialistische Ideologie -- Partei und Psychologie -- Das Beispiel Jaensch: die Entwicklung seiner Typologie und ihre politischen Bezüge -- Die Psychologie als Interpretin der Bewegung und der Gegentypus: Jaenschs Theorie in der Zeit des Nationalsozialismus -- Die Verbindung von Psychologie und NS-Ideologie192 -- Psychologie im westlichen Nachkriegsdeutschland — Fachliche Kontinuität und gesellschaftliche Restauration -- Die Ausgangssituation nach 1945 -- Die Wiedereinrichtung der akademischen Psychologie im Zeichen der Kontinuität -- Der mühsame Neubeginn in der außeruniversitären Berufspraxis -- Das Anknüpfen an die Tradition der Gestaltpsychologie, der Ganzheitspsychologie und der Charakterologie -- Die Beziehungen der Psychologie zu konservativen Ideologien und ihre Tauglichkeit für restaurative Prozesse -- Die pragmatistische Herausforderung217 -- Der Methodenstreit und die Amerikanisierung der Psychologie in der Bundesrepublik 1950–1970 -- Einleitung: Amerikanisierung oder amerikanische Wende? -- Einige sozio-professionelle Faktoren -- Zum Methodenstreit -- Kritische Schlußbetrachtung244 -- Die Professionalisierung der Klinischen Psychologie und die Entwicklung neuer Berufsfelder in Beratung, Sozialarbeit und Therapie -- Das Konzept 'Klinische Psychologie' -- Professionalisierung und Professionalismus -- Gesellschaftliche Hintergründe der Entwicklung und Ausbreitung der Klinischen Psychologie in der BRD seit 1945 -- Beratung als Professionalisierungsfeld der Klinischen Psychologie -- Die Tätigkeitsfelder Klinischer Psychologen heute -- Die Professionalisierung der Klinischen Psychologie im Spiegel wissenschaftsbezogener Berichterstattung266 -- Die Psychologiekritik der Studentenbewegung -- Was soll und darf dieser Beitrag? -- Die Rolle der Wissenschaftskritik in der Studentenbewegung -- Die Suche nach nützlichem Wissen im Umkreis der Psychologie -- Akademische Psychologie und Herrschaft -- Politische Praxis und Psychologie — Ein Widerspruch? -- Vom Klassencharakter der bürgerlichen Psychologie -- Marxistisch-leninistische Parteien und Wissenschaftskritik -- Folgen der Kritik für die wissenschaftliche Psychologie in der BRD307 -- Krise der Psychologie. Zur Aktualität eines traditionellen Themas -- Alle reden von der Krise — die Psychologen auch -- Die Vielfalt des Krisenbewußtseins in der Psychologie -- Das Problem der praktischen Verwertbarkeit der wissenschaftlichen Psychologie -- Die Wiederentdeckung des Subjekts -- Die Historisierung der Sozialwissenschaften -- Neue Wege wissenschaftlicher Selbstreflexion -- Zeittafel -- Personenregister -- Die Autoren.
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Der Beitrag blickt aus kultursoziologischer Perspektive auf wissenschaftliche Karrieren. Er stellt die These auf, dass die Lebenspraxis, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verkörpert wird, gleichzeitig eine vergeschlechtlichte Distinktionspraxis ist. Über die Verkörperung einer legitimen Lebensführung wird eine spezifisch akademische Männlichkeit hervorgebracht und symbolisch aufgeladen. Diese Distinktionspraxis wirkt als Zugangshürde für "neue Akteure" und als symbolisches Kapital für die bereits Etablierten. Die Folge ist für manche, insbesondere für Frauen, ein definitiver Karriereausschluss, zumindest aber ein höherer Eintrittspreis für diejenigen, die nicht unmittelbar an die legitime wissenschaftliche Praxis anschließen. Die empirische Grundlage der Argumentation bilden qualitative Interviews mit Mitgliedern der Leitungsebene von Exzellenzeinrichtungen sowie mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern auf ersten Führungspositionen im Rahmen der Exzellenzinitiative. (Autorenreferat)
Der Hansische Wirtschaftsraum ist definiert als der Raum zwischen England und Flandern im Westen und Westrußland im Osten, zwischen den skandinavischen Ländern im Norden und dem mitteldeutschen Raum im Süden, in dem das Gros der Hansekaufleute wirtschaftliche Interessen verfolgte.
´Das Forschungsprojekt ´Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800´ wurde von der Volkswagen-Stiftung im Rahmen ihres Förderungsschwerpunktes ´Forschungen zur frühneuzeitlichen Geschichte: Das Alte Reich im europäischen Kontext´ gefördert. Es handelt sich um ein internationales Verbundprojekt mit Zentrum an der ´Forschungsstelle für Geschichte der Hanse und des Ostseeraums´ am Amt für Kultur der Hansestadt Lübeck. 35 WissenschaftlerInnen aus zehn europäischen Ländern und aus Kanada sind an diesem Forschungsprojekt beteiligt. (…)
Als wirtschaftliche Wechsellagen bezeichnet man die langfristigen Schwankungen ökonomischer Variablen wie z.B. die Bevölkerungsgröße, den Ertrag der Landwirtschaft und das Preisniveau, wodurch es zu einer Strukturveränderung der Wirtschaft kam. Im vorindustriellen Zeitalter entstanden Auf- und Abschwünge durch das sich beständig verändernde Verhältnis von Produktion (vor allem im Agrarsektor) und Bevölkerungsentwicklung. (…)
Ziele des Projekts: Das Projekt will für den hansischen Wirtschaftsraum die intertemporalen Bezüge seiner wirtschaftlichen Struktur und ihre Veränderungen in ihren regionalen und 'internationalen' Bezügen anhand historisch-ökonomischer Zeitreihen verfolgen.
I. Die Erfassung ökonomisch historischer Zeitreihen aus dem hansischen Wirtschaftsraum aus dem Zeitraum zwischen 1300 und 1800 (…), die ausführliche Kommentierung der Originaldaten sowie die Gold- und Silberäquivalente der relevanten Rechengeldsysteme zur Umrechnung der Nominaldaten.
II. Statistische Analysen der Zeitreihen im Hinblick auf Konjunktur und Wechsellagen. Ökonomisch-historische Zeitreihen werden als sichtbare Indikatoren wirtschaftlicher Prozesse gesehen, die einer Analyse unterzogen werden. Erkenntnisziel ist die Zusammensetzung vorindustrieller Zeitreihen und die Klärung der Fragen, ob periodische Zyklen festgestellt werden können und ob diese Perioden - nach Raum und Zeit und Datenart verglichen - gleich- oder gegenläufig waren. (…)
III. Interpretationen dieser Zeitreihen unter ausgewählten historischen Fragestellungen. Mit Hilfe der Verlaufsformen der Zeitreihen soll vor allem ermittelt werden, welche Zeiträume gleicher und welche Zeiträume unterschiedlicher langfristiger konjunktureller Entwicklung es (bezogen auf vergleichbare Zeitreihen) im hansischen Wirtschaftsraum gab und in welchen Regionen diese gleich- und andersartigen Verläufe vorkamen.
IV. Vergleich der erzielten Ergebnisse mit vorliegenden Agrarpreisreihen, um den Zusammenhang zwischen der agrarischen Produktion als der zentralen wachstumsbestimmenden Größe der vorindustriellen Zeit und den Produktionskurven gewerblicher Güter und den Handels- und Investionsgüterkonjunkturen festzustellen.
Zentrale Regionen: Bis zum März 1997 sind rund 400 Zeitreihen erfaßt worden. In räumlicher Hinsicht bildeten sich drei zentrale Regionen heraus, die a) durch eine relativ dichte Überlieferung von Zeitreihen aus den anderen Regionen des Untersuchungsraumes hervorragen und b) sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Struktur voneinander unterschieden: 1. der niederländisch-englische Raum, gekennzeichnet durch eine dichte Gewerbelandschaft, die auf den Export von Tuchen, anderen Geweben sowie Metallfabrikaten ausgerichtet war; 2. der Bereich der wendischen Hansestädte (Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald; einbezogen wird hier auch Stade), der primär vom Zwischenhandel geprägt war und nur wenig eigene Exportproduktion aufwies; 3. der preußisch/polnisch-livländische Raum, gekennzeichnet durch den Export von land- und waldwirtschaftlichen Rohstoffen und Halbfertigfabrikaten, die vor allem in die Zentren des Westens, nach beiden Niederlanden und nach England gingen.
Funktionen: Nach ihrer Funktion werden die Zeitreihen in die vier folgenden Kategorien gegliedert: - landwirtschaftliche Produktion und Bergbau (Sektor 1), - gewerbliche Produktion (Sektor 2), - Handel und Dienstleistung (Sektor 3) - und in Preisreihen. Pro Kategorie sind folgende Zeitreihen erhoben worden. Sektor 1: 50 Zeitreihen (Salz-, Silber-, Kupfer- und Bleiproduktion, Roherzförderung, Erträge der Bergwerke, Belegschaftszahlen; zeitlicher Schwerpunkt: spätes 16. Jahrhundert bis 1800) Sektor 2: 20 Zeitreihen (Tuch-, Bier-, Essig- und Münzproduktion) Sektor 3: 300 Zeitreihen (landesherrliche und städtische Zolleinnahmen unterschiedlicher Differenzierung, städtische Steuern auf den Verkauf unterschiedlicher Güter, Akziseeinnahmen unterschiedlicher Differenzierung, Wareneinfuhr und -ausfuhr, Warenumsätze, Schiffsfrequenzen, Geleitsgebühren, städtische Immobilien- und Rentenmärkte, Löhne u.v.a.m.). Preisreihen: 70 Zeitreihen (Tuche, Mieten, Lebensmittel wie Getreide, Butter, Ochsen, Heringe u.a.m., andere Verbrauchsgüter wie Feuerholz und Talg)."
Gekürzter Auszug aus: Hammel-Kiesow, Rolf (1997): Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800. Ein internationales Projekt an der Forschungsstelle für Geschichte der Hanse und des Ostseeraumes der Hansestadt Lübeck. Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V., http://www.ahf-muenchen.de/Forschungsberichte/Berichte/HammelKiesow.shtml.
Aus der Einleitung: Diese Arbeit hat die Darstellung des Fremden in ihrer Entwicklungstendenz durch Beispiele der Chinaforschung in Deutschland mit den Sichtweisen der Forscher, den Diskursen und Methoden in der Vergangenheit und Gegenwart zusammengestellt und diskutiert. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Fremdheitsprofile Chinas, der Chinesen und der chinesischen Kultur in der deutschen Forschungsliteratur (im weitesten Sinne) untersucht. In der Forschung über China sind verschiedene kulturrelativistische und kulturalistische Ansätze verbreitet, die zwar fruchtbare Möglichkeiten bieten, sich China als fremder Kultur zu nähern, jedoch sollten nach Meinung der Verfasserin Kultur bezogene Erklärungen gesellschaftlicher (politischer oder ökonomischer) Vorgänge nicht überschätzt werden. Die Darstellungen Chinas als fremdes Land sind meist xenophob oder xenophil motiviert. Während sich die Chinaforschung mit chinesischer Kultur beschäftigt, findet kaum eine theoretische Reflexion über den Begriff Kultur statt. Ebenso wenig, wie über den Begriff der Kultur reflektiert wird, findet in der Forschung eine Reflexion über die Forschungsmethoden statt, besonders den Kulturvergleich und das Kulturverstehen. Traditionell wurde ein Kulturvergleich oft in der Weise vorgenommen, dass das Chinabild als positives oder negatives Gegenbild zum Westen entworfen wurde. Diese Kontrastierung wird der Wirklichkeit Chinas nicht gerecht. Auch wenn diese Kontrastierung des Westens mit einem einseitgen, entweder positiven oder negativen Chinabild heute durch vielfältige andere Chinadarstellungen ergänzt wird, ist es nötig, sich über den Kulturvergleich Gedanken zu machen. Wie dies aussehen könnte, wurde in der vorliegenden Arbeit gezeigt. Das Ziel der Forschung sollte sein, die Möglichkeiten des Kulturverstehens - sowohl der fremden als auch der eigenen - zu erweitern. Zu diesem Zweck sollte in der kulturtheoretischen Fremdheits- bzw. Chinaforschung eine verstärkte Reflexion über Begriff und Konzept des Kulturverstehens stattfinden, aber auch die Reflexion über das Spannungsverhältnis von Eigenem und Fremdem könnte in der Forschung noch vertieft werden.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Inhalt3 Einleitung8 1.Absicht und Methode der Arbeit8 1.1Gegenstand und Ziel der Untersuchung8 1.2Das Textkorpus9 1.3Aufbau und Gliederung der Arbeit11 1.4Zur Methode der Untersuchung13 2.Forschungsbericht: China als fremdes Land und fremde Kultur14 2.1Chinaforscher in der Geschichte16 2.2Chinaforscher in der Gegenwart19 2.3Die Sinologie21 2.4Die außeruniversitäre institutionelle Chinaforschung25 2.5Chinabilder in den Massenmedien27 2.6China-Reiseführer31 2.7Kulturtheoretische Kritik der Forschung33 1.Kapitel: Dokumentation. Fremdheitsprofilierungen Chinas in verschiedenen Diskursen zwischen 1949 und 200537 1.1Historischer Rückblick: Vorstellung über China als Fremde in der Geschichte37 1.2Chinaprofilierungen zwischen 1949 und 200538 1.2.1Zeit übergreifende Profile38 1.2.2Zeitspezifische Profilierungen39 1.2.2.1Von der Gründung der Volksrepublik bis Ende der 1960er Jahre39 1.2.2.21970er bis Anfang der 1980er Jahre40 1.2.2.3Anfang der 1980er Jahre bis 198941 1.2.2.41990 bis 199742 1.2.2.5Nach 199743 1.2.2.6Aktuelle Diskussionen45 1.2.3Profilierung in der gegenwärtigen Chinaforschung: Interessen und Themen47 1.2.3.1Politische China-Profilierung51 1.2.3.1.1Politisch-strategische China-Analysen51 1.2.3.1.2Über das Dilemma zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen53 1.2.3.1.3Über die Situation der Menschenrechte56 1.2.3.1.4Über die Situation der Rechtsstaatlichkeit58 1.2.3.1.5Über die "Angemessenheit" der "westlichen Demokratie" und der Menschenrechte für China61 1.2.3.1.6Über die Möglichkeit und Perspektive einer "chinesischen Demokratie"62 1.2.3.1.7Traditionalismus und Nationalismus in China67 1.2.3.2Ökonomische China-Profilierung69 1.2.3.2.1Wirtschaftliche Interessen an China70 1.2.3.2.2Volkswirtschaftliche Analyse73 1.2.3.2.3Über den Einfluss von Chinas Erfolg auf Deutschland bzw. den Westen75 1.2.3.2.4Regionale Ungleichheit statt Ganzheit76 1.2.3.2.5Wirtschaftspolitische Analyse77 1.2.3.2.6Markterschließung, Investitionsberatung und Management-Training85 1.2.4China in der kulturwissenschaftlichen Forschung94 1.2.5Kulturanthropologische Profilierung: "die Chinesen"96 1.2.5.1Zum chinesischen "Volkscharakter"98 1.2.5.2"Die heutigen Chinesen"101 1.2.5.3"Ethnische Chinesen" - ein neuer Diskurs gewinnt an Bedeutung104 2.Kapitel: Xenologische Kritik an den Vorstellungen von China als kultureller Fremde107 2.1Grundlegende xenologische Annahmen107 2.2China als das "Fremde" und das "Eigene" in den Fremdheitsprofilen111 2.2.1Rätselhafte Fremde und xenophobe Profilierungen111 2.2.2"Schöne Fremde"112 2.2.3"Das Fremde als das aufgefasste Andere"114 2.2.4Das Fremde und das Eigene116 3.Kapitel: Kritik an den kulturtheoretischen Vorstellungen von China als fremder Kultur123 3.1Vorstellungen von chinesischer Kultur in den Fremdheitsprofilen123 3.2Umarbeitung chinesischer Kultur in konsistente Orientierungsmuster für die interkulturelle Wirtschaftskommunikation125 3.3Eindeutige und widerspruchsfreie Entitäten und "kultureller Kern"128 3.4Traditionalistische Klischees statt Dynamik und Wandel129 3.5Chinesische Kultur: Selbstgärung ohne Umwelt?136 3.6Einheit statt Vielfalt der chinesischen Kulturen137 3.7Universalität versus Partikularität der kulturellen Merkmale138 4.Kapitel: Kulturrelativistische und kulturalistische Ansätze in den Fremdheitsprofilierungen141 4.1Kulturrelativismus141 4.2Kulturalismus148 4.3Überlegungen zum Kultur vergleichenden Profilieren der Fremde154 4.3.1Analyse konkreter Beispiele: "Gesicht", "Beziehung" etc.154 4.3.2Theoretische Überlegungen zum Kulturvergleich167 4.3.2.1Übersetzbarkeit und kontextuelle Rekonstruktion169 4.3.2.2Stereotypenforschung170 4.3.2.3"Interkulturalität" statt "Interkollektivität"172 4.3.2.4Gegenstand des Kulturvergleichs: Differenzen, Gemeinsamkeiten und "Kulturbegegnungen"174 4.3.2.5"Kulturthemen" - Phänomenologie des Kulturvergleichs178 4.3.2.6Motive, Zielsetzung und Anspruch183 5.Kapitel: Kulturverstehen - Erkenntnisse über fremde Kulturen und Länder aus Fremdheitsprofilierungen186 5.1Epistemisches aus der Fremdkulturfoschung186 5.2Interkulturelle Hermeneutik187 5.2.1Hermeneutische Forschung187 5.2.2Hermeneutik und Xenologie: Verstehen und Interpretation der Fremde188 5.2.3Hermeneutik der Interkulturalität194 6.Kapitel: Ergebnisse und Zusammenfassung206 7.Quellen- und Literaturverzeichnis211Textprobe:Textprobe: Kapitel 1.2.3.2.5, Wirtschaftspolitische Analyse: Ein wichtiges Stichwort zur Analyse der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist die 'sozialistische Marktwirtschaft'. Sie ist zugleich ein wichtiges Stichwort der wirtschaftspolitischen Profilierung Chinas. Eine vergleichende Darstellung der deutschen und der chinesischen Wirtschaftsordnung wurde 1995 bei einer gemeinsamen Tagung der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften Beijing und dem Forschungsinstitut für Philosophie Hannover von Wissenschaftlern aus beiden Ländern begonnen. Die Ergebnisse mündeten in dem Buch Sozialistische Marktwirtschaft - soziale Marktwirtschaft: Theorie und Ethik der Wirtschaftsordnung in China und Deutschland. Vor einer Rekonstruktion der vergleichenden Profilierung chinesischer Wirtschaftsordnung in dem oben genannten Buch ist eine Betrachtung der zentralen Begriffe geboten, um die Vergleichbarkeit beider Wirtschaftsordnungen zu durchleuchten. Dabei auf die Anwendung jener klassisch-politisch definierten Begriffe "Sozialismus" und "Kapitalismus" zu verzichten, ist sicherlich ratsam, da die wirtschaftliche Ordnung in der Praxis schon längst nicht mehr so zu kategorisieren ist, wie sie von der marxistischen Theorie dargestellt wurde - falls sie es überhaupt jemals gewesen ist. Aus der Perspektive der modernen wirtschaftspolitischen Analyse sind die Wirtschaftsordnungen in zwei Hauptkriterien einzuteilen: Koordinationsverfahren und Eigentumsordnung. In Bezug auf die Eigentumsordnung fächert sich die abnehmende marktwirtschaftliche Ordnung auf der Skala vom Priorität-Gewähren des Privateigentums über das Priorität-Gewähren privaten und öffentlichen Eigentums bis zum Priorität-Gewähren öffentlichen Eigentums. In Bezug auf das Koordinationsverfahren nehmen marktwirtschaftliche Elemente ab: von der marktmäßigen Vereinbarung über die Kombination der marktmäßigen Mechanismen mit Lenkungsmaßen bis zur Verwaltungswirtschaft. Die Koexistenz der Prioritäten des öffentlichen und privaten Eigentums bzw. der marktmäßigen bzw. planungsmäßigen Lenkungsmaßnahmen sind in beiden Systemen, der deutschen und chinesischen Wirtschaftsordnung, präsent. Trotz quantitativer Unterschiede in der gegenwärtigen Setzung der verschiedenen Prioritäten verlaufen die Entwicklungen in beiden Systemen in die gleiche Richtung: Es gibt immer mehr Privatisierung und mehr marktmäßige Koordination. Der entscheidende qualitative Unterschied liegt in der rechtsstaatlichen Ausgangsbasis. So markiert nach Peter Koslowski der Begriff "Soziale Marktwirtschaft" in China den Versuch, die Wandlung von einer Zentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft zu vollziehen und dabei "Elemente des Sozialismus weiterhin gültig sein zu lassen", z. B. autoritäre Elemente. Der Begriff "Soziale Marktwirtschaft" markierte und markiert in der Bundesrepublik Deutschland den Versuch, eine freiheitliche Ordnung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zu verwirklichen, die dem Leitbild der Marktwirtschaft und ihrem Gedanken der liberalistischen Privatrechtsautonomie verpflichtet ist, aber auf soziale Elemente insofern zurückgreift, als sie eine Sozialversicherung und gewisse Elemente der Umverteilung, etwa durch die Besteuerung und Transferzahlung, für die Sicherung einer freiheitlichen Ordnung für unabdingbar hält. In Bezug auf die wirtschaftspolitische Lage Chinas spricht Barbara Krug von einer "Koexistenz von plan- und marktwirtschaftlichen Strukturen" und einer "Situation 'institutioneller Schwäche', indem keines der Wirtschaftssysteme seine jeweiligen Sanktionen oder Anreize voll entfalten kann". Gemeinsam hat China laut Krug mit allen sozialistischen Ländern am Anfang der Reformen das "Fehlen von privater Ersparnis, handelbaren Produktionsfaktoren, Vertragssicherheit und Durchsetzbarkeit von privaten Eigentumsrechten". Speziell an China sei die institutionelle Schwäche auch in Bereichen, wo private Unternehmen zugelassen und erwünscht seien: Das Fehlen von Mittlerinstitutionen, z. B. "Banken, die Informationen potentieller Handelspartner generieren sowie Ersparnis poolen", "Anwälte, die die Vertrauenswürdigkeit potentieller Partner garantieren oder bindende Verträge aushandeln" sowie Dienstleistungen wie z. B. die Werbewirtschaft. Aus diesen Gründen schätzt Krug die Situation in China als "Situation der Unsicherheit und des Risikos" ein, was Unternehmensgründer ihrer Meinung nach einkalkulieren müssen. Dass die klassische Bezeichnung und das Verständnis von 'Sozialismus' oder 'Kapitalismus' immer mehr an ihrer ursprünglichen Bedeutung in Interdependenz zum gesamten politischen System verliert, zeigt auch der Wandel in der Bezeichnung der chinesischen Wirtschaftsordnung: Man verabschiedet sich von der "sozialistischen Marktwirtschaft" und spricht nun vom "Kapitalismus" als einem Merkmal der chinesischen Wirtschaft. Dieter Kuhn, Professor für Sinologie in Würzburg, fasst diese marktwirtschaftliche Entwicklung in China wie folgt auf: "Wenn wir die jüngsten Erklärungen und Planungen zu weiteren Reformen der Wirtschaft (vor allem im Kreditwesen, bei Investmentfonds und für Hightech-Unternehmen) in der Volksrepublik China betrachten, dann kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass der chinesische Premierminister Zhu Rongji um eine privatwirtschaftliche Anpassung an internationale Gegebenheiten bemüht ist. Da dies nicht um jeden Preis geschehen kann, bleibt abzuwarten, wie sich der Wettbewerb zwischen den chinesischen und dem amerikanischen Kapitalismus, der auch in den Vereinigten Staaten selbst und in British Columbia in Kanada bereits begonnen hat, entwickeln wird." Kuhn spricht vom "chinesischen Kapitalismus und seinen Besonderheiten". Die Grenzen der Demokratisierung, "bis zu denen sich der chinesische Kapitalismus auf den Kapitalismus des freien Marktes nach amerikanischem Modell politisch und wirtschaftlich einlassen kann", liegen nach Kuhn wegen den demographischen Bedingungen in der begrenzten Demokratisierung Chinas und im traditionalistischen chinesischen "Netzwerk", einer Art Wirtschaftsstruktur und –Kultur der "ethnischen Chinesen" mit Bezug auf die zwischenmenschliche Beziehung und mit "Familienbetrieben" als "Kern". Hier ist eine starke kulturalistische Argumentationsweise zur Unterstützung der These der institutionellen Rahmenbedingung der Wirtschaft zu erkennen. Verstärkt wird diese Argumentationsweise durch die Idee des chinesischen Sonderweges, der sich notwendigerweise aus kulturellen und gesellschaftlichen Gründen ergeben hat. Für das demographische Problem auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt, in der Verkehrspolitik und auch in der Sozialversicherung sieht Kuhn für den chinesischen Kapitalismus den Ausweg darin, Lösungen zu suchen, "die für China tauglich sind": "Die Regierung Chinas muss (...) eigene, auf China bezogene Strategien entwickeln, um das wirtschaftliche und demographische Problem des Landes zu lösen. (...) Es gibt bereits viele Indikatoren, die nahe legen, dass eine kapitalistische Struktur in der zukünftigen Wirtschaft in
Overview and introduction "Which organizational forms produce science? Expansion, diversity, and cooperation in Germany's higher education and science system embedded within the global context, 1900-2010". Already the title of my dissertation manifests an approach that examines the topic of the development of scientific productivity in the German higher education and science landscape from different perspectives: levels, dimensions, and an extensive timeframe. Deriving from and contributing to the international research project "Science Productivity, Higher Education, Research and Development, and the Knowledge Society" (SPHERE), my research focuses on the investigation of the influence of higher education development and science capacity-building on scientific knowledge production, globally, comparatively, and considerable depth for Germany, a key science producer for well over a century. Focusing mainly on the different structures and institutional settings of the German higher education and science system, the dissertations shows how these affected and contributed to the long-term development of scientific productivity worldwide. The historical, comparative, and in-depth analyses are especially important in light of advancing globalization and internationalization of science, stronger networks of scientists worldwide, and the emergence of the "knowledge society". The research design combines macro- and meso-level analyses: the institutionalized and organizational settings in which science is produced. Since information about single authors was limited in availability, extensive micro-level analyses were not possible here, yet the research articles analyzed were all written and published by individuals working in organizations, which are in the center of analysis here. By reference to the dimensions expansion, diversity, and cooperation, I elaborated the frame of my investigation, and sorted my research questions, including country, organizational field and form, and organizational levels. The structure of this work (see outline) addresses these themes and the observed timeframe spans the years from 1900 to 2010 – more than a century (see section 1.2). My main goal was to investigate how and why scientists publish their research results in peer-reviewed journal articles. The point is to emphasize the importance of scientific findings/discoveries, because non-published results are non-existent for the scientific community. From the ways and in which formats scientists publish their work, we can deduce how science is organized (within and across disciplines). My dissertation analyzes publications in peer-reviewed journals, because they are the most important format – alongside patents in applied fields – to disseminate new knowledge in science, technology, engineering, mathematics, and health (hereafter STEM+ fields). Articles not only record new knowledge, but also contribute to the reputation of researchers and their organizations. Journal publications in reputable journals with peer-review have become the "gold standard" measure of scientific productivity. Within the last several decades, the scientization of many dimensions of societal life proceeded, and the generation of new knowledge increasingly became the focus of political, economic, and social interests – and research policymaking. Therefore, it is important to identify the institutionalized settings (organizations/organizational forms) in which science can best be produced. Here, the diverse types of organizations that produce science – mainly universities, research institutes, companies, government agencies and hospitals – were identified and differences and similarities of these organizational forms were analyzed on the basis of their character, goals, tasks, and the kinds of research their members produce. In a first step, I show why I structured my work at the interface of higher education research, science studies, and bibliometrics (see chapters 2 and 5). Analyzing publications is still the key task of bibliometrics, but the results are used by many other actors as well: higher education managers, politicians, and scientists themselves to make claims about the quality of science, to compare each other, or to influence the structure, organization, and output of the higher education and science system. While it is difficult to make direct statements about the quality of research on the basis of simply counting the number of research articles a scientist publishes, the quality of journals is used as a proxy to compare across disciplines. To measure quality, other parameters are necessary. Thus, here statements focus on the quantity of science produced, not on the intrinsic quality of the analyzed research articles, the specific research achievements of individual scholars, organizations or organizational forms, or even countries. Nevertheless, output indicators elaborated here definitely show the huge expansion of scientific production and productivity, the stability of the research university over time as the most important science producer in Germany, but also rising differentiation and diversification of the organizational forms contributing to overall scientific output. Furthermore, the start of a considerable and on-going rise in national and international collaborations can be dated to the early 1990s. The chapter about the multidisciplinary context (see chapter 2) discusses the relationship between higher education research and science studies in Germany as well as the special position of scientific knowledge in comparison to other forms of knowledge. Scientific knowledge is generated, distributed, and consumed by the scientific community. To get an overview about the most important studies in the field, and to contextualize my work within the already existing empirical studies, I describe the current state of research in chapter 3. Research questions Section 1.2 provides a detailed description of my research questions: Which organizational forms produce science? 1. How has worldwide and European scientific productivity developed between 1900 and 2010 in comparison? 2. How has the German higher education and science system been embedded in the global developments of higher education and science over time? 3. How has scientific productivity in Germany developed between 1900 and 2010? 4. Among all science-producing organizational forms, what do the key organizational forms contribute to scientific productivity? 5. Which organizational forms provide the best conditions for scientific productivity? 6. Which single organizations produce the most research in Germany? 7. What is the impact of increasing internationalization of research on national and international cooperation, measured in publications in scientific journals? Theoretical framework Theoretically (see chapter 4), I apply a neo-institutional (NI) framework to explore and explain both the tremendous expansion of higher education and science across the world and considerable differences across time and space in the institutional settings, organizational forms, and organizations that produce scientific research in Germany. Sociological NI focuses on understanding institutions as important in guiding social action and shaping processes of social development. Such an approach emphasizes the development, functioning, and principles of institutions. Milestones in NI describe the nexus of organization and society supposing that organizational structures express myths and reflect ideals institutionalized in their environment. While capturing, copying, and asserting these, structural similarity (institutional isomorphism) between organizations in society will be established. The concept of "organizational field" emphasizes relationships between organizations within an environment. Organizational fields (communities) consist of all relevant organizations. In section 4.1.2 I discuss the differences between institutions and organizations and the difficulty of a distinction of the terms, especially in German-speaking sociology, which does not distinguish clearly between these terms. Fundamentally, NI approaches differ in the dimensions or pillars and levels of analysis they privilege (see figure 5, p. 80), but they share fundamental principles and the theoretical framework. Thus NI is particularly suitable for a multi-level analysis of scientific productivity across time and space. The historical development of the German higher education and science system must analyzed considering also global developments, because on the one hand it had an enormous impact on the development of other systems worldwide, and, on the other hand, global trends affect the on-going institutionalization and organization(s) of science in Germany. Intersectoral and international cooperation is growing and becoming increasingly important, leading to diverse networks within and between higher education and science systems worldwide. The classical, national case study is hardly longer possible, because macro units like countries are highly interdependent, embedded in global, regional and local relationships, such that borders between the global and the national dimension are increasingly blurred. Nevertheless, countries are units with clearly defined boundaries and structures, thus they can be handled as units to compare. The theoretical perspectives and different levels of analysis addressed here are displayed in Figure 5. I apply the "world polity" approach as a broader lense with which to make sense of the truly global arena of higher education and science (macro level). The focus of this perspective is on global and international structures and processes, which developed over time. Through this perspective, I explore global diffusion and formal structures of formal principles and practical applications. Combining historical and sociological institutionalism helps to focus on developments and processes over time on the meso level, to explain how institutions have developed and change(d). The concepts of "critical junctures" and path dependencies are useful to explain these processes over time. To describe the transformation of knowledge production over the entire twentieth century, and to analyze different organizational forms that produce science in Germany, two prevalent theoretical concepts are discussed: Mode 1 versus Mode 2 science, and the Triple-Helix model to describe the relationship between science, industry and state. In "The New Production of Knowledge" Michael Gibbons and his colleagues describe the transformation of knowledge from an academic, disciplinary, and autonomous – "traditional" – organization of science (Mode 1) with a focus on universities as the key organizational form, to a more applied, transdisciplinary, diverse, and reflexive organization of science (Mode 2) that features a more diverse organization of science, relying on a broader set of organizations producing knowledge. Within the literature, debates center on whether this new model has replaced the old, and which of these models best describes the contemporary organization of science (here: the STEM+ fields). In turn, the Triple-Helix model preserves the historical importance of the universities. This approach assumes that future innovations emerge from a relationship between universities (production of new knowledge), industry (generation of wealth), and state (control). Data and methods In these analyses, only peer reviewed journal publications were used – as the best indicator for measuring the most legitimated, authoritative produced science. This focus enabled an investigation of publications in-depth and over a 110 year timeframe. Research articles in the most reputable, peer-reviewed, and internationally reputable journals are the gold standard of scientific output in STEM+. The data I used is based on a stratified representative sample of published research articles in journals in STEM+-fields. My measure relies on the key global source for such data, the raw data from Thomson Reuters' Web of Science Science Citation Index Expanded (SCIE) (the other global database is Elsevier's Scopus, which also indexes tens of thousands of journals), which was extensively recoded. Methodologically, my approach is based on a combination of comparative institutional analysis across selected countries and historically of the German higher education and science system, and the systematic global evaluation of bibliometric publication data (see chapter 6). The SCIE includes more than 90 million entries (all types of research), mainly from STEM+-fields. I focus on original research articles, because this type of publication contains certified new knowledge. The SPHERE dataset covers published research articles from 1900 to 2010. From 1900 to 1970, we selected data in 5-year-steps in the form of a stratified representative sample. From 1975 onwards full data is available for every year. Depending on the research question, either five or ten-year steps were analyzed. A detailed description of the sampling and weighting of the data can be found in chapter 6. In consideration of the criteria above, I analyzed 17,568 different journals (42,963 journals were included into the database if we count the same journals in different years), and a total of 5,089,233 research articles. To prepare the data for this research, it had to be extensively cleaned and coded. Very often our international research team found missing information on the country level and/or on the level of organizations/organizational forms. From June 2013 to December 2015, research in the archives of university libraries was necessary to manually add missing information, particularly organization location and author affiliations. In the field of bibliometrics, we find different methods to count publications. In this work, I mainly apply the "whole count" approach (see table 1, p. 126). This decision is based on the assumption that every author, organization, or country contributed equally to a publication. An overestimation of publications can't be precluded, because research articles are counted multiple times, if a paper is produced in co-authorship, which has been rising worldwide over the past several decades. The absolute number of publications (worldwide, Europe, Germany) is based on a simple counting of research articles (without duplicates, in cases of co-authored articles). Summary of the most important results The empirical part of my work is divided into three parts. In the following sections, I will present the most important findings. The global picture – higher education and science systems in comparison The central question of my research project was "which organizational forms produce science"? For a better understanding and classification of the results of my case study, I embedded the German higher education and science system into the European and global context. I answered the questions "how did the worldwide and European scientific productivity developed between 1900 and 2010 in comparison", and "how was/is the German higher education and science system embedded in global developments of higher education and science over time" as follows: First, I show that the worldwide scientific growth followed a pure exponential curve between 1900 and 2010 (see figures 3 and 10; pp. 50, 147) – and we can assume that this strong upward trend continues today. The massive expansion of scientific production had and still has a tremendous influence on societal developments, beyond simply economic and technical developments, but rather transforming society. I show that higher education and science systems worldwide exhibit communalities, which have led to similar developments and expansion of scientific productivity. The comparison of important European countries (Germany in comparison with Great Britain, France, Belgium and Luxembourg) uncovered the contribution of the development and spread of modern research universities and the extraordinary and continued rise in publication output (see section 7.2; Powell, Dusdal 2016, 2017a, 2017b in press). Within the global field of science, three geographical centers of scientific productivity have emerged over the twentieth century: Europe, North America, and Asia. Their relative importance fluctuates over time, but today all three centers continue to be the key regions in the production of scientific research in STEM+ journals. Especially in Asia, the growth rates have risen massively in recent years (Powell et al. 2017 in press). Second, I investigated that all countries worldwide invest more into research and development (R&D) (figure 9, p. 140). These investments have a clear impact on the scientific productivity of nations, yet there are important differences between countries in absolute production and productivity rates. Alongside direct investments in R&D or the application of patents in STEM+-fields that influence the expansion of science, the capacity for producing more knowledge fundamentally depends on rising student enrolments, a growing number of researchers, the widening of research activities into various arenas of society, the development of products, and the (re-)foundation of universities (Powell, Baker, Fernandez 2017 in press). As part of the higher education expansion and massification during the 1960s and 70s, the numbers of researchers and students rose tremendously. The growth of scientific publications thus results from the on-going institutionalization of higher education and science systems worldwide. The growth of publications is also explained by the steady growth in the number of researchers working within these growing – and increasingly interconnected – systems. Third, I could reject the argument of Derek J. de Solla Price that the pure exponential growth of scientific literature has to flatten or would slow-down several decades after the advent of "big science" (see paragraph 2.4; figure 4 and 10; p. 53, 147). Although radical historical, political, economical, and technical events (see figure 11, p. 150) led to punctual short-term decreases in publication outputs, the long-term development of universities and other organizational forms producing science led to sustained growth of scientific publications, with the numbers of publications rising unchecked over the long twentieth century. In 2010, the worldwide scientific productivity in leading STEM+ journals was about one million articles annually. Fourth, I could show that the absolute numbers have to be put into perspective and standardized in relation to the investments in R&D, the size of the higher education and science systems, the number of inhabitants (see figure 12, p. 159), and the number of researchers (table 3, p. 162; figure 13, p. 164). The initial expansion of scientific publications in STEM+-fields is based on a general growth of higher education and science systems. The different institutional settings and organizational forms that produce science have an impact on scientific productivity. The selected country case studies – Germany, Great Britain, France, Belgium and Luxembourg – demonstrate that systems with strong research universities are highly productive; they seem to provide conditions necessary for science. As a result, not only the number and quality of researchers is important, but also the institutional and organizational settings in which they are employed. Fifth, in international comparison, Germany continues to contribute significantly to scientific productivity in STEM+ fields. With an annual growth rate of 3.35%, Germany follows the United States and Japan. In 2014, German governments invested €84.5 billion in R&D – 2.9% of overall GDP. The EU-target of 3% by 2020 was barely missed. In 2010, Germany produced 55,009 research articles (see table A5). In comparison to Great Britain, France, Belgium and Luxemburg, Germany still leads in scientific output in Europe –comparing just the absolute numbers. The size of the country itself and the institutionalization of the higher education and science systems influence publication outputs, of course, with these absolute numbers in relation to other key indicators showing a different picture. Standardized by the number of inhabitants, Germany published less articles per capita than Belgium and Great Britain. The number of researchers amounted to 327,997 (FTE) in 2010. The ratio of inhabitants to scientists was 1,000:4. Among these countries studied in-depth, Luxembourg and Great Britain had more researchers per capita than did Germany. The interplay of the organizational forms of science in Germany between 1900 and 2010 On the basis of the analysis of the global and European contexts, and development of worldwide scientific productivity over time in chapter 7, I started the in-depth case study of Germany. Bridging this overview and the following in-depth analyses is a chapter on the institutionalization of the German higher education and science system (see chapter 8). Here, I described the most important institutions and organizations and the organizational field – universities, extra-university research institutes and universities of applied sciences. Furthermore, I discussed the differences between West and East Germany during their division (1945–1990). Summarizing the most important results shows that the development of publications in Germany follows global and European trends (on a lower scale) (see figure 16, p. 208). Over time, Germany experienced pure exponential growth of scientific publications and a rising diversity of organizational forms that contribute to scientific productivity (see sections 9.1 and 9.3). I answered the following three research questions: "how has the scientific productivity in Germany developed between 1900 and 2010", "among all science producing organizational forms, what do the key organizational forms contribute to scientific productivity", "which organizational forms provide the best conditions for scientific productivity", and "which single organizations are the most research intense in Germany"? First, the growth curve of scientific publications in Germany turns out as expected – it shows pure exponential graph, comparable with the worldwide and European development of scientific productivity between 1900 and 2010. Here, too, cataclysmic events such as the two world wars and the Great Depression as well as reunification had only short-term (negative) impact (figure 11, p. 150) on scientific productivity, without even a medium-term slow-down or flattening of the curve. By 2010, the total number of publications in STEM+ fields by researchers in German organizations topped 55,000 in one year alone. Second, a detailed examination and comparison of the development of scientific productivity in West Germany and East Germany between 1950 and 1990 showed that the growth rate of Germany (altogether) was based mainly on steady growth of scientific publications in West Germany (see figure 17, p. 211). The growth curve of the former GDR was quite flat and proceeded on a very low level. As a result, I conclude that the GDR's higher education and science system, based on its academy model, did not provide conditions for scientific productivity as optimally as did the BRD. Third, a detailed analysis of the "key classical" organizational forms of science – universities and extra-university research institutes – show that universities were and are the main producers of scientific publications in STEM+ from 1975 to 2010 (see figure 18, p. 217). On average, university-based researchers produced 60% of all articles and defended their status against other organizational forms, which leads to the rejection of the Mode 2 hypothesis. Non-university publications reached an average of 40%. But that does not mean that other organizational forms were not producing science as well. The percentage share of articles is ultrastable and shows only marginal variations. The thesis that the proportion of university publications should decrease over time can be rejected for the period from 1975 to 2010. This suggests that scientific productivity of universities is actually rising, since despite decreasing financial support (R&D) in favor of extra-university research institutes, the universities produced more research articles with less resources over time. Fourth, although not only scientists within universities and research institutes publish their research in scientific journals, jointly these organizational forms have produced more than three-quarters of all research articles since 1980. Already in the earlier years, they produced a large number of scientific articles. Other organizational forms also generate scientific knowledge (for an extensive description of the organizational form matrix, see table 4, pp. 222f.). Especially scientists in firms, government agencies, and hospitals publish articles in peer-reviewed journals in STEM+ (see figures 19 and 20; pp. 220, 246). Indeed, the universities have been the driving force of scientific productivity for more than a century. With their specific orientation to basic research and their linkage of research and teaching, they provide conditions that facilitate the production of science. Universities are among the oldest institutions with a high degree of institutionalization. All other organizational forms (academies, associations, infrastructures, laboratories, military, museums and non-university education) were identified in the dataset played only a minor role and were summarized in the category "further types". Fifth, the analysis of the ten most research-intensive single organizations in Germany in the year 2010 confirmed the results. Only universities and institutes were part of this group. A summary of publications of single institutes under their umbrella organizations shows that the institutes of the Max Planck Society and of the Helmholtz Association are the leading science producers in Germany, outpacing the scientific productivity of universities, but only when aggregating the contributions of dozens of individual institutes (see table 5, p. 259f). An analysis of single institutes shows that these research institutes cannot compete with universities, because of their size and the number of researchers. The Charite – Universitätsmedizin Berlin, a hybrid organization, is another leading science producer in Germany. National and international cooperation of scientific research Finally, increasing internationalization of research has impacted on national and international cooperation. leading to collaboratively-written publications in scientific journals. Through advancing globalization, national and international scientific cooperation increased in volume and importance. International cooperation in STEM+ is facilitated by the reputation of the research organization and of the co-authors, higher visibility within the scientific community and more possibilities for interdisciplinary research as well as better or more specialized facilities. Today, more than a third of all research articles worldwide are produced in scientific collaboration; only around a quarter are single-authored articles. In contrast to Humboldt's principle "in Einsamkeit und Freiheit" (in loneliness and freedom), research is no longer done by one scientist, but is much more likely the result of collaboration. Research networks are increasingly important, and researchers share their common interests on a research question, publishing their results in joint publications. Researchers, organizations, and indeed countries differ in the ways they organize their research and thus how they enable research and collaboration. This depends on location, size, higher education and science system, the organizational field and organizations. Here, varying patterns of scientific cooperation were presented, showing a massive increase in scientific collaboration in (inter)national co-authorships over time. Until the 1990s, researchers in all investigated countries (France, Germany, Great Britain, USA, Japan, China, Belgium, Luxembourg) published their research articles mainly as single-authored papers. Only since the 1990s have co- and multi-authored publications risen (considerably): In 2000, only a third of all publications were published by one author. In 2010, the proportion reached its lowest level with only one-fifth of all papers single-authored (see table 6, pp. 279f). Countries differ considerably in their amount of collaboratively-written research articles. References Powell, J. J. W. & Dusdal, J. (2016). Europe's Center of Science: Science Productivity in Belgium, France, Germany, and Luxembourg. EuropeNow, 1(1). http://www.europenowjournal.org/2016/11/30/europes-center-of-science-science-productivity-in-belgium-france-germany-and-luxembourg/. Last access: 13.12.2016. Powell, J. J. W. & Dusdal, J. (2017a): Measuring Research Organizations' Contributions to Science Productivity in Science, Technology, Engineering and Math in Germany, France, Belgium, and Luxembourg. Minerva, (). Online first. DOI:10.1007/s11024-017-9327-z. Powell, J. J. W. & Dusdal, J. (2017b in press). The European Center of Science Productivity: Research Universities and Institutes in France, Germany, and the United Kingdom. IN Powell, J. J. W., Baker, D. P. & Fernandez, F. (Hg.) The Century of Science: The Worldwide Triumph of the Research University, International Perspectives on Education and Society Series. Bingley, UK, Emerald Publishing. Powell, J. J. W., Baker, D. P. & Fernandez, F. (2017 in press). The Century of Science: The Worldwide Triumph of the Research University, International Perspectives on Education and Society Series. Bingley, UK, Emerald Publishing. Powell, J. J. W., Fernandez, F., Crist, J. T., Dusdal, J., Zhang, L. & Baker, D. P. (2017 in press). The Worldwide Triumph of the Research University and Globalizing Science. IN Powell, J. W., Baker, D. P. & Fernandez, F. (Hg.) The Century of Science: The Worldwide Triumph of the Research University, International Perspectives on Education and Society Series. Bingley, UK, Emerald Publishing. ; Überblick und Einleitung Bereits der Titel meiner Dissertation "Welche Organisationsformen produzieren Wissenschaft? Expansion, Vielfalt und Kooperation im deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystem im globalen Kontext, 1900-2010" verspricht, dass sich dem Thema der Entwicklung wissenschaftlicher Produktivität in Deutschland aus verschiedenen Perspektiven (Analyseebenen, Dimensionen und Zeitrahmen) genähert werden soll. Eingebettet in das international vergleichende Forschungsprojekt Science Productivity, Higher Education, Research and Development, and the Knowledge Society (SPHERE) rückt meine Dissertation die Analyse des Einflusses der Hochschulentwicklung und der wissenschaftlichen Kapazitätsbildung auf die wissenschaftliche Wissensproduktion in den Vordergrund. Es interessiert mich, wie die im deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystem vorherrschenden Strukturen und institutionellen Settings die langfristige Entwicklung wissenschaftlicher Produktivität beeinflusst und verändert haben. Besonders vor dem Hintergrund einer voranschreitenden Globalisierung und Internationalisierung der Wissenschaft, einer weltweiten Vernetzung von Wissenschaftlern und der Herausbildung einer Wissensgesellschaft. Die Annäherung an den Forschungsgegentand erfolgt auf der Makro- und Mesoebene: den institutionalisierten und organisationalen Settings, in denen Wissenschaft produziert wurde und wird. Da Informationen zu einzelnen Autoren nicht zur Verfügung standen, können keine Aussagen auf der Mikroebene getroffen werden, wenngleich Publikationen natürlich immer von Individuen verfasst werden und nicht von den hier untersuchten Ländern oder Organisationsformen und Einzelorganisationen. Anhand der Dimensionen Expansion, Vielfalt und Kooperation wird der Untersuchungsrahmen abgesteckt und eine Ordnung der Fragestellung vorgenommen, an denen die Struktur der Arbeit ausgerichtet ist. Der Zeitrahmen der Arbeit umfasst die Jahre 1900 bis 2010, also mehr als ein Jahrhundert (siehe Abschnitt 1.2). Ziel dieser Arbeit ist es darzulegen, warum Wissenschaftler ihre Ergebnisse in Form von Zeitschriftenartikeln publizieren. Es geht unter anderem darum, die Wichtigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse hervorzuheben, da nicht publizierte Ergebnisse für die Wissenschaft nicht existieren und sich aus der Art und Weise, wie publiziert wird, die Organisation der Forschung innerhalb und übergreifend einer Disziplin oder eines Fachs ableiten lässt. In den in dieser Arbeit untersuchten Fächergruppen Mathematik, Ingenieur-, Natur- und Technikwissenschaften sowie Medizin (im Folgenden angelehnt an die englische Abkürzung STEM (Science, Technology, Engineering and Mathematics) plus Medicine als STEM+ bezeichnet) spielen Publikationen in peer reviewed Zeitschriften eine wichtige Rolle – neben Patenten in den angewandteren Fächergruppen sind sie heutzutage das wichtigste Publikationsformat. Sie dienen nicht nur der Dokumentation generierten Wissens, sondern sind auch ein Anzeiger für die Reputation eines Forschers und dienen der Messung wissenschaftlicher Produktivität. Zeitschriftenpublikationen in hochklassigen Zeitschriften, die einem peer review Verfahren unterliegen, können als gold standard zur Messung wissenschaftlicher Produktivität herangezogen werden. In den letzten Jahrzehnten kam es zu einer zunehmenden Verwissenschaftlichung vieler gesellschaftlichen Teilbereiche und die Generierung wissenschaftlichen Wissens rückte immer weiter ins Zentrum des politischen und wirtschaftlichen Interesses, unabhängig davon, wo es produziert wurde. Aus diesem Grund werden die Orte und institutionellen Settings (Organisationen, Organisationsformen) wissenschaftlicher Produktivität (hauptsächlich Universitäten, außeruniversitäre Forschungsinstitute, Unternehmen, Behörden und Ressortforschungseinrichtungen und Krankenhäuser) identifiziert und voneinander abgegrenzt. Indem ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede anhand ihrer Aufgaben und Ziele sowie der Art der Forschung diskutiert werden. In einem ersten Schritt lege ich dar, warum ich diese Arbeit an der Schnittstelle zwischen Hochschul- und Wissenschaftsforschung und der Bibliometrie angelegt habe (siehe Kapitel 2 und 5). Publikationsanalysen werden zwar immer noch als Hauptaufgabe der Bibliometrie gesehen, aber ihre Ergebnisse werden auch von anderen Akteuren wie Hochschulmanagern, Politikern und Wissenschaftlern genutzt, um einerseits Aussagen über die Qualität der Wissenschaft zu treffen, aber auch um sich miteinander zu vergleichen oder steuernd in die Struktur und Organisation einzugreifen und Aussagen über den Output des Hochschul- und Wissenschaftssystems zu treffen. Direkte Aussagen über die Qualität der Forschung auf Basis der Anzahl an Zeitschriftenartikeln, die ein Wissenschaftler publiziert, können nicht getroffen werden, es kann aber über die Qualität einer Zeitschrift (Impactfactor) ein Proxi gebildet werden, mit dessen Hilfe Vergleiche zwischen Disziplinen getroffen werden können. Um wissenschaftliche Produktivität zu messen, müssten ergänzende Parameter hinzugezogen werden. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit lediglich Aussagen über die Quantität wissenschaftlicher Produktivität getroffen, nicht aber über die Qualität der untersuchten Zeitschriftenartikel, die Forschungsleistung einzelner Wissenschaftler, Organisationen oder Organisationsformen und einzelner Länder. Nichtdestotrotz zeigen Indikatoren zur Messung wissenschaftlichen Outputs eine große Expansion wissenschaftlicher Produktivität, eine Stabilität der Universitäten im Zeitverlauf und die Wichtigkeit Deutschlands als Wissensschaftsproduzent sowie eine steigende Differenzierung und Diversifizierung der Organisationsformen. Zudem können die 1990er Jahre als Startpunkt steigender nationaler und internationaler Kooperationen gesehen werden. In Kapitel 2 zum multidisziplinären Kontext der Arbeit zeige ich, in welcher Beziehung sich die Hochschul- und Wissenschaftsforschung in Deutschland zueinander befinden. Wissenschaftliches Wissen nimmt eine Sonderstellung im Vergleich zu anderen Wissensformen ein, da es unter bestimmten Bedingungen, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft selbst bestimmt werden, generiert und verbreitet wird. Um einen Überblick über die wichtigsten Studien innerhalb meines Feldes zu bekommen, und um meine Arbeit in den empirischen Kontext zu rücken, beschreibe ich in Kapitel 3 dieser Arbeit den aktuellen Forschungsstand. Forschungsfragen Abschnitt 1.2 stellt einen detaillierten Überblick über die dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsfragen bereit: Welche Organisationsformen produzieren Wissenschaft? 1. Wie hat sich die wissenschaftliche Produktivität weltweit und im europäischen Vergleich zwischen 1900 und 2010 entwickelt? 2. Wie war/ist das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem in die globalen Entwicklungen der Hochschulbildung und Wissenschaft im Zeitverlauf eingebettet? 3. Wie hat sich die wissenschaftliche Produktivität in Deutschland zwischen 1900 und 2010 entwickelt? 4. Unter allen Wissenschaft produzierenden Organisationsformen, was tragen die "klassischen" Formen zur wissenschaftlichen Produktivität bei? 5. Welche Organisationsformen stellen die besten Bedingungen für wissenschaftliche Produktivität bereit? 6. Welche Einzelorganisationen gehören zu den forschungsstärksten in Deutschland? 7. Welchen Einfluss hat die zunehmende Internationalisierung der Forschung auf nationale und internationale Kooperationen in Form von Publikationen in Zeitschriftenartikeln? Theoretischer Rahmen Theoretisch (siehe Kapitel 4) basiert meine Arbeit auf einem neu-institutionellen (NI) Ansatz zur Untersuchung und Erklärung der Expansion des Hochschulwesens und der Wissenschaft weltweit. Trotz des allgemeinen Wachstums wissenschaftlicher Produktivität bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen den institutionellen Settings, Organisationsformen und einzelner Organisationen, die maßgeblich zur wissenschaftlichen Produktivität beitragen. Der soziologische NI konzentriert sich auf das Verständnis von Institutionen und Organisationen. Institutionen sind ein wichtiger Baustein, um soziales Handeln und Prozesse der Gesellschaftsentwicklung zu verstehen. Organisationen und Institutionen stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Die zentralen Annahmen des NI wurden von Walter Powell, Paul DiMaggio und Richard Scott formuliert. Meilensteine: der Zusammenhang von Organisation und Gesellschaft und die Annahme, dass formale Organisationsstrukturen Mythen zum Ausdruck bringen, die in ihrer gesellschaftlichen Umwelt institutionalisiert sind. Indem Organisationen diese Mythen erfassen, kopieren und zeremoniell zur Geltung bringen, werden Strukturähnlichkeiten (Isomorphien) zwischen Organisationen und der Gesellschaft hergestellt. Das Konzept der "organisationalen Felder" dient der Beschreibung der Beziehung zwischen verschiedenen Organisationen und beinhaltet alle relevanten Organisationen, die sich mit ihrer gesellschaftlichen Umwelt auseinander setzen. In Abschnitt 4.1.2 werden die Unterschiede zwischen den Begriffen Institutionen und Organisationen diskutiert, da diese besonders in der deutschsprachigen Soziologie nicht trennscharf genutzt werden. Grundsätzlich unterscheiden sich Ansätze institutioneller Theorie in ihrer Anwendungsebene, sie sind aber durch ihren Überbau miteinander verschränkt. Folglich ist der NI als theoretische Basis besonders gut geeignet, um eine Mehrebenenanalyse der wissenschaftlichen Produktivität zeit- und ortsübergreifend durchzuführen. Die historische Entwicklung des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems kann nicht ohne eine Berücksichtigung der globalen Entwicklungen durchgeführt werden, da es einerseits einen enormen Einfluss auf die Entwicklung anderer Systeme weltweit hatte/hat und andererseits globale Entwicklungen die Institutionalisierung und Organisation der Wissenschaft in Deutschland beeinflussen. Intersektorale und internationale Kooperationen sind im Zeitverlauf angewachsen, werden immer wichtiger und führen zu ausgeprägten Netzwerken innerhalb und zwischen Hochschul- und Wissenschaftssystemen weltweit. Aufgrund einer zunehmenden Verzahnung einzelner Länder und den damit einhergehenden Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Analyseebenen (makro, meso, mikro) ist eine klassische, nationalstaatliche Analyse nicht mehr zielführend. Nichtsdestotrotz können Länder als vergleichbare Einheiten gesehen werden, da sie über klar definierte Grenzen und Strukturen verfügen. Die unterschiedlichen theoretischen Perspektiven und Analyseebenen werden in Abbildung 5 genauer beschrieben. Der theoretische Ansatz der "Weltkultur" bietet eine breitere Linse des soziologischen NI auf die globale Arena. Der Fokus liegt auf globalen und internationalen Strukturen und Prozessen, die sich über lange Zeit entwickelt haben. Mit Hilfe dieser Perspektive können globale Diffusion und formale Strukturen der Entkopplung von formalen Grundsätzen und praktischer Anwendung erklärt werden. Zusammen nehmen der historische und soziologische Institutionalismus zeitliche Entwicklungen und Prozesse in den Blick, die erklären, wie Institutionen entstehen und sich verändern. Die Konzepte critical junctures und Pfadabhängigkeit sollen helfen diese Prozesse auf der Mesoebene zu verstehen. Um die Transformation der Wissensproduktion im Zeitverlauf des 20. Jahrhunderts zu verstehen und um zu analysieren, welche Organisationsformen an der Produktion wissenschaftlichen Wissens beteiligt waren, werden zwei theoretische Konzepte herangezogen: Modus 1 versus Modus 2 Wissenschaft und das Triple-Helix Modell zur Beschreibung der Beziehung zwischen Wissenschaft, Industrie und Staat. In The New Production of Knowledge beschreiben Michael Gibbons und seine Kollegen den Wandel der Wissenschaft von einer akademischen, disziplinären und autonomen, traditionellen, Organisation der Wissenschaft (Modus 1) mit einem Schwerpunkt auf Universitäten als wichtigste Organisationsform, hin zu einer anwendungsorientierteren, transdisziplinären, diversen und reflexiven Organisation der Wissenschaft (Modus 2), die eine diversere Organisation der Wissenschaft unterstützt und auf einem breiteren organisationalen Setting der Wissensproduktion beruht. Innerhalb der Literatur wird diskutiert, ob das neue Modell das alte ersetzen soll und welches der Modelle die gegenwärtige Organisation der Wissenschaft am besten beschreibt. Im Gegensatz hierzu bleibt beim Triple-Helix Modell die historische Rolle der Universitäten erhalten. Der Ansatz geht davon aus, dass zukünftige Innovationen aus einer Beziehung von Universitäten (Wissensproduktion), Industrie (Generierung von Wohlstand) und dem Staat (Kontrolle) resultieren. Daten und Methoden In dieser Arbeit werden ausschließlich Publikationen in peer reviewed Zeitschriften als Kennzeichen wissenschaftlicher Produktivität herangezogen. Dieser Schwerpunkt ermöglicht mir eine tiefgreifende Analyse von Publikationen über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert. Zeitschriftenartikel in hochklassigen und möglichst internationalen Journalen bilden den gold standard wissenschaftlichen Outputs in den hier untersuchten Mathematik, Ingenieur-, Natur- und Technikwissenschaften sowie der Medizin (STEM+). Meine Daten basieren auf einem stratifizierten, repräsentativen Sample (siehe ausführlich Kapitel 6) publizierter Zeitschriften, die als Rohdaten aus Thomson Reuters Web of Science Science Citation Index Expanded (SCIE) zur Analyse zur Verfügung stehen (eine vergleichbare Datenbank stellt Elseviers Scopus bereit). Methodologisch wird eine Kombination aus einer vergleichenden institutionelle Analyse ausgewählter Länder, eine historische Untersuchung des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems und eine systematische, globale Auswertung bibliometrischer Publikationsdaten angestrebt. Der SCIE umfasst mehr als 90 Millionen Einträge (gespeichert werden nahezu alle Typen wissenschaftlichen Outputs), hauptsächlich aus den oben genannten Fächergruppen. Diese Arbeit beschränkt sich auf originale Zeitschriftenartikel (Originalmitteilungen), da lediglich dieser Publikationstyp zertifiziertes und neues Wissen enthält. Der SPHERE Datensatz umfasst publizierte Zeitschriftenartikel aus den Jahren 1900 bis 2010. Von 1900 bis 1970 wurden die Daten in 5-Jahres-Schritten mittels einer geschichteten Zufallsstichprobe ausgewählt. Ab 1975 stehen die Daten vollständig und ab 1980 in Jahresschritten zur Verfügung. Abhängig von der untersuchten Fragestellung werden die Daten in 5-Jahres- oder 10-Jahres-Schritten analysiert. Eine detaillierte Beschreibung des Samplings und der Gewichtung der Daten kann den Abschnitten 6.2.2 und 6.8 entnommen werden. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien werden 17.568 unterschiedliche Zeitschriften (42.963 Zeitschriften, wenn dieselbe Zeitschrift in unterschiedlichen Jahren mehrfach berücksichtigt wird) und 5.089.233 Forschungsartikel untersucht. Um die Daten für die Analyse aufzubereiten muss eine intensive Vorarbeit geleistet werden. Sie werden umfassend (nach-)kodiert und bereinigt. Besonders häufig sind Fehler oder fehlende Informationen auf Ebene der Länder und/oder der Organisationen/Organisationsformen, in denen die Forschung betrieben wurde. Im Zeitraum von Juni 2013 bis Dezember 2015 habe ich die Originalzeitschriften und -artikel in Online-Zeitschriftendatenbanken oder Archiven verschiedener Universitätsbibliotheken eingesehen, begutachtet und mit Hilfe einer Excel-Tabelle katalogisiert und fehlende Informationen, wenn vorhanden, ergänzt. In der Bibliometrie werden verschiedene Vorgehensweisen diskutiert, wie Publikationen gezählt werden können. Die Analysen dieser Arbeit basieren hauptsächlich auf der whole count Methode (siehe Tabelle 1). Die Entscheidung basiert auf der Annahme, dass jeder Autor, jede Organisation, oder jedes Land gleichermaßen zu einer Publikation beigetragen hat. Folglich kann es zu einer Verzerrung bzw. Überschätzung der Ergebnisse kommen, da Zeitschriftenartikel mehrfach gezählt werden, wenn sie in Form von Forschungskooperationen publiziert wurden. Um die absolute Anzahl an Publikationen (weltweit, Europa, Deutschland) zu ermitteln, wird die Gesamtzahl an Artikeln pro Jahr (ohne Duplikate) berechnet. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Der empirische Teil meiner Arbeit ist in drei Teile untergliedert. Die folgenden Abschnitte fassen die jeweils wichtigsten Ergebnisse zusammen. The Global Picture – Hochschul- und Wissenschaftssysteme im Vergleich Im Mittelpunkt meiner Dissertation steht die Frage, welche Organisationsformen Wissenschaft produzieren. Um die Ergebnisse der detaillierten Fallstudie einordnen und bewerten zu können, erfolgt zunächst eine Einbettung in den globalen und europäischen Kontext. Die forschungsleitenden Fragen, wie hat sich die wissenschaftliche Produktivität weltweit und im europäischen Vergleich zwischen 1900 und 2010 entwickelt und wie war/ist das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem in die globalen Entwicklungen der Hochschulbildung und Wissenschaft im zeitverlauf eingebettet, wird folgendermaßen beantwortet: In einem ersten Schritt wird gezeigt, dass das weltweite wissenschaftliche Wachstum zwischen 1900 und 2010 exponentiell verlief und dieser Trend vermutlich bis heute anhält (siehe Abbildungen 3 und 10, S. 50, 147). Die massive Ausdehnung wissenschaftlichen Wissens hatte und hat auch heute noch einen großen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen, die nicht auf den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt beschränkt sind. Ich werde darstellen, dass Hochschul- und Wissenschaftssysteme weltweite Gemeinsamkeiten aufweisen, die zu einer ähnlichen Entwicklung und Ausweitung wissenschaftlicher Produktivität geführt haben. Im Vergleich wichtiger europäischer Länder (Deutschland im Vergleich mit Großbritannien, Frankreich, Belgien und Luxemburg), kann gezeigt werden, dass zwischen der weltweiten Ausweitung der Wissenschaft, dem Anstieg an Publikationen und der Expansion von modernen Forschungsuniversitäten ein Zusammenhang besteht (siehe Abschnitt 7.2; Powell, Dusdal 2016, 2017a; 2017b im Druck). So wurde ein globales Feld der Wissenschaft aufgespannt, das als übergeordneter Rahmen fungiert. Drei geografische Zentren wissenschaftlicher Produktivität werden im Zeitverlauf identifiziert: Europa, Nordamerika und Asien. Sie haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten an Bedeutung gewonnen oder verloren, doch zum heutigen Zeitpunkt tragen sie alle zur wissenschaftlichen Produktivität in den untersuchten Fächergruppen bei. Allerdings sind besonders in Asien die Wachstumsraten massiv angestiegen (Powell et al 2017 im Druck). Zweitens investieren alle Länder weltweit in Forschung und Entwicklung (FuE) (siehe Abbildung 9, S. 140). Diese Investitionen haben einen Einfluss auf ihre wissenschaftliche Produktivität. Zwischen einzelnen Ländern sind zum Teil große Unterschiede in der absoluten Publikationszahl und der relativen wissenschaftlichen Produktivität feststellbar. Nicht nur Investitionen in FuE tragen zur Expansion der Wissenschaft bei, sondern auch die Anmeldung von Patenten, höhere Studierendenzahlen, eine gestiegene Anzahl an Forschern, die Ausweitung von Forschungsaktivitäten in viele gesellschaftliche Teilbereiche, die Entwicklung von Forschungsprodukten und Neugründungen von Universitäten (Powell, Baker, Fernandez 2017 im Druck). Im Zuge der Hochschulexpansion und der Massifizierung der Hochschulbildung in den 1960er und 70er Jahren sind besonders die Studierendenzahlen und die Anzahl der Wissenschaftler extrem angestiegen. Es kam also zur Ausweitung des kompletten Hochschul- und Wissenschaftssystems und nicht nur zu einer Erhöhung der Anzahl an Publikationen. Im Umkehrschluss kann ein Teil des Anstiegs wissenschaftlicher Publikationen auf eine steigende Anzahl an Wissenschaftlern zurückgeführt werden. Drittens kann die von Derek J. de Solla Price aufgestellte These, dass das exponentielle Wachstum wissenschaftlicher Literatur irgendwann abflachen müsse, wiederlegt werden (siehe Abschnitt 2.4; Abbildungen 4 und 10, S. 53, 147). Obwohl einschneidende historische, politische, wirtschaftliche und technologische Ereignisse sowie Ereignisse bezogen auf die Hochschulen und Wissenschaft (siehe Abbildung 11, S. 150) kurzfristig zu einer Verringerung der Publikationszahlen geführt haben, wurde die Wachstumskurve nicht nachhaltig beeinflusst. Im Jahr 2010 wurden weltweit fast eine Million Zeitschriftenartikel in den Natur- und Technikwissenschaften sowie der Medizin publiziert. In Abschnitt 7.2.2 zeige ich, dass die Anzahl der publizierten Zeitschriftenartikel im Verhältnis zu den Ausgaben für FuE, der Größe der Hochschul- und Wissenschaftssysteme und der Anzahl der Einwohner (siehe Abbildung 12, S. 159) und Wissenschaftler (siehe Tabelle 3, S. 162; Abbildung 13, S. 164) relativiert werden müssen. Die anfängliche extreme Expansion der wissenschaftlichen Publikationen in den Mathematik, Ingenieur-, Natur- und Technikwissenschaften sowie der Medizin basiert auf einem allgemeinen Wachstum der Hochschul- und Wissenschaftssysteme (siehe oben). Unterschiedliche institutionelle Settings und Organisationsformen, in denen Wissenschaft produziert wird, haben einen Einfluss auf die wissenschaftliche Produktivität. Anhand der ausgewählten Fallbeispiele (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien und Luxemburg) werde ich darlegen, dass Hochschul- und Wissenschaftssysteme, die über forschungsstarke Universitäten verfügen, höchst produktiv sind. Es kommt also nicht nur darauf an, wie viele Wissenschaftler innerhalb eines Systems beschäftigt werden, sondern auch darauf, in welchen institutionellen Settings sie arbeiten. Fünftens, im internationalen Vergleich trägt Deutschland immer noch erheblich zur wissenschaftlichen Produktivität in den untersuchten Fächern bei. Mit einer Wachstumsrate von 3,35% Prozent folgt Deutschland den USA und Japan. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 84,5 Mrd./€ für FuE von der Regierung bereitgestellt. Dies entspricht einem Anteil von 2,9 Prozent des BIP. Somit wurde der EU-Richtwert von 2020 von 3 Prozent lediglich knapp verfehlt. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland insgesamt 55.009 Zeitschriftenartikel in den STEM+-Fächern publiziert (siehe Tabelle A5 im Anhang). Im Vergleich der absoluten Zahlen mit Großbritannien, Frankreich, Belgien und Luxemburg nimmt das Land die Spitzenposition ein. Die Größe des Hochschul- und Wissenschaftssystems hat somit einen Einfluss auf die Publikationsleistung. Werden die Zahlen in einem nächsten Schritt mit anderen Schlüsselindikatoren in Beziehung gesetzt, verändert sich die Leistung der miteinander verglichenen Systeme zum Teil erheblich. Gemessen an der Einwohnerzahl werden in Deutschland weniger Zeitschriftenartikel publiziert als in Belgien oder Großbritannien. Die Anzahl der beschäftigten Wissenschaftler betrug in Deutschland im selben Jahr 1000:4. Nur in Luxemburg und Großbritannien ist das Verhältnis von Wissenschaftlern zur Einwohnerzahl größer. Das Zusammenspiel der Organisationsformen der Wissenschaft in Deutschland von 1900 bis 2010 Auf Basis der Analysen zum globalen und europäischen Kontext der Entwicklung wissenschaftlicher Produktivität im Zeitverlauf (siehe Kapitel 7) folgt eine tiefgreifende, institutionelle Analyse des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems (siehe Kapitel 8). Sie dient als Ein- und Überleitung zur detaillierten empirischen Auswertung der Daten zum deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystem. Hier werden die wichtigsten Institutionen und Organisationen sowie das organisationale Feld der Wissenschaft (Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen) vorgestellt. Zudem diskutiere ich die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zur Zeit des geteilten Deutschlands (1945-1990). Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse zeigt, dass die Entwicklung der Publikationszahlen in Deutschland dem weltweiten und europäischen Trend (im kleineren Umfang) folgt (siehe Abbildung 16, S. 208). Es kam sowohl zu einer Expansion des wissenschaftlichen Wissens in Form eines exponentiellen Anstiegs an Publikationen, als auch zu einer Erhöhung der Vielfalt wissenschaftlicher Produktivität im Zeitverlauf (siehe Abschnitte 9.1 und 9.3). Die folgenden vier Forschungsfragen werden beantwortet: Wie hat sich die wissenschaftliche Produktivität in Deutschland zwischen 1900 und 2010 entwickelt? Unter allen Wissenschaft produzierenden Organisationsformen, was tragen die "klassischen" Formen zur wissenschaftlichen Produktivität bei? Welche Organisationsformen stellen die besten Bedingungen für wissenschaftliche Produktivität bereit? Welche Einzelorganisationen gehören zu den forschungsstärksten in Deutschland? Wie oben beschrieben, verläuft das Wachstum wissenschaftlicher Produktivität in Deutschland zwischen den Jahren 1900 und 2010 exponentiell. Die Kurve ist vergleichbar mit der weltweiten und europäischen Entwicklung, wenn auch in kleinerem Umfang. Zwar hatten auch hier verschiedene Ereignisse, wie der Zweite Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise oder die Wiedervereinigung, einen kurzfristigen Einfluss, allerdings kam es zu keiner Verlangsamung oder Abflachung des Wachstums (siehe Abbildung 11, S. 150). Bis ins Jahr 2010 wuchs die Anzahl der publizierten Zeitschriftenartikel in Deutschland auf 55.009 an. Zweitens, zeigt eine detaillierte Betrachtung der wissenschaftlichen Produktivität Westdeutschlands im Vergleich zu Ostdeutschland, dass der Anstieg der gesamtdeutschen Publikationszahlen auf einem Anstieg der Zahlen in Westdeutschland basiert (siehe Abbildung 17, S. 211). Zwischen 1950 und 1990 verlief die Kurve der wissenschaftlichen Produktivität in der DDR flach und auf einem niedrigen Niveau. Hieraus kann geschlossen werden, dass das Hochschul- und Wissenschaftssystem der DDR, aufbauend auf seinem Akademiemodell, keine guten Bedingungen für wissenschaftliche Forschung bereitgestellt hat. Drittens, zeigt die detaillierte Analyse der "klassischen" Organisationsformen der Wissenschaft, Universitäten und außeruniversitäre Forschungsinstitute, dass Universitäten im Zeitraum von 1975 bis 2010 in den STEM+-Fächern die Hauptproduzenten wissenschaftlicher Zeitschriftenartikel waren und sind (siehe Abbildung 18, S. 217). Im Untersuchungszeitraum beträgt der prozentuale Anteil der universitätsbasierten Forschung im Mittel 60 Prozent. Somit verteidigen sie ihren Status als wichtigste Organisationsform gegenüber anderen. Die Modus 2 Hypothese, dass es im Zeitverlauf zu einem Absinken des prozentualen Anteils der Universitäten kommen muss, wird verworfen. Der Anteil der Nicht-Universitäten liegt hingegen im Durchschnitt bei 40 Prozent. Obwohl die Richtigkeit der folgenden Aussage nicht empirisch überprüft werden kann, wird davon ausgegangen, dass es sich tatsächlich sogar um einen Anstieg wissenschaftlicher Produktivität der Universitäten im Zeitverlauf handelt. Unter Berücksichtigung einer Verschiebung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für FuE zugunsten der außeruniversitären Forschungsinstitute haben die Universitäten im Zeitverlauf mit weniger Forschungsgeldern immer mehr wissenschaftliche Zeitschriftenartikel publiziert. Viertens, obwohl nicht nur Wissenschaftler innerhalb von Universitäten und Forschungsinstituten Zeitschriftenartikel veröffentlichen, haben diese beiden Organisationsformen zusammen mehr als drei Viertel aller Publikationen seit den 1980er Jahren verfasst. Aber auch schon in den Jahren zuvor ist ihr gemeinsamer Anteil sehr hoch. Zu den wichtigsten Wissenschaftsproduzenten gehören neben ihnen die (Industrie-)Unternehmen, Behörden und Ressortforschungseinrichtungen und Krankenhäuser (für eine ausführliche Beschreibung der Matrix der Organisationsformen siehe Tabelle 4, S. 222f und Abbildungen 19 und 20, S. 220, 246). Dennoch sind die Universitäten die treibende Kraft wissenschaftlicher Produktivität seit mehr als einem Jahrhundert. Mit ihrer speziellen Ausrichtung auf Grundlagenforschung stellen sie die besten Bedingungen für wissenschaftliche Forschung bereit und gehören zu den ältesten Institutionen mit einem hohen Institutionalisierungsgrad. Universitäten sind widerstandsfähig gegenüber Veränderungen und critical junctures haben keinen negativen Einfluss auf ihre wissenschaftliche Produktivität. Alle anderen im Datensatz gefundenen oder aus der Theorie abgeleiteten Organisationsformen (Akademien, Vereine/Gesellschaften, wissenschaftliche Infrastrukturen, Laboratorien, Militär, Museen und nichtuniversitäre Bildungseinrichtungen) spielen nur eine untergeordnete Rolle und wurden in der Gruppe "sonstige" Organisationsformen zusammengefasst. Fünftens, eine Auswertung der zehn forschungsstärksten Einzelorganisationen Deutschlands im Jahr 2010 bestätigt die oben beschriebenen Ergebnisse, da lediglich Universitäten und außeruniversitäre Forschungsinstitute dieser Spitzengruppe zugehören. Eine Zusammenfassung der Publikationen der Institute unter ihrer Dachorganisation zeigt, dass die Institute der Max-Planck-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft maßgeblich zur Produktion wissenschaftlichen Wissens in Deutschland beitragen. Sie übertreffen zusammengezählt die Publikationstätigkeit einzelner Universitäten bei weitem (siehe Tabelle 5, S. 259f). Eine Einzelauswertung der Institute zeigt aber auch, dass sie allgemein genommen, aufgrund ihrer Größe und der Anzahl der Wissenschaftler, nicht mit den Universitäten konkurrieren können. Zudem gehört die hybride Organisation, die Charité – Universitätsmedizin Berlin zu den führenden zehn Wissenschaftsproduzenten im deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystem. Nationale und internationale Kooperationen wissenschaftlicher Forschung Im letzten empirischen Kapitel der Arbeit wird auf der Makroebene die Frage beantwortet, welchen Einfluss die zunehmende Internationalisierung der Forschung auf nationale und internationale Kooperationen in Form von Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften hat. Durch die voranschreitende Globalisierung und Internationalisierung haben nationale und internationale Kooperationen stark zugenommen. Zu den wichtigsten Gründen für (internationale) Kooperationen in den Mathematik, Ingenieur-, Natur- und Technikwissenschaften sowie der Medizin zählen unter anderen die Reputation der Forschungsorganisation und der Mitautoren, eine höhere Sichtbarkeit innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft, mehr Möglichkeiten für interdisziplinäre Forschung oder auch eine bessere Ausstattung der Labore. Heute sind bereits ein Drittel aller Forschungsartikel weltweit das Ergebnis wissenschaftlicher Kooperationen und lediglich ein Viertel wird von einem Autoren verfasst. Übertragen auf die Organisation der Forschung bedeutet der von Humboldt geprägte Leitsatz "in Einsamkeit und Freiheit", dass wissenschaftliche Forschung nicht mehr in alleiniger Verantwortung eines Wissenschaftlers durchgeführt wird, sondern das Ergebnis von Kooperationen ist. Netzwerke werden immer wichtiger, um gemeinsame Interessen zu teilen, an einer Fragestellung zu arbeiten sowie die aus der Forschung gewonnenen Erkenntnisse gemeinsam zu publizieren. Wissenschaftler, Organisationen und Länder unterscheiden sich dahingehend, wie sie ihre Forschung organisieren und folglich auch darin, wie sie ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit gestalten. Diese Wege sind abhängig von der geografischen Lage und Größe des Hochschul- und Wissenschaftssystems, dem organisationalen Feld und den Einzelorganisationen. In dieser Arbeit werden unterschiedliche Muster wissenschaftlicher Zusammenarbeit präsentiert. Die Ergebnisse zeigen einen massiven Anstieg wissenschaftlicher Kooperationen in Form von gemeinsamen Publikationen im Zeitverlauf. Bis in die 1990er Jahre hinein publizierten die Wissenschaftler in den hier untersuchten Länder (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, USA, Japan, China, Belgien und Luxemburg) hauptsächlich in Alleinautorenschaft. Erst danach kam es zu einem Anstieg an Kooperationen: Im Jahr 2000 wurden lediglich 37 Prozent aller Artikel von einem Autor verfasst. Im Jahr 2010 erreichte der Anteil einen Tiefststand von lediglich einem Fünftel Alleinautorenschaften (siehe Tabelle 6, S. 279f). Allerdings unterschieden sich die Länder hinsichtlich ihres Anteils an Ko-Autorenschaften zum Teil deutlich voneinander. Literatur Powell, J. J. W. & Dusdal, J. (2016). Europe's Center of Science: Science Productivity in Belgium, France, Germany, and Luxembourg. EuropeNow, 1(1). http://www.europenowjournal.org/2016/11/30/europes-center-of-science-science-productivity-in-belgium-france-germany-and-luxembourg/. Zugriff: 13.12.2016. Powell, J. J. W. & Dusdal, J. (2017a): Measuring Research Organizations' Contributions to Science Productivity in Science, Technology, Engineering and Math in Germany, France, Belgium, and Luxembourg. Minerva, (). Online first. DOI:10.1007/s11024-017-9327-z. Powell, J. J. W. & Dusdal, J. (2017b im Druck). The European Center of Science Productivity: Research Universities and Institutes in France, Germany, and the United Kingdom. IN Powell, J. J. W., Baker, D. P. & Fernandez, F. (Hg.) The Century of Science: The Worldwide Triumph of the Research University, International Perspectives on Education and Society Series. Bingley, UK, Emerald Publishing. Powell, J. J. W., Baker, D. P. & Fernandez, F. (2017, im Druck). The Century of Science: The Worldwide Triumph of the Research University, International Perspectives on Education and Society Series. Bingley, UK, Emerald Publishing. Powell, J. J. W., Fernandez, F., Crist, J. T., Dusdal, J., Zhang, L. & Baker, D. P. (2017, im Druck). The Worldwide Triumph of the Research University and Globalizing Science. IN Powell, J. W., Baker, D. P. & Fernandez, F. (Hg.) The Century of Science: The Worldwide Triumph of the Research University, International Perspectives on Education and Society Series. Bingley, UK, Emerald Publishing.
Der Hansische Wirtschaftsraum ist definiert als der Raum zwischen England und Flandern im Westen und Westrußland im Osten, zwischen den skandinavischen Ländern im Norden und dem mitteldeutschen Raum im Süden, in dem das Gros der Hansekaufleute wirtschaftliche Interessen verfolgte.
(1) Das Verbundprojekt ´Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800´:
"Das Forschungsprojekt ´Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800´ wurde von der Volkswagen-Stiftung im Rahmen ihres Förderungsschwerpunktes ´Forschungen zur frühneuzeitlichen Geschichte: Das Alte Reich im europäischen Kontext´ gefördert. Es handelt sich um ein internationales Verbundprojekt mit Zentrum an der ´Forschungsstelle für Geschichte der Hanse und des Ostseeraums´ am Amt für Kultur der Hansestadt Lübeck. 35 WissenschaftlerInnen aus zehn europäischen Ländern und aus Kanada sind an diesem Forschungsprojekt beteiligt. (…)
Als wirtschaftliche Wechsellagen bezeichnet man die langfristigen Schwankungen ökonomischer Variablen wie z.B. die Bevölkerungsgröße, den Ertrag der Landwirtschaft und das Preisniveau. Durch die Schwankungen dieser Variablen veränderte sich deren Verhältnis zueinander, wodurch es zu einer Strukturveränderung der Wirtschaft kam. Im vorindustriellen, ´malthusianischen´ Zeitalter entstanden Auf- und Abschwünge durch das sich beständig verändernde Verhältnis von Produktion (vor allem im Agrarsektor) und Bevölkerungsentwicklung. (…)
Ziele des Projekts: Das Projekt will für den hansischen Wirtschaftsraum die intertemporalen Bezüge seiner wirtschaftlichen Struktur und ihre Veränderungen in ihren regionalen und 'internationalen' Bezügen anhand historisch-ökonomischer Zeitreihen verfolgen. I. Die Erfassung ökonomisch historischer Zeitreihen aus dem hansischen Wirtschaftsraum aus dem Zeitraum zwischen 1300 und 1800 (…), die ausführliche Kommentierung der Originaldaten sowie die Gold- und Silberäquivalente der relevanten Rechengeldsysteme zur Umrechnung der Nominaldaten. II. Statistische Analysen der Zeitreihen im Hinblick auf Konjunktur und Wechsellagen. Ökonomisch-historische Zeitreihen werden als sichtbare Indikatoren wirtschaftlicher Prozesse gesehen. (…) Um diese Wechsellagen und Konjunkturen zu identifizieren, werden die herangezogenen Zeitreihen einer empirisch-statistischen Deskription unterzogen, (…). Erkenntnisziel ist die Zusammensetzung vorindustrieller Zeitreihen und die Klärung der Fragen, ob periodische Zyklen festgestellt werden können und ob diese Perioden - nach Raum und Zeit und Datenart verglichen - gleich- oder gegenläufig waren. (…) III. Interpretationen dieser Zeitreihen unter ausgewählten historischen Fragestellungen. Mit Hilfe der Verlaufsformen der Zeitreihen soll vor allem ermittelt werden, welche Zeiträume gleicher und welche Zeiträume unterschiedlicher langfristiger konjunktureller Entwicklung es (bezogen auf vergleichbare Zeitreihen) im hansischen Wirtschaftsraum gab und in welchen Regionen diese gleich- und andersartigen Verläufe vorkamen. Auf dieser Grundlage sollen 'international' einheitliche Prozesse und regionale Entwicklungs- und Konjunkturmuster, möglicherweise auch Kausalbeziehungen zwischen diesen Zeitreihen ermittelt werden. In der modernen Wirtschaftsgeschichte spricht man dabei vom Interdependenzprinzip, das die gegenseitigen Einflüsse unterschiedlicher Regionen behandelt, und vom Homogenitätsprinzip, das Regionen (oder kleinere räumliche Einheiten) ähnlicher Struktur untersucht. IV. Vergleich der erzielten Ergebnisse mit vorliegenden Agrarpreisreihen, um den Zusammenhang zwischen der agrarischen Produktion als der zentralen wachstumsbestimmenden Größe der vorindustriellen Zeit und den Produktionskurven gewerblicher Güter und den Handels- und Investionsgüterkonjunkturen festzustellen.
Zentrale Regionen: Bis zum März 1997 sind rund 400 Zeitreihen erfaßt worden. In räumlicher Hinsicht bildeten sich drei zentrale Regionen heraus, die a) durch eine relativ dichte Überlieferung von Zeitreihen aus den anderen Regionen des Untersuchungsraumes hervorragen und b) sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Struktur voneinander unterschieden: 1. der niederländisch-englische Raum, gekennzeichnet durch eine dichte Gewerbelandschaft, die auf den Export von Tuchen, anderen Geweben sowie Metallfabrikaten ausgerichtet war; 2. der Bereich der wendischen Hansestädte (Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald; einbezogen wird hier auch Stade), der primär vom Zwischenhandel geprägt war und nur wenig eigene Exportproduktion aufwies; 3. der preußisch/polnisch-livländische Raum, gekennzeichnet durch den Export von land- und waldwirtschaftlichen Rohstoffen und Halbfertigfabrikaten, die vor allem in die Zentren des Westens, nach beiden Niederlanden und nach England gingen. (…) Da die genaue Kenntnis der lokalen und regionalen Verhältnisse Voraussetzung zur Deskription einer Zeitreihe und zur Bestimmung ihrer Indikatorqualität ist, werden die einzelnen Zeitreihen von HistorikerInnen bearbeitet, die mit den jeweiligen lokalen und regionalen Verhältnissen bestens vertraut sind. Daher reicht die geographische Spannweite der Mitarbeiter von Gent und London im Westen bis nach Tallinn und Moskau im Osten, von Stockholm und Visby im Norden bis nach Leipzig im Süden.
Funktionen: Nach ihrer Funktion werden die Zeitreihen in die vier folgenden Kategorien gegliedert: - landwirtschaftliche Produktion und Bergbau (Sektor 1), - gewerbliche Produktion (Sektor 2), - Handel und Dienstleistung (Sektor 3) - und in Preisreihen. Pro Kategorie sind folgende Zeitreihen erhoben worden. Sektor 1: 50 Zeitreihen (Salz-, Silber-, Kupfer- und Bleiproduktion, Roherzförderung, Erträge der Bergwerke, Belegschaftszahlen; zeitlicher Schwerpunkt: spätes 16. Jahrhundert bis 1800) Sektor 2: 20 Zeitreihen (Tuch-, Bier-, Essig- und Münzproduktion) Sektor 3: 300 Zeitreihen (landesherrliche und städtische Zolleinnahmen unterschiedlicher Differenzierung, städtische Steuern auf den Verkauf unterschiedlicher Güter, Akziseeinnahmen unterschiedlicher Differenzierung, Wareneinfuhr und -ausfuhr, Warenumsätze, Schiffsfrequenzen, Geleitsgebühren, städtische Immobilien- und Rentenmärkte, Löhne u.v.a.m.). Preisreihen: 70 Zeitreihen (Tuche, Mieten, Lebensmittel wie Getreide, Butter, Ochsen, Heringe u.a.m., andere Verbrauchsgüter wie Feuerholz und Talg)."
Gekürzter Auszug aus: Hammel-Kiesow, Rolf (1997): Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800. Ein internationales Projekt an der Forschungsstelle für Geschichte der Hanse und des Ostseeraumes der Hansestadt Lübeck. Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V., http://www.ahf-muenchen.de/Forschungsberichte/Berichte/HammelKiesow.shtml.
(2) Teilprojekt: Hanse: Bergbauregion Harz: Ausbeute und Fördermengen der Gruben in Clausthal, Lauenthal, Wildemann und Zellerfeld, 1640-1800, Studienleiter: Christoph Bartels. Die Studie zur "Bergbauregion Harz" umfasst insgesamt 24 Zeitreihen aus dem Zeitraum zwischen 1640 und 1800. Ihrer Funktion nach handelt es sich um Zeitreihen aus dem Sektor landwirtschaftliche Produktion und Bergbau (Sektor 1).
Tabelle A.01.03 Clausthal: Grube Herzog Christian Ludwig - Ausbeute, Förderung, Belegung Z192 Clausthal: Grube Herzog Christian Ludwig - Ausbeute Z200 Clausthal: Grube Herzog Christian Ludwig - Roherzförderung pro Woche Z201 Clausthal: Grube Herzog Christian Ludwig - Roherzförderung pro Woche, Umrechnung Z219 Clausthal: Grube Herzog Christian Ludwig – Belegung
Tabelle A.01.04 Clausthal: Grube Herzog Georg Wilhelm - Roherzförderung Z202 Clausthal: Grube Herzog Georg Wilhelm - Roherzförderung pro Woche Z203 Clausthal: Grube Herzog Georg Wilhelm - Roherzförderung pro Woche, Umrechnung Z220 Clausthal: Grube Herzog Georg Wilhelm – Belegung
Der Hansische Wirtschaftsraum ist definiert als der Raum zwischen England und Flandern im Westen und Westrußland im Osten, zwischen den skandinavischen Ländern im Norden und dem mitteldeutschen Raum im Süden, in dem das Gros der Hansekaufleute wirtschaftliche Interessen verfolgte.
(1) Das Verbundprojekt ´Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800´:
"Das Forschungsprojekt ´Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800´ wurde von der Volkswagen-Stiftung im Rahmen ihres Förderungsschwerpunktes ´Forschungen zur frühneuzeitlichen Geschichte: Das Alte Reich im europäischen Kontext´ gefördert. Es handelt sich um ein internationales Verbundprojekt mit Zentrum an der ´Forschungsstelle für Geschichte der Hanse und des Ostseeraums´ am Amt für Kultur der Hansestadt Lübeck. 35 WissenschaftlerInnen aus zehn europäischen Ländern und aus Kanada sind an diesem Forschungsprojekt beteiligt. (…)
Als wirtschaftliche Wechsellagen bezeichnet man die langfristigen Schwankungen ökonomischer Variablen wie z.B. die Bevölkerungsgröße, den Ertrag der Landwirtschaft und das Preisniveau. Durch die Schwankungen dieser Variablen veränderte sich deren Verhältnis zueinander, wodurch es zu einer Strukturveränderung der Wirtschaft kam. Im vorindustriellen, ´malthusianischen´ Zeitalter entstanden Auf- und Abschwünge durch das sich beständig verändernde Verhältnis von Produktion (vor allem im Agrarsektor) und Bevölkerungsentwicklung. (…)
Ziele des Projekts: Das Projekt will für den hansischen Wirtschaftsraum die intertemporalen Bezüge seiner wirtschaftlichen Struktur und ihre Veränderungen in ihren regionalen und 'internationalen' Bezügen anhand historisch-ökonomischer Zeitreihen verfolgen. I. Die Erfassung ökonomisch historischer Zeitreihen aus dem hansischen Wirtschaftsraum aus dem Zeitraum zwischen 1300 und 1800 (…), die ausführliche Kommentierung der Originaldaten sowie die Gold- und Silberäquivalente der relevanten Rechengeldsysteme zur Umrechnung der Nominaldaten. II. Statistische Analysen der Zeitreihen im Hinblick auf Konjunktur und Wechsellagen. Ökonomisch-historische Zeitreihen werden als sichtbare Indikatoren wirtschaftlicher Prozesse gesehen. (…) Um diese Wechsellagen und Konjunkturen zu identifizieren, werden die herangezogenen Zeitreihen einer empirisch-statistischen Deskription unterzogen, (…). Erkenntnisziel ist die Zusammensetzung vorindustrieller Zeitreihen und die Klärung der Fragen, ob periodische Zyklen festgestellt werden können und ob diese Perioden - nach Raum und Zeit und Datenart verglichen - gleich- oder gegenläufig waren. (…) III. Interpretationen dieser Zeitreihen unter ausgewählten historischen Fragestellungen. Mit Hilfe der Verlaufsformen der Zeitreihen soll vor allem ermittelt werden, welche Zeiträume gleicher und welche Zeiträume unterschiedlicher langfristiger konjunktureller Entwicklung es (bezogen auf vergleichbare Zeitreihen) im hansischen Wirtschaftsraum gab und in welchen Regionen diese gleich- und andersartigen Verläufe vorkamen. Auf dieser Grundlage sollen 'international' einheitliche Prozesse und regionale Entwicklungs- und Konjunkturmuster, möglicherweise auch Kausalbeziehungen zwischen diesen Zeitreihen ermittelt werden. In der modernen Wirtschaftsgeschichte spricht man dabei vom Interdependenzprinzip, das die gegenseitigen Einflüsse unterschiedlicher Regionen behandelt, und vom Homogenitätsprinzip, das Regionen (oder kleinere räumliche Einheiten) ähnlicher Struktur untersucht. IV. Vergleich der erzielten Ergebnisse mit vorliegenden Agrarpreisreihen, um den Zusammenhang zwischen der agrarischen Produktion als der zentralen wachstumsbestimmenden Größe der vorindustriellen Zeit und den Produktionskurven gewerblicher Güter und den Handels- und Investionsgüterkonjunkturen festzustellen.
Zentrale Regionen: Bis zum März 1997 sind rund 400 Zeitreihen erfaßt worden. In räumlicher Hinsicht bildeten sich drei zentrale Regionen heraus, die a) durch eine relativ dichte Überlieferung von Zeitreihen aus den anderen Regionen des Untersuchungsraumes hervorragen und b) sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Struktur voneinander unterschieden: 1. der niederländisch-englische Raum, gekennzeichnet durch eine dichte Gewerbelandschaft, die auf den Export von Tuchen, anderen Geweben sowie Metallfabrikaten ausgerichtet war; 2. der Bereich der wendischen Hansestädte (Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald; einbezogen wird hier auch Stade), der primär vom Zwischenhandel geprägt war und nur wenig eigene Exportproduktion aufwies; 3. der preußisch/polnisch-livländische Raum, gekennzeichnet durch den Export von land- und waldwirtschaftlichen Rohstoffen und Halbfertigfabrikaten, die vor allem in die Zentren des Westens, nach beiden Niederlanden und nach England gingen. (…) Da die genaue Kenntnis der lokalen und regionalen Verhältnisse Voraussetzung zur Deskription einer Zeitreihe und zur Bestimmung ihrer Indikatorqualität ist, werden die einzelnen Zeitreihen von HistorikerInnen bearbeitet, die mit den jeweiligen lokalen und regionalen Verhältnissen bestens vertraut sind. Daher reicht die geographische Spannweite der Mitarbeiter von Gent und London im Westen bis nach Tallinn und Moskau im Osten, von Stockholm und Visby im Norden bis nach Leipzig im Süden.
Funktionen: Nach ihrer Funktion werden die Zeitreihen in die vier folgenden Kategorien gegliedert: - landwirtschaftliche Produktion und Bergbau (Sektor 1), - gewerbliche Produktion (Sektor 2), - Handel und Dienstleistung (Sektor 3) - und in Preisreihen. Pro Kategorie sind folgende Zeitreihen erhoben worden. Sektor 1: 50 Zeitreihen (Salz-, Silber-, Kupfer- und Bleiproduktion, Roherzförderung, Erträge der Bergwerke, Belegschaftszahlen; zeitlicher Schwerpunkt: spätes 16. Jahrhundert bis 1800) Sektor 2: 20 Zeitreihen (Tuch-, Bier-, Essig- und Münzproduktion) Sektor 3: 300 Zeitreihen (landesherrliche und städtische Zolleinnahmen unterschiedlicher Differenzierung, städtische Steuern auf den Verkauf unterschiedlicher Güter, Akziseeinnahmen unterschiedlicher Differenzierung, Wareneinfuhr und -ausfuhr, Warenumsätze, Schiffsfrequenzen, Geleitsgebühren, städtische Immobilien- und Rentenmärkte, Löhne u.v.a.m.). Preisreihen: 70 Zeitreihen (Tuche, Mieten, Lebensmittel wie Getreide, Butter, Ochsen, Heringe u.a.m., andere Verbrauchsgüter wie Feuerholz und Talg)." Gekürzter Auszug aus: Hammel-Kiesow, Rolf (1997): Wirtschaftliche Wechsellagen im hansischen Wirtschaftsraum 1300-1800. Ein internationales Projekt an der Forschungsstelle für Geschichte der Hanse und des Ostseeraumes der Hansestadt Lübeck. Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V., http://www.ahf-muenchen.de/ Forschungsberichte/Berichte/HammelKiesow.shtml.
(2) Teilprojekt: Quantitative Untersuchungen über den frühneuzeitlichen Bergbau in Skandinavien, 1623-1958., Studienleiter: Björn Ivar Berg
Die Studie umfasst insgesamt 49 Zeitreihen aus dem Zeitraum zwischen 1623 und 1844, für das Bergwerk in Kongsberg bis 1958. Ihrer Funktion nach handelt es sich um Zeitreihen aus dem Sektor 1: landwirtschaftliche Produktion und Bergbau.
Auflistung und Beschreibung der einzelnen Zeitreihen nach dem Schema Reihe_ID: Titel der Reihe (Zeitraum von – bis) Beschreibung:
Reihe Z001:
Silberproduktion beim Kongsberg Silberbergwerk, 1623-1958
Die Angaben betreffen Feinsilber, d.h. 100 % Ag oder rein metallisches Silber. "Feinsilber" war kein faktisches Produkt, aber ein Rechnungswert, der durch Analysen aus dem Brandsilber, dem Endprodukt des Hüttenprozesses, berechnet wurde. Mit Ausnahme von einer Periode in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde bis kurz nach 1800 fast alles Brandsilber zur Ausmünzung geliefert, seit 1628 in die königliche Münze in Christiania (Oslo), die 1686 nach Kongsberg übersiedelte, und die noch im Betrieb ist (2007). Etwas Silber in der Statistik kam auch vom silberhaltigen Hüttenkupfer, das auch in der Hütte in Kongsberg erzeugt wurde, und meistens zur Münze ging. Nicht alles Silber wurde geschmolzen und in den Feinsilberangaben eingeschlossen. Einzelne besonders schöne oder interessante Mineralienstücken – oft krystalliertes gediegenes Silber in Form von Drahtsilber u. dgl. – wurden in der Hütte zur Seite genommen und als Handsteine zu Besuchern, Königen usw. verkauft oder geschenkt. Der Silberinhalt der einzelnen Stücke wurde ggf. nach gewissen Regeln geschätzt, als Grundlage für die Festlegung des Verkaufspreises. In den hier publizierten Angaben ist Feinsilber sowohl von Brandsilber, Hüttenkupfer und Handsteinen eingeschlossen, so weit Daten davon bekannt sind. Früher habe ich fast identische Angaben für die Zeit bis 1805 präsentiert und kommentiert (Berg 1988). Deichman, der auch Produktionsziffer von Röros publizierte (vgl. Z233), gibt die Quellen für seine Angaben nicht an. Entsprechende Listen befinden sich in seinem Privatarchiv (Deichmanske Bibliotek Oslo, fol. 45). Vielleicht basierte er sich wenigstens z. T. auf ziemlich leicht zugänglichen Angaben in den Hauptrechnungen des Silberbergwerk. Diese sogenannten Bergkassenrechnungen sind für die Zeit nach 1694 noch im Werksarchiv erhalten, zusammen mit verschiedenen anderen Rechnungen, die zurück bis zum Anfang des Bergbaus 1623 reichen. Eine parallelle und ausfüllende Serie mit Bergkassenrechnungen ist im Archiv der Rentekammer erhalten (im Werksarchiv fehlen bis 1761 12 Jahre, danach bis 1800 ist nur 1799 vorhanden). Die Basis für die Angaben in den Bergkassenrechnungen sind die monatlichen Produktionsrechnungen der Silberhütte in Kongsberg, die sog. Schmelzbücher, die zurück bis zum Anfang der Verhüttung des Kongsberger Silbers erhalten sind (1624), zwar auch nicht lückenlos. Hier sind die verschiedenen metallurgischen Prozesse in Einzelnheiten von Tag zu Tag dokumentiert, mit den abschliessenden Feinbrennungen des Silbers, wie auch Analysen vom Feinsilberinhalt der Brandsilberstücke. Angaben sowohl über Brandsilber als Feinsilber für die einzelnen Monaten sind danach in den jährlichen Bergkassenrechnungen eingeschlossen und summiert. Dazu wurde auch silberhaltiges Kupfer als Nebenprodukt verhüttet, und der Feinsilberinhalt im "Hüttenkupfer" ist als Ergänzung zu den monatlichen "Silberposten" auch in den Bergkassenrechnungen angegeben. Ich habe die Bergkassenrechnungen von 1711 und 1712 und von 12 Jahren in der Periode 1736-1757 untersucht. Die Angaben von Deichman stimmen für alle diese Jahre völlig übereins mit den Angaben in den Bergkassenrechnungen. Eine Besonderheit muss jedoch genannt werden. Deichmans Angaben sind in Mark – Lot – Quentchen – Ort gegeben. Dass ist auch der Fall in den Bergkassenrechungen 1711 und 1712, aber die Angaben in den von mir bekannten Schmelzbüchern und Bergkassenrechnungen um die Mitte des 18. Jahrhunderts sind in Mark - Lot – Grän, wie auch bei Thaarup für die Zeit nach 1772. Vielleicht nutzte trotzdem Deichman andere Quellen als diese Rechnungen? Ich habe auch Akten von einer mehr unsicheren Periode untersucht, nämlich 1673 bis 1687. Von 1673 bis 1683 war das Silberbergwerk im Privatbesitz von Heinrich Müller, danach erfolgte die endliche Übernahme vom dänisch-norwegischen Staat und eine Reorganisierung des Betriebs nach einer Krise im Anfang und in der Mitte der 1680er Jahren (in der Periode 1628 bis 1661 war das Werk auch privat, aber der König war damals einen Grossgewerke). Produktionsangaben sind in den Bergzehnterechnungen der Rentekammer für die Jahren 1680 bis 1687 gegeben. Diese Zahlen sind insgesamt etwa 1225 Mark oder 3,2 % geringer als die Angaben von Deichman, die trotzdem hier ungeändert publiziert werden, als wir nicht feststellen können, ob seine Datengrundlage besser war als die Alternative. (Die jährlichen Abweichungen variierten stark, ausschlaggebend war das Jahr 1685 mit 986 Mark höher bei Deichman.) Münzrechnungen von den Jahren 1673 und 1678-1679 stimmen besser übereins mit den Angaben von Deichman, die insgesamt für diese drei Jahren nur 0,5 % höher sind. Mit Ausnahme von einer dreissigjährigen Periode in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (1763-94) wurde fast alles Silber (und Hüttenkupfer) zu Vermünzung abgeliefert, worüber fast lückenlose Rechnungen vorhanden sind (Rentekammeret, vgl. Rönning 1986: 211ff und passim). Über den Handsteinhandel wurden besondere Rechnungen gemacht, und die jährlichen Summen des davon berechneten Feinsilberinhalts sind für viele Jahre – aber nicht für alle – in den Bergkassenrechnungen und danach in den statistischen Publikationen gegeben. Bei Deichman (1777) und nach ihm Thaarup (1794) fehlen Angaben über Handsteine für die Periode 1673-1693 und für Einzelnjahre (1699, 1703, 1708, 1716, 1718, 1719 – vielleicht wurden in diesen Jahren keine Handsteine verkauft), und entsprechende Angaben haben wir für die Periode nach Thaarups Publikation (d.h. nach 1792) nicht bearbeitet vorhanden. Nach den zugänglichen Angaben war der gesamte Feinsilberinhalt in den Handsteinen 1624-1792 etwa 1320 kg oder 0,26 % der gesamten Produktion. (Die Bergzehntrechnungen 1680-1687 geben auch Daten über Handsteine, die bei Deichman fehlen, mit insgesamt 97,7 Mark Feinsilber, 0,25 % der Gesamtproduktion nach diesen Angaben. Deichmans Angaben sind aber hier angegeben, ohne diese Daten über Handsteine.) Nicht alles Silber von Handsteinen ist in den Produktionsangaben gekommen. Z.B. bekam der König Friedrich V. bei seinem Besuch in Kongsberg 1749 viele Handsteine mit insgesamt über 26 Mark Feinsilber, und sein Oberhoffmarschall von Moltke bekam auch einige mit über 4 Mark, ohne dass dieses Silber in den Produktionsangaben kam. Bei der Produktionsstatistik ergibt sich eine Unregelmässigkeit in der Periode etwa von 1730 bis 1770, als ein Bergwerk bei Konnerud nahe an die Stadt Drammen, 40 km von Kongsberg, betrieben wurde. Dieses kleines Bergwerk produzierte Silber, Blei und Kupfer, und musste laut seinen Privilegien das Hauptprodukt Silber zur Bergkasse in Kongsberg zu festgesetzten Preisen abgeben, und damit kam das Silber in den königlichen Bergkassenrechnungen. Nach Untersuchungen in einigen Bergkassenrechnungen kann nun festgestellt werden, dass dieses Silber in den Gesamtangaben eingeschlossen ist, die als unsere Datengrundlage dienen. Nach zeitgenössischen Angaben war die Silberproduktion von Konnerud von 1736 bis 1770 insgesamt 29 565 Mark 11 Lot oder 6915 Kilogramm, d.h. dass die eigentliche Produktion bei Kongsberg in dieser Periode von den Konnerud-Lieferungen in unserer Statistik mit 3,5 % erhöht worden ist. Die Zahlen variierten natürlich von Jahr zu Jahr. Unter vier untersuchten Jahren war die grösste Erhöhung der Silberproduktion durch das Konnerud-Silber 9,2 % (1739), die kleinste 1,8 % (1751). Auch Silber von einigen andere privaten Gruben in der Gegend wurde in den Bergkassenrechnungen eingeschlossen. Wir kennen nicht die genauen Zahlen von Metall von diesen Gruben, sie waren aber unbedeutend und die Quantitäten mussen offenbar sehr klein gewesen sein. Im grossen und ganzen können wir feststellen, dass die hier publizierten Angaben ziemlich zuverlässig für die allgemeine Entwicklung der Produktion in Kongsberg bis 1805 sind. Die Angaben sind zwar nicht 100 % sicher für alle Jahre, besonders sind einige Jahre im 17. Jahrhundert etwas unsicher. Aber im 18. Jahrhundert haben Stichproben von den offiziellen Produktionszahlen in den Archiven die Angaben in der statistischen Literatur völlig bestätigt. Für eine Periode zeigte es sich zwar, dass nicht nur Silber von Kongsberg darin berechnet war. Nach der offiziellen Stillegung des Silberbergwerks 1805 wurden doch eine Grube, einige Pochwerke und die Silberhütte weiter vom Staat in kleinem Masstab betrieben. Die Hütte bearbeitete auch Erze aus einigen privaten Silbergruben. Die Produktionszahlen von allen diesen Betrieben sind gesamt aufgegeben, als getrennte Angaben noch nicht vorhanden sind. Nach der Wiederaufnahme des Silberbergwerks 1816 (offiziell, aber tatsächlich im Juli 1815) sind bis 1877 die offenbar gut bearbeiteten Angaben von dem Direktor des Silberbergwerks C. F. Andresen (1879) benutzt. Für diese Zeit gibt es auch andere publizierte Reihen z. B. in den Berichten von verschiedenen Untersuchungskommisionen, die z.T. abweichende Angaben erzeigen. Jährliche Produktionsdaten sind auch in den Jahresberichten des Silberbergwerks ab 1837 veröffentlicht. Ab 1879 sind statistische Angaben im Standardwerk zur Geschichte des Silberbergwerks von K. Moen (1967) benutzt. Diese Angaben sind gegen ältere statistische Angaben im Archiv des Bergwerksmuseums Kongsberg und andere Angaben z.B. von Kommissionen kontrolliert. Die Angaben basieren sich alle auf die Jahresberichte, doch sind sie unabhängig von einander ekstrahiert. Bei fehlender Übereinstimmung und in anderen Zweifelfällen sind Moens Angaben gegen die Jahresberichte kontrolliert und ggf. korrigiert. Es handelt sich in beiden Fällen um rechnungsführte Produktion. Für einzelne Jahre gibt es ziemlich grosse Abweichungen gegenüber der tatsächlichen, physischen Produktion. Solche Übertragungen von Teilen der Produktion von Jahr zu Jahr gründeten sich besonders auf Rücksichten zum Etat. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im frühen 20. Jahrhundert wurde wiederum Erze von privaten Silbergruben in der Kongsberger Silberhütte verhüttet. Das davon stammende Silber ist diesmal nicht in den Angaben von Silber aus den eigenen Gruben des Silberbergwerks eingeschlossen. Angaben von Silber aus verkauften Handsteinen ist ab 1816 doch nicht eingeschlossen. Zur Bergbaugeschichte Kongsbergs: Nach einigen kurzfristigen Versuchen mit Bergbau im 15. und 16. Jahrhundert, begann der Bergbau auf Silber in Kongsberg im Oktober 1623, und die Verhüttung das nächste Jahr. Die überlieferten Produktionsangaben fangen dann an, und laufen fast lückenlos bis zum letzten Silberschmelzen am 13. Februar 1958. Der Verlauf der Produktion in der ersten Betriebsperiode 1623-1805 zeigt deutliche Phasen, die teilweis typisch für Bergbau sind, teilweis aber eigenartig. In groben Zügen folgt der Verlauf eine allgemeine Entwicklung solcher Wirtschaftszweige, mit einer langdauernden Steigerung der Produktion bis zu einer Kulmination (1768), gefolgt von einem ernsthaften Fall. Diese allgemeine Tendenz ist doch von zwei Niedergangsphasen oder sogar Krisenphasen unterbrochen, damit man auch sagen könnte, das der typische "Wachstum-Krisen-Verlauf" sich dreimal wiederholt, aber jedesmal auf einer höheren Ebene:
Bei der Interpretation dieser langen Phasen ist es wie immer schwierig den Einfluss allgemeiner Faktoren von speziellen und lokalitätsbedingten Ursachskomplexen klar zu unterscheiden. Für Silber als Münzmetall darf man vielleicht mehr als bei anderen Waren annehmen, dass Preisschwankungen nicht jedenfalls für kurzfristige Änderungen ausschlaggebend waren, obwohl man auch Silberwerte gegenüber allgemeine Preisänderungen relativisiern muss, und in einer längeren Perspektive muss man die Wirkung relativer Preisänderungen auch von Edelmetall berücksichtigen. Bei einem Bergbaubetrieb wie zu Kongsberg waren abere "innere Faktoren" wie technische Änderungen und die Struktur der Grubenbetriebe zu jeden Zeiten grossen Änderungen unterworfen, die ausschlaggebend für die Produktionsentwicklung waren. Besonders wichtig war die Einführung des Pulverschiessens im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert, wobei die primäre Arbeitsoperation der Erzgewinnung eine weit mehr expansionsfähige Basis gegeben wurde, was vor allem die grosse Ausdehnung der Tätigkeit und der Produktion nach 1732 ermöglichte. Technische und lagerstättliche Faktoren waren auch zentral beim Niedergang der Produktion nach 1768, als viele von den wichtigsten Gruben eine Tiefe von 300-400 erreichten (die Tiefste 550 m, senkrecht vom Tage gemessen), wo die Wasserhaltung und die Erzförderung mit Wasserrad sehr schwierig war und eine weitere Verfolgung der Erzgänge in die Tiefe verhinderten. Die Lage wurde noch schlimmer als viele von den Erzgängen seinen Reichtum von Silber in etwa solchen Tiefen verloren. In der letzten Betriebsperiode 1816-1958 ist die Entwicklung mehr unregelmässig. Seit den späten 1820er Jahren wurden sehr reiche Silbervorkommen in der Königs Grube entdeckt, die für viele ergiebige Jahre sorgten. Die Produktion überstieg 1833 mit 9329 kg den früheren Maximum aus 1768 (8261 kg), obwohl die Anzahl von Arbeitern auf nur etwa ein Zehntel (ca. 400 gegen ca. 4000 um 1770) reduziert war, und wesentliche technische Änderungen nicht eingeführt waren. Nach grossartigen Innovationen und Investitionen kurz nach der Jahrhundertwende 1900 (Elektrizität, Bohrmaschinen, Benzinlokomotive u.s.w.) konnte die Produktion nochmals erweitert werden und reichte seinen Gipfel im Betriebsjahr 1915/16 mit fast 13 000 kg (d.h. rechnungsführte Produktion, die tatsächliche Produktion kulminierte 1914/15 mit 15 617 kg). Bisher hat die offizielle Geschichtschreibung mit einer Gesamtzahl für die Produktion von ca. 1 347 800 kg gerechnet (Moen 1967: 428), gewöhnlich abgerundet zu 1 350 Tonnen. Das wird sich kaum nach diesen neuen Untersuchungen ändern. Insgesamt ist beim Kongsberger Silberbergwerk nach den hier publizierten Produktionszahlen 1 352 206 kg Feinsilber (100 % Ag) produziert. Subtrahiert man davon die oben genannten angenommenen 6 915 kg aus Konnerud, bleibt eine Eigenproduktion von 1 345 291 kg Silber. Dazu kommen nicht eingeschlossene Mengen von privaten Silbergruben im alten Revier des Silberbergwerks nach 1816, die auch in der staatlichen Silberhütte verhüttet wurden. Die Verteiling zwischen staatlichen und privaten Betrieben von der in der Periode 1806-1815 insgesamt produzierten Menge von 9 008 kg Silber, die in unseren Angaben völlig eingeschlossen ist, bleibt unklar. Auf der anderen Seite fehlen Angaben von Silber in Handsteinen für die ganze Zeit nach 1792. Rechnen wir dass auch weiter wie vorher der Anteil des Silbers in Handsteinen sich auf 0,26 % beträgt, gäbe dass eine zusätzliche Menge von etwa 2 167 kg Silber. Dazu kommen in Prinzip unkalkulierbare Mengen von Silber, dass zu jeder Zeit gestohlen wurde.
Reihe Z002:
Verbrauch von Talch (Unschlitt) beim Kongsberg Silberbergwerk, 1686-1805
Talch oder Unschlitt wurde zur Beleuchtung in offenen Lampen benutzt. Das Silberbergwerk kaufte Talch wie andere Materialiensorten zum grossen Teil von Kaufleuten in Drammen, Christiania (Oslo) und anderen Städten. Einzelne Bauern konnten auch kleinere Quanta gelegentlich verkaufen, als sie bei den Märkten in der Bergstadt eintrafen, besonders am Sommermarkt. Im 18. Jahrhundert wurden grosse Lieferungen von den Bauern im westlichen Teil Norwegens organisiert. Die Bauern brachten das Talch auf Saumrossen über die Hochgebirgsebene Hardangervidda, wo auch Vieh und andere Waren zum Markt in der Bergstadt transportiert wurden. Die Entwicklung der Lieferungen von Talch zeigt deutliche Wachstums- und Niedergangsphasen:
1) 1686-1724 (38 Jahre): Wachstum – 3,5-mal Verdoppelung der Lieferung. Erweiterung des Bergbaus, aber nicht im gleichen Masstab. Vermutlich bessere Organisierung der Lieferungen. 2) 1724-1728 (4 Jahre): Starker Fall – Likviditätsprobleme und daher vermutlich Wegfall des Zutrauens unter den Lieferanten. 3) 1728-1749 (21 Jahre): Wachstum bis etwa zum früheren Gipfel. 4) 1749-1756 (7 Jahre): Starker Fall – schwierig zu interpretieren, der Umfang des Bergbaus hält sich ziemlich stabil, und es ist eigentlich keine Krise wie in den 1720er Jahren. 5) 1756-1770 (14 Jahre): Wachstum, die früheren Maximalwerten werden aber nicht überschritten. Der Bergbau expandierte in dieser Periode bis zur Kulmination um 1770. 6) 1770-1800 (30 Jahre): Gradueller Niedergang, mit Plateauphase inzwischen. Krise und Einschränkung des Bergbaus, der Bedarf an Talch wird weniger.
Als Alternative zu Talchlampen kamen im 18. Jahrhundert Fackel, die mehr oder weniger mutwillig – wegen der Brandgefahr – von der Leitung zugelassen wurden, aber nur auf brandsicheren Stellen. Als die Anzahl von Bergarbeitern in den zwei letzten Dritteln des Jahrhunderts weit über die früheren Zahlen anstieg, musste man offenbar mehr und mehr nach Fackeln greifen, weil man nicht Talch genug für alle beschaffen konnten, wie es aus der Statistik ziemlich klar lesbar ist.
Reihe Z003:
Verbrauch von Schiesspulver (Schwarzpulver) beim Kongsberger Silberbergwerk, 1659-1805
Angaben über Verbrauch von Schiesspulver sind in verschiedenen Rechnungen geführt. Seit Mitte der 1680er Jahre haben wir leicht zugängliche Angaben in den besonders geführten Materialienrechnungen (vgl. die Anmerkungen zu Z002). Als die Einführung und die spätere Nutzung von Schiesspulver zentrale Thema in der technikgeschichtlichen Forschung über Bergbau in Kongsberg sind, hat der Verfasser das Verbrauch von Schiesspulver auch vor 1683 in den Rechnungen nachgeforscht. Meistens mussten die Angaben aus den monatlichen Schichtmeisterrechnungen Grube für Grube ausgeholt werden (vgl. Berg 1994/1998 mit vollständigen Quellenangaben). Die Gewinnung von Erz und Gestein ist eine Hauptoperation im Bergbau, und technische Änderungen in diesem Gebiet sind bedeutende Faktoren in der Entwicklung der ganzen Montanindustrie (wie später Dynamit, Bohrmaschinen). Pulverschiessen im Bergbau ist in Europa seit 1617 (Le Thillot, Frankreich) bekannt, diese wichtige neue Gewinnungstechnik hat sich aber nicht überall schnell etabliert. Wie Christoph Bartels gezeigt hat, wurde das Pulverschiessen am Harz relativ schnell nach seiner Einführung 1632 die dominierende Gewinnungstechnik, mit grossen Wirkungen für den Aufschwung des Bergbaus. Es waren mehrere hemmende Faktoren in der allgemeinen Rezeption dieser Technik. Das Sprengen selbst war destruktiv und gefährlich sowohl für die Menschen als für die Grubenanlagen und musste kontrolliert werden. Die Herstellung von Bohrlöchern durch Böhrer von Schmiedeeisen war arbeitsintensiv und schwierig, besonders im festen Gestein wie gewöhnlich z.B. zu Kongsberg. Die Grubenräume waren teilweis sehr eng, besonders bei Bergbau auf schmalen Erzgängen wie zu Kongsberg, eine besonders nachteilige Bedingung für die frühe Sprengtechnik hier. Die Alternative Gewinnungstechnik, das Feuersetzen, wurde im grossen Masstab hier benutzt und wurde lange offenbar vorgezogen. Handarbeit mit Schlegel und Bergeisen kam auch vor, wurde aber im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts aufgegeben. In Norwegen planierte man Versuche mit Pulverschiessen schon im 1643, nach eingehenden Forschungen der Quellenmaterial lässt sich doch keine Realisierung dieser Pläne nachweisen. Die erste belegte Schiessarbeit in Norwegen ist 1655 bei einer kleinen Kupfergrube in Westnorwegen (Kvinnherad) nachgewiesen. Schiesspulver wurde in Kongsberg nachweislich erstmals 1659 benutzt, bei einer Sprengarbeit übertage, danach nur versuchsweise auch untertage in den folgenden zwei Jahrzehnten. 1681 versuchte die Leitung die neue Sprengtechnik auf eine festere Basis zu organisieren, es war aber nicht sehr erfolgreich. Die spätere Entwicklung zeigt auch wiederholte Versuche auf Expansion dieser Technik, gefolgt von Rückschlägen. Seit etwa 1713 war es immer schwieriger dem expandierenden Bergbau mit grösseren Mengen von Holz zum Feuersetzen zu versorgen, und immer mehrere Arbeiten mussten mit Pulverschiessen belegt werden. Die Sprengmethode war auch mehr sicher geworden, nachdem Lettenbesatz statt Schiesspflöcke von Holz 1711 eingeführt wurde. Der Bergbau expandierte bis 1724, danach folgte eine Krise. 1732-33 kam eine neue Betriebsleitung aus Deutschland, und Erweiterung des Pulverschiessens auf Kosten des Feuersetzens war ein Programm dieser neuen Beamten. Schlegel- und Eisenarbeit wurde zu dieser Zeit fast völlig aufgegeben. Eine Pulvermühle wurde 1734 gegründet, damit das Bergwerk sich selbst mit Schiesspulver versorgen konnte. Das Schmiedewesen wurde umorganisiert und das Feuersetzen praktisch verdrängt von vertikalen Arbeiten wie Gesenke und Strossen, und zu horizontalen Arbeiten wie Feldörten, Querschlägen und Stollen allein hingewiesen. Zu solchen Arbeiten wurde Feuersetzen z.T. bis 1890 benutzt, es verlor nur endlich im Wettbewerb mit der Sprengarbeit, nachdem Dynamit in den Jahren nach 1872 Schiesspulver ersätzte. Das Verbrauch von Schiesspulver kulminierte gleichzeitig mit der Anzahl von Arbeitern beim Silberbergwerk (4000 in 1770). Ein sehr starker Fall traf in den wenigen Jahren von 1778 bis 1783 ein – eine Halbierung in nur fünf Jahren. Das war ein Ergebnis einer Sparkampagne unter der Leitung eines dafür besonders eingesätzten Bedienten, des "Oberschiessers". Dazu wurden 1776 Beladung mit Räumnadel anstatt ausgebohrter Schiessröhre eingeführt. Die Einsparungen wurden doch schliesslich von der Leitung als übertrieben beurteilt. Viele Sprenglöcher waren so schwach mit Schiesspulver beladen, dass sie beim Abschiessen versagten und kein oder wenig Gestein lossprengten. Die schwere Arbeit mit dem Bohren war dann vergeblich gemacht. Nach Aufgebung der extremen Sparkampagne zeigt die Kurve über das Schiesspulververbrauch einen mehr stabilen Verlauf. (Berg 1994/1998)
Reihe Z004:
Verbrauch von Eisen (Schmiedeeisen) beim Kongsberger Silberbergwerk, 1686-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Eisen war einer der wichtigsten Materialien im Bergbau, und die Bergwerke waren grosse Abnehmer der Eisenproduktion in der frühen Neuzeit. Eisen wurde bei Werkzeugen zur Gewinnung von Erz und Gestein im grossen Masstab eingesetzt, und der tägliche Verschleiss bei der Bearbeitung des festen Gesteins war gross. Bergeisen und Bergböhrer mussten jeden Tag wieder zur Schmiede. Obwohl Holz und Stein die wichtigste Baumaterialien waren, wurde auch viel Eisen zu Bauzwecken in den Gruben und am Tage benutzt, zu Nagel, Beschläge usw. Besonders bei den grossen Maschinenanlagen wurden viel Eisen benutzt (Wasserradtechnik, Wasserkunst/Pumpenwerke, Kehrräder zur Schachtförderung von Erz und Gestein, usw.) Der Verlauf des Eisenverbrauchs folgt eine allgemeine Entwicklung: Zunächst relativ langsames Wachstum bis etwa 1712, danach ziemlich schnelles Wachstum bis 1724. Diese Entwicklung fällt mit der Erweiterung des Pulverschiessens zusammen und es ist zu vermuten, dass ein Verbrauch von weit mehr Bohreisen als vorher in dieser Entwicklung ausschlaggebend war. Dasselbe trifft zu nach 1732, es wurde aber in den folgenden zwei Jahrzehnten auch sehr viele neue Maschinen gebaut, die auch viel Eisen benötigten. Mit Ausnahme von ausserordentlichen Auslieferungen von Eisen 1737, wurde den Gipfel des Eisenverbrauchs schon 1750 erriecht – d.h. schon 20 Jahre vor der Kulmination des Betriebs. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist diese Kurve weit mehr stabil als andere Materialienkurven. Die fehlende Kulmination diese Kurve in den Jahren um 1770 kann vielleicht durch fehlende Investitionen in Maschinanlagen usw. erklärt werden.
Reihe Z005:
Verbrauch von Stahl beim Kongsberger Silberbergwerk, 1683-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Stahl war zu diesen Zeiten ziemlich kompliziert herzustellen und daher sehr teuer im Vergleich mit Schmiedeeisen. Stahl wurde darum nur zu besonderen kleinen Teilen von Werkzeugen, Beschlägen usw. benutzt, die für Verschleiss sehr ausgesetzt waren. Z.B. wurden Kronen oder Bohrköpfe von Stahl zu Bohrstangen von Schmiedeeisen geschweisst, Stahl wurde in Lager für rotierende Wellen eingelegt, zu Spitzen in Bergeisen usw. Das Verhältnis zwischen Eisen und Stahl ist durch die ganze Periode im Durchsnitt 25:1. Der Verlauf der Kurve für Stahl folgt in grossen Zügen die Kurve für Eisen, auch für Stahl kulminierten die Auslieferungen weit vor der Betriebskulmination 1770 (Gipfel 1759). Eine Abweichung gegenüber der Kurve für Eisen ist der Niedergang nach 1781, der allerdings die übrige Krisenzeichen und der Kontraktion des Betriebs dieser Zeit im allgemeinen folgt.
Reihe Z006:
Verbrauch von Salpeter beim Kongsberger Silberbergwerk, 1735-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Salpeter war das Hauptmaterial zur Produktion von Schiesspulver, das seit 1734 mit der Gründung der Pulvermühle beim Silberbergwerk in Kongsberg erzeugt wurde. Die Kurve folgt logisch die Kurve des Schiesspulvers (vgl. Z003). Salpeter musste überwiegend aus dem Ausland durch Kaufleute gekauft werden.
Reihe Z007:
Verbrauch von Schwefel beim Kongsberger Silberbergwerk, 1723-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Schwefel wurde beim Anzünden von Sprenglöchern benutzt. Es ist vielleicht zufällig dass die ersten – kleinen – Angaben gerade in 1723 auftauchen. Wichtig wurde Schefel vor allem als Rohmaterial zur Produktion von Schiesspulver, das seit 1734 mit der Gründung der Pulvermühle beim Silberbergwerk in Kongsberg erzeugt wurde. Die Kurve folgt logisch die Kurve des Schiesspulvers und des Salpeters (vgl. Z003, Z006).
Reihe Z008:
Verbrauch von Schwefeldraht beim Kongsberger Silberbergwerk, 1749-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Schwefeldraht wurde beim Anzünden von Sprenglöchern benutzt. Die Entwicklung ist einen Indikator für die Anzahl von Sprenglöchern – mehr als z.B. für die Menge von Schiesspulver, als die durchschnittliche Beladung von Löchern sich freilich ändern konnte. Die Kurve ist seit etwa 1762 nicht sehr abweichend von der Kurve über Schiesspulververbrauch, und danach von den über Salpeter und Schwefel (vgl. Z003, Z006, Z007). Aber der Anfang der Kurve zeigt etwas besonderes, mit der Kulmination der ganzen Kurve schon 1750, mit einem folgenden starken Rückgang bis 1762. Diese Entwicklung ist nicht beim Schiesspulververbrauch zu spüren. Diese Tatsache zeugt wahrscheinlich von einer Umgestaltung des Bergbaus, mit Aufgebung des Tiefbaus und Erweiterung des Bergbaus in tagenahen Bauen, die sehr weit waren und daher förderten weniger Löcher per Kubikmeter, aber offenbar mehr Schiesspulver per Loch.
Reihe Z009:
Verbrauch von Schiesspapier beim Kongsberger Silberbergwerk, 1686-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Schiesspapier wurde beim Anzünden von Sprenglöchern benutzt. Das Papier wurde mit nassem Schiesspulver eingeschmiert und getrocknet. Es wurde oben ins Loch gesteckt, mit einem Faden von Schwefeldraht dazu befestigt. Die Entwicklung ist wie die Kurve für Schwefeldraht (vgl. Z009) ein Indikator für die Anzahl von Sprenglöchern. Der Verlauf ist vergleichbar mit der Kurve für Schwefeldraht, mit der Kulmination der ganzen Kurve in 1750, und mit einem darauf folgenden starken Rückgang. Dieser Rückgang bestätigt die Annahme bei Z008, die auf Basis der Umgestaltung des Bergbaus gegeben wurde.
Reihe Z010:
Verbrauch von Hanfseil (Förderseil) beim Kongsberger Silberbergwerk, 1730-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Hanfseil wurde als Förderseil in den Schächten benutzt, zunächst nur bei Haspeln, später auch bei den Kehrrädern – den dobbelt beschaufelten Wasserrädern. Gerade diese technische Entwicklung prägt vor allem dem Verlauf der Kurve. Bis zur Mitte der 1760er Jahren ist der Verbrauch von Hanfseil ziemlich stabil und sehr gering im Vergleich mit der folgenden Entwicklung, mit etwa einer vierfacher Verdoppelung in nur vier Jahren 1765-69 und mit einer späteren Verdoppelung nur von einem Jahr bis zum anderen 1776-77. Die vier benutzten Fördereinrichtungen in Kongsberg waren Haspel (seit dem Anfang 1623), Pferdegöpel (seit 1670), Kehrrad (seit 1727) und Trittrad (seit 1753). Die zwei kräftigeren Maschinen nutzten ursprünglich Eisenketten als Förderseil. Der Pferdegöpel wurde nur bis zu einer Tiefe von etwa 200 m benutzt. Als der Bergbau Schachttiefen von etwa 300 Meter erreichte, wurden die Eisenketten zu schwer und zerbrachen. Hanfseile wurden in Slovakien benutzt, Lederseile in Schweden. Sowohl Hanf als Leder waren am Harz um 1750 versucht, aber mit schlechten Ergebnissen. Drahtseile wurden erst im 19. Jahrhundert eingeführt. Versuche mit Hanfseilen bei Kehrrädern in Kongsberg kennen wir von den Jahren um 1770. Offenbar begannen sie etwa 1766-67. Der Durchbruch kam aber erst zehn Jahre später, nachdem der neue Oberberghauptmann seit 1775, Jörgen Hiort, eine erneute Konzentration um des Tiefbaus als einen wichtigen Punkt in seinem Krisenbewältungungsprogramm festlegte. Gleichzeitig konnte man Lieferungen von einer neuen Reperbahn in Christiania (Oslo) sichern. Tritträder wurden abgeschafft. Die Kurve folgt nicht dem allgemeinen Rückgang des Betriebs gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Der Bergbau wurde grösserteils in die Tiefe fortgesetzt, und der Bedarf an Hanfseil in den Hauptgruben wurde damit eher grösser mit der Zeit. Der Maximalverbrauch wurde dann so spät als 1795 mit fast 20 Tonnen erreicht.
Reihe Z011:
Verbrauch von Leder beim Kongsberger Silberbergwerk, 1770-1805
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Leder wurde vor allem als Ventilmaterial in den Saug- und Hebepumpen in den Grubenschächten benutzt. Leder wurde in verschiedenen Qualitäten und Formen eingekauft, gewöhnlich von Kaufleuten und zu dieser Periode nach Auktion. Die drei ausgelieferten Qualitäten beim Anfang der Periode waren Puntleder, Pumpenscheiben und "Tuggen", die zwei letzten Typen waren mehr oder wenig fertig bearbeitete Pumpenventilen und wurden in Anzahl und nicht nach Gewicht gerechnet. Dazu kommt seit 1774 sogenanntes "geschmiertes" Leder, das in Haute gerechnet wurde. In den hier publizierten Angaben ist seit 1770 nur Puntleder gegeben, das in Schalpfund gerechnet wurde, samt seit 1774 auch sogenanntes "norwegisches" Leder, und seit 1786 auch "aluniertes" Leder. Die Gesamtzahlen für die Periode verteilt sich in folgender Weise:
Die Kurve folgt wie die Kurve für Hanfseil nicht dem starken allgemeinen Rückgang des Betriebs gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Zwar wurden einige Gruben stillgelegt, andere aber wurden immer tiefer. Einschränkungen von der Belegschaft erfolgten vor allem in der Erzaufbereitung durch Innovation – Einführung der "ungarischen Pochmethode". Der Bergbau wurde grösserteils in die Tiefe fortgesetzt. Das Maximum der Kurve wurde 1793 erreicht, d.h. etwa gleichzeitig mit dem Maximum des Hanfseilverbrauchs (1795).
Reihe Z012:
Einkäufe von Blei beim Kongsberger Silberbergwerk, 1684-1813
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Blei wurde in der Verhüttungsprozess benutzt. Die Kurve zeigt sehr grosse jährliche Schwankungen, als Blei teilweis in grösseren Parteien eingekauft wurde, und die Einkäufe nach Gelegenheit gemacht werden mussten. Einige Jahren wurde überhaupt kein Blei eingekauft. Das Blei wurde meistens nach Auktion von Kaufleuten in Norwegen eingekauft, die es vermutlich zum grossen Teil von England beschafften, obwohl wir keine sichere Auskünfte darüber haben. Viele grosse norwegische Kaufhäuser hatten engen Beziehungen zu England wegen des Holzhandels. Von 1748 bis 1791 das Blei als "englisches Blei" bezeichnet (danach aber neue Hand in den Rechnungen!). Nur wenig Blei wurde in Norwegen produziert, in der Periode etwa 1730 bis 1770 bei Konnerud (Drammen), dieses Bergwerk lieferte aber nachweisbar nur kleinere Parteien in den Jahren 1739, 1740 und 1742. Die Kurve folgt aus natürlichen Gründen in grossen Zügen der Produktionskurve von Silber (vgl. Z001). Das Maximum wurde aber schon 1735 mit etwa 330 Schalpfund ( 165.000 kg) erreicht. In den Jahren 1728 bis 1737 war Fabricius in Kopenhagen der dominierende Lieferant. Diese Zeit um 1730 zeigt deutliche Abweichungen im Verhältnis zwischen Blei und Silber, die unter den Kommentaren zum Verbrauch (Z229) weiter diskutiert wird.
Reihe Z029:
Verbrauch von Blei beim Kongsberger Silberbergwerk, 1686-1815
Zur Quellenlage, vgl. die Anmerkungen über die Materialienrechnungen zu Z002. Blei wurde im Verhüttungsprozess benutzt. Daher folgt die Kurve in grossen Zügen die Produktionskurve von Silber (vgl. Z001). Im Durchschnitt wurde in der Periode 1687 bis 1800, als die Daten vollständig vorliegen, eine relative Menge von 14,5 Kilogramm Blei per Kilogramm erzeugtes Feinsilber im Hüttenprozess verbraucht – obwohl vieles Blei in der Form von Bleiglätte und Herdblei im Prozess wiederverbraucht wurde. Das Verhältnis zwischen Blei und Silber war aber nicht konstant. Einige Jahren und Perioden zeigen grosse Abweichungen. Besonders hoch (über 20 kg per kg Silber) war der relative Bleiverbrauch in Einzelnjahren wie 1688, 1713, 1715, 1796 und 1797, und vor allem in der Periode 1724 bis 1737. Das Jahr 1734 erreichte der Bleiverbrauch fast genau dieselbe Höhe als bei der Kulmination der Silberproduktion 1768 (223.794 bzw. 224.175 Schalpfund), obwohl im erstgenannten Jahr nur 55% der Silberproduktion in 1768 erzeugt wurde. Diese Abweichungen sind schwer zu erklären, vielleicht liegt es an metallurgische Besonderheiten in diesen Jahren, die wir nicht kennen. Es mag sein, dass die Erzgrundlage in der Periode um 1730 etwas besonders war, aber es ist nicht wahrscheinlich. In jedem Fall ist es als eine Hypothese anzunehmen, dass die folgenden grossen Einsparungen im relativen Bleiverbrauch auf metallurgische Rationalisierungs¬massnahmen zurückzuführen seien. Diese Zeit stellt sich dann nach diesen quantitativen Analysen als eine interessante Untersuchungsperiode für künftige Forschung mit dem Hüttenwesen als Thema vor.
Reihe Z232:
Falun, Rohkupferproduktion in Schiffspfund Berggewicht, 1546/1568-1810
Rohkupfer ist das Produkt der vielen meist privaten Kupferhütten bei Falun, die mit Erz vom "Grossen Kupferberg" versorgt wurden. Man schätzt den Metallinhalt des Rohkupfers zu etwa 90% Cu. Seit dem frühen 17. Jahrhundert wurde das meiste Rohkupfer in Garhütten ausserhalb Falun raffiniert, und grosse Anteile der Produktion wurde exportiert. Vieles Kupfer wurde auch einheimisch abgesetzt, besonders zur Münzung. Seit 1546 sollte alles erzeugtes Rohkupfer beim Waage in Falun unter Aufsicht eines Beamten eingewogen werden, als Grundlage für neue Produktionsabgaben. Das Rohkupfer wurde in Schiffspfund Berggewicht gewogen, dieses Mass war etwas grösser als das Stockholmer Handelsgewicht, um Gewichtreduktionen bei Raffinierung und Transport zu berücksichtigen. Genaue Umrechnungswerte für die ganze Periode kann man nicht geben. Der Bergbau in Falun geht weit zurück, er ist urkundlich belegt seit dem Anfang unserer Untersuchungs¬periode (1288), zu welcher Zeit Bergbau und Verhüttung ordentlich organisiert wurden. Vermutlich wurde Kupfer schon Jahrhunderte früher gewonnen. Produktionsangaben sind vom Mittelalter unbekannt. Nur einige Angaben von lübischen Pfundzollisten 1368-69 und 1492-96 geben Andeutungen über die Grösse des Kupferausfuhrs, zum ersten Zeitpunkt etwa 500 bis 800 Schiffspfund, in den 1490er Jahren etwa 2000 Schiffspfund, die Jahren sind doch vermutlich nicht repräsentativ. Lübeck war Zentrum für den Kupferexport bis zu etwa den 1620er Jahren, als der Kupferhandel nach Westen verlegt wurde (Hamburg, Amsterdam). Nur seit 1546 gibt es ziemlich zuverlässige Produktionsangaben. Die Produktion war damals unbedeutend. Ein Produktionsanstieg kam im letzten Teil des 16. Jahrhunderts, und wieder im Anfang des 17. Jahrhunderts. Dann ging vermutlich das meiste Exportkupfer nach Spanien, der 1599-1626 zu praktisch reiner Kupferausmünzung übergangen war. Grosse Finanzierungskosten des schwedischen Staats als Kriegsbüsse zu Dänemark nach 1613 wurden teilweis mit Kupferexport gedeckt. Die anstiegende Produktion von Falun, mit seiner Kulmination um die Mitte und im zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, füllte eine Lücke die von reduzierter Produktion des Mansfelder und des ungarischen Kupfers seit dem letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts gebildet war. Später kam Kupfer von Japan und von anderen Quellen, aber im 17. Jahrhundert hatte das schwedische Kupfer weitgehend einen grossen Einfluss auf den europäischen Kupfermarkt, obwohl es diskutiert ist, welche Rolle es eigentlich spielte. Schweden war ohne Zweifel der grösste Kupferproduzent in Europa, und Falun war ganz dominierend in Schweden, niemals mit unter 90 % der Gesamtproduktion. In der schwedischen Wirtschaft war zwar immer die Eisenerzeugung wichtiger, im 16. Jahrhundert auch der Silberbergbau. Besonders im 17. Jahrhundert war doch die Kupferproduktion von internationaler Bedeutung und wichtig für die Finanzierung der schwedischen Staatsmacht, gerade bei der Etablierung Schwedens als Grossmacht während und im Gefolge des Dreissigjährigen Krieges. Der Kausalzusammenhang zwischen Politik und Wirtschaft ist nicht eindeutig. Gewiss ist, dass der Staat die Expansion der Kupfererzeugung in der ersten Hälfte des Jahrhunderts durch verschiedene Massnahmen förderte. Bergbau und Hüttenwesen wurden 1637 unter der Aufsicht und Leitung des staatlichen "Bergskollegium" (etwa eines Oberbergamts) gestellt. Technische Änderungen trugen auch zur Expansion bei, besonders in der Metallurgie. Das Rohkupfer wurde jetzt weiter raffiniert zu Garkupfer durch Etablierung von besonderen Garhütten, eine neue Messingindustrie wurde auch gegründet. Wichtig für die Produktion war immer die innere Entwicklung des Bergbaus. Das Kupfervorkommen in Falun ist stark raumlich konzentriert. Die Erzgewinnung ging vor in ziemlich naheliegenden Abbauräumen, die einander mit der Zeit teilweis verbunden wurden, teilweis durch grössere oder mindere Brüche, die schliesslich eine grosse Pinge bildeten. Die Geschichte des Bergbaus im 17. Jahrhundert ist stark von solchen Pingenbrüchen bestimmt, und das endliche Zusammenbruch von drei naheliegenden Pingen zu einem grossen in 1687 markierte auch das Ende der grossen Produktionsepoche. Die reichsten Erzparteien waren aber auch dann zu Ende. Nach einem starken Niedergang der Produktion etwa von 1690 bis 1720, hält sich die Produktion ziemlich stabil weiter durch das 18. Jahrhundert. Obwohl die Preise wie immer bei Kupfer zu Zeiten stark variierten, haben diese Änderungen wahrscheinlich wenig zu den Produktionsschwankungen beigeträgt. Der Bergbau war im ganzen 18. Jahrhundert schwierig, und stand unter grosser Aufmerksamkeit von den leitenden Bergbehörden und von hervorragenden Technikern wie Christopher Polhem, der das Maschinenwesen bei der Grube stark innovierte. Der Tiefpunkt der Produktion kam am Ende der 1760er Jahren, vor allem nicht wegen Erzmangels aber wegen äusserer wirtschaftichen Umständen, vor allem der allgemeine Preisentwicklung. In den letzten Jahren des Jahrhunderts erreichten die Bergleute das Ende des grossen Kupferkiesvorkommens. Als es schon einige Jahre lang sich eingeengt hatte, fiel die Produktion stark seit 1793. Die Zeit um 1800 markiert daher auch für Falun eine natürliche Zäsur in der Geschichte des Bergbaus.
Reihe Z233:
Röros, Kupferproduktion in Schiff-, Lis- und Schalpfund, 1646-1844
Das Kupferbergwerk in Röros wurde 1644 gegründet und war seit 1646 in regelmässiger Produktion. Seit diesem Jahr liegen Produktionsangaben vor, doch für die ersten sechs Jahren nur als Gesamtzahlen für zwei dreijährige Perioden. Seit 1652 laufen dann die Angaben jährlich, obwohl die Angaben für die ersten 6-7 Jahrzehnte etwas unsicher sind. Mit Kupfer ist hier fast vollständig das gewöhnliche Endprodukt Garkupfer gemeint, d. h. nicht 100% rein metallisch Kupfer, aber viel reiner als z. B. das Rohkupfer von Falun (vgl. Z232). Nur geringe Mengen von Kupferblech wurden auch zu Zeiten erzeugt. Der Verlauf der Kurve ist von kurzfristigen und längerfristigen Schwankungen geprägt. Mit Ausnahme von einem Jahr 1671 kam die Produktion erst nach 1686 über 1000 Schiffspfund. Eine Krise kam um 1680 wegen Kriegshandlungen, als die Schweden 1678 og wieder 1679 Röros besetzten und das Werk zerstörten. Wie bei Kongsberg, wurde das Kupferbergwerk in der Mitte bzw. am Ende der 1680er Jahren neu organisiert, eine Grundlage für die spätere Expansion. Seit dann waren meisten der Besitzer und die führenden Kräften Bürger in Trondheim. Ein Bergamt für die mittelnorwegischen Bergwerken wurde 1689 in Trondheim gegründet. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts war Röros das grösste Kupferbergwerk in Norwegen. Seit dann und im fast ganzen 18. Jahrhundert war Röros ein sehr gutes Geschäft für die Besitzer und durch den Produktionsabgaben auch für den dänisch-norwegischen Staat. Von 1711 bis 1720 war wieder Krieg in Skandinavien, und Kriegshandlungen 1718 zerstörten nochmals den Betrieb für viele Jahre, wie es in den Produktionsangaben lesbar ist. Nachdem die alten Vorkommen zum Teil ausgeschöpft wurden, fand man 1708 "Neue Storwartz", die Hauptgrube der nächsten zwei Jahrhunderte. Zwei andere wichtige Vorkommen wurden 1723 (Christianus Sextus) und 1735 (Königs Grube) entdeckt, diese Gruben waren auch wichtig für die weitere Expansion. Nachdem Pulverschiessen bei der Erzgewinnung schon seit 1657 benutzt war, wurde die neue Technik auch hier – wie zu Kongsberg (vgl. Z003) – nach etwa 1730 die dominierende Gewinnungstechnik, und die einheimische Produktion von Schiesspulver wurde gestärkt. Erzgewinnung durch Feuersetzen wurde mehr selten, und diese Technik wurde weniger benutzt als in Kongsberg. Holz war im Gebirgsgebiet um Röros schwierieger zu beschaffen und die zugänglichen Wälder im Revier mussten wegen des grossen Bedarfs an Holzkohle zu den Kupferhütten so viel wie möglich zum Köhlerei reserviert werden. Nach 1746 kam eine Periode mit Rückgang der Produktion, wahrscheinlich meistens von vorübergehenden Schwankungen des Erzlagers verursacht. Überschwammungen 1755 und 1760 trugen auch dazu bei. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren viele Schürfer im Revier tätig, und neue Vorkommen wurden entdeckt. Investitionen in Maschinen wurden auch gemacht, wie auch Massnahmen zur Verbesserung der Metallurgie. Die Produktion kulminierte 1774, sie fiel später bis zur früheren Lage im Anfang der 1790er Jahren, und stieg dann wieder ziemlich hoch. Zu diesen Kriegszeiten war es ein Hochkonjunktur, der gunstig auf diesen Zweig der Wirtschaft wirkte, bis Dänemark-Norwegen 1807 selbst in den Krieg hereingezogen wurde und die englische Blokade grosse Schwierigkeiten für den Handel schaffte. Es fällt auf, das die Produktionskurve in grossen Zügen ziemlich gut vergleichbar mit der Kurve von Silberproduktion in Kongsberg ist, mit einigen Ausnahmen (vgl. Z001). Bei diesen zwei grössten Bergwerke Norwegens stieg die Produktion schwach durch das 17. Jahrhundert, abgebrochen von Krisenerscheinungen um etwa 1680, gefolgt von einer stärkeren Expansion bis zu einer Blütezeit im frühen 18. Jahrhundert, abgebrochen von einer Krise in den Jahren etwa um 1720-1730, gefolgt von einer noch stärkeren Expansion bis zur Kulmination der Produktion bei beiden Bergwerken um 1770. Der folgende Rückgang wurde nur bei Röros von einem neuen Anstieg gegen die Jahrhundertwende abgebrochen, Kongsberg aber stürzte noch weiter ab.