Die hier versammelten Schriften von Salvatore Giammusso widmen sich der Auslegung und produktiven Aneignung der Anthropologie, wie sie von Wilhelm Dilthey und seiner Schule geltend gemacht wurde. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Gedanke des Unergründlichen - vita abscondita -, da er erkenntnistheoretische und ethische Aspekte zusammenhält. Indem die Diltheysche Tradition die Idee der Unergründlichkeit betont, rückt sie in die Mitte der Erkenntnistheorie die Frage nach einem angemessenen Verstehen der individuellen, kreativen Phänomene menschlicher Lebensformen. Sie ersetzt die Daseins
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Während im 19. und im frühen 20. Jahrhundert der Wille nicht nur zentrales Thema der akademischen Psychologie, sondern auch der praktischen Lebensführung und der Alltagsdiskurse war, läßt sich heute ein Verschwinden des Begriffs des Willens feststellen. Der Autor stellt einen Zusammenhang zur postmodernen These vom "Tod des Subjekts" her, in der keine Absage an das empfindende, wahrnehmende, leidende, also an das passive und rezipierende, sondern an das aktive, an das wollende Subjekt gesehen wird. Mit P. Valerys Interpretation des Cartesianischen Cogito als Selbstermächtigung des Subjekts wird diese These verdeutlicht. Wenn vom Verschwinden des Subjekts die Rede ist, dann deshalb, weil der Wille zum Subjekt erlischt. "Und er erlischt, weil er in der total verwalteten Welt funktionslos wird. Wie die Geburt des Subjekts beim Eintritt in die Moderne ist sein Tod an deren Ausgang ein ethisches Ereignis. Der Wille zum Subjekt wird funktionslos." Damit ist jedoch das Subjekt nicht tot, sondern taucht als ästhetisches jenseits des wollenden Subjekts auf. Das "Erhabene" avanciert zum Zentralbegriff einer postmodernen Ästhetik, "weil an ihm allein das Subjekt noch soll erfahren können, daß es nicht nichts ist". Diese Überlegung wird unter Rückgriff auf Kants Theorie des Erhabenen und unter Einbeziehung neuerer Ansätze (Lyotard, Bohrer) differenziert und konkretisiert. (ICD)
Der vorliegende Beitrag untersucht, in welchem Maße die Kulturanthropologie/Ethnologie, die jahrzehntelang das Monopol in der Erforschung jener Gesellschaften besaß, die heute Zielgruppe der Entwicklungspolitik sind, Hilfestellung bei der Organisierung und Beurteilung des Technologietransfers leisten kann. Der Verfasser skizziert die Entwicklungsgeschichte der kulturanthropologischen Forschung und analysiert kritisch das Verhältnis zwischen Kulturanthropologie und Politik. Die konventionelle These von der als gegeben anzusehenden Technik und der Gesellschaft als einer ihr anzupassenden Variablen wird zurückgewiesen. Die entscheidende Frage ist nicht, wie eine Gesellschaft mit einer gegebenen Technik zu verbinden ist, sondern welche Technik sich für die jeweilige Gesellschaft eignet; die Technik wird damit zur Variablen. Der Verfasser betont die Notwendigkeit einer allgemeinen Theorie des Kulturwandels und verweist auf die Vorteile eines dialektischen Erklärungsmodelles. Kulturanthropologie, die das Ziel hat, die Emanzipation des Menschen zu fördern, darf sich nicht darauf beschränken, Voraussetzungen für die Integration einer gegebenen Technologie zu liefern. Um nicht zum Instrument der Durchsetzung fremder Interessen in der Dritten Welt zu werden, muß die Kulturanthropologie untersuchen, unter welchen Bedingungen eine tatsächliche Überwindung der Unterentwicklung möglich ist. (JL)
Am Beispiel der Gefangennahme einer Gruppe englischer Seeleute durch die iranische Marine und die folgende würdelose Medienberichterstattung über private Dinge anstelle würdevollen Schweigens im Sinne militärischer Geheimhaltung diskutiert der Beitrag, ob diese Auflösung vornehmer zugunsten vulgärer Verhaltensformen nicht mehr Ausdruck von Kraft, sondern von Schwäche ist und Stationen eines kulturellen und politischen Niedergangs der Gesellschaft beschreibt. Dabei wird gefragt, ob Marx' Urteil in Bezug auf das England des 19. Jahrhunderts ("Demiurg des bürgerlichen Kosmos") noch immer Gültigkeit besitzt und ob sich die englischen Symptome von Dekadenz auch auf Kontinentaleuropa, vor allem auf Deutschland, übertragen lassen. Erörtert wird Friedrich Nietzsches Begriff der "décadence" und seine Formel "Wille zur Macht". Der Autor stellt diese in den Zusammenhang mit den in Deutschland charakteristischen Mentalitäten, die für ihn den Verlust an Willen und Willen zur Macht verdeutlichen. Die Konsequenz daraus hieße Reduktion der Politik auf Sozialpolitik, bzw. Sozialhilfe. Wer in diesem Sinne auf Macht verzichtet, verzichtet auf Politik. (ICH)
"Die Willensbildung der Fraktion erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip. Doch erlaubt es das freie Mandat, sich in der parlamentarischen Politik gegen den so gebildeten Willen zu positionieren. Wie steht das Fraktionsbinnenrecht dazu?" (Autorenreferat)
Der Anthropologe, wie auch seine Objekte sind gegenwärtig der imperialen Zivilisation ausgesetzt. Der Anthropologe ist in dreifacher Hinsicht entfremdet: in der Zivilisation, in der er lebt, durch seinen Beruf und durch die Beziehung zu seinen Untersuchungsobjekten. Diamond definiert daher in Anschluß an Levi-Strauss den Anthropologen als Entropologen. Gegenstand seiner Untersuchung ist die Behauptung von Levi-Strauss, daß das Ziel der Anthropologie nicht eine Selbsterkenntnis sein könnte. Er stellt die Auseinandersetzung von Levi-Strauss mit Ricoeur zu diesem Punkt dar und untersucht die Rolle, die der Erkenntnis von primitiven Gesellschaften seit der Aufklärung von den unterschiedlichen Positionen aus zugesprochen wurde. Die Veränderung des Menschenbildes der Primitiven vom 'edlen Wilden' zum Untermenschen wird von Diamond in Verbindung mit der gesellschaftlichen Entwicklung, vor allem mit der Kolonialisierung gesehen. Repräsentativ für das 18. Jahrhundert wird die Position Rousseaus untersucht.Die Theorie von Marx und Engels enthält Spuren einer Anthropologie, ohne daß Marx eine Ethnologie entwickelt hat. Diamond faßt Marx als Nachfolger Rousseaus in der Frage der Beziehung ursprünglicher Zustand und Zivilisation. Prägend für das 20. Jahrhundert ist in der Anthropologie der Relativismus, hervorragend vertreten durch Levi-Strauss. Die Perspektiven der Ethnologie liegen für Diamond in einer Rückbesinnung auf die Traditionen von Rousseau und Marx. Eine solche Ethnologie kann zur Rekonstruktion der Anthrologie beitragen, die dann nicht allein nur Selbstzweck wäre. (BG)