Das Dominanz/ Dependenz-Verhältnis
In: Politikwissenschaftliche Entwicklungsländerforschung, S. 401-429
In dem Beitrag werden Konzeption und Ansätze der lateinamerikanischen Dependenztheorien kritisch beschrieben. Als zentraler Ausgangspunkt für den Ansatz von dos Santos werden drei Formen von Abhängigkeit ausgemacht: koloniale, finanziell-industrielle und technologisch-industrielle Abhängigkeit. Die negativen Momente des Modernisierungsprozesses werden aufgezeigt. Als Cardosos Verdienst wird die Entwicklung eines Modells des Dominanz/ Dependenz-Verhältnisses dargestellt, in dem die Dialektik von Abhängigkeit und Entwicklung zum Ausdruck kommt. Außerdem wird Sunkels Weltmodell der internationalen Interdependenzen beschrieben, in dem Entwicklung und Unterentwicklung als vermittelte Strukturen einer Totalität aufgefaßt werden. Im Vergleich dieser drei Ansätze werden die Intentionen der Dependenztheoretiker ermittelt: Formulierung einer Strategie zur Überwindung der Abhängigkeitsverhältnisse. Anhand von drei Problemkreisen wird das ideologische Moment der Dependenztheorien herausgearbeitet: an der Kritik der bereits erfolgten Versuche der Industrialisierung; an der undifferenzierten Behandlung der imperialistischen Penetration; an der Einschätzung der Rolle des Staates in den peripheren Gesellschaften. An allen drei Bereichen wird die begrenzte Erkenntnisleistung der Dependenztheorien deutlich. Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, daß die Dependenztheorien eine Rechtfertigungsideologie sind und eine brauchbare Entlastungsfunktion ausüben, indem sie alle difizienten Momente der lateinamerikanischen Entwicklung unterschiedslos der imperialistischen Penetration zuschreiben. (RW)