Strategische Lohnpolitik in einer Europäischen Währungsunion
In: IFSt-Schrift 342
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In: IFSt-Schrift 342
In: Grüne Briefe 326
In: Grüne Briefe 317
In: IW-Analysen Nr. 35
Von einer Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg erhofft man sich positive Arbeitsmarkteffekte, wenn aufgrund der Flexibilisierung der Löhne entweder die Beschäftigungsmenge wächst oder die Arbeitsplatzsicherheit zunimmt. Zusätzlich versprechen sich viele Firmen von Gewinnbeteiligungen, dass diese die Mitarbeiter zu einer höheren Leistung und einer größeren Anpassungsbereitschaft motivieren. Dennoch existieren Gewinnbeteiligungsmodelle gerade einmal in jedem vierten Unternehmen in der Industrie und den industrienahen Dienstleistungsbranchen. Sie werden vorwiegend in Firmen eingerichtet, die sich in einem sogenannten Effizienzlohnumfeld bewegen, in dem hochqualifizierte Arbeitnehmer Entscheidungsverantwortung übernehmen und die Geschäftsführung mit ihren Mitarbeitern unternehmenspolitische Fragen erörtert und entscheidet. Effizienzlohnargumente bilden daher auch das Hauptmotiv für Unternehmen, eine Gewinnbeteiligung zu implementieren. Die Bindung an einen Flächentarifvertrag erweist sich hingegen tendenziell als Hemmnis. Gleichwohl hat es die Tarifpolitik in der Hand, den erforderlichen Handlungsspielraum zu schaffen, den Unternehmen für die Einführung von Gewinnbeteiligungen brauchen. In einigen Tarifbereichen sind hierfür erste Ansätze vorhanden.
Das Tarifjahr 2021 war durch langwierige Verhandlungen geprägt. Pandemiebedingt wurden einige Konflikte schon 2020 unterbrochen oder ausgesetzt, etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Sozial- und Erziehungsdienst oder in der Druckindustrie. Aber auch neue, erst im Laufe des Jahres 2021 begonnene Tarifverhandlungen zogen sich hin. Im Einzelhandel dauerten die Verhandlungen 7,6 Monate, in der Metall- und Elektro-Industrie 7,4, im Bauhauptgewerbe 7,0 und im Groß- und Außenhandel 6,9 Monate. Bei den privaten und öffentlichen Banken, wo die Verhandlungen bereits im Juni 2021 starteten, ist keine Einigung in Sicht. Die durchschnittliche Verhandlungsdauer lag 2021 in den 21 Tarifkonflikten aus insgesamt zwanzig Branchen, die im Rahmen des IW-Konfliktmonitorings analysiert wurden, bei 6 Monaten. Im langjährigen Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2020 waren es lediglich 4,2 Monate und 2020, im ersten Pandemiejahr, 5,3 Monate. [.]
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Mit der vorgesehenen Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro zum Oktober 2022 hebelt die Bundesregierung den geltenden Beschluss der Mindestlohnkommission aus und brüskiert damit die Kommission. Durch den Paradigmenwechsel hin zu bedarfsgerechten Löhnen delegiert der Staat seine sozialpolitische Verantwortung an die Sozialpartner.
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In: Sozialer Fortschritt: unabhängige Zeitschrift für Sozialpolitik = German review of social policy, Band 70, Heft 12, S. 671-674
ISSN: 1865-5386
Während die Tarifverhandlungen im Jahr 2020 unter dem Einfluss der Corona-Pandemie überaus harmonisch geführt wurden, zeichnet sich im laufenden Jahr eine Trendwende ab. Die Konfliktbereitschaft hat im ersten Halbjahr 2021 spürbar zugenommen. Dies zeigt eine Analyse von 14 zentralen Tarifverhandlungen im Rahmen des IW-Konfliktmonitorings. In diesem Monitoring werden die Tarifverhandlungen in 20 Branchen aus allen Bereichen der Volkswirtschaft regelmäßig ausgewertet und ermittelt, wie konfliktreich sie verlaufen. Die Konfliktintensität - sie summiert die in Tarifverhandlungen erreichten Eskalationsstufen wie Streikdrohungen, Warnstreiks, juristische Auseinandersetzungen oder Urabstimmungen - stieg im Durchschnitt auf 8,4 Punkte je Tarifkonflikt. Das liegt nahe am langjährigen Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2020 (9,0 Punkte). Im letzten Jahr summierten sich die Eskalationsstufen im Durchschnitt auf lediglich 2,3 Punkte pro Verhandlung, während es 2019 (dem letzten Jahr vor der Pandemie) 10,3 Punkte waren. Nach dem Maßhalten 2020, in dessen Rahmen es den Gewerkschaften vor allem um Beschäftigungssicherung ging, ist im zweiten Jahr der Corona-Pandemie wieder die Lohnentwicklung in den Mittelpunkt der Tarifverhandlungen gerückt. Das zeigt sich an den Lohnforderungen der Gewerkschaften. Sie lagen zwischen 4,0 und 5,3 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Da die Arbeitgeberverbände vor dem Hintergrund einer in vielen Unternehmen schwierigen oder unsicheren Wirtschaftslage verhandelten, wurde es schwieriger, Kompromisse zu finden. Bei den Lohnabschlüssen zeigten sich die Gewerkschaften dann aber doch eher zurückhaltend. Wie schon 2020 verzichteten IG Metall und andere Arbeitnehmerbünde auch für das laufende Jahr oftmals auf prozentuale Entgeltsteigerungen. Stattdessen gab es steuerfreie Corona-Prämien oder neue Sonderzahlungen, die erst 2022 ausgezahlt werden. Ausnahmen bilden die Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie sowie die Süßwarenindustrie. In diesen beiden Branchen werden die Tabellenwerte schon im Laufe des Jahres 2021 um 1,5 und 2,5 Prozent angehoben. Im Zuge einer weiteren wirtschaftlichen Stabilisierung und der anziehenden Teuerungsrate ist allgemein wieder eine expansivere Lohnpolitik zu erwarten. Die bereits begonnenen, aber im Juni 2021 noch nicht abgeschlossenen Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Bahn, im Einzelhandel oder im Bankgewerbe verlaufen schon zäh oder bergen ein hohes Konfliktpotenzial. Das trifft angesichts der angespannten Haushaltslage auch für die im zweiten Halbjahr startenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst der Länder zu. Damit dürfte sich der im ers-ten Halbjahr beobachtbare Trend einer zunehmenden Konfliktbereitschaft auch im zweiten Halbjahr 2021 fortsetzen.
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Die Tarifverhandlungen standen im Jahr 2020 unter dem Einfluss der Pandemie. Die Lohnerhöhungen fielen moderat aus und die Konfliktintensität war die niedrigste seit dem Jahr 2005. Die verschiedenen Konflikthandlungen in Tarifauseinandersetzungen, zum Beispiel Streikdrohungen, Warnstreiks, juristischer Streit oder Urabstimmungen, summierten sich im Durchschnitt auf 2,4 Punkte pro Verhandlung. Im Vorjahr fielen im Durchschnitt noch 10,3 Punkte je Verhandlung an, 2015 sogar 17,8 Punkte. Einzige Ausnahme einer insgesamt harmonischen Sozialpartnerschaft war der Öffentliche Dienst. Ungeachtet der Corona-Pandemie riefen die Gewerkschaften dort unter der Federführung von ver.di mehrfach zu Warnstreiks auf. Die Pandemie wird die Tarifauseinandersetzungen auch im Jahr 2021 beeinflussen. Vor dem Hintergrund des monatelangen Lockdowns wäre in vielen Bereichen der Volkswirtschaft 2021 eine "tarifpolitische Diät" angebracht. Die Frage ist, ob die Gewerkschaften nach dem "Maßhalten" 2020 noch einmal dazu bereit sein werden. Die Lohnforderungen fallen bislang zwar moderater als in den Jahren vor der Pandemie aus. Insbesondere die IG Metall zeigt sich aber offensiver als zu Beginn der Tarifrunde 2020. Sie verweist darauf, dass die Konjunktur 2021 wieder Fahrt aufnehmen soll. Zudem haben die massiven Warnstreiks im Öffentlichen Dienst gezeigt, dass Arbeitskämpfe auch unter Pandemiebedingungen für die Gewerkschaften ein zentrales Druckmittel bleiben. Vor diesem Hintergrund ist eher nicht zu erwarten, dass das laufende Jahr noch einmal so harmonisch ablaufen wird wie 2020.
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In der deutschen Metall- und Elektro-Industrie sind fast zwei Drittel der flächentarifgebundenen Unternehmen mit ihrem Arbeitszeitvolumen und ihren Möglichkeiten zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung zufrieden oder eher zufrieden. Die mit dem Tarifabschluss 2018 eingeführten neuen arbeitszeitpolitischen Instrumente "verkürzte Vollzeit" und das Wahlmodell "T-ZUG" werden weniger positiv aufgenommen. Allerdings können die Unternehmen ihren betrieblichen Spielraum zur Ausweitung der regulären Wochenarbeitszeit durch die Nutzung neuer Quotenregelungen erweitern. Insgesamt finden die Unternehmen die Arbeitszeitregelungen weniger praktikabel. Zudem sinkt durch die neuen Arbeitszeitregelungen bei gut einem Drittel der Unternehmen die Verbundenheit zum Flächentarif. Dabei bestehen zwischen kleinen und mittleren sowie größeren Unternehmen keine Unterschiede. Die häufig vorgetragene Kritik, Regelungen des Flächentarifs würden die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen nicht angemessen berücksichtigen, schlägt sich in der Bewertung der neuen Arbeitszeitinstrumente nicht nieder. ; Almost two thirds of the companies in the German metal and electrical industry covered by sectoral collective agreements are "satisfied" or "rather satisfied" with the volume of working hours available to them and the flexibility of their working time arrangements. The new working time policy instruments introduced in the 2018 collective agreement - "reduced full-time" and the supplementary payments known as "T-ZUG", which shift workers and those with family commitments can take as time off - have been less well received. However, by exploiting new quota regulations firms can increase their operational freedom to extend the regular working week. Overall, companies find the new working time regulations less practical. Moreover, a good third of companies reported identifying less with the collective agreement as a result of their introduction. There are no differences in these responses between small and medium-sized enterprises and larger companies. The frequently-voiced criticism that the provisions of the sectoral collective agreement take insufficient account of the interests of small and medium-sized enterprises is thus not reflected in the latter's assessment of the new working time instruments.
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Im 2. Halbjahr 2019 wurden in lediglich fünf der 19 in das Tarifmonitoring des Instituts der deutschen Wirtschaft einbezogenen Branchen Tarifverhandlungen geführt: In der Chemischen Industrie, im Bauhauptgewerbe, in der Gebäudereinigung, in der Luftfahrt und in den Krankenhäusern. Außerdem wurde in der ostdeutschen Metall- und Elektro-Industrie eine Gesprächsverpflichtung aus dem Jahr 2018 eingelöst, Lösungsmöglichkeiten einer Ost-West-Wochenarbeitszeitanpassung auszuloten. Der Schwerpunkt der Tarifverhandlungen lang 2019 im 1. Halbjahr. In diesem Halbjahr lag die Anzahl der untersuchten Konflikte bei zwanzig. Während von den insgesamt vier schwelenden Tarifkonflikten im Luftverkehr auch im 2. Halbjahr 2019 noch drei ungelöst blieben, kam es in der seit Februar 2018 andauernden Auseinandersetzung in der Gebäudereinigung zu einer Einigung. Sie sieht Verbesserungen für Teilzeitkräfte und höhere Zuschläge vor. Im Bauhauptgewerbe wurden im Rahmen einer Schlichtung neue Branchenmindestlöhne vereinbart. In der Chemischen Industrie wurde erstmals ein tarifliches Pflegegeld eingeführt. Zudem erhalten die Beschäftigten ein neues Zukunftskonto, das auch ein Wahlmodell mit "Freizeit statt Geld" beinhaltet. Die ungelösten Konflikte bei der Lufthansa und ihrer Tochter Eurowings sollen im Rahmen einer Schlichtung gelöst werden. Eine Auswertung des Konfliktgeschehens für 2019 zeigt, dass es in der Druckindustrie, im Bankgewerbe, in der Gebäudereinigung und in der Luftfahrt am konfliktreichsten zuging. Zu unbefristeten Streiks kam es aber nur in den Tarifkonflikten um das Kabinenpersonal zwischen der UFO und der Lufthansa sowie zwischen der UFO und der Eurowings/Germanwings. Im langfristigen Vergleich war das Jahr 2019 konfliktintensiver als im langjährigen Durchschnitt. Die Konfliktintensität lag im Schnitt von 22 analysierten Tarifkonflikten bei 10,8 Punkten. Für den Zeitraum von 2005 bis 2019 ergibt sich hingegen nur ein Wert von 9,5 Punkten. Seit 2005 gab es neun Jahre mit einer geringeren Konfliktintensität als 2019, aber nur fünf Jahre mit einer höheren. ; In the second half of 2019, collective bargaining was conducted in only five of the 19 sectors included in the German Economic Institut's wage monitoring system: In the chemical industry, construction, cleaning services, aviation and hospitals. In addition, in the East German metal and electrical industry, an obligation to explore possible solutions for an East-West adjustment of weekly working hours was fulfilled. Collective bargaining focuses 2019 in the first half of the year. In this half-year, the number of conflicts examined was twenty. An analysis of all conflict events during 2019 shows that the printing industry, banking, cleaning services and aviation were the most conflict-intensive sectors. However, ballots and strikes only occurred in the collective bargaining disputes over cabin crew between UFO and Lufthansa and between UFO and Eurowings. In a long-term comparison, 2019 was more conflict-intensive than the long-term average. The conflict intensity averaged 10.8 points out of 22 analyzed collective bargaining conflicts. For the period from 2005 to 2019, on the other hand, the figure is only 9.5 points. Since 2005 there have been nine years with a lower conflict intensity than in 2019, but only five years with a higher one.
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Der vorliegende Report berichtet über die Tarifverhandlungen im 2. Halbjahr 2018. Im 1. Halbjahr hatte es bereits Tarifverhandlungen in wichtigen Branchen gegeben, beispielsweise in der Metall- und Elektro-Industrie, im Öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen) und im Bauhauptgewerbe. Im 2. Halbjahr 2018 stand vor allem der Verkehrssektor im Fokus der Tarifauseinandersetzungen. Dabei gab es bei der Deutschen Bahn und in der Luftfahrt eine Reihe von Warnstreiks, die erhebliche Auswirkungen auf Drittbetroffene hatten. In der Luftfahrt schwelten verschiedene Tarifkonflikte bei der irischen Fluggesellschaft Ryanair, die sich nach der Insolvenz von AirBerlin zu einem zentralen Akteur im deutschen Flugverkehr entwickelt hat. Die Verhandlungen mit den Piloten eskalierten dabei ebenso wie die Verhandlungen mit dem Kabinenpersonal. Es gab mehrfach Warn- oder Tagesstreiks. Im November 2018 konnten für beide Berufsgruppen Eckpunkte vereinbart werden, auf deren Basis nun erstmals für das Unternehmen Tarifverträge für das in Deutschland stationierte Personal entwickelt werden. Auch bei Eurowings kam es im Streit um einen neuen Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal zu Warnstreiks. Dieser Konflikt wurde noch nicht beigelegt. Bei der Deutschen Bahn kam es ebenfalls zu einem Warnstreik, der bundesweit fast den gesamten Zugverkehr zum Erliegen brachte. Zum Ausstand hatte nicht die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL), sondern die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) aufgerufen. Nach diesem Warnstreik einigten sich EVG und Deutsche Bahn auf einen neuen Tarifabschluss, der auch half, die zwischenzeitlich abgebrochenen Verhandlungen zwischen Bahn und GDL wieder aufzunehmen und zum Abschluss zu bringen. Auch in anderen Wirtschaftszweigen verliefen die Verhandlungen eher stockend. In der Druckindustrie schwelt ein Grundsatzkonflikt. Dort hatten die Arbeitgeber den Manteltarifvertrag gekündigt. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) lehnt aber jedwede Verschlechterung von Arbeitsbedingungen ab. Für die Gebäudereinigung fordert die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ein 13. Monatsgehalt. Dies lehnen wiederum die Arbeitgeber strikt ab. In keiner der beiden Branchen deutet sich trotz monatelanger Verhandlungen derzeit eine Kompromisslinie an. Schwierig waren auch die Verhandlungen bei T-Systems, einer Tochter der Deutschen Telekom. Hier wurden die Verhandlungen dadurch belastet, dass das Management angekündigt hatte, massiv Stellen abbauen zu wollen. Im Durchschnitt von insgesamt 22 analysierten Tarifverhandlungen, die entweder im Jahr 2018 beendet wurden oder 2018 begannen, lag die Konfliktintensität bei 10,5 Punkten. Die Auseinandersetzung zwischen Ryanair und den Piloten führte zu 53 Konfliktpunkten, der Tarifkonflikt in der Metall- und Elektro-Industrie zu 35 Punkten und der in der Druckindustrie zu 31 Punkten. Harmonisch ging es hingegen in der Chemischen Industrie zu. Dort einigten sich die Sozialpartner konfliktfrei. Aufgrund der guten Arbeitsmarktlage könnte auch das Jahr 2019 konfliktreich werden. Nach wie vor liegen die Forderungen der Gewerkschaften bei 5,5 bis 6 Prozent, obwohl sich die Konjunktur abgekühlt hat. Allerdings wird 2019 eher ein kleines Tarifjahr. In vielen Branchen wird es Entgeltsteigerungen geben, die bereits 2018 ausgehandelt wurden.
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Der vorliegende Report berichtet über ausgewählte Tarifverhandlungen im 1. Halbjahr 2019. Wie schon im Vorjahr stand neben den Entgeltforderungen der Wunsch nach neuen Wahlmodellen auf der tarifpolitischen Agenda der Gewerkschaften. Bei diesen Wahlmodellen handelt die Gewerkschaft eine zusätzliche Entgeltkomponente aus, die wahlweise auch in Freizeit getauscht werden kann. In der Eisen- und Stahlindustrie setzte die IG Metall ein zusätzliches Urlaubsgeld von 1.000 Euro durch, welches die Arbeitnehmer in maximal fünf freie Tage umwandeln können. Auch in der westdeutschen Textilindustrie und im Bankgewerbe wurde über Wahlmodelle diskutiert. Hier konnten sich die Gewerkschaften aber nicht durchsetzen. In der ostdeutschen Textilindustrie ging es um eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Die IG Metall erreichte in den Verhandlungen, dass die Arbeitszeit bis 2027 stufenweise von derzeit 40 auf 37 Stunden reduziert wird. Bei den Klinikärzten an den kommunalen Kliniken setzte der Marburger Bund eine exaktere Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden und zwei arbeits- und bereitschaftsfreie Wochenenden pro Monat durch. Die Entgeltforderungen lagen zwischen 5,0 und 6,5 Prozent. Ver.di verlangte im Handel und im Öffentlichen Dienst außerdem überdurchschnittliche Anhebungen der unteren Lohngruppen. Dies konnte die Gewerkschaft vor allem im Öffentlichen Dienst, aber auch im Einzelhandel durchsetzen. In den meisten Tarifabschlüssen wurden stufenweise Lohnanpassungen bei langen Laufzeiten vereinbart. Im Öffentlichen Dienst addieren sich die drei Erhöhungsstufen auf 7,8 Prozent (zweimal 3,2 und einmal 1,4 Prozent) bei einer Laufzeit von 33 Monaten. Die Klinikärzte erhalten für denselben Zeitraum insgesamt 6,5 Prozent mehr. In der Druckindustrie wurden sogar 36 Monate Laufzeit beschlossen. Dort steigen die Löhne ebenfalls in drei Stufen um insgesamt 5,4 Prozent. Im Bankgewerbe einigten sich die Tarifparteien auf zwei Erhöhungen von jeweils 2 Prozent bei einer Laufzeit von 29 Monaten. Kürzere Laufzeiten gab es mit 18 Monaten in der Papiererzeugenden Industrie - die Löhne steigen in diesem Zeitraum einmalig um 3 Prozent - und vor allem beim Kabinenpersonal von Eurowings. Dort wurde im Rahmen der Verhandlungen über den Manteltarifvertrag zwischen ver.di und dem Unternehmen auch vereinbart, für die bei ver.di organisierten Flugbegleiter eine Lohnerhöhung von 2 Prozent für neun Monate zu übernehmen, die zuvor bereits die Flugbegleiter-Organisation UFO ausgehandelt hatte. Im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum legte die Konfliktintensität - sie misst, wie stark die Tarifverhandlungen durch Streikdrohungen, Verhandlungsabbrüche oder Warnstreiks eskalieren - deutlich zu: Im 1. Halbjahr 2018 fielen im Durchschnitt je Verhandlung 6,7 Punkte an, im 1. Halbjahr 2019 waren es 10,8 Punkte. Die Druckindustrie kam auf 44 Punkte, gefolgt vom Bankgewerbe mit 33 und den Klinikärzten mit 19 Punkten. Konfliktfrei ging es in drei Branchen zu: in der Papiererzeugenden Industrie, in der ostdeutschen Textilindustrie und bei der Deut-schen Post. Dort werden künftig wieder alle Paketzusteller nach dem Haustarifvertrag vergütet. Im zweiten Halbjahr drohen vor allem Konflikte im Flugverkehr durch UFO. Anstehende Verhandlungen in der Chemischen Industrie und im Bauhauptgewerbe (Anpassung des branchenspezifischen Mindestlohns) dürften hingegen eher konfliktfrei verlaufen. In der Chemischen Industrie sind selbst Streikdrohungen selten.
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Der vorliegende Report berichtet über die Tarifverhandlungen im 1. Halbjahr 2018. Neben dem Entgelt stand in einigen Verhandlungen auch das Thema Arbeitszeit auf der Agenda. In der Metall- und Elektro-Industrie setzte die IG Metall eine "kurze Vollzeit" durch, die Arbeitnehmern in Vollzeit das Recht einräumt, die Wochenarbeitszeit vorübergehend für maximal zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren. Dieser Anspruch ist mit dem Recht verbunden, wieder zur Vollzeit zurückzukehren. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen der Branche mehr Möglichkeiten, mit Mitarbeitern, die dies wollen, längere Wochenarbeitszeiten als die tariflich geregelten 35 Stunden zu vereinbaren. Bei der Deutschen Post wurde ein Wahlmodell eingeführt: Die Beschäftigten entscheiden selbst, ob sie lieber Lohnerhöhungen oder mehr Freiheit haben möchten. Obwohl die Gewerkschaften zumeist 6 Prozent mehr Geld für zwölf Monate forderten, fielen die Abschlüsse sehr differenziert aus. Auf den ersten Blick erzielte die IG Bauen-Agrar-Umwelt mit einem Lohnzuwachs für 2018 von 5,7 Prozent im Westen und 6,6 Prozent im Osten einen Rekordabschluss. Dieser relativiert sich aber, wenn die lange Laufzeit mitberücksichtigt wird. Insgesamt hat die Tariflohndynamik in den ersten Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr spürbar zugenommen. Im März und April stiegen die Tarifverdienste um 2,8 Prozent, im Mai sogar um 4,0 Prozent. 2017 lag der Zuwachs noch bei durchschnittlich 2,1 Prozent. Die neue Dynamik wird sich wohl auch im 2. Halbjahr 2018 fortsetzen. Im Vergleich zum Vorjahr verliefen die Tarifverhandlungen weniger kooperativ. Besonders konfliktreich ging es in der Metall- und Elektro-Industrie zu. Hier verursachten die verschiedenen Konflikthandlungen wie Streikdrohungen, Warnstreiks oder juristische Klagen insgesamt 35 Konfliktpunkte. Das ist der höchste Wert seit 2003, dem Jahr des gescheiterten Arbeitskampfes zur Einführung der 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland. Im Durchschnitt der 15 analysierten Tarifverhandlungen lag die Konfliktintensität bei 6,7 Punkten. Das ist deutlich höher als der Jahresdurchschnitt im letzten Jahr. 2017 fielen im Durchschnitt 3,5 Punkte je Konflikt an. Diese Tendenz zu weniger kooperativen Verhandlungen könnte sich im zweiten Halbjahr 2018 fortsetzen. Dann drohen vor allem in der Druckindustrie und bei der Fluggesellschaft Ryanair Konflikte. Spannend werden auch die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn, wo sich weiterhin keine Kooperation zwischen den rivalisierenden Gewerkschaften andeutet.
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Die Bundesregierung hat ein Gesetz vorgelegt, mit dem sie den Grundsatz der Tarifeinheit wiederherstellen will. Zentrales Element ist eine Mehrheitsregel. Bei kollidierenden Tarifverträgen setzt sich der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft durch. Das ist die Gewerkschaft, die im Geltungsbereich die meisten Mitglieder organisiert. Mit dieser Regelung wagt die Bundesregierung einen juristischen Balanceakt mit großer ökonomischer Wirkung. Die Regelung vermeidet eine weitere Fragmentierung des deutschen Tarifsystems und erhöht den Anreiz für konkurrierende Gewerkschaften, miteinander zu kooperieren. Damit werden kumulierende Konfliktrisiken in Tarifverhandlungen künftig vermieden. Sie treten nur in Fällen tarifpluraler Strukturen auf, die von den Tarifparteien autonom vereinbart werden. Außerdem verhindert die Regelung, dass Organisationsstreitigkeiten zwischen Gewerkschaften, die besonders konfliktintensiv ablaufen können, sich auf Tarifverhandlungen auswirken können.
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