Grundgesetz und Wirtschaftssystem
In: Sozialwissenschaftliche Informationen für Unterricht und Studium: sowi, Band 4, Heft 4, S. 121-124
ISSN: 0340-2304
Die Verfassung bildet einen Rahmen für die Wirtschaftsordnung. Sie ist rechtlicher Maßstab für alle Forderungen nach Veränderungen des wirtschaftlichen Systems. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob etwa die qualifizierte Mitbestimmung oder eine umfassende staatliche Wirtschaftsplanung verfassungskonform ist oder nicht. Das Grundgesetz (GG) enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen für die Wirtschaftsordnung, ist aber wirtschaftspolitisch nicht vollkommen neutral wie z.B. das Sozialstaatsprinzip, das eine klare Absage an einen naturwüchsigen, unkontrollierten Kapitalismus ist. Nipperdey vertritt die These, das GG schreibe die soziale Marktwirtschaft zwingend vor. Das begründet er damit, daß das Zentralverwaltungsprinzip durch die Grundrechte und durch die Sozialbindung die völlig freie Marktwirtschaft ausgeschlossen ist. Diese These wird von Rupp und Vilmar abgelehnt, wobei sie jedoch sagen, daß die soziale Marktwirtschaft mit dem GG vereinbar ist. Dabei stützen sie sich auf das Urteil des BVerfG von 1954. Sie sagen, das GG schreibe die Wirtschaftsordnung vor, die die tatsächliche Verwirklichung der Grundrechte für alle Bürger am besten gewährleistet. Vilmar arbeitet anhand der wirtschaftspolitischen Grundsätze des DGB drei Prinzipien einer Wirtschaftsdemokratie heraus: Demokratische Rahmenplanung und Konjunktursteuerung über gesamtwirtschaftliche Investitionslenkung, demokratische Kontrolle wirtschaftlicher Macht und Mitbestimmung auf allen Ebenen. Nach Rupp ist bei der Mitbestimmung jedoch nur eine qualifizierte Mehrheit der Eigentümer verfassungskonform. Erforderlich ist die Einsicht, daß auf Dauer eine politische Demokratie ohne Demokratisierung der Wirtschaft nicht erreichbar ist. Und dies sollte Grund genug sein, über das Verhältnis von Grundgesetz und Wirtschaftssystem weiter nachzudenken. (KS)