"Prekarität und Prekariat sind Signalwörter neuer Ungleichheiten, deren Ausgangspunkte in Veränderungen der Arbeitswelt liegen. Damit sind Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der politischen Gestaltung des Sozialen angesprochen. Die Baugesetze der (Arbeits-)Gesellschaft stehen zur Diskussion." (Autorenreferat)
Der Verfasser sieht in der Analyse von Arbeitsverhältnissen einen essentiellen Aufgabenbereich einer SVP. Arbeit wird als ein die Gesellschaft prägendes Element betrachtet, wobei auf den besonderen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Armut hingewiesen wird. Hier kommt ein Blick auf eine Risikogruppe zum Ausdruck. Gegenwärtige Arbeitsverhältnisse können die ursprünglichen, armutspräventiven und lebensgestalterischen Funktionen von Arbeit immer weniger garantieren und werden prekär. Eine Möglichkeit, dieser Prekarität entgegen zu wirken, ist das Konzept "decent work" der International Labour Organisation. Aufgrund der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung der Arbeit ergibt sich die Notwendigkeit der Integration von Richtlinien für decent work in eine SVP. Es werden die idealtypischen Funktionen von Arbeit dargestellt und es wird auf den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Armut eingegangen. Es wird gezeigt, dass diese idealtypischen Funktionen von prekären Arbeitsverhältnissen gerade nicht mehr oder nur mehr unzureichend erfüllt werden können, was dazu führt, im Problem der Prekarität einen Aufgabenbereich der Sozialverträglichkeitsprüfung zu erkennen. Im Anschluss daran wird der Begriff des "Decent Work" expliziert und dabei die Forderungen hervorgehoben, die aus seinem normativen Gehalt folgen, und es wird gezeigt, dass die im Rahmen der "Decent Work"-Agenda erarbeiteten Konzepte und Richtlinien auch im Rahmen der Sozialverträglichkeitsprüfung implementiert und gefördert werden können. (ICF2)
Leiharbeit ist ein arbeitspolitisches Problem erster Güte. Zwar ist die Zahl der Leiharbeiter nicht überwältigend gross, doch ist es dieser Beschäftigungsform gelungen, die einfache Arbeit in den industriellen Kernsektoren weitgehend zu übernehmen. Dabei müssen Leiharbeitnehmer gegenüber der Stammbelegschaft deutliche Nachteile in Kauf nehmen, denen nur wenige Vorteile gegenüberstehen etwa eine leicht erhöhte Chance, einen Dauerarbeitsplatz zu finden. Promberger durchleuchtet in diesem Buch nicht nur die Leiharbeitsbranche mit ihren sozialhistorischen Entstehungszusammenhängen und relevanten Akteuren, sondern auch die Betriebe, die Leiharbeiter einsetzen. Dabei zeigen sich höchst unterschiedliche Einsatzformen der Leiharbeit: von unproblematischen kurzfristigen Vertretungen bis zur dauerhaften Veränderung der Belegschaftsstruktur durch den Einsatz flexibel-prekärer Beschäftigung, die letztlich die soziale Einbettung von Arbeit, wie sie sich im 20. Jahrhundert entwickelt hat, gesellschaftlich in Frage stellen und soziale Spaltungsprozesse auslösen oder vertiefen könnte. Diesem Trend entgegenzuwirken ist eine genuin politische, auch gewerkschaftspolitische Aufgabe
"Ende der 90er Jahre unternimmt der französische Soziologe Pierre Bourdieu den Versuch, das Verständnis von Prekarität als Problem der Armut umfassend zu erweitern. Er definiert den Begriff als allgemeine Verkörperung von Statusungewissheit und macht ihn damit schichtenübergreifend verankerbar. Dies eröffnet neue Möglichkeiten der soziologischen Analyse. Darauf aufbauend wird in diesem Beitrag versucht, Karl Marx' Entfremdungstheorie auf eine (vermeintlich) elitäre Gruppe kapitalistischer Gesellschaften - die 'Finanzmanager_innen' - anzuwenden. Auf die oft gestellte Frage nach den Motivationsstrukturen dieser Gesellschaftsgruppe könnte diese Readressierung der Marx'schen Entfremdungstheorie eine unkonventionelle Antwort geben. Denn wie sich herausstellt, zeigt sich die Entfremdung insbesondere in der Funktionalisierung von zwischenmenschlichen Beziehungen und der Konstruktion einer sozial-anschlussfähigen Persönlichkeit im finanzelitären Arbeitsumfeld. Dies wird im Rahmen dieser Arbeit auf Grundlage eines umfangreichen Leitfadeninterviews mit einem aktiven Top-Investmentbanker explorativ überprüft. Die Untersuchung zeigt, dass unter Berücksichtigung moderner Entwicklungen eine erweiterte Anwendung der Marx'schen Theorie angebracht ist." (Autorenreferat)
Die zunehmende Prekarisierung von Erwerbsarbeit ist in modernen Gesellschaften oftmals Gegenstand wissenschaftlicher Debatten. Häufig bleiben dabei die Prekarität von Reproduktionsarbeit und die Prekarisierung von ganzen Lebenszusammenhängen bei Frauen wenig berücksichtigt, obwohl der gesellschaftliche Bedarf an Care-Work kontinuierlich wächst und Frauen für Prekarität besonders anfällig sind. Anhand einer Fallstudie, in der die subjektiven Deutungen sowie latente Sinnstrukturen mit Hilfe der objektiven Hermeneutik einer in mehreren Pflegetätigkeiten eingebundenen Frau herausgestellt werden, wird in diesem Artikel dargelegt, welche Konsequenzen sich aus prekärer (Care-)Arbeit für den gesamten Lebenszusammenhang ergeben können, wie dieser subjektiv wahrgenommen wird und unter welchen Bedingungen die Vereinbarkeit von Pflege im Beruf und in der Familie mit Privatleben gelingen kann.
Frederick Cooper, einer der weltweit wichtigsten Afrika- und Kolonialismushistoriker zur Geschichte der Arbeit in Afrika, reflektiert in diesem Essay Veränderungen und aktuelle Tendenzen im Feld der afrikanischen Arbeitsgeschichte und setzt sich kritisch mit zentralen Konzepten auseinander. Er beschreibt zunächst den Aufstieg der African Labor History in den 1960er und 70er Jahren, die zu dieser Zeit sehr stark der Proletarisierungsthese folgte, also davon ausging, dass in Afrika über kurz oder lang Lohnarbeit dominieren würde. Stattdessen wurden nicht-entlohnte, nicht durch Gesetze regulierte oder durch soziale Regelungen oder Behörden geschützte Tätigkeiten zunehmend sichtbar. Die dafür bald eingeführte Kategorie des "informellen Sektors" mustert Cooper ebenso kritisch wie das derzeit nicht nur im afrikabezogenen Kontext weit verbreitete Konzept der "prekären Arbeit". Den Kern des Essays bildet eine dichte Analyse der wechselvollen Beziehungen zwischen "unfreier" und "freier" Arbeit in Afrika seit dem 18. Jahrhundert, die in einem düsteren Vergleich kulminiert:Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Millionen von Afrikanern über den Atlantik zwangsverschifft, um auf Plantagen in den Amerikas zu schuften. Viele starben während der Überfahrt. Heute ergreifen zahlreiche Afrikaner selbst die Initiative und überqueren auf der Suche nach Arbeit das Meer. Und viele lassen dabei ihr Leben. Die Migranten der früheren Jahrhunderte wurden zur Mobilität gezwungen. Die gegenwärtigen Migranten seien in gewisser Weise jedoch die Freiesten des Freien. Sie gingen freiwillig von Afrika nach Europa, unter großen Anstrengungen und mit großem Risiko. Was frühere und heutige Wanderungen gleichwohl verbinde, sei die Ungleichheit globaler ökonomischer Beziehungen. Der Sklavenhandel und die Arbeitsmigration des einundzwanzigsten Jahrhunderts seien beide das Resultat der intensivierten Verbindungen und zugleich wachsenden Disparitäten zwischen verschiedenen Weltteilen.
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