Der Deal im deutschen Strafprozess
In: Blätter für deutsche und internationale Politik: Monatszeitschrift, Band 52, Heft 9, S. 1122-1131
ISSN: 0006-4416
In der Bundesrepublik steht der Widerstreit um die Prozessabsprache und die Einhegung des Deals im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zur Verfahrensreform. Zur Begründung des Deals werden allenthalben die Überlastung der Gerichte und der daraus resultierende Zeitdruck angeführt, häufig in Verbindung mit dem finanziellen Aufwand. Diese Begründung aber trägt für den Autor nicht. Am Beispiel der Prozesse um den ehemaligen VW-Personalvorstand Peter Hartz sowie dem "Fall Mannesmann" wird gezeigt, dass der deutsche Strafprozess einer radikalen Veränderung unterliegt. Diese Entwicklung vollzieht sich nicht in gesetzlichen Formen, sondern auf dem Wege der außergesetzlichen Rechtspraxis des Aushandelns des Urteilsspruchs zwischen den Prozessbeteiligten. In ihrem Grundmuster folgt diese Absprachepraxis dem plea bargaining der USA, weshalb der Autor einen Blick über den Atlantik wirft. Der Begriff plea bargaining trifft den Nagel auf den Kopf: Schuld und Strafmaß des Angeklagten werden letztlich ausgehandelt. Zu diesem Zweck schlägt der Staatsanwalt im Austausch für ein Geständnis eine geringere Bestrafung als die im Gerichtsverfahren abzusehende vor. Indem der Angeklagte den Vorschlag annimmt, bekennt er sich vor dem Richter als schuldig. Gewissermaßen als Belohnung für das Geständnis ist dann das Strafmaß zumeist mit dem Vorschlag des Staatsanwalts identisch. Auf diese Weise wird ein "Handel mit der Gerechtigkeit" betrieben. (ICA2)