Haribo macht Kinder froh?: Kinder zwischen 3 und 13 Jahren als Zielgruppe der werbetreibenden Fernsehwirtschaft unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen
In: Diplomarbeit
Aus der Einleitung: Kinder sind unsere Zukunft. Sie sind nicht nur die Käufer der Zukunft, sondern schon im Kindesalter Marktteilnehmer mit einem hohen Konsumbedürfnis und großer Kaufkraft. Da Kinder für den Markt, vor allem für die Produzenten von Waren, ein Wirtschaftsfaktor sind, ist es ein logischer Schluss für die werbetreibende Wirtschaft auch die kleinen Konsumenten zu umwerben. Die Werbetreibenden versuchen vor allem über die Fernsehwerbung die Kaufentscheidungen von Kindern zu beeinflussen. Cyril Schneider, der ehemalige Vorstand des Fernsehsenders Nickelodeon, bemerkte Folgendes zur Kommerzialisierung des Kinderfernsehens in den USA: "Kommerzielles Fernsehen für Kinder [ist] auch nur ein Geschäft. Und zwar ein Geschäft, das sein Geld dadurch verdient, dass es beim Verkauf von Produkten hilft. (...) Die Fernsehindustrie arbeitet nach drei einfachen Prinzipien: Halte dein Publikum möglichst groß, die Kosten klein und den Gesetzgeber draußen. (...) [D]er hauptsächliche Antrieb für das Fernsehen [ist] nicht die Bildung, die Information oder die Aufklärung. Es geht nicht einmal um Unterhaltung. Es geht darum, die Zuschauer dazu zu bringen, sich Werbung anzuschauen." Das Fernsehen als Werbeträger ist nach den Tageszeitungen das Werbemedium mit dem zweithöchsten Werbeumsatz: Während Tageszeitungen 4,56 Milliarden Netto-Umsatz im Jahr 2007 machten, hatte das Fernsehen im gleichen Jahr immerhin 4,15 Milliarden Euro Netto-Werbeeinnahmen. Damit sind die Werbeeinnahmen beim Fernsehen immer noch steigend im Vergleich zu den Vorjahren. Sieht man von den Umsätzen aus Kleinanzeigen ab, so ist das Werbefernsehen sogar "der größte Werbeträger für klassische Markenartikel- und Produktwerbung." Außerdem ist das Fernsehen seit der Dualisierung des Rundfunks in den achtziger Jahren der am schnellsten wachsende klassische Werbeträger in Deutschland. Wegen der fast vollständigen Haushaltsabdeckung und der ihm unterstellten Wirkungsweise nimmt das Medium Fernsehen bei den Werbetreibenden und den Werbeschaffenden eine Sonderstellung ein. Die Werbezielgruppe Kinder beschränkt sich auf die Gruppe der 3- bis 13-Jährigen, da sie von der Werbung in Kinderzeitschriften, Fernsehen und im Internet betroffen sind und sich in diesem Alter der Grundstock für spätere Konsumgewohnheiten bildet. Da Kinder unter drei Jahren für die werbende Wirtschaft als Zielgruppe noch nicht interessant sind, unter anderem weil sie ihre Kaufentscheidungen noch nicht selbst treffen (können bzw. dürfen), wird auch in dieser Arbeit nur die Zielgruppe der Kinder von drei bis 13 Jahren berücksichtigt. Für Werbung, die sich an die Zielgruppe Kinder richtet, gelten allerdings andere Regeln als für Erwachsenenwerbung, da Kinder auf eine andere Art und Weise und viel stärker beeinflussbar sind als Erwachsene. Die Kaufkraft von Kindern durch Taschengeld, Geldgeschenke und ausgeprägtes Sparverhalten und der daraus resultierende Einfluss auf das Marketing darf nicht unterschätzt werden. Die Tatsache, dass Kinder bereits in jungen Jahren über eigene finanzielle Mittel verfügen, lässt sie schon früh ein eigenständiges Konsumverhalten entwickeln. Sie werden dadurch zu einer attraktiven Zielgruppe für die werbungtreibende Wirtschaft. Die steigende Attraktivität für die Werbung und der damit wachsende kommerzielle Druck auf Kinder erhöhen auch den Druck auf die Medienpolitik, stärkere Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen. Das Fernsehen ist derzeit das durch rechtliche Bestimmungen und selbstdisziplinäre Regeln am stärksten regulierte Medium in Deutschland, vor allem im Bereich Werbung mit und für Kinder. Davon profitieren vor allem die Kinder, die ein sehr hohes Schutzniveau von gesetzlicher Seite her erfahren. Dennoch sollte die Interessenvertretung bei Kindern nicht nur in den Händen des Gesetzes, sondern vor allem bei den Eltern liegen. Gang der Untersuchung: In dieser Diplomarbeit soll ermittelt werden, wie die werbetreibende Wirtschaft das Konsumverhalten von Kindern mit Hilfe von Fernsehwerbung zu beeinflussen versucht und wie groß der Einfluss der werbetreibenden Wirtschaft auf Kinder ist. Dazu wird zunächst die Zielgruppe definiert und deren Konsumpotenzial anhand des Einkommens und der Kaufkraft dargelegt. Anschließend wird das Verhalten der Zielgruppe, besonders das Fernseh- und Konsumverhalten, untersucht. Danach wird die Werbung definiert und deren Funktion erläutert. Dann wird der Fernsehwerbespot als Werbeform sowie die Platzierung der Werbeinseln auf Kindersendern, im Kinderprogramm und auf anderen Sendeplätzen dargelegt. Anschließend werden andere Werbeformen, die für die Kinderwerbung eingesetzt werden, erklärt. Es folgt eine Untersuchung, ob Fernsehwerbung Verhaltensänderungen hervorruft, d.h. ob eine Werbewirkung nachweisbar ist. Zuletzt wird die Bedeutung der Kinderwerbung für die werbungtreibende Industrie, die Rundfunkanstalten und die Gesellschaft erörtert, die ethischen Aspekte des Einsatzes von Kinderfernsehwerbung diskutiert sowie die aktuellen Rechtsvorschriften erläutert, die den Einsatz der Kinderfernsehwerbung eingrenzen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Abbildungsverzeichnis4 Abkürzungsverzeichnis5 1.Einleitung6 2.Kinder8 2.1Definition Kind8 2.2Das Kind als Marktteilnehmer9 2.2.1Einkommen9 2.2.2Kaufkraft11 2.2.3Konsumverhalten12 2.3Freizeitverhalten14 2.4Fernsehverhalten17 3.Werbung21 3.1Definition Werbung21 3.2Werbeformen22 3.2.1Fernsehwerbespot22 3.2.1.1Platzierung auf Kindersendern25 3.2.1.2Platzierung im Kinderprogramm27 3.2.1.3Platzierung auf anderen Sendeplätzen28 3.2.2Andere Werbeformen30 3.3Funktion der Werbung37 4.Werbebedingte Verhaltensänderung40 4.1Modelle der Werbewirkungsforschung41 4.1.1Stimulus-Response-Modell42 4.1.2Stimulus-Organismus-Response-Modell42 4.1.3Einstellungsmodell43 4.2Rückschlüsse auf die Werbewirkung43 4.3Störungen der Werbewirkung49 5.Bedeutung der Kinderfernsehwerbung50 5.1Wirtschaftliche Bedeutung51 5.2Die Methoden der werbetreibenden Wirtschaft55 5.3Ethische Differenzierung63 6.Vorschriften für Kinderfernsehwerbung68 6.1Finanzierung durch Werbung69 6.2Einfügung der Werbung69 6.3Dauer der Werbung71 6.4Inhalte von Werbung71 6.5Kinderfernsehwerbung73 7.Fazit76 Literaturverzeichnis80 Anhang85Textprobe:Textprobe: Kapitel 4, Werbebedingte Verhaltensänderung: Vor der konkreten Beschreibung der werbebedingten Verhaltensänderungen werden zunächst die Methoden der Werbung zur Erzielung einer Wirkung dargestellt. Mit diesem Grundwissen ist die Wirkungsweise der Fernsehwerbung besser nachvollziehbar. Werbewirkung wird definiert als ein "einheitlich-geschlossenes, ursächlich begründbares Ergebnis von Werbemaßnahmen und Werbebemühungen, die ein Werber einsetzt in dem Streben, einen Werbeerfolg zu erzielen." Das heißt, jede beabsichtigte Reaktion auf eine Werbung wird als Werbewirkung bezeichnet. Die Werbewirkungsmodelle erklären den Einfluss der Werbung auf die "Wahrnehmung, Erinnerung, Einstellung und [das] Verhalten." Dabei thematisieren die meisten Forschungen die Abschätzung der Werbewirkung beim Rezipienten sowie die Faktoren, die für den Werbeerfolg verantwortlich sind bzw. diesen bewirken sollen. Ferner werden die Ausprägung der beabsichtigen Effekte sowie nicht beabsichtigte soziale Wirkungen der Werbung erforscht. Dazu gehören u.a. Gesundheitsvorstellungen, Werbesozialisation, Effekte auf Normen, Werte und Realitätsbilder sowie durch Werbung hervorgerufene Ängste, Schönheitsideale und der Konsumerismus. Weiterhin wird die Medienkompetenz bzw. Werbekompetenz von Kindern erforscht. Trotz oder gerade wegen der vielen verschiedenen empirischen Studien gibt es jedoch keinen Konsens über den Einfluss der Werbung auf Kinder. Aus manchen Studien geht hervor, dass sich Kinder nur durch den frühen und selbstverständlichen Umgang mit der Werbung zu mündigen Konsumenten entwickeln können. Gegner dieser Meinung behaupten negative Auswirkungen von Werbung auf Kinder und verlangen den Schutz der Kinder vor Werbeangeboten, da diese noch nicht die kognitiven Fähigkeiten haben, sich selbst vor den Werbeeinflüssen zu schützen. Weiterhin wird behauptet, die Werbung führe zu ungesunden Essgewohnheiten. Solange jedoch keine Untersuchung längerfristige und direkt auf den Einfluss der Werbung zurückführbare Wirkungen belegen kann, muss bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgegangen werden, dass eine solche Werbewirkung nicht existiert. Werbewirkung basiert auf unterschiedlichen Phänomenen, die sich auf verschiedenen Ebenen befinden und daher auseinander gehalten und operationalisiert werden müssen. Es gibt also nicht nur "die eine" Werbewirkung. Zu den Phänomenen der Werbewirkung zählen im Fernsehen der Kontakt, d.h. die Reichweite des einzelnen Werbeblocks, die Aufmerksamkeit der Rezipienten sowie deren Involvement und die Erinnerung, die gestützt oder ungestützt gemessen werden kann. Weiterhin gehören kognitive und emotionale Reaktionen und schließlich die erreichte Einstellung zu dem beworbenen Produkt sowie das Verhalten in Form einer Kaufabsicht bzw. Absatzsteigerung zu diesen Phänomenen. Die Werbewirkungsforschung geht davon aus, dass die Phänomene der Werbewirkung durch bestimmte Stimuli ausgelöst werden, die der Werbespot enthält. In der Forschung gibt es verschiedene Dimensionen der wirkungsrelevanten Merkmale einer Werbung, die bisher überprüft wurden. Man unterscheidet zunächst zwischen den Produkten, für die geworben wird, wie Markenprodukte, generische Produkte, Dienstleistungen und soziale Güter, Issue-Advertising, Corporate Commercials und politische Spots. Weiterhin können inhaltliche Unterschiede aufgezeigt werden. So kann ein Werbespot eine Story erzählen (z.B. die aktuelle Duplo-Werbung), ein Problem und dessen Lösung beinhalten (z.B. Waschmittelwerbung), eine Emotion oder Stimmung mit dem Produkt verbinden (z.B. Merci Schokolade) oder eine Empfehlung aussprechen (z.B. mit Testimonials). Durch Stimuli wie Humor oder Angst kann Aufmerksamkeit erzeugt werden, Experten können als Kommunikator auftreten oder ein Produkt kann demonstriert werden (z.B. Putzmittel). Die Integration einer Alltagssituation in die Werbung schafft Verbundenheit. Indem man eine Fantasie oder einen Traum mit dem Produkt verbindet, werden Wünsche geweckt. Formale Merkmale der Werbebotschaften spielen ebenfalls eine Rolle für die Werbewirkung, wie die Lebendigkeit des Stimulus, die Verwendung von Prominenten, ein- oder zweiseitige Argumentationen, vergleichende oder nicht-vergleichende Werbung. Die Position im Werbeblock spielt eine wichtige Rolle, da der Spot nur beachtet wird, wenn er in einem interessanten Werbeumfeld steht. Weiterhin kann zwischen informativer, rationaler und emotionaler Werbung unterschieden werden. Modelle der Werbewirkungsforschung: Werbewirkungsmodelle sollen eine Werbewirkung messbar machen. Zu diesen zählen die Stufen Modelle Stimulus-Response-Modell (auch Reiz-Reaktions-Modell genannt), das Stimulus-Organismus-Response-Modell (oder Stimulus-Organismus-Reaktions-Modell), das Einstellungs- und Multi-Attributs-Modell, sowie Effekt-Hierarchie-Modelle, das kognitive Reaktanz-Modell, situationale Modelle sowie das transaktionale Mehrfaktorenmodell. Aufgrund des speziellen Bezuges auf Kinderwerbung sind nur drei der genannten Werbewirkungsmodelle für diese Arbeit relevant: Das Stimulus-Response-Modell, das Stimulus-Organismus-Response-Modell und das Einstellungsmodell, welche anschließend beispielhaft beschrieben werden. Diese Modelle können mit den Inhalten der anderen Kapitel dieser Arbeit in Zusammenhang gebracht werden. Stimulus-Response-Modell: Dieses Modell wird auch Werbedruck- oder Werberesponse-Modell genannt. Es basiert auf der grundlegenden Stimulus-Response-Theorie. Diese Theorie setzt voraus, dass das Verhalten der Menschen steuerbar ist. Hier fungiert die Werbebotschaft als Stimulus im Kommunikationsprozess, die daraus resultierende Einstellung des Rezipienten zum beworbenen Produkt ist die Response auf den Stimulus. Es wird also von einer direkten Reaktion auf den Stimulus "Werbebotschaft" ausgegangen. Durch häufige Wiederholungen wird ein Werbedruck aufgebaut, um die Assoziation zwischen dem Produkt und den beabsichtigten Werten zu begünstigen und so eine positive Einstellung gegenüber dem beworbenen Produkt zu erzeugen. Bei diesem Modell besteht die Gefahr, dass sich durch die häufigen Wiederholungen ein wear out, d.h. Abnutzungseffekt einstellt, der die gewünschte Reaktion ins negative umkehrt und zu Reaktanz führen kann. Stimulus-Organismus-Response-Modell: Das Stimulus-Organismus-Response-Modell basiert auf dem quantitativen Stimulus-Response-Modell, dieses wird jedoch hier durch qualitative Faktoren und Prozesse, die im Organismus stattfinden, ergänzt. Nach diesem Modell umfasst der Kommunikationsprozess mehrere Stufen: nach der Perzeption, Apperzeption und Speicherung der Information erfolgt eine Veränderung und Stabilisierung der Präferenzen und dadurch auch des Verhaltens. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit für eine Werbebotschaft von individuellen Interessen abhängig ist. Die Reaktionen, die bei der Rezeption des Werbespots auftreten, werden im Gedächtnis gespeichert und dessen Inhalte wirken sich auf das finale Verhalten aus. Das Verhalten wiederum beeinflusst die Gedächtnisinhalte und die momentanen Reaktionen bei der Rezeption. Es können auch direkte Einflüsse auf das Verhalten ausgeübt werden, wie z.B. bei einem Impulskauf. Insofern ist hier der Rezipient ein bedeutender Faktor für die Werbewirkung, da er selbst Mit-Produzent der Wirkung ist, die im kommunikativen Austausch auf ihn zukommt. Einstellungsmodell: Das Einstellungsmodell geht davon aus, dass eine positive Einstellung gegenüber der Werbebotschaft entscheidend für die Werbewirkung ist, da sich die positiven Gefühle, welche die Werbung hervorruft, auf das Produkt übertragen. Hier wird auch untersucht, wie sich verschiedene Emotionen auf die Erinnerung einer Werbebotschaft auswirken können.