Konzertsituationen mit starken Musikerlebnissen faszinieren, ereignen sich jedoch nur selten. Wie können Musikvermittelnde dieses musikalische Involviertsein, das sich in einer besonderen Zugewandtheit oder Versunkenheit zeigt, begünstigen? Entlang dieser Frage entwickelt Irena Müller-Brozovic eine theoretische Fundierung von Musikvermittlung, die sich auf Hartmut Rosas Resonanztheorie bezieht und Aspekte von intensiven Momenten in Konzertsituationen beschreibt. Sowohl vielfältige Praxisbeispiele als auch ein dynamisches Modell sowie zugehörige Leitfragen dienen dabei als Werkzeug für das Konzipieren und Analysieren von Vermittlungssituationen.
Nationen basieren auf Ein- und Ausschlussmechanismen, die in öffentlichen Mediendiskursen ausgehandelt werden. Im heutigen Europa sind Referenzen zu Religion und spezifisch zum Islam bei der Verhandlung nationaler Zugehörigkeit zentral. Bisherige Analysen öffentlicher Debatten zum Islam in Europa haben gezeigt, dass Fragen der Geschlechtergleichstellung im Vordergrund stehen und muslimische Frauen häufig Bilder kollektiver Differenz markieren. Mirjam Aeschbach legt anhand einer detaillierten Analyse aktiver Medienbeiträge muslimischer Diskursakteurinnen von 2016 bis 2019 dar, wie diese in der Öffentlichkeit Bilder nationaler Zugehörigkeit aufgreifen und sich aneignen - und wie diese Bilder so potentiell in Frage gestellt werden.
Das Nachbauen mittelalterlicher Instrumente dank Bildquellen und musiktheoretischer Traktate oder das "Einpflanzen" von Alltagsgegenständen in Landschaften, um so das Begriffspaar Natur-Kultur neu zu verhandeln - diese Beispiele zeigen, wie Kunst als Mittel zur Erkenntnisgewinnung die Wissenschaft bereichert. Die Beiträger*innen experimentieren mit der Verbindung von Kunst und Wissenschaft und richten besonderes Augenmerk auf die noch junge Disziplin der Designforschung sowie deren gesellschaftliches Engagement. Dabei illustrieren sie nicht nur die Bandbreite der Forschung in und mit den Künsten, sondern stellen auch Verbindungen zur Grundlagen-, anwendungsorientierten und aktivistischen Forschung her.
In the early twenty-first century, the concept of citizenship is more contested than ever. As refugees set out to cross the Mediterranean, European nation-states refer to "cultural integrity" and "immigrant inassimilability," revealing citizenship to be much more than a legal concept. The contributors to this volume take an interdisciplinary approach to considering how cultures of citizenship are being envisioned and interrogated in literary and cultural (con)texts. Through this framework, they attend to the tension between the citizen and its spectral others - a tension determined by how a country defines difference at a given moment.
Die Universität ist die größte Forschungs- und Bildungsorganisation unserer Gesellschaft und bildet dennoch einen weißen Fleck in der öffentlichen Wahrnehmung. Als Wissenschaftler und ehemaliger Universitätspräsident macht Hans Michael Piper deshalb die Innenwelt dieser Institution verständlich: Er erklärt, warum Studierende in ihrer Studienzeit eine entscheidende gesellschaftliche Prägung erfahren, warum Professor*innen egoistisch sein müssen oder warum hundert Gremien der Freiheit von Lehre und Forschung dienen - und was diese Freiheit gefährdet. Seine persönlichen Erfahrungen machen die Komplexität des deutschen Hochschulsystems sichtbar und verdeutlichen die Bedeutung der Universität als Bildungseinrichtung.
Was heißt Solidarität? Wer darf sie fordern? Und wer darf in wessen Namen und in Bezug auf welche Gemeinsamkeiten sprechen? Obwohl diese Fragen so komplex wie ungeklärt sind, gewinnt der emanzipatorische bis revolutionäre Aspekt der Solidaritätsidee zunehmend an Relevanz. Solidarität changiert zwischen einem Kampfbegriff und der Frage nach alternativen Lebens- und Praxisformen, die sich von gewohnten Auffassungen von Freiheit, Besitz, Ressourcen oder Existenz zu lösen versprechen. Die Beiträger*innen eröffnen die Fragen nach Zugehörigkeit und Ungleichheit neu und analysieren die Gestaltung von Gemeinschaft und Gesellschaft, die sich stets an der Heterogenität sozialer Kategorien bricht.
Wie kann der Öffentlichkeit ein digitaler Zugang zu Sammlungen visuellen Kulturerbes ermöglicht werden? Diese Frage beschäftigt viele Museen, Archive und Bibliotheken, allerdings fehlen entsprechende Erhebungen, die bei der Umsetzung helfen könnten. Im Auftrag der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) in Winterthur widmet sich Sonja Gasser dieser Leerstelle und analysiert in einer Umfrage die Anforderungen zur digitalen Repräsentation von Sammlungen. Die Ergebnisse bieten Museen und anderen Kulturinstitutionen Orientierung und Inspiration - beispielsweise bei der Entwicklung oder Erweiterung eines digitalen Angebots und der Abstimmung digitaler Sammlungen auf die Bedürfnisse der Nutzenden.
Feminist movements from the Americas provide some of the most innovative, visible, and all-encompassing forms of organizing and resistance. With their diverse backgrounds, these movements address sexism, sexualized violence, misogyny, racism, homo- and transphobia, coloniality, extractivism, climate crisis, and neoliberal capitalist exploitation as well as the interrelations of these systems. Fighting interlocking axes of oppression, feminists from the Americas represent, practice, and theorize a truly "intersectional" politics. Feminisms in Movement: Theories and Practices from the Americas brings together a wide variety of perspectives and formats, spanning from the realms of arts and activism to academia. Black and decolonial feminist voices and queer/cuir perspectives, ecofeminist approaches and indigenous women's mobilizations inspire future feminist practices and inform social and cohabitation projects. With contributions from Rita Laura Segato, Mara Viveros Vigoya, Yuderkys Espinosa-Miñoso, and interviews with Anielle Franco (Brazilian activist and minister) and with the Chilean feminist collective LASTESIS.
Zu Partnerschaftsgewalt gegen Männer in Deutschland liegen nur wenige wissenschaftlich ermittelte Daten vor. Die Autor:innen präsentieren Befunde einer quantitativen, deutschlandweit repräsentativen Online-Befragung von 1.200 Männern im Alter von 18 bis 69 Jahren zu Prävalenzen von Partnerschaftsgewalt und ihren Folgen. Vorgestellt werden darüber hinaus die Erfahrungen der Männer mit dem Hilfesystem und einzelnen Risikofaktoren sowie eine qualitative Interviewstudie, bei der 16 Männer detailliert zu ihren Erfahrungen befragt wurden. Abschließend präsentiert das Buch die Ergebnisse eines Expert:innen-Workshops in Form von Handlungsempfehlungen sowie eine Sonderauswertung des Niedersachsensurveys zu Partnerschaftsgewalt an 15-jähringen männlichen Jugendlichen.
Sind Kapitalismus und Nachhaltigkeit miteinander vereinbar? Falls ja: Mit welchen Folgen und Nebenfolgen gelingt es kapitalistischen Ökonomien, eine Antwort auf die multiplen ökologischen Krisen zu finden? Ist es ausgeschlossen, dass die "schöpferische Zerstörung" (Schumpeter) als Modus kapitalistischer Dynamik nicht auch den fossilen Kapitalismus "schöpferisch" zerstört und neue "Kombinationen von Dingen und Kräften" ersinnt, die den Kapitalismus tatsächlich ergrünen lassen? Oder gibt es materiale Schranken dafür, die in den stofflichen Eigenschaften von Öko-Systemen liegen? Scheitert der Kapitalismus letztlich an der ökologischen Frage?
This report summarises the main findings from a study into the implementation of the United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities. The study set out to answer four questions by investigating 29 concluding observations reports from the Committee on the Rights of Persons with Disabilities for 16 States Parties, covering 16 reports for the first review process of 2011-2015 and 13 from the second review process of 2019-2023. This investigation included content and thematic analysis, and aimed to grade each report. The research questions were: 1. Are there differences in the grade of implementation of the UNCRPD between the States Parties? 2. Are there differences between the States in the progress/ regress of implementation of the UNCRPD between the two periods? 3. Can States Parties be ranked in terms of the grade or progress of implementation? 4. Is it possible to identify thematic focal points in which the concluding observations reports of certain States Parties differ from those of other States? Concerning the first and third questions, the study has demonstrated that this is possible. However, the final overall grades are remarkably similar in this sample, most likely due to the small sample size of only 13 States Parties at the second report stage. Despite this similarity between overall grades, the individual articles demonstrate considerable variation, enabling respective States Parties to identify areas of weakness where improvements are most needed. In relation to the second research question of whether reports can be compared longitudinally, the answer for this set of reports is no. This is because the sample comprises those States Parties whose initial concluding observations reports were very early in the Committee's monitoring process. All of the States Parties appear to have regressed significantly, whereas in reality the change lies in the Committee's growing understanding and increasingly deep analysis of the implementation of rights. Regarding the fourth question of whether themes were identifiable within the sample, the answer is yes, with 'intersectional discrimination' and 'deinstitutionalisation' as examples of discernible themes. Where these themes were evident, particularly when the Committee made repeated comments about them, this impacted the grade the State Party received for each article that contained a reference to one of these issues, and it therefore significantly affected the States Parties' overall grades. If States Parties were to eliminate these barriers to the full implementation of article rights, the concerns raised by the Committee would thus be greatly reduced, reflecting an improved implementation of rights and consequently significantly improving the grading in this type of analysis.
Jeder Fortschritt, jede Neuerung größeren Ausmaßes in verschiedenen Medien provoziert nach einer kurzen Phase spielerischen Experiments eine erneute Konsolidierung wie deren ästhetische Reflexion: Diese Dualität kennen wir spätestens seit den Tagen industrieller Kommunikation als eine Trennung zwischen Massenkommunikation und Kunst. Dies lässt sich gleichermaßen bei der Entwicklung des zentralperspektivischen Bildes, der frühen Fotografie oder ganz besonders der Kinematografie beobachten. Nach einer ersten Phase des Kinos der Attraktionen entwickelte sich eine neue und einzigartige Formensprache des Classical Style als konventionalisierte Gestaltungsregel des Films, die zugleich und teilweise in scharfer Opposition verschiedene Gegenbewegungen auslöste oder als deren explizite Reflexion durch individuelle künstlerische Formensprachen überformt wurde. Aktuell stehen wir vor einer ähnlichen Situation, der Erfindung und Verbreitung dreidimensionaler dynamischer Techniken mit Datenbrille und anderen Technologien, die neue Formen der Virtual Production und damit des Erzählens ermöglichen - sogenanntes 'spatial' oder 'environmental storytelling'. Der Band widmet sich diesem neuen Erzählen auf drei Ebenen: Raumbild und -ton (Film), Bewegung im Raum (Computerspiel und VR) und Raum als Kontext (AR).
Die BAMF-Kurzanalyse 1|2024 untersucht Geschlechterdifferenzen beim Erwerb von Deutschkenntnissen von Geflüchteten, die in den Jahren 2013 bis 2019 nach Deutschland gekommen sind. Datengrundlage sind die ersten sechs Erhebungswellen der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, die in den Jahren 2016 bis 2021 erhoben wurden. Auswertungen der zeitlichen Entwicklung zeigen, dass sich die Deutschkenntnisse der Geflüchteten mit zunehmender Aufenthaltsdauer in Deutschland verbessern. Zugleich bestehen aber beachtliche Geschlechterunterschiede auch nach einer längeren Aufenthaltsdauer in Deutschland fort. Ziel der weiteren Untersuchungen ist es, die Hintergründe dieser Geschlechterunterschiede aufzuzeigen. Zum einen wirkt sich das Vorhandensein von kleinen Kindern nur bei den Frauen nachteilig auf den Erwerb von Deutschkenntnissen aus. Hingegen ist bei Männern kein statistischer Zusammenhang zwischen Elternschaft und Deutschkenntnissen erkennbar. Zum anderen lässt sich für diverse weitere Kontextbedingungen zeigen, dass sie den Deutscherwerb von Frauen und Männern zwar in gleicher Weise beeinflussen, dass die betreffenden Bedingungen aber bei geflüchteten Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise gegeben sind: So verfügen geflüchtete Frauen zum Zeitpunkt der Einreise im Durchschnitt seltener als geflüchtete Männer über mittlere und höhere Bildungsabschlüsse und ihnen fehlen häufiger Schreib- und Lesekenntnisse auch in ihrer Erstsprache. In der Zeit seit der Ankunft in Deutschland haben sie im Vergleich zu geflüchteten Männern durchschnittlich seltener Kontakt zu Deutschen. Sie wenden mehr Zeit für familienbezogene Aufgaben und Hausarbeit auf, sind seltener erwerbstätig und nehmen weniger häufig als Männer an Integrations- und Sprachkursen teil. Wie die Kurzanalyse zeigt, lassen sich die Geschlechterunterschiede der Deutschkenntnisse zu einem großen Anteil durch diese Disparitäten erklären. Als mögliche Ansatzpunkte für Handlungsoptionen zur Verbesserung der Sprachlernbedingungen geflüchteter Frauen kommen dementsprechend die Entlastung von Aufgaben im Familienkontext, Zugangsmöglichkeiten zu den Integrationskursen sowie die Unterstützung des Aufbaus von Kontakten und Netzwerken in Betracht. Bei der konkreten Ausgestaltung entsprechender Initiativen ist zu berücksichtigen, dass die Ausgangsbedingungen für den Spracherwerb bei Frauen häufig auch durch fehlende Zugangsmöglichkeiten zu Bildung und zum Erwerb von Lese- und Schreibkompetenzen in den Herkunftsländern geprägt sind. Maßnahmen sollten daher nach Möglichkeit auch auf Personen mit fehlenden Lese- und Schreibkompetenzen zugeschnitten und für diesen Personenkreis verständlich und zugänglich sein.