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Dieser Forschungsbericht führt die Lücken bei der Aufarbeitung der Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert und in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg auf. Nachdem die meisten Fakten zur Organisationsgeschichte bereits erarbeitet sind, ist eine Verlagerung der Forschung auf die Sozial- und Kulturgeschichte festzustellen, wobei vor allem die Basis der Arbeiterbewegung untersucht werden muß. Wichtig erscheint dem Autor die Herausarbeitung der positiven und negativen Traditionen der Arbeiterbewegung Österreichs, um das Geschichtsbewußtsein der heutigen Arbeiterbewegung zu stärken mit dem Ziel, die eigene Lage besser verstehen zu können. Weiterhin sei es notwendig, das Verhältnis zwischen Parteiführung bzw. -funktionären und der Basis zu untersuchen; ebenso sollten die verschiedenen Richtungskämpfe und die Beziehungen der Sozialdemokratie zum Bauerntum sowie deren Haltung zum Kriegsausbruch aufgearbeitet werden. Dies soll vor allem aufgrund eines breiten bisher noch fast ungenutzten Quellenmaterials in privaten und kleineren öffentlichen Archiven geschehen. (LZ)

"Angestoßen durch die 'demokratischen Revolutionen' des 18. Jahrhunderts gerieten die absolutistischen Herrschaftsformen im 19. Jahrhundert ins Wanken. Wie der Autor in seinem Beitrag belegt, war dieses Säkulum eine Zeit großer innerer Umwälzungen, die von Europa aus auf alle Erdteile übergriffen. Am Ende des Jahrhunderts sah sich der Absolutismus auf die östlichen Randbereiche des europäischen Kontinents zurückgedrängt. Bei der politischen Transformation lassen sich Prozesse der Konstitutionalisierung und der Demokratisierung unterscheiden. Durch die Etablierung institutioneller Kontrollen der Staatsgewalt verwandelten sich die absoluten in konstitutionelle Monarchien, dem in Europa bald dominierenden Verfassungstyp. Durch die Demokratisierung des zunächst fast überall stark eingeschränkten Wahlrechts wurden die konstitutionellen und parlamentarischen Monarchien auf eine breitere soziale Grundlage gestellt. Wie nicht zuletzt das System Napoleons III. in Frankreich zeigte, waren diese Entwicklungen indes keine Einbahnstraße. Die neuartige Verbindung von autoritärer Führung und plebiszitärer Legitimation kündigte bisher unbekannte Formen der Autokratie an. In den Staatsformendiskussionen der verschiedenen politisch-weltanschaulichen Strömungen wurde dieses Konzept nur von Außenseitern vorgebracht. Das von verschiedenen Schulen des Liberalismus propagierte Modell einer Verknüpfung monarchischer, demokratischer, mitunter aristokratischer Elemente in der als 'gemischte Verfassung' geltenden 'konstitutionellen Monarchie' dominierte. In Deutschland wurde daraus in der zweiten Jahrhunderthälfte ein von gemäßigten Konservativen und Nationalliberalen getragener Staatsbegriff. Sie lehnten neoabsolutistische Vorstellungen ebenso ab wie das Modell des englischen Parlamentarismus mit der Abhängigkeit der Regierung von der Kammermehrheit. Diese von Liberalen zunehmend propagierte Lösung ging radikalen Demokraten vom Schlage Arnold Ruges nicht weit genug. Er träumte von der 'Selbstregierung' in 'Urversammlungen' des Volkes. Die Kommunisten Karl Marx und Friedrich Engels wiederum hielten eine 'Diktatur des Proletariats' auf dem Weg zu einer 'klassenlosen Gesellschaft' für unvermeidlich und erteilten damit dem liberalen Konzept des gewaltenkontrollierenden 'Rechtsstaates' ebenso eine Absage wie die Bewunderer autoritär-plebiszitärer Führung." (Autorenreferat)

Der Vortrag bringt einen Abriß über die Entwicklung, Strukturen und Besonderheit des belgischen Liberalismus, dem auch die "Progressisten" zugerechnet werden, zwischen der Staatsgründung und der Aufhebung des Zensuswahlrechts. Es werden zunächst einige Spezifika des belgischen Liberalismus dargelegt, die sich aus der spezifischen Situation Belgiens als freihändlerisch orientiertem Verfassungsstaat ergaben: Wichtigstes Anliegen der belgischen Liberalen war ihr Antiklerikalismus, hinzu kam ein sehr ausgeprägtes liberales Vereinswesen, das die Politik beherrschte. Im zweiten Teil wird anhand von zeitgenössischen Zeugnissen dem Zusammenhang von Liberalismus und Bürgertum nachgegangen. Entgegen der marxistischen Auffassung ist festzustellen, daß die belgischen Liberalen über lange Zeit auch Rückhalt im Adel und in klein- und unterbürgerlichen Schichten fanden; andererseits konnte sich auch der politische Katholizismus auf weite bürgerliche Kreise stützen. Dagegen wies die liberale Programmatik stark bourgeoise Züge auf, so daß es gerechtfertigt scheint, "Liberalismus und Bourgeoisie eng zusammenzurücken". (JF)

Mit einem gesamtgesellschaftlichen Analyse-Ansatz, in dessen Zentrum die Marktstrukturen liegen, wird die Herausbildung der französischen Gesellschaftsformation im 19. Jahrhundert untersucht. Als wesentliches Charakteristikum für den Zustand der französischen Gesellschaft wird dabei der Zustand der verschiedenen Märkte gesehen. Die französische Revolution schuf zwar notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen für eine industriekapitalistische Entwicklung. Der legale Rahmen wurde aber erst allmählich durch soziale Konflikte der verschiedenen sozialen Klassen ausgefüllt. Am Beispiel des Marktes verschiedener Güter und in dem Zusammenhang des Marktes der Land- und Grundstücke, der Arbeitskräfte, des Geldes und Kapitals sowie der Informationen werden wichtige Strukturen der französischen Gesellschaft des 19. Jahrundert in ihren Bezügen erhellt. (GF)

Der Vortrag beschreibt die theoretischen und praktischen Antworten des deutschen Liberalismus auf die sozialen Fragen des 19. Jahrhunderts und stellt diese in Verbindung zur Entwicklung des Liberalismus als parteipolitischer Bewegung. Entgegen "weithin popularisierter Auffassungen" sieht der Autor nicht nur ein, sondern drei große soziale Problemfelder in dieser Epoche: die Arbeiter-, die Agrar- und die Mittelstandsfrage. Als Antwort auf alle drei Probleme entwickelte der Liberalismus ein Lösungsmodell, das sich am "Ideal des ökonomisch, sozial und intellektuell zur Selbstbestimmung fähigen Menschen" orientierte und die "Hilfe zur Selbsthilfe" postulierte: Jeder sollte durch Bildung und/ oder Zusammenschluß in Associationen in den Stand gesetzt werden, im freien Spiel der Kräfte eine mittelständische Existenz zu begründen. Solange diese "mittelständische Lösung" wie im Vormärz und 1848 die praktische Politik bestimmte, war der Liberalismus eine im Aufstieg begriffene Kraft. Als dieser Weg dann nach 1878 von National- und Linksliberalen in unterschiedlicher Weise verlassen wurde, setzte der Niedergang als politische Kraft ein, da die mittelständische Wählerbasis diese Politik nicht honorierte. (JF)

Thema des vorliegenden Beitrags bilden die Schwierigkeiten der sozialistischen Arbeiterbewegung (ADAV, SAPD, SPD) im 19. Jahrhundert, im Ruhrgebiet eine Anhängerschaft zu finden und eine Parteiorganisation aufzubauen. Der Verfasser zeichnet die regional sehr unterschiedlichen Organisationsansätze im Revier nach und arbeitet die vielfältigen Hinderungsgründe heraus. Zunächst fehlte infolge demographischer Umwälzungen das Traditionspotential der frühen Handwerkerorganisationen und des sozialen Protests. Die Einbindung der meist christlichen Bergarbeiterorganisationen in die ständisch-obrigkeitlichen Machtverhältnisse und ihre Rekrutierung aus dem agrarischen Milieu erschwerten Lernprozesse im Sinne der sozialistischen Arbeiterbewegung. Darüber hinaus waren die ökonomischen Analysen und Ziele (Produktivassoziationen) der aus dem vorindustriellen Proletariat stammenden Arbeiterführer nicht an den Bedürfnissen des im Revier wachsenden Fabrikproletariats orientiert. Der Befund des Verfassers lautet, daß die SPD trotz eindrucksvollen Neubeginns im Ruhrgebiet nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes nur in Dortmund einen festen Wählerstamm und damit eine Hochburg gewinnen konnte. Die katholischen Bergleute des westlichen Ruhrgebiets hielten nach wie vor zum Zentrum. Bleibende Gewinne konnten nur unter den evangelischen Arbeitern gewonnen werden. (SK)

Der Autor beschäftigt sich unter Rückgriff auf methodologische und wissenschaftstheoretische Überlegungen mit dem Staatsverständnis wie es sich im Modell des Nationalstaats des 19. Jahrhunderts zeigte und stellt dessen spezifische Einheits- und Identitätsvorstellungen heraus, die sich jedoch als Barriere zur realistischen Einschätzung von heutiger Staatlichkeit erweisen. Anhand der Merkmale Gebiet, Volk, Gewalt und im Blick auf die deutsche Entwicklung werden die Unterschiede zwischen dem neuzeitlichen (bis etwa 1800) und modernen Staat (im Sinne des 19. Jahrhunderts) skizziert. Staatlichkeit als Einheitlichkeit bedeutet idealtypisch und auf den modernen Staat des 19. Jahrhunderts bezogen, daß der staatlichen Willensbildung ein zentralisierendes Element innewohnt und der einmal gebildete Wille im gesamten Herrschaftsbereich vollzogen werden kann. Der Staat ist allerdings nur mit "äußeren Zwangsmitteln" ausgestattet, wodurch er seine Tätigkeiten auf die äußeren Verhältnisse des Menschen beschränken muß. Die relative Selbständigkeit der Gemeinden in Deutschland ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung einer Staatlichkeit, die auch bis heute noch das Denken prägt. Der moderne Staat unterliegt allerdings einer Doppelwirkung von supranationaler und regionalistischer Entwicklung und angesichts der innerstaatlichen Entwicklungen (hin zum "Maßnahmestaat") wird die Untauglichkeit des überlieferten Staatsmodells für das ausgehende 20. Jahrhundert verdeutlicht. Staatliche Politik kann heute nur unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten und unter Einbeziehung der Repräsentanz der auf unterer Ebene verankerten Interessen verwirklicht werden. (ICE)

Es wird die Professionalisierung der evangelischen Pfarrerschaft in Deutschland im 19. Jahrhundert untersucht. Zunächst wird auf die für die Konstituierung bildungsbürgerlicher Identität zentrale akademische Ausbildung der Pfarrer und ihre Einbindung in das staatliche Berechtigungswesen eingegangen. Am Sozialprofil der Geistlichen wird geklärt, wie stark sie über Herkunft und Heiratsverhalten mit Bürgertum, Kleinbürgertum und den anderen akademischen Berufsgruppen verflochten waren. An ihrer sozialrechtlichen Stellung und ihren berufsständischen Organisationsformen wird geprüft, wie weit das staatskirchlich-obrigkeitliche Modell ihren Status und ihre Berufsausübung dominierten. Am Beispiel der Pfarrerbesoldung und ihrer Reform wird abschließend auf die berufsständischen Strategien eingegangen, die die Pfarrerschaft angesichts der Bedrohung ihres sozialen und materiellen Besitzstandes im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verfolgten. (GF)