Lange Zeit war der Bürgerkrieg aus der Staatenwelt Zentraleuropas wie auch Nordamerikas verschwunden. Mittlerweile jedoch verschärfen sich im Innern dieser Staaten und Gesellschaften die Gegensätze. Gegnerschaften, ob politisch oder kulturell begründet, wandeln sich in offene Feindseligkeit. Manche sehen darin bedrohliche Entwicklungen. Dies war der Anstoss, sich näher mit dem Bürgerkrieg zu beschäftigen, wie es in diesem kleinen Band in Gestalt eines historischen Essays geschieht. (Verlagswerbung) HAZ 22.4.21: kluger Essay
Der Aufsatz liefert zunächst eine Begriffsbestimmung von Bürgerkrieg und verweist unter Verwendung von empirischem Datenmaterial auf die geschichtliche und aktuelle Bedeutung dieser Konfliktform. Im Anschluss folgt in einem historischen Rückblick die Skizzierung der Bürgerkriegsforschung und ihrer Entwicklung. Vor dem Hintergrund des Hinweises, dass es bislang keine fest etablierte Disziplin der Bürgerkriegswissenschaft gibt, formuliert der Autor eine allgemeine Charakterisierung des Forschungsgegenstandes hinsichtlich der Konfliktintensität, der Machtverhältnisse der beteiligten Gruppen, der Opferbereitschaft und der Zukunftsperspektiven der Teilnehmer. Eine weitere Spezifikation von Bürgerkriegen resultiert aus drei Einteilungsvorschlägen bzw. Untertypen, und zwar die Differenzierung von: (1) Antiregimekriegen und ethnisch-nationalistischen Autonomie- oder Sezessionskriegen, (2) die Unterscheidung nach Großregionen sowie (3) regulären und irregulären Bürgerkriegen. Als Ursachen werden fünf "Variablenkomplexe" erwähnt, "die nach Ansicht des Verfassers vorliegen müssen, damit es zum Bürgerkrieg kommt". Der erste Faktorenkomplex umfasst den Staat, gefolgt von starken inneren Spannungen und sozialen Zerklüftungen, im kollektiven Gedächtnis gespeicherten Erfahrungen früherer gewaltsamer Auseinandersetzungen, dem sozialen und politischen Wandel sowie schließlich den gesellschaftlichen und politischen Eliten. Die Konsequenzen eines Bürgerkrieges gliedern sich in (1) kurzfristige unmittelbare Auswirkungen wie beispielsweise eine jähe Polarisierung der Gesellschaft, die Aufteilung des ehemals einheitlichen Staatsgebietes unter rivalisierenden Gruppen oder gewaltige Fluchtbewegungen und (2) längerfristige strukturelle Folgen wie eine ruinierte Wirtschaft und Infrastruktur, leere Staatskassen und eine verarmte Bevölkerung. Die Beendigung des Krieges präsentiert sich häufig als zäher Prozess mit zahlreichen Hindernissen (Machterhalt der Rebellenführer, fehlende Disziplin der Kriegsparteien usw.). Damit aber Friedensverhandlungen eine Erfolgschance über den momentanen Waffenstillstand hinaus haben, nennt der Autor abschließend vier Grundbedingungen. "Sie betreffen den Gegenstand der Verhandlungen, die daran zu beteiligenden Parteien, den richtigen Zeitpunkt und die Maßnahmen, die zur Umsetzung der Verhandlungsergebnisse getroffen werden müssen." (ICG)
Die Theorie des Krieges gehört gegenwärtig - nicht zuletzt durch die Kriege auf dem Balkan - zu den Forschungsbereichen, die reich an neuen Beobachtungen und Ideen sind. Der Rezensionsessay bespricht das Buch "Ökonomie der Bürgerkriege" (1999) von Francois Jean und Jean-Christophe Rufin, dass aus folgenden Gründen für die wissenschaftliche und öffentliche Debatte über den Krieg von Bedeutung ist: Die Beiträge des Sammelbands fügen sich zu einer überzeugenden theoretischen Perspektive, die auch wichtige Gesichtspunkte für die politische Debatte über kriegerische Gewalt liefert. Im Zentrum der Ausführungen steht folgender Sachverhalt: Bürgerkriegswirtschaft und organisierte Kriminalität werden immer mehr zwei Seiten ein und derselben Münze. "Bewaffnete Bewegungen und organisierte Kriminalität sind 'wahlverwandt', man kann auch sagen, wie für einander geschaffen." (ICA)
Die Entwicklungen in der Soziologie der Bundesrepublik nach dem Ende des Dritten Reiches werden dargestellt und kritisch beurteilt. Dabei stehen die Vorgänge um die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und um die Einflüsse der durch ihre Mitarbeit im Faschismus vorbelasteten Fachvertreter im Blickpunkt. Es wird nachgewiesen, daß in den 50er Jahren eine Soziologieprofession restauriert wurde, in der es nur wenige fortschrittliche, dafür aber zahlreiche konservative bis faschistische Traditionen gab. Diese Restauration vollzog sich unter Aufsicht und Anleitung der amerikanischen Besatzungsmacht und ermöglichte den zuvor totalitär eingebundenen Soziologen eine neue Herrschafts- und Machtposition an den Hochschulen. Im Kontext des Antikommunismus konnten diese dann den Kalten Krieg und den innenpolitischen Rechtsdruck nutzen, um den liberalen Kräften in der Soziologie, die sich um R. König und H. Plessner scharten, den "Bürgerkrieg" zu erklären.