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Civil Liberties Union for Europe: Medienbericht fordert besseren Schutz vor Staatstrojanern
Blog: netzpolitik.org
Bei manchen Demonstrationen wurde gezielt die Presse angegriffen, etwa hier bei einem Bauernprotest in Brüssel. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Photo NewsDie EU brauche strengere Regeln beim Einsatz von Staatstrojanern, fordert die NGO Civil Liberties Union for Europe in einem Bericht zur europäischen Medienlandschaft. Außerdem nehme das Vertrauen in Medien insgesamt ab – auch in Deutschland, wo die Presse verhältnismäßig viel Glaubwürdigkeit genießt.
Neue Publikation: Germany and the European Union – How Chancellor Angela Merkel Shaped Europe
Blog: mainEUropa
Soeben ist das Buch „Germany and the European Union – How Chancellor Angela Merkel Shaped Europe“ von Prof. em. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet bei Springer erschienen. Das Buch von Prof. em. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet präsentiert eine kohärente Analyse der deutschen Europapolitik während der Kanzlerschaft Angela Merkels. Zugleich zeichnet es die Entwicklung der EU im Zeitraum 2005-2021 nach. Die europäischen […]
Der Beitrag Neue Publikation: Germany and the European Union – How Chancellor Angela Merkel Shaped Europe erschien zuerst auf mainEUropa.
Ein bisschen mehr Aktivismus
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Die Chance ist da, unsere Wissenschaft Richtung Offenheit, Transparenz und Diversität umzubauen. Wir sollten sie jetzt nutzen. Ein Gastbeitrag von Doreen Siegfried und Klaus Tochtermann.
Das Open-Science-Magazin auf der Website des ZBW (Bildschirmfoto).
DEN BEGRIFF haben inzwischen viele schon einmal gehört. Open Science. Anfangs nur von einzelnen Akteur:innengruppen der Wissenschaftscommunity gepusht, fordern mittlerweile auch die
Europäische Kommission und nationale Forschungsfördereinrichtungen Open Science als "New Normal" der Wissenschaft ein.
Aber was genau soll das eigentlich sein – Open Science? Ist sie wirklich abgesehen schöner Reden schon mehr als ein Nischenphänomen? Und wie korrespondiert Open Science mit einer anderen, viel
beachteten – und diskutierten – Reformanstrengung in der Wissenschaft: der Etablierung einer neuen Logik der Forschungsbewertung?
Wofür genau steht
eigentlich "Open Science"?
Open Science umfasst Vorgehensweisen, Methoden und Werkzeuge, mit denen der Forschungsprozess unter Nutzung der Chancen der Digitalisierung geöffnet wird. Zentrale Prinzipien von Open Science
sind Transparenz, Reproduzierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und offene Kommunikation. Der Ansatz beschränkt sich nicht allein auf die Publikation von Forschungsergebnissen, er erstreckt sich
vielmehr auf die Offenlegung des gesamten wissenschaftlichen Prozesses – einschließlich Forschungsdaten, Forschungssoftware, angewandten Methoden und verwendeten Werkzeugen.
Der Gedanke basiert auf der Prämisse, dass wissenschaftliche Erkenntnisse als globales Gemeingut betrachtet werden sollten, um maximalen gesellschaftlichen Nutzen zu generieren.
Ist Open Science auf dem Weg, zum Prinzip für
gute wissenschaftliche Praxis zu werden?
Die wachsende Bedeutung von Open Science spiegelt sich in der verstärkten Aufforderung zu mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit in der wissenschaftlichen Praxis etwa durch die Europäische
Kommission und nationale Forschungsfördereinrichtungen wider.
Allerdings ist der Grad der Annahme in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich. In vielen Fällen ist Open Science noch ein marginales Phänomen, aber der Trend bewegt sich in Richtung eines
neuen Standards für gute wissenschaftliche Praxis.
Neue Forschungsbewertung
als Katalysator
Im Januar 2022 wurde die Initiative "Coalition on the Advancement of Research Assessment (CoARA)" gestartet. Diese Initiative der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedsstaaten zählt zu den 20 Schlüsselinitiativen der neuesten Agenda zur Weiterentwicklung des
Europäischen Forschungsraums, die im vergangenen Jahr verabschiedet wurde. Sie zielt darauf ab, den Forschungsbewertungsprozess durch ein spezielles Abkommen, das Agreement On Reforming Research
Assessment, zu reformieren, welches auf zehn grundlegenden Verpflichtungen beruht.
Zu diesen Verpflichtungen gehört beispielsweise, mehr auf Qualität als auf quantitative Indikatoren (wie Zitationshäufigkeit) zu setzen und Beiträge anzuerkennen, die das Wissen und die
(potenziellen) Auswirkungen der Forschung voranbringen. Das CoARA-Abkommen wurde in Zusammenarbeit mit europäischen Wissenschaftler:innen, nationalen Förderorganisationen wie der DFG und
europäischen Dachverbänden wie Science Europe und der European University Association erstellt. Im Zuge des Entstehungsprozesses wurden vier Workshops organisiert, die jeweils zwischen 300 und
400 Teilnehmer:innen aus der Wissenschaftsgemeinschaft versammelten.
Wer treibt hier
eigentlich wen?
Die aktuell laufende Reform der Forschungsbewertung und die ebenfalls wissenschaftsgetriebene Open-Science-Bewegung haben ähnliche Ziele: Sie zielen auf eine Kultur der Offenheit, Transparenz und
Diversität. Forschungsbewertung ist ein Critical Incentive Driver für Wissenschaftler:innen und kann die Open-Science-Bewegung erheblich beeinflussen. Daher sollten beide Initiativen
gemeinsam gedacht und aktiv verfolgt werden, um Synergien zu nutzen.
Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, welche Initiative die andere antreibt. Manche sehen die Open-Science-Bewegung als Impulsgeber für Reformen im Bereich der Forschungsbewertung, während
andere argumentieren, dass ohne eine grundlegende Reform der Forschungsbewertung Open Science nicht den gewünschten Umfang erreichen kann. Letztlich sind beide Bewegungen stark miteinander
verflochten und wirken synergetisch.
Implikationen für die
Nachwuchsforschenden
Die Transformation in Richtung einer diverseren Forschungsbewertung und Open Science birgt das Potenzial, die Karrierewege für Nachwuchsforschende grundlegend zu verändern. Es sind nicht nur die
konkreten Outputs, die zur Diskussion stehen, sondern auch die Mechanismen und Kriterien, die zur Bewertung und Gewichtung dieser Outputs herangezogen werden. In dieser Umbruchphase sind junge
Forschende konfrontiert mit einer komplexen Entscheidungsfrage: Investieren sie weiter in traditionelle Publikationswege – oder diversifizieren sie ihren wissenschaftlichen Output, etwa durch die
Publikation von Forschungsdaten, Forschungssoftware, Policy-Empfehlungen oder erfolgreichem Wissenstransfer?
Dieser Paradigmenwechsel stellt das etablierte Verständnis von wissenschaftlicher "Qualität" und "Exzellenz" grundlegend in Frage, was bei einigen Forschenden zu einer kritischen Haltung
gegenüber den Reformen führt. Auf institutioneller Ebene obliegt es den etablierten Senior Scientists, einen Übergang zu orchestrieren, der die Karrierepfade junger Forschender nicht
kompromittiert und First Mover diesem Bereich nicht benachteiligt. Wissenschaftspolitische Entscheidungsträger, sprich: die Wissenschaftsgovernance, innerhalb der Reforminitiativen
spielen dabei ebenfalls eine kritische Rolle.
Darüber hinaus muss gewährleistet werden, dass sowohl etablierte als auch aufstrebende Wissenschaftler:innen adäquat in den Reformprozessen repräsentiert sind. Sie müssen gemeinsam neue
Messmethoden für neue Forschungsbewertungen entwickeln und sich insbesondere über die Wichtungen der diversen Forschungsbewertungs-Indikatoren unterhalten. Im Zentrum aller Diskussionen steht der
kollektive Wunsch, dass die Kriterien für die Forschungsbewertung mit den Attributen und Werten korrespondieren, die sowohl die akademische Gemeinschaft als auch Gesellschaft, Politik und
Wirtschaft von Forschenden erwarten und schätzen.
Der Kulturwandel: Ein notwendiger Pfeiler
für Open Science und Forschungsbewertung
Open Science und die Reform der Forschungsbewertung verfolgen ein gemeinsames Ziel: den Aufbau einer wissenschaftlichen Kultur, die auf Offenheit, Transparenz und Diversität fußt. Sowohl die EU
als auch nationale Förderprogramme definieren Open Science als unabdingbaren "modus operandi" für moderne Forschung. Mit dem Ergebnis, dass Wissenschaftler:innen aller Disziplinen zumindest
theoretisch mit den Prinzipien von Open Science vertraut sein sollten.
Die eigentliche Frage aber lautet: Werden diese Prinzipien auch in der täglichen Forschungsarbeit umgesetzt? An dieser Stelle rückt der Kulturwandel in den Fokus. Es ist unerlässlich, sich der
Grenzen traditioneller Messgrößen bewusst zu werden und die Notwendigkeit einer Veränderung zu erkennen. Eine diverser aufgestellte Bewertung würde bislang weniger beachtete Beiträge zur
Wissenschaft besser einschließen: vom Teilen von Daten oder Code über die Qualität der Lehre und den Wissenstransfer bis hin zur Wissenschaftskommunikation und der Nachwuchsförderung. Das
Ergebnis wäre ein ganzheitlicheres Bild des wissenschaftlichen Fortschritts.
Es ist daher unabdingbar, einen Konsens darüber zu erreichen, welche wissenschaftlichen Beiträge als relevant gelten und welche Bewertungskriterien dafür herangezogen werden sollten. Wichtig ist
zudem, in der Diskussion zu klären, wie und von wem diese vielen Bewertungskriterien überprüft werden. Hier, so einige Kritikerstimmen, könnte ein zusätzlicher und kaum zu bewältigender Aufwand
in Begutachtungsprozessen entstehen.
Die Idee eines "one size fits all" ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Erst wenn die neu definierten Bewertungskriterien in Entscheidungen von Tenure Committees und anderen
Evaluierungsgremien einfließen, wird der Kulturwandel tatsächlich Realität. Bis dahin besteht die Herausforderung darin, den bestehenden Enthusiasmus und Optimismus, aber auch die Bedenken, in
greifbare Lösungen umzuwandeln.
Wie in der Open-Science-Bewegung ist auch hier der Prozess genauso wichtig wie das Endziel. Es geht nicht nur darum, eine endgültige Kriterienliste zu erstellen, sondern vielmehr darum, eine
Richtung einzuschlagen, die mit den wissenschaftlichen Werten im Einklang steht. Wie eine junge Forscherin treffend bemerkte: "Der Ball rollt langsam in Bezug auf die Forschungsbewertung. Was
Open Science dazu beitragen kann, ist ein bisschen mehr Aktivismus!"
Klaus Tochtermann ist Direktor der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft und Vorstandsmitglied der European Open Science Cloud
Association. Doreen Siegfried ist Kommunikationsmanagerin und arbeitet als Abteilungsleitung Marketing & Public Relations an der ZBW.
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Happy End im Horizon-Krimi (diesmal wirklich!)
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Weißer Rauch zwischen London und Brüssel: Das Vereinigte Königreich rückt zumindest forschungspolitisch wieder ganz nah an Europa. Ein Gastbeitrag von
Jan Wöpking und Yannick Bauer.
Campus der Universität Oxford. Foto: George Hodan,
CCO.
GUTE NACHRICHTEN für die Wissenschaft in Deutschland, Großbritannien und Europa: Der Weg zur Assoziierung des Vereinigten Königreiches zu Horizon Europe ist frei. Bereits im Juli hatte es im
Vorfeld des NATO-Gipfels in Vilnius Anzeichen für eine Einigung zwischen Großbritannien und der EU-Kommission gegeben. Nun ist der Durchbruch wirklich erzielt.
Damit gehen Jahre des Wartens zu Ende. Großbritannien wird wieder Teil von Europas Forschungsflaggschiff – was
auch die Unsicherheit in Deutschland beendet: Großbritannien und die Bundesrepublik waren in den bisherigen europäischen Forschungsprogrammen ihre jeweils wichtigsten Kooperationspartner.
Ohne Assoziierung wäre das nicht mehr möglich gewesen. Jetzt stehen die Türen wieder offen für die Zusammenarbeit mit Oxford, Leeds oder Edinburgh.
Auch für die strategische Souveränität Europas ist die Assoziierung von höchster Bedeutung. Im wissenschaftlichen Wettrüsten zwischen den Schwergewichten USA und China kann sich Europa eine
Zersplitterung seines Wissenschaftsraums schlicht nicht leisten. Drängende globale Herausforderungen wie die Klimakrise oder die Gestaltung der Disruptionen durch KI sind nur im Rahmen
internationaler Kooperationen zu meistern. Dafür ist die enge Zusammenarbeit der gesamteuropäischen Wissenschaft unverzichtbar. Horizon bietet dafür eine ideale Grundlage.
Der erfolgreiche Ausgang der Verhandlungen enthält auch eine wichtige Erkenntnis für die Forschungscommunity. Universitäten und Forschungsinstitute auf beiden Seiten des Ärmelkanals
sind nicht müde geworden, die vollumfängliche Assoziierung immer und immer wieder einzufordern, auch als kaum noch jemand an einen Erfolg glauben mochte. Am Ende hat auch diese Beharrlichkeit
dazu beigetragen, dass realpolitische Vernunft über Ideologie gesiegt hat. Wichtig war ebenfalls, dass Bundesregierung, Forschungsministerium und Parlament von Anfang an klar für die Assoziierung
eingetreten sind.
Genauso wie die Verbände britischer und deutscher Spitzenuniversitäten, die Russell Group und German U15. Sie kommen schon in der nächsten Woche zu einem hochrangigen Delegationstreffen an
der Universität Hamburg zusammen und werden dort besprechen, wie sich die Assoziierung schnellstmöglich praktisch in neue Forschungskooperationen umsetzen lässt.
Ein wissenschaftspolitischer Krimi auf Europas Bühne ist jetzt zu Ende. Doch nach der Party ist vor dem nächsten Kraftakt. Die Assoziierung der Schweiz steht weiter aus.
Jan Wöpking ist Geschäftsführer des Universitätsverbunds German U15, Yannick Bauer dort politischer Referent.
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Happy End im Horizon-Krimi?
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Endlich fällt die Entscheidung über die Zukunft Großbritanniens
als Teil des Forschungsstandorts Europa. Ein Gastbeitrag von
Jan Wöpking und Yannick Bauer.
Willkommen zurück? Auch die Universität Oxford würde durch die Assoziierung wieder näher an Europa rücken. Foto:
George Hodan, CCO.
EIN GROßER WISSENSCHAFTSPOLITISCHER KRIMI nähert sich seinem Finale. Am heutigen Dienstag verhandeln EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premier Rishi Sunak darüber,
ob Großbritannien dem Forschungsflaggschiff "Horizon Europe" assoziiert wird – oder nicht.
Damit rückt auch die Beantwortung der Frage näher, ob eine der weltweit stärksten Forschungsnationen weiter zum Forschungsstandort Europa gehört. Auf dem Spiel steht eine Menge: Unter den
weltweit führenden 200 Universitäten finden sich allein 28 britische, darunter Schwergewichte wie Cambridge und das University College London.
So wegweisend die Entscheidung sein wird, so abenteuerlich war der Weg zu ihr. Erinnern wir uns kurz: Referendum, 51,89 Prozent für Leave, "Get Brexit Done". Dann, am Heiligen Abend 2020, tritt
Boris Johnson vor die Kameras und verkündet den Abschluss des Handelsabkommens zwischen Großbritannien und der EU. Das Abkommen, sagte der damalige britische Premier, bedeute auch Sicherheit für die Forschung:
"Because although we want the UK to be a science superpower, we also want to be a collaborative science superpower." Es schien, dass Großbritannien zwar "Erasmus+" und damit den Rahmen für
innereuropäischen Studierendenaustausch verlassen, aber Forschungspartner in Horizon Europe bleiben würde. Ein Aufatmen ging durch die Wissenschaftscommunity. Zweieinhalb Jahre später muss man
feststellen, dass es voreilig war.
Dabei ist der wissenschaftliche Case pro Assoziierung völlig unstrittig. Er ist in Hunderten Stellungnahmen, Artikeln, offenen Briefen und Kampagnen von quasi allen Akteuren in Wissenschaft und
Wirtschaft von Athen bis Aberdeen vorgebracht worden. Mehr Einigkeit in der Sache geht nicht. Das Vereinigte Königreich ist einer unserer engsten, vertrauensvollsten und wissenschaftlich
stärksten Partner. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte EU. Für ein souveränes Europa, für die Gestaltung von Klimawandel und KI, für geopolitisches "De-risking" sollten
Oxford, Imperial und Edinburgh Schlüsselpartner sein. Und unsere Partner in der britischen Wissenschaft betonen ihrerseits, wie unersetzlich die Zugehörigkeit zur europäischen Forschungscommunity
für sie ist. Sie tun das übrigens auch, obwohl sie dadurch riskieren, die Brexit-Linie so mancher ihrer bisherigen Regierungen in Frage zu stellen.
Es ging bei der Frage der Assoziierung lange
um vieles, nur nicht um Wissenschaft
Wenn also die inhaltlichen Argumente für die Assoziierung so klar sind, warum hat die Entscheidung dann so lange gebraucht? Die Assoziierungsfrage ist in maximal komplizierte politische Gewässer
geraten, die von den Fischereiquoten bis zur Nordirland-Frage reichten. Es ging bei der Frage der Assoziierung lange um vieles, nur nicht um Wissenschaft.
Währenddessen mussten die Forscherinnen und Forscher auf beiden Seiten warten. Und je länger dieses Warten andauert, desto höher wird der Preis, den die Wissenschaft dafür zahlt. Der
Studierendenaustausch zwischen Großbritannien und der EU ist rapide gesunken. Auch die gemeinsame Forschung droht inzwischen, Schaden zu nehmen. Hier bestätigt sich eine alte Erfahrung:
Unsicherheit ist ein wirksames Gift für Kooperationen.
Die Gefahr, die darin liegt, zeigt der Vergleich mit der Wirtschaft. Im vergangenen Jahr zählte Großbritannien erstmals in diesem Jahrtausend nicht mehr zu den zehn wichtigsten Handelspartnern
der Bundesrepublik. Dieser dramatische Fall darf sich in der Wissenschaft nicht wiederholen. Dafür brauchen wir die Assoziierung. Keine Alternative kann sie ersetzen.
Zum Glück gilt: Die Chancen für eine Assoziierung stehen gut, nur um Beträge und Kompensationen wird noch gestritten. Dass sich Großbritannien und Europa wieder angenähert haben – nicht zuletzt
durch die gemeinsame Solidarität für die Ukraine – hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Assoziierung wieder in Reichweite gerückt ist. Ebenso wichtig war, dass die Forschungscommunity in
ihrem Werben pro Assoziierung bis heute nicht nachgelassen hat – trotz aller Rückschläge, trotz aller Zähigkeit des Prozesses.
Wir sind in einigen Fällen sogar näher gerückt. So ist aus einem regelmäßigen Austausch zwischen der britischen Russell Group und German U15 in den vergangenen Jahren eine enge strategische
Partnerschaft geworden. Auch die Bundesregierung ist engagiert geblieben. Erst Anfang Mai hat der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Jens Brandenburg, den britischen Forschungsminister
George Freeman in London besucht. Aus all dem ist ein kostbares "window of opportunity" entstanden, das jetzt die Chance für Realpolitik im besten Sinne bietet. Eine Assoziierung wäre ein Gewinn
für die Forschung in Großbritannien, Deutschland und Europa, wissenschaftlich genauso wie geopolitisch.
Noch ist nichts verkündet. Aber die Assoziierung scheint endlich greifbar. Hoffen wir, dass wir bald wieder noch enger mit den Forscherinnen und Forschern zusammen arbeiten können, die zu den
besten der Welt gehören und die nur 28 Kilometer Ärmelkanal entfernt sind.
Jan Wöpking ist Geschäftsführer des Universitätsverbunds German U15, Yannick Bauer dort politischer Referent.
Update am 16. Juli:
Das mit Spannung erwartete Treffen der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und des britischen Premierminister, Rishi Sunak, am Rande des NATO-Gipfels in Vilnius hat am
Dienstag noch keinen Durchbruch in den Verhandlungen um die Assoziierung gebracht. Obwohl es im Vorfeld so aussah, als sei eine Einigung zum Greifen nahe, wurde der Entwurf einer Vereinbarung
über den Wiedereintritt des Vereinigten Königreichs in das EU-Forschungsrahmenprogramm von den Staats- und Regierungschefs beider Seiten nicht angenommen. Aus britischen Regierungskreisen
verlautet, dass die Gespräche fortgesetzt werden sollen und die Assoziierung weiter erste Präferenz sei. Noch scheint das Fenster für eine Einigung offen zu sein.
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Ein Forum für die "Next Generation University"
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Müssen wir in einer Welt der Krisen nicht auch die Universitäten neu denken? Und wenn ja, was bedeutet das? Ein Plädoyer für ein "Davos der Wissenschaft" von Manfred Nettekoven.
Manfred Nettekoven ist seit 2006 Kanzler der RWTH Aachen und verantwortet damit alle Bereiche der Verwaltung. Foto:
Peter Winandy/RWTH Aachen.
OB GLOBAL ODER REGIONAL: An Emergency-Einsatzfeldern für eine wirksame Wissenschaft mangelt es nicht. Wir sehen eine historisch einmalige Koinzidenz von weltumspannenden Krisen:
geopolitischer Wandel, Stresstest für Demokratien, Klimawandel und neue Existenzbedingungen wesentlicher westlicher Industrien. Parallel dazu müssen ganz massive regionale Umbrüche wie der
Strukturwandel im Rheinischen Revier oder der Lausitz bewerkstelligt werden.
Wie selbstverständlich geben sich die 422 Hochschulen in Deutschland in dieser Lage als die Problemlöser, und es stimmt ja auch: Akademische Ausbildung, Grundlagenforschung,
Schlüsseltechnologien, Forschungstransfer leisten einen maßgeblichen Beitrag zu Fortschritt und Wohlstand in unserem Land. Nur dürfen die Hochschulen dabei nicht die Frage ausblenden, was die
Verwerfungen der vergangenen 15 Jahre eigentlich mit ihnen selbst machen. Angefangen mit der Lehmann-Krise über Dieselgate und Klimafolgen, die sich nicht mehr leugnen lassen, bis hin zum
Demokratie-Sterben, einer anderen Weltordnung und dem Krieg in der Ukraine: Müssen wir nicht viel intensiver diskutieren, was all das für das Wissenschaftssystem bedeutet? Brauchen wir am Ende
zur Bewältigung all der neuen Probleme nicht auch ein anderes, ein neues System, andere Universitäten, eine "Next Generation"?
Globale Wirtschaftsfragen werden beim Weltwirtschaftsforum in Davos diskutiert, internationale Sicherheitspolitik auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Wo bleibt das Pendant für die
Wissenschaft, der große Diskurs der Universitäten? Die Wissenschaftsszene muss endlich einen Denk- und Experimentierraum bekommen, der ihrer großen Verantwortung für die Gesellschaft gerecht wird
und in dem das Bestmögliche aus den Institutionen zu Tage gefördert werden kann. Es muss selbstverständliche Praxis werden, dass Perspektiven, Lösungsansätze und Best-Practice-Modelle
zusammengeführt werden. Dafür braucht es ein paneuropäisches Forum – ein "Davos der Wissenschaft" – auf dem Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, forschende Industrie,
Politik, NGOs und Young Academics gemeinsam eine "Next Generation University" entwickeln können.
Wer den Entwicklungen hinterherhinkt,
kann sich kaum als Gestalter positionieren
Denn wenn wir uns der Bestandsaufnahme stellen, dann finden wir eine Vielzahl von durch Regeln geprägte Strukturen, die es den Institutionen nahezu unmöglich machen, mit der heutigen
Veränderungsgeschwindigkeit Schritt zu halten. Wer aber den Entwicklungen hinterherhinkt, kann sich kaum als Gestalter positionieren.
Hinzu kommt bisweilen der Eindruck einer viel zu stark ausgeprägten Selbstreferenziertheit. Die rasante Entwicklung eines COVID-19 Impfstoffes hat zwar gezeigt, welches Potenzial im
Wissenschaftssystem schlummert. Aber schon dass wir es so oft als ermutigendes Beispiel anführen, zeigt seine Außergewöhnlichkeit. Braucht es immer erst eine Katastrophe, eine Pandemie, um
den Elfenbeinturm einzureißen und die Potenziale der Orchestrierung voll auszuschöpfen? Und wenn Universitäten sich dann einmal an innovative Strukturen heranwagen, fehlt bisweilen
Ermöglichungsgeld, wie es beispielsweise in den USA mit überzeugter Selbstverständlichkeit alltäglich ist.
Deshalb: Wir brauchen andere Universitäten mit neuen, dynamischeren Rahmenbedingungen! Wir brauchen Institutionen, die strategisch denken und schnell handeln, die selbstkritisch und
veränderungswillig sind, die ein zeitgemäßes Verständnis von ihrer Rolle in der Wissensgesellschaft haben und eng mit den weiteren forschenden Einrichtungen, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft
und der Politik verknüpft sind.
Was könnte ein erster Schritt zum Reset der Universitäten sein? Es braucht jedenfalls eine Initiative, es braucht Gestalterinnen und Gestalter, die das Big Picture formulieren wollen, die die
Chance sehen, Strukturen für die Next Generation University zu definieren. Es braucht eine Lebendigkeit und den Veränderungswillen derer, die die universitäre Landschaft der Zukunft prägen
wollen, die nächste Generation der Innovatoren und derjenigen, die ihnen zu Seite stehen.
Die RWTH möchte wertvoller Innovationstreiber sein und empfindet deshalb die Verantwortung, eine solche "Next Generation University"-Initiative als dreistufigen Prozess zusammen mit all den europäischen
Universitäten zu starten, die sich der Herausforderung stellen möchten.
Wir freuen uns über Mistreiterinnen,
Mitstreiter und kluge Ideen
Ob Studierende, Lehrende, Forschende, Hochschulangehörige oder Externe: Wir freuen uns über Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die in einem Thinktank kluge Ideen entwickeln wollen, wie das
Wissenschaftssystem und insbesondere die Universitäten umgebaut werden könnten. Gestartet haben wir diesen Prozess mit ersten Fragen zu Translation, Sprunginnovationen und dem Zusammenspiel von
Wissenschaft, Politik und Medien.
Die Ergebnisse und Impulse aus dem Thinktank sollen dann auf einem jährlichen "Next Generation University-Summit" – dem oben geforderten "Davos der Wissenschaft" – in die Breite getragen werden.
Zielgruppe: Entscheider und Akteure des europäischen Wissenschaftssystems. Also Menschen, die die Zukunft gestalten wollen.
Die dritte und entscheidende Stufe der Initiative ist erreicht, wenn die guten Ideen nicht nur erdacht und verbreitet werden, sondern zur Methode werden und reale Veränderungen auslösen.
Langfristiges Ziel ist daher das Schaffen von Experimentierräumen an der RWTH und ihren Partner-Universitäten, die die vielversprechendsten Ideen real austesten. Dann wären wir ihr ganz nah, der
Vision der Next Generation University.
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Zeiterfassung: Bundesarbeitsministerium lehnt Sonderregelungen für Schulen und Hochschulen ab
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Müssen Lehrkräfte und Wissenschaftler schon jetzt täglich ihre Arbeitszeit erfassen? Geht es nach dem Ministerium von Hubertus Heil, lautet die Antwort ja – unabhängig davon, wie es mit der feststeckenden Novelle des Arbeitszeitgesetzes weitergeht.
ES WAREN ARBEITSRECHTLICHE PAUKENSCHLÄGE. 2019 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die
gesamte geleistete Arbeitszeit von Arbeitnehmern stets aktuell aufzuzeichnen ist. Im September 2022 konkretisierte das Bundesarbeitsgericht für Deutschland: Das EuGH-Urteil gelte nicht irgendwann in
der Zukunft, sondern bereits heute. Grundlage sei das geltende Arbeitsschutzgesetz: Alle Arbeitgeber seien verpflichtet, umgehend ein entsprechendes System zur Zeiterfassung einzurichten und zu
nutzen.
Seitdem läuft auf der politischen Bühne das Gerangel um mögliche Ausnahmen. Für die Wissenschaft hatte etwa der damalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, schon vor
vier Jahren eine Sonderregelung gefordert, direkt nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils.
Um Rechtssicherheit zu schaffen, arbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) seit Monaten an einer Reform des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Ein Referentenentwurf kursierte
bereits – und verursachte gerade in der Wissenschaft neue Aufregung, weil sie offenbar doch wie andere Branchen auch behandelt werden soll. Die Kultusminister sorgen sich ebenso: Müssen
künftig sogar die Lehrkräfte jede Arbeitsstunde akribisch dokumentieren? Wie soll das überhaupt gehen? Und was würde das für die Attraktivität des Berufs in Zeiten des Pädagogenmangels
bedeuten?
KMK-Präsidentin Günther-Wünsch: Pflicht zur
Zeiterfassung gefährdet Attraktivität des Lehrerberufs
Grund für Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), zurzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), einen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu schreiben,
in dem sie doch noch gesetzliche Sonderregelungen für Lehrkräfte und für die Wissenschaft einfordert. Die Antwort, die sie kürzlich aus Heils Ministerium erhalten hat und die mir ebenfalls
vorliegt, dürfte Günther-Wünsch freilich nicht gefallen. Kurz gefasst lautet sie: Bei der Pflicht zur Zeiterfassung kann es nach Meinung des BMAS keine grundsätzliche Ausnahme geben, weder
für Schulen noch für Hochschulen oder sonstige Wissenschaftseinrichtungen, und auch Beamte fallen unter die Regelung. Folgt man der Logik des Ministeriums, hieße das sogar: Lehrkräfte könnten
theoretisch schon jetzt jederzeit eine Zeiterfassung einklagen.
In ihrem Schreiben vom 11. Juli hatte KMK-Präsidentin Günther-Wünsch kritisiert, der gegenwärtige Referentenentwurf zum Arbeitszeitgesetz trage der "besondere(n) Situation der Lehrkräfte" nicht
Rechnung. Diese bestehe darin, dass die Arbeitszeit von Lehrkräften, ob Beamte oder nicht, nur zu einem Teil messbar sei, und zwar in Form der erteilten Unterrichtsstunden, "während sie im
Übrigen hinsichtlich der zahlreichen außenunterrichtlichen Tätigkeiten (Unterrichtsvorteil- und Nachbereitung, Korrekturen, Eltern- und Schülerbesprechungen, Verwaltungsarbeiten, Vertretungen,
Aufsichten, Konferenzen, Schulausflüge, Klassenfahrten etc.) nicht im Einzelnen im Vorfeld prognostiziert und auch nicht arbeitgeberseitig überprüft werden kann." Es gehöre zum Berufsbild der
Lehrkraft, "dass diese ihre Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig ausübt".
Außerdem, führte Günther-Wünsch aus, drohe eine Ungleichbehandlung, weil die geplante Novelle des Arbeitszeitgesetzes die Erfassungspflicht nur für tarifbeschäftigte Lehrkräfte festlegen
würde. Eine solche Ungleichbehandlung widerspreche aber dem europäischen Arbeitnehmerbegriff. Und die KMK-Präsidentin warnte: Inmitten des Lehrkräftemangels hänge die Attraktivität des
Lehrerberufs "maßgeblich mit der Flexibilität der zeitlichen Arbeitseinteilung zusammen".
Arbeitsministerium: Nachteil einer Aufteilungspflicht
in Schulen und Hochschulen "nicht ersichtlich"
Die Antwort aus dem BMAS wurde von Heils beamteter Staatssekretärin Lilian Tschan verfasst, und sie gibt Günther-Wünsch Recht – aber mit anderen Konsequenzen als von dieser erhofft: "Wie Sie
richtig darstellen", schrieb Tschan Anfang August, schließe der europäische Arbeitnehmerbegriff Beamte ein. Daher müssten auch die für das Beamtenrecht zuständigen Innenministerien des Bundes
under Länder die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung von 2019 prüfen.
Soll heißen: Die von Günther-Wünsch geforderte Gleichbehandlung besteht nach BMAS-Auffassung darin, dass wahrscheinlich auch Beamte ihre Arbeitszeit erfassen müssten, womit es
tatsächlich zwischen angestellten und verbeamteten Lehrern keinen Unterschied mehr gäbe. Tschan macht das mit Verweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2022 nochmal explizit:
"Auch das vom BAG in Bezug genommene Arbeitsschutzgesetz findet auf Beamtinnen und Beamte Anwendung."
Bleibt der Streitpunkt Wissenschaft. Auch hierauf war KMK-Präsidentin Günther-Wünsch in ihrem Brief an Heil eingegangen und hatte gefordert, dass "die Besonderheiten eines Arbeitnehmers im
Bereich der Forschung und Lehre" in der geplanten Novelle Berücksichtigung finden sollten. Andernfalls drohe hier eine weitere Ungleichbehandlung: Zum einen seien da die Professoren, die auch
unabhängig von einer Verbeamtung wegen der Besonderheit und Eigenständigkeit ihrer Tätigkeit nicht unter die Arbeitszeiterfassung fielen, zum anderen gebe es den Akademische Mittelbau, für
den sich "künftig Fragen insbesondere in Bezug auf die einzelnen Personalkategorien" ergeben könnten.
Deshalb bitte sie um Prüfung, ob für die Wissenschaft die Ausnahmevorschrift der Europäische Arbeitszeitrichtlinie angewandt werden könne. Diese nehme Personen von der Zeiterfassung aus, "deren
Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt werden kann, sowie Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis".
Doch auch hier lautet die Antwort auf dem BMAS: Njet. Tschan schrieb: "Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten sind heute schon für Arbeitnehmerinnen
in Schulen und Hochschulen einzuhalten und werden durch die Arbeitszeiterfassung nicht verändert. Daher sind für mich nachteilige Auswirkungen der Aufzeichnungspflicht nicht ersichtlich."
Pocht das Arbeitsministerium so auf der geltenden Rechtslage, weil die Novelle nicht vorankommt?
Außerdem werde die von Günther-Wünsch erwähnte Ausnahmeregelung der EU-Arbeitszeitrichtlinie vom EuGH "eng ausgelegt", ergänzt Tschan. "Die Vorschrift kann daher nur in Bezug auf
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genutzt werden, bei denen die gesamte Arbeitszeit (Dauer und Lage) wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus
festgelegt wird oder von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann." Sie finde hingegen keine Anwendung, wenn die Arbeitszeit nur teilweise nicht gemessen oder nicht
im Voraus festlegt oder nur zum Teil selbst festgelegt werden könne. "Der Umstand, dass der konkrete Umfang der Arbeitszeit nicht in jedem Fall im Voraus feststeht, steht einer nachträglichen
Dokumentation am Ende des Arbeitstages nicht entgegen."
Die Botschaft aus dem BMAS scheint damit klar: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt nach Auffassung des Ministeriums schon heute umfassend für alle Lehrkräfte in den Schulen, die
Kultusministerien müssten sie jetzt umsetzen. Ob Gerichte das genauso sehen, bleibt abzuwarten. Doch erste entsprechende Klagen könnten jederzeit kommen.
In der Wissenschaft ist die Lage ähnlich: Auch für sie lehnt das BMAS eine Bereichsausnahme ab. Wie die Hochschulen und Forschungsorganisationen darauf reagieren, die seit Jahren genau eine solche Regelung fordern, wird
spannend. Zumal die Unsicherheiten an der Stelle bleiben – verweigert das Arbeitsministerium in seiner sonst so klaren Antwort doch eine eindeutige Positionierung, ob zumindest Profs auch
künftig nicht ihre Arbeitszeit erfassen müssen.
Vielleicht pocht man im BMAS ja deshalb so auf die vermeintlich bereits geltende Rechtslage, weil die Gesetzesnovelle festzustecken scheint. Nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs ist nicht
mehr viel passiert, weil die Bundesministerien untereinander im Clinch liegen sollen. Vor allem die FDP stehe auf der Bremse, heißt es in der Ampel-Koalition. Offiziell teilt das
Arbeitsministerium auf Anfrage lediglich mit, dass der Gesetzentwurf sich "derzeit in der regierungsinternen Abstimmung befindet. Alles Weitere bleibt abzuwarten."
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The global E-waste monitor: quantities, flows, and the circular economy potential
Sollte die Ukraine Mitglied der Europäischen Union werden?
Blog: mainEUropa
Sollte die Ukraine Mitglied der Europäischen Union werden? Über diese und weitere Fragen rund um die Erweiterungspolitik der EU sprach Dr. Carolin Rüger vom Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Europaforschung am 18. Mai 2022 mit Philipp Demankowski im Podcast des Europe Direct Dresden. » Podcast anhören (inkl. Links zu Spotify, Apple Podcasts etc.)
Der Beitrag Sollte die Ukraine Mitglied der Europäischen Union werden? erschien zuerst auf mainEUropa.
Die richtigen Zutaten für ein notwendiges Gesetz
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Reallabore haben das Potenzial, den Weg zu marktfähigen Innovationen spürbar zu verkürzen. Dafür braucht es aber eine passende gesetzliche Grundlage. Ein Gastbeitrag von Irene Bertschek.
Ein Beispiel aus dem Reallabor: Der autonome Lieferroboter am EfeuCampus Bruchsal. Foto:
EfeuCampus.
BIS ZUM 29. SEPTEMBER läuft eine Online-Konsultation zum geplanten Reallabore-Gesetz der Bundesregierung. Doch was sind Reallabore überhaupt?
Ein Beispiel: Im Reallabor Lastmilecitylab wurde in der Stadt Bruchsal ein autonom fahrender Lieferroboter getestet. Eigens erteilte Ausnahmegenehmigungen ermöglichten, was im öffentlichen
Verkehr normalerweise nicht möglich ist. Ein weiteres Beispiel ist das Reallabor LANDNETZ, bei dem sechs landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen mit mobilen Campusnetzen ausgestattet wurden, um
eine 5G-Versorgung sicherzustellen. Voraussetzung dafür sind Versuchsfunklizenzen. Über das Netz lassen sich cloudbasierte Anwendungen erproben und verbessern. Die Landwirte können ihre Daten
selbständig und sicher verwalten und untereinander austauschen.
Reallabore ermöglichen also, innovative Lösungen in zeitlich und räumlich begrenztem, aber realem Umfeld zu testen. Insbesondere dann, wenn aktuell gültige Verordnungen und Gesetze den breiten
Einsatz solcher Lösungen noch einschränken. Die getestete Innovation lässt sich auf Basis der Praxiserfahrungen verbessern. Gleichzeitig zeigt sich dabei, wie der regulatorische Rahmen
angepasst werden sollte, damit sich die Innovation breitflächig einsetzen lässt. Damit stellt das Reallabor ein wichtiges innovationspolitisches Instrument dar, mit dem sich Innovationspotenziale
durch rechtliche Flexibilität und regulatives Lernen heben lassen.
Das von der Bundesregierung geplante Reallabore-Gesetz ist der nächste und notwendige Schritt,
um einheitliche Rahmenbedingungen für Reallabore zu schaffen und in Zukunft systematischer zu nutzen. Die Vorarbeiten und die Konzeption des Gesetzes wurden
maßgeblich vom Bundeswirtschaftsministerium vorangetrieben. Zentrales Element des Gesetzes sollen allgemeingültige Standards sein, die die Zulassung, Durchführung und Evaluation von Reallaboren
regeln. Hinzu kommen fachspezifische Experimentierklauseln, um Ausnahmen von fachrechtlichen Vorgaben zu ermöglichen.
Die Bedeutung einer
systematische Evaluation
Wesentlicher Bestandteil von Reallaboren sollte ihre systematische Evaluation sein, also die wissenschaftliche Validierung ihrer jeweiligen Wirkungsweise und der notwendigen regulatorischen
Anpassungen. Da dies methodisch anspruchsvoll ist, sollte die Evaluation bereits beim Aufsetzen des Reallabors konzipiert und die dafür notwendigen Daten sollten von Anfang an erhoben werden –
ein Punkt, auf den auch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in ihrem Jahresgutachten 2023 ausdrücklich hinweist. Um Anreize dafür zu setzen, Reallabore
in Anspruch zu nehmen, sollten die gewerblichen Schutzrechte der Innovatoren gewahrt bleiben, sprich ihr durch das Reallabor gewonnene Innovationswissen sollte nicht ungewollt an Wettbewerber
abfließen.
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Reallaboren als innovationspolitisches Instrument wird sein, dass sie nach erfolgreicher Evaluation den Weg zu marktfähigen Produkten und Diensten
aufzeigen. Was wir sicher nicht brauchen, ist ein Instrument, das zwar eingesetzt wird, über das dann aber kein Transfer in die Anwendung stattfindet.
Damit sind die vier idealtypischen Stufen einer Innovation in einem Reallaborprozess beschrieben: vom Zugang zum Reallabor über die Ausgestaltung der Experimentierklauseln zur Evaluation und
regulativen Reflexion – bis hin zum Markzutritt nach Beendigung des Reallabors.
Quelle: acatech (2023).
Einen Flickenteppich
verhindern
Die Umsetzung des Reallabore-Gesetzes soll laut Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums durch einen "One-Stop-Shop" unterstützt werden, der Innovatoren informiert und bei der Durchführung
begleitet. Das wird nur funktionieren, wenn er auf Bundesebene angesiedelt ist. Denn nur so wird verhindert, dass jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht und ein Flickenteppich an
Genehmigungsverfahren und Gesetzesauslegungen entsteht. Vorgesehen ist laut Konzept, dass der One-Stop-Shop durch einen Projektträger oder die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) übernommen
wird.
Eine weitere begleitende Maßnahme ist ein Experimentierklausel-Check, der zukünftig bei jeder Gesetzgebung verbindlich durchgeführt werden soll. Das würde die Durchführung von Reallaboren
erleichtern – doch muss bei der Umsetzung darauf geachtet werden, dass die Verabschiedung von Gesetzen nicht unnötig hinausgezögert wird.
Reallabore können von Unternehmen, Forschungsinstitutionen und Kommunen durchgeführt werden. Eine gezielte Informationskampagne sollte insbesondere KMU und Start-ups ansprechen, die sich oftmals
schwerer damit tun, den Überblick über mögliche Fördermaßnahmen zu behalten. Für Start-ups, die innovative Lösungen entwickeln und ausprobieren möchten, ist ein entsprechendes Handlungsfeld in
der Start-up-Strategie der Bundesregierung angelegt.
Reallabore sind bislang auf digitale Innovationen fokussiert, insbesondere, weil sich die Regulatorik in diesem Bereich noch im Entwicklungs- oder Anpassungsprozess befindet. Grundsätzlich sollte
der Zugang zu Reallaboren aber themenoffen sein.
Mit der Verabschiedung des Reallabore-Gesetzes wäre Deutschland anschlussfähig an die europäische Regulatorik. So ist beispielsweise geplant, den Einsatz von Reallaboren im kommenden AI Act zu
verankern, um KI-basierte Innovationen zu erproben, bevor sie in die breite Anwendung kommen. Wenn Deutschland also auf dem wichtigen Gebiet der Künstlichen Intelligenz mithalten will, ist auch
hierfür die zügige Verabschiedung und Umsetzung des Reallabore-Gesetzes ratsam.
Bis zum 29. September besteht noch die Möglichkeit, sich dabei konstruktiv über die Online-Konsultation einzubringen.
Irene Bertschek ist Professorin für Ökonomie der Digitalisierung an der Universität Gießen und leitet den Forschungsbereich "Digitale Ökonomie" am ZEW – Leibniz-Zentrum
für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Sie ist Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und des Zukunftsrat der Bundeskanzlers.
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An ihren Taten sollt ihr sie erkennen
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Haltung und Handeln: Wie sich die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften konkret für die Beförderung und Befestigung einer offenen, demokratischen Gesellschaft einsetzt. Eine Replik von Christoph Markschies.
Christoph Markschies ist Professor für Antikes Christentum an der Humboldt-Universität zu Berlin und Präsident der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften. Foto: BBAW, Pablo Castagnola.
UNTER DER ÜBERSCHRIFT "Bekenntnisse sind gut, Taten sind besser", hat Kristin Eichhorn, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Stuttgart und eine der Initiatorinnen von "#IchbinHanna", am
vergangenen Donnerstag in diesem Blog die Wissenschaft dazu aufgefordert, sich für die Demokratie und
die offene Gesellschaft nicht nur mit Erklärungen einzusetzen, sondern sich ihrer Gefährdung und Aushöhlung auch aktiv entgegenzustellen. Sie schreibt: "Um effektiv für den Erhalt unserer
Demokratie einzustehen, muss man sich der schleichenden Normalisierung von sie unterwandernden Tendenzen im Alltagshandeln aktiv und ständig entgegenstellen. Das ist unbequem und etwas völlig
anderes als der übliche wissenschaftliche Diskurs. Es braucht also ein verändertes Auftreten, um nicht von den Ereignissen überrannt zu werden."
Wer wollte da widersprechen? Längst wird nicht mehr nur gegen eine offene Gesellschaft gehetzt, vielmehr werden konkrete Schritte gegen sie vorbereitet, und man muss befürchten, dass solche
Positionen in unserem Land parlamentarische Mehrheiten gewinnen können. Es braucht also ohne Zweifel ein verändertes Auftreten. So wichtig die verschiedenen Erklärungen der
Wissenschaftsorganisationen sind (unter dem Hashtag "#LauteWissenschaft" gesammelt), um sich immer wieder der eigenen Haltung zu versichern und sie öffentlich zu machen – auf die Taten kommt es
in der gegenwärtigen Situation an, und an ihren Taten kann man die Haltung von Institutionen am besten erkennen.
Genau in diesem Sinne versucht die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften zu handeln: Gerade hat sie gemeinsam mit zahlreichen Menschen aus Politik und Wissenschaft, die zudem aus
vielen europäischen Ländern stammen, ein Manifest "Reclaiming Europe" veröffentlicht, in dem nicht nur dazu aufgerufen wird, gemeinsam Europa aus den Händen derer zurückzuholen, die es in eine lose
Gemeinschaft antiliberaler oder gar autoritärer Nationalstaaten verwandeln wollen. Vielmehr wird die Gründung eines transnationalen Netzwerks jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
bekannt gemacht, in dem gemeinsam agiert und ein verbreiteter Westzentrismus der Wissenschaft überwunden werden soll. Außerdem werden gemeinsame Forschungsprojekte angestoßen und finanziert. So
sollen die demokratischen Kräfte durch konkrete wissenschaftliche Arbeit gestärkt werden.
Die Idee des Netzwerks entstand, weil die Trägerinstitutionen deutliche Konsequenzen aus ihrem Erschrecken über den Angriff Russlands auf die Ukraine, dem allgemeinen Entsetzen über autoritäre
Tendenzen in Europa und dem oftmals mangelnden Wissen über unsere Nachbarn ziehen wollten. Das Netzwerk wird "Junges Netzwerk TransEuropa" heißen, weil es bei der Ukraine, den baltischen Staaten,
Polen oder Ungarn nicht um "den Osten" geht. Diese Länder liegen, wie es im Manifest heißt, "im Norden, Süden und in der Mitte Europas und gehören allesamt zum Kern der europäischen Landschaft.
Ihre komplexe Geschichte ist voller Verflechtungen".
Wissenschaft auf die Marktplätze
und in die Fußgängerzonen
Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften wirbt aber mit ihren Partnern nicht nur für den weiteren Aufbau des Jungen Netzwerks TransEuropa um möglichst viel Unterstützung, sondern
organisiert gemeinsam mit anderen Wissenschaftsorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hochschulrektorenkonferenz ein Programm, Wissenschaft auf die Marktplätze und in die
Fußgängerzonen zu bringen, zunächst in den drei Bundesländern, in denen im Spätsommer Landtagswahlen anstehen. Mit dem "Salon Sophie Charlotte", einer jährlichen Großveranstaltung im
Akademiegebäude, die mit ihren vielfältigen Formaten in diesem Januar erneut viele hundert Gäste angezogen hat, wurden wieder zentrale Fragen aufgegriffen, die nicht zuletzt auch Menschen bewegen, die dem gegenwärtigen demokratischen System bzw. der
Wissenschaft skeptisch gegenüber stehen: der Klimawandel, die Transformationen der Gesellschaft, das Schicksal der Arbeitsgesellschaft. Ich halte das alles für konkrete Taten zur Beförderung und
Befestigung einer offenen, demokratischen Gesellschaft.
Zu den genannten Aktivitäten gehört auch das Nachdenken über unterschiedliche Versuche der Diskurskontrolle im deutschen Wissenschaftssystem, über das an der Akademie geforscht wird. Solche
Forschung ist sicher kein Teil der "Diskurse der Undemokraten", die das Narrativ einer Cancel Culture nutzen, um den Raum des Sagbaren gegen die offene Gesellschaft schleichend oder offen zu
erweitern. Es ist allerdings auch kein vorauseilender Gehorsam gegenüber problematischen Argumenten oder Strategien, wenn man den Debattenraum auch für Positionen innerhalb des demokratischen
Spektrums offenhält, die man selbst so nicht oder nur partiell teilt, die aber diskutiert werden müssen. Und es ist schließlich auch kein kommunikativer Missgriff ins falsche Register, wenn man
Menschen, die man als Teil der Wissenschafts-Community prinzipiell für diskussionsfähig hält, auf wissenschaftliche Publikationen hinweist. Es geht im Blick auf die Diskussion um die sogenannte
Cancel Culture weniger um bekenntnishafte Abgrenzungen, als um wissenschaftliche Argumentation. Dazu hat eine Arbeitsgruppe der Akademie publiziert, und es wäre eher verwunderlich, wenn die
Akademie nicht auf diesen eigenen Beitrag zur Debatte verweist, und dies in vorlaufender Sorge, dass ihre Kommunikation möglicherweise nicht jeden und jede erreicht.
Mir widerstrebt, diese Aufzählung von Aktivitäten unserer Akademie fortzusetzen, weil man sich für die Verteidigung der Demokratie natürlich nie genug einsetzen kann und trotz aller sorgfältigen
Vorbereitung eigenen Handelns nicht ausgeschlossen ist, dass man die falsche Strategie gewählt hat und das, was man will, nicht richtig kommuniziert. Ich habe beispielsweise sehr viel für die
Vorbereitung der Einsätze auf den Marktplätzen und in den Fußgängerzonen von Menschen gelernt, die ähnliche Initiativen teilweise seit Jahren unternehmen. Sie bewahren einen vor der Vorstellung,
dass es allein mit dem Aussprechen einer wissenschaftlichen Wahrheit oder dem Bekenntnis zu bestimmten Grundprinzipien getan ist. Kommunikation ist der Ernstfall. Und diese Kommunikation sollte
man nicht zu früh abbrechen, solange – wie die Fachleute sagen – noch über zwanzig Prozent unentschlossen sind, ob sie antidemokratisch wählen sollen oder nicht.
Am Ende liegt mir noch einmal daran, eine zentrale Übereinstimmung mit Kristin Eichhorn festzuhalten: Gerade, weil wir nicht vorsorglich in Deckung gehen wollen, ist es notwendig,
sicherzustellen, dass die eigenen Taten von größtmöglicher Effektivität im Blick auf Strategie und Kommunikation geprägt sind, und nicht nur von Haltung und Bekenntnis. Letzteres sollte
selbstverständlich sein, an erstem müssen wir alle noch arbeiten. Möglichst gemeinsam.
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Zinsen für Studienkredite steigen weiter, und der Bund schaut zu
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Ab Oktober ändert die KfW wieder die Konditionen zu ihrem Studienkredit. Er steigt auf 8,34 bis 9,18 Prozent. Die Ampel muss jetzt eingreifen.
Bild: Screenshot der KfW-Website.
ES IST EIN unwiderstehliches Angebot. Familien können von Oktober an bei der KfW-Bankengruppe mindestens 170.000 Euro beantragen, wenn sie klimafreundlich bauen oder kaufen wollen, 30.000 Euro
mehr als bislang, Zinssatz weiter ab 0,01 Prozent. Der Staat kann das mit der sozial verträglichen Zinssubvention also, wenn er will.
Ebenfalls ab Oktober ändert die KfW die Konditionen zu
ihrem Studienkredit. Er steigt auf 8,34 bis 9,18 Prozent. Grund sei, wie die staatliche Bank mitteilt, dass der europäische Referenzzinsatz Euribor gestiegen sei. Der eigentliche Grund aber
ist, dass die Bundesregierung nicht gegensteuert.
Das hat Folgen, wie das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) schon im Juni warnte. "Der Markt für Studienkredite in Deutschland
kollabiert in Zeitlupe", sagte CHE-Finanzexperte Ulrich Müller. 35 Prozent weniger Vertragsabschlüsse als im gleichen Vorjahreszeitraum, über 50 Prozent weniger als
2021.
Schon vor der neuen Erhöhung hatte ausgerechnet die KfW den höchsten Zinssatz aller Studienkredit-Anbieter. Ihr Argument: Dafür nehmen wir ja auch die, die anderswo kein Geld bekommen. Also
die Ärmsten. Die dann auch noch am meisten Zinsen zahlen – bei den geltenden Konditionen am Ende oft mehr, als sie überhaupt an Kredit erhalten haben.
Die Ampel rühmt sich gerade – zu Recht – dafür, dass mit dem Beschluss der Kindergrundsicherung jetzt auch die Studien- und Ausbildungsfinanzierung unabhängiger werde, weil der sogenannte
Garantiebetrag künftig direkt auf das Konto der anspruchsberechtigten Studierenden und Auszubildenden fließe. Doch gleichzeitig ist das BAföG derart heruntergewirtschaftet, dass weniger als ein
Achtel der Studierenden es erhält, und von dem zusätzlichen Geld für die im Koalitionsvertrag versprochene weitere Strukturreform ist zumindest im Haushaltsentwurf für 2024 keine Spur.
So wird auch der KfW-Zinssatz für Studierende immer mehr zu einem Gradmesser für die Bedeutung, welche die Politik gleichen Bildungschancen für alle zugesteht. Die Bundesregierung sollte ihn
schleunigst drücken.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im
Tagesspiegel.
Die 100 wichtigsten Köpfe der
Berliner Wissenschaft 2023
Das Redaktionsteam der Berliner Wissenschaft des Tagesspiegels hat 100 Persönlichkeiten identifiziert, die die Forschungsregion Berlin in diesem Jahr zum Leuchten gebracht haben: Die
einen bereichern ihr Fach mit Studien und neuen Methoden, werben Millionenförderungen ein oder machen exzellente Lehre. Die anderen wirken in öffentliche Debatten und die Stadtgesellschaft hinein
oder vernetzen die Einrichtungen der Region mit dem Ausland. Sie alle geben der Szene ihr Profil und bereiten die Grundlagen für Erkenntnisse und Innovationen von morgen.
Ab dem 9. Oktober hier >>>
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