HOUSE OF CARDS, BORGEN und Co. - seit einiger Zeit boomen Fernsehserien, die explizit den politischen Betrieb fokussieren. Diese erreichen nicht nur ein akademisches Nischenpublikum, sondern erzielen insgesamt hohe Zuschauerquoten. Die Beiträge des Bandes analysieren, wie der Gegenstand Politik in den Serien aufgegriffen und als Material für ihre auf Unterhaltung ausgerichteten Erzählungen aufgearbeitet wird. Über die Auseinandersetzung mit popkulturellen Produkten zeigen sie, wie politische Bilder in populären Filmen und Serien konstruiert und reproduziert werden und wie diese sich auf Wahrnehmungen und Vorstellungen von Politik auswirken. Das Interesse gilt dabei den konstruierten Bildern von Politik im Allgemeinen, aber auch den sich darin äußernden nationalen Besonderheiten. ; Theoretische Ansätze & analytische Zugänge Niko Switek: Spiegel, Daten, Narrative: Politikwissenschaftliche Zugänge zu politischen Fernsehserien Andreas Dörner, Stefan Heinrich Simond: Polit-Serien im Fernsehen: Gegenstandsbestimmung, Stand der Forschung und neue Perspektiven Henrik Schillinger: Politik in Serie(n): Die Politik, das Politische und die Tragödie Manfred Mai: Filme zwischen künstlerischer Freiheit und politischer Erkenntnis: Zum Realitätsgehalt fiktionaler Medien Fallstudien politischer Fernsehserien Florian Gilberg et al.: EICHWALD, MDB: Überleben im Haifischbecken Berlin-Mitte Ann-Kathrin Binot et al.: Eurokrise, Sex und Klimawandel: Krisenmanagement in der britischen Sitcom YES, PRIME MINISTER Lisa Brose et al.: THE THICK OF IT: Macht, Medien und Marionetten Johannes Bongardt et al.: Spiel der Kräfte: Politik, Medien und Familie in BORGEN Jonathan Beierl et al.: Sex, Drugs and Politics: Die Polit-Serie MARSEILLE Taylan Yildiz: GOMORRHA: Mafia und Staat im Verhältnis Florian Breitweg et al.: HOUSE OF CARDS: The American Machiavelli Zaira Batroff et al.: Fernsehserien und die Wahrnehmung der US-Präsidentschaft: Einstellungen, politischer Zynismus und HOUSE OF CARDS Alexander Stock: VEEP: Das Amt des Vizepräsidenten der USA als institutionalisierte Bedeutungslosigkeit? Frank Gadinger : "Whatever it takes": 24 und die Normalisierung des Ausnahmezustandes Ulrike Gansen et al.: 人民的名义 (IM NAMEN DES VOLKES) versus HOUSE OF CARDS: Polit-Serien als Legitimierungsinstrument aktueller chinesischer Reformpolitik Arne Sönnichsen: Sind Drachen, Zombies und Aliens politisch?! Das Politische in der Phantastik am Beispiel der SF-Serie THE EXPANSE Reflektion & didaktischer Einsatz Karl-Rudolf Korte: Warum eigentlich nicht? Über die Unmöglichkeit, deutsches Politikmanagement im Fernsehen abzubilden Sabine Manzel: Polit-Serien im Fachunterricht: Empirische Befunde zum Medieneinsatz aus Schüler- und Lehrerperspektive
Der Beitrag macht aus einer stärker medienwissenschaftlich orientierten Perspektive heraus am Beispiel der Serie Banshee die inszenierten Begrifflichkeiten von Erfahrung und von Gerechtigkeit anhand von analytischen Zuspitzungen anschaulich. Der Begriff der Gerechtigkeit ist schon allein in der politischen Theorie mannigfaltig besetzt, der Begriff der Erfahrung setzt stärker auf wahrnehmungspsychologische und philosophische Rahmungen sowie deren filmische Umsetzung. Gleichwohl ergeben sich aus beiden Begriffen handlungsspezifische Überschneidungen, die sich an der Metapher der Grenze und der Grenzüberschreitung orientieren.
House of Cards, Borgen und Co. – seit einiger Zeit boomen Fernsehserien, die explizit den politischen Betrieb fokussieren. Diese erreichen nicht nur ein akademisches Nischenpublikum, sondern erzielen insgesamt hohe Zuschauerquoten. Die Beiträge des Bandes analysieren, wie der Gegenstand Politik in den Serien aufgegriffen und als Material für ihre auf Unterhaltung ausgerichteten Erzählungen aufgearbeitet wird. Über die Auseinandersetzung mit popkulturellen Produkten zeigen sie, wie politische Bilder in populären Filmen und Serien konstruiert und reproduziert werden und wie diese sich auf Wahrnehmungen und Vorstellungen von Politik auswirken. Das Interesse gilt dabei den konstruierten Bildern von Politik im Allgemeinen, aber auch den sich darin äußernden nationalen Besonderheiten.
House of Cards, Borgen und Co. – seit einiger Zeit boomen Fernsehserien, die explizit den politischen Betrieb fokussieren. Diese erreichen nicht nur ein akademisches Nischenpublikum, sondern erzielen insgesamt hohe Zuschauerquoten. Die Beiträge des Bandes analysieren, wie der Gegenstand Politik in den Serien aufgegriffen und als Material für ihre auf Unterhaltung ausgerichteten Erzählungen aufgearbeitet wird. Über die Auseinandersetzung mit popkulturellen Produkten zeigen sie, wie politische Bilder in populären Filmen und Serien konstruiert und reproduziert werden und wie diese sich auf Wahrnehmungen und Vorstellungen von Politik auswirken. Das Interesse gilt dabei den konstruierten Bildern von Politik im Allgemeinen, aber auch den sich darin äußernden nationalen Besonderheiten.
'Gibt es also ein anderes Recht?' – so bezieht sich Gaius Iulius Caesar (gespielt von Ciaran Hinds) in einer Fernsehserie 'Rom' auf das römische Recht. 'Rom' (2005–2007) ist ein Kostümfilm, der in der Zeit vom Untergang der Römischen Republik spielt. Das ist eine der interessantesten Serien über das antike Rom und das römische Recht zugleich. In einer Folge wird zwar ein Strafprozess dargestellt, aber der Zuschauer wird selten direkt über das Recht informiert, überwiegend wird das Recht durch das Verhalten der Helden dargestellt. In der Serie kann man viele rechtliche Elemente finden, z.B.: Strafprozess, Strafvollstreckung (damnatio ad gladium ludi), die Befreiung eines Sklaven (manumissio), Gestaltung der Trauerfeier, körperliche Züchtigung für die Soldaten (castigatio). Manche rechtliche Aspekte wurden korrekt gezeigt, andere beinhalten viele Ungenauigkeiten, trotzdem ist diese Serie eine sehr interessante Visualisierung des Staates und des römischen Rechts. 'Rom' kann auch einen pädagogischen Wert haben. Zurzeit suchen die Lehrer nach immer attraktivsten Formen des Unterrichts. Diese Fernsehserie kann dazu ein interessantes Mittel sein. ; 'Is there some other form of law?' – that is how Gaius Iulius Caesar (played by Ciaran Hinds) in the TV series 'Rome' comments on Roman Law. 'Rome' (2005–2007) is a historical drama set in the last days of the Roman Republic. It is one of the most interesting shows helping to visualize Rome. One of the elements portrayed in the series is Roman Law. Although there is a criminal trial presented in one of the episodes the audience is rarely acquainted with law and its rules directly, Roman legal system can be discovered mostly through characters' actions. There are many legal elements e.g.: penal trial, executing penalty (damnatio ad gladium ludi), manumission (manumissio), funeral arrangements, or corporal punishment of the soldiers (castigatio). Some of the legal aspects are presented correctly others contain some discrepancies; nevertheless there is a quite interesting portrayal of Roman Law in the series. The aim of the article is to find and describe some legal issues presented in 'Rome'. It can be both scientific and educational. Nowadays the lecturers search for innovative or more engaging ways to teach, I believe the series could be a useful tool for students of law.
In einem engen, stickigen Kellerraum irgendwo in Rochester, New York, klingeln die Telefone, es ist viel zu tun. Von überallher laufen Aufträge ein, denn die Firma P.H. Brennan Hand Delivery, die hier ihren Sitz hat, prosperiert. Pat Brennan, eine kleine, schmächtige Frau, die entschlossen in die Kamera blickt, ist die Gründerin der kleinen Firma. Die Kamera zeigt, wie sie als Zustellerin, mit Briefen beladen, zu Fuß durch Rochester läuft. Hinter ihr droht das große, einschüchternde Gebäude des United States Post Office. Ganz ähnliche Hochhäuser waren in dieser Serie schon früher zu sehen: In ihrer schieren Massivität visualisieren sie sehr genau das, was Milton Friedman, der die Geschichte aus dem Off kommentiert, big government nennt. Big government nämlich zerstört wenig später Pat Brennans prosperierendes Kleinunternehmen. In den USA des Jahres 1978 ist die Post ein gesetzlich gesichertes Staatsmonopol. Brennan Hand Delivery muss deshalb schließen, nach einem auch gerichtlich ausgetragenen Kampf gegen die Regierung. Die letzte Kameraeinstellung zeigt den Kellerraum, der die Firma beherbergte, still, leer und verlassen. Diesen Kampf gegen Goliath hat David verloren.
Kulturelle Produkte, wie z.B. Fernsehserien, lassen sich als Artikulationsformen gesellschaftspolitischer Phantasien verstehen, die bewusste und unbewusste Elemente in sich bergen. Game of Thrones, ein furioses Fantasy-Mittelalterspektakel, aufgeladen mit Gewalt und Sex, scheint auf den ersten Blick nur wenig tagesaktuelle Bezüge aufzuweisen. Eine psychoanalytische Untersuchung, die die Serie ihres manifesten Gewands entkleidet, legt wesentliche Elemente und ihre Relationen frei, die frappante Parallelen zu rezenten gesellschaftspolitischen Phantasien offenlegen. Die Verhältnisse am fiktiven Kontinent Westeros bieten sich als Zeitdiagnose einer niedergehenden Kultur an, deren Potentaten völlig von einem Ränkespiel um Macht und Einfluss absorbiert sind und ihre Wahrnehmung all dem verweigern, was nicht ihrem eigenen Machterhalt dient. Der durch eine Mauer abgeschottete Norden des Landes kann als Deponie für die verdrängten Nebenwirkungen des eigenen Treibens, wie z.B. Umweltzerstörung und menschliches Elend, verstanden werden, deren deletäre Wirkung letztlich die eigene Existenz bedroht. Der ferne Kontinent Essos repräsentiert die Hoffnung, es könnte noch eine Wende oder Alternative entstehen. Die Medienpädagogik kann einen bildungstheoretischen Beitrag zum Verständnis moderner Fernsehserien leisten, benötigt dazu aber auch den interdisziplinären Austausch. ; Cultural products such as films or tv-series can be understood as articulations of sociopolitical fantasies that contain conscious and unconscious elements. Game of Thrones, a furious medieval spectacle, full of violence and sex, prima facie seems to offer hardly any current references. A psychoanalytic examination, which disrobes the series from its manifest vesture, reveals essential elements and their relations that bear remarkable analogies to prevailing sociopolitical fantasies. The circumstances on the fictitious continent Westeros provide a diagnosis of a descending culture whose potentates are completely absorbed by intrigues for power and influence. They refuse to notice anything that does not serve to retain their power. The North, cut off from Westeros by a tremendous wall, can be understood as a repository for the suppressed side effects of the own ado, such as ecological devastation or human hardship. Their effects threaten our own existence in the long run. The distant continent Essos stands for the hope for a turn toward an alternative world. Media pedagogy can contribute educational theories to the understanding of modern TV series, but needs an interdisciplinary dialogue for this purpose.
Der Verfasser zeichnet die Debatte um die amerikanische Fernsehserie 'Holocaust' anhand der Berichterstattung in der deutschen Tages- und Wochenpresse nach (Welt, FAZ, Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Neues Deutschland, Spiegel, Stern, Zeit). Es wird gezeigt, dass die ausgewählten Zeitungen die Serie als politisches Medienereignis thematisieren und die Berichterstattung umfangreich und vielschichtig ist. Dabei kommt es im Verlauf der Sendewoche und parallel zur positiven Zuschauerreaktion zu einem Wandel des publizistischen Urteils zum Positiven. In der DDR wurde die Serie nur in Nischenpublikationen zur Kenntnis genommen. Der Beitrag schließt mit einem ausgewählten Pressespiegel. (ICE2)
Ästhetik und Narration neuerer Fernsehserien sowie ihrer Rezeption widmen sich die insgesamt 22 Beiträge des in der Schriftenreihe "Film, Fernsehen, Medienkultur" erschienenen Sammelbandes. Der im Titel Transnationale Serienkultur. Theorie, Ästhetik, Narration und Rezeption neuer Fernsehserien suggerierten Fragestellung wird der Sammelband aber eigentlich nur in seinem Kernkapitel gerecht, in dem es um die kolumbianische Telenovela Yo soy Betty, la fea geht. Untersucht werden Differenzen und Gemeinsamkeiten der unzähligen Adaptionen zwischen preußischem Ernst (Verliebt in Berlin) und US-amerikanischer Comedy (Ugly Betty). "Während die spanische Adaption stärker den Telenovela-Aspekt betont, die deutsche Adaption sehr nah an der Mischung des kolumbianischen Originals bleibt, geben die amerikanische und die russische Adaption den komödiantischen Elementen mehr Gewicht" (S. 264), schreiben Lothar Mikos und Marta Perrotta. Tanja Weber steuert – ausgehend von Yo soy Betty, la fea – einen sehr lesenswerten Beitrag zu Ausformung und historischer Transformation des internationalen Handels mit TV Formaten bei. Anhand der "Forsthaus Falkenau-Entscheidung" (https://www.jurion.de/Urteile/OLG-Muenchen/1990-03-15/29-U-4346_89) des OLG München und dem rechtlichen Disput um die allzu sehr an die britische Sitcom The Office erinnernde deutsche Serie Stromberg lotet Weber die Ambivalenzen umstrittenen geistigen Eigentums aus und versucht geeignete Begrifflichkeiten zur Auseinandersetzung mit der Thematik zu entwickeln. Der tschechischen Adaption von Yo soy Betty, la fea widmet sich der Beitrag von Irena Carpentier-Reifová. Interessant ist die Adaption aufgrund der gleichzeitigen An- und Abwesenheit der realsozialistischen Vergangenheit. Während die Armut der weiblichen Hauptfigur wiederholt mit der sozialistischen Vergangenheit in Beziehung gesetzt wird, bleibt der Ursprung des familiären Reichtums hinter dem Modeimperium und wie dieser sich in wenigen Jahren derart anhäufen konnte, weitgehend im Dunklen. Die "privilegierte Welt [ist] nicht nur reich, sondern außerdem vollkommen in die neue Zeit des Kapitalismus eingetaucht und von der Vergangenheit strikt getrennt" (S. 313), so Carpentier-Reifová, aus deren Sicht Hauptfigur Katrin in der Serie zur "Heldin eines utopischen Kapitalismus" (S. 324) wird. Die Beiträge abseits des Kernkapitels sind von unterschiedlicher Qualität und Relevanz – zwischen medienwissenschaftlicher Pflichtübung und tatsächlich Erkenntnisreichem. Sehr positiv hervorzuheben ist der Text von Herbert Schwaab, der sich ausgehend von Debatten über vermeintliches Quality-TV mit der vergleichsweise glanzlosen Qualität britischer Comedy-Formate beschäftigt. Schwaab entlarvt den Begriff "Quality TV" gekonnt und bezeichnet das, was darunter verstanden wird, in Anlehnung an Debatten aus der soziologischen Stadtforschung treffend als "das gentrifizierte Fernsehen" (S. 208), welches einem tendenziell bildungsbürgerlichen Publikum zur kulturellen Selbstversicherung dient. Auch ironische Formate wie Scrubs, Sex and the City oder How I Met Your Mother böten diesem Publikum "zu sehr die Möglichkeit einer Distanz, die […] das Gefühl gibt, gefordert zu werden", letztlich aber wiederum nur "eine sichere Position als Betrachter vermittelt" (S. 208). Den Begriff der Qualität wirft Schwaab dabei keineswegs über Bord, sondern versucht ihn neu zu füllen. Qualität sollte sich, so Schwaab, "auf Sendungen beziehen, die stärker im Fernsehen selbst verankert sind, statt auf Sendungen, die dazu neigen, Fernsehen zu ignorieren oder gar zu verleugnen und sich damit vom Publikum des Fernsehens dissoziieren" (S. 211). Qualitätsfernsehen sei demnach nicht jenes, das versuchst, möglichst wenig an Fernsehen zu erinnern, sondern eines, das zu einem besseren Verständnis des Fernsehens beiträgt. Als Anschauungsbeispiele dienen ihm The Office und Spaced. Wie bei vielen anderen britischen Sitcoms stehen bei The Office die Schmerzhaftigkeit und die Scham, die durch das Nicht-Funktionieren sozialer Interaktion ausgelöst werden, im Vordergrund. Das Rezeptionserlebnis ähnelt (Stichwort: Fremdschämen) dem von Reality-TV. Letzteres bildet für The Office – einer Mockumentary über den Büroalltag – die direkte formale Vorlage. Die Figuren werden in The Office, wie in vielen anderen im starken öffentlich-rechtlichen Sektor des Vereinigten Königreichs produzierten Sitcoms, "als widersprüchliche Produkte ihres sozialen Umfelds" begriffen "und nicht als Produkte psychischer Dispositionen, die in so vielen amerikanischen Formaten in einer Flashbackstruktur erforscht werden und vorgeben, das Geheimnis einer Figur zu ergründen" (S. 217). Schwaab spricht treffend von der Glanzlosigkeit britischer Fernsehserien, denen es aber gerade dadurch gelingt "sich auf beides zu beziehen, auf die 'wirkliche' Welt und auf die Wirklichkeit (und Geschichte) des Fernsehens – als ein Medium, das unser Leben überwacht (wie in The Office) und als ein Medium, das versucht über den Platz des Mediums in der Alltagskultur nachzudenken (wie in Spaced)" (S. 221). Auch die im Buch veröffentlichte empirische Studie von Sarah Kumpf, die sich mit Distinktion durch Serienaneignung bei AkademikerInnen beschäftigt, ist lesenswert. In Anlehnung an Pierre Bourdieu beschreibt sie, wie bourgeoise Ästhetik von Distanzierung und populäre Ästhetik von Beteiligung geprägt ist. Die Vermarktung von Fernsehen als Quality TV macht dem bürgerlichen Publikum ein neues Angebot: "Auch als Akademikerin oder Akademiker muss man sich nun nicht mehr schamvoll als Serienrezipient outen, sondern kann intellektuell von der hohen Qualität des Quality TV schwärmen" (S. 351). Die Verschiebungen in Bezug darauf, wie RezipientInnen populärkulturelle Produkte deuten und deren Konsum legitimieren, sind dabei zweifellos aufschlussreich. AkademikerInnen tendieren demnach dazu, von ihnen konsumierte TV-Serien in den Bereich vermeintlicher Hochkultur zu rücken; sie grenzen sich "von denjenigen Rezipierenden ab, die das gewöhnliche Fernsehprogramm rezipieren" (S. 363f.). Das Selbstbild der AkademikerInnen ist davon geprägt, zugleich die eigene Rezeption als höherstehend zu legitimieren und sich "von anderen abzugrenzen, die in ihren Augen zu intensiv Fernsehtexte rezipieren und [sich] aneignen" (S. 364). Was Identifikationsstrukturen betrifft, unterscheiden sich jene mit Immatrikulationshintergrund recht wenig von jenen ohne. Auch die "Intellies", wie Kumpf akademisch gebildete SerienrezipientInnen mehr oder weniger liebevoll nennt, neigen dazu, Themen und Probleme ihres Lebens mithilfe der Serienwelt zu verhandeln und legitimieren damit wiederum ihren Serienkonsum. Insgesamt versammelt Transnationale Serienkultur. Theorie, Ästhetik, Narration und Rezeption neuer Fernsehserien trotz des weitgehenden Fehlens einer eindeutigen und stringent verfolgten Fragestellung mehrere interessante und lesenswerte Beiträge, die sowohl für SerienrezipientInnen als auch für FernsehwissenschaftlerInnen Erkenntnisgewinn versprechen. Gegliedert in die Bereiche "Theoretische Aspekte der Serienkultur", "Ästhetik und Narration" sowie "Rezeption" bietet der Sammelband neben dem Kernkapitel zu Yo soy Betty, la fea auch eine allgemein brauchbare, wenn auch nur begrenzt transnationale Einführung in eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit TV-Serien. Soviel zum Inhalt, abschließend zur Preispolitik: Es gibt Bücher, die den Eindruck erwecken, ihre HerausgeberInnen würden wirklich alles dafür tun, damit sie von möglichst niemandem gelesen werden. Transnationale Serienkultur. Theorie, Ästhetik, Narration und Rezeption neuer Fernsehserien kostet fast 50 Euro, weshalb auch ich es nicht gekauft, sondern ein Rezensionsexemplar bestellt habe. Hintergrund derart absurder Preispolitiken ist folgender trauriger Umstand: Verlage und HerausgeberInnen wissenschaftlicher Bücher verfolgen heutzutage nicht primär das Ziel, dass ihre Bücher von möglichst vielen Menschen gekauft und gelesen werden. Stattdessen wird darauf gesetzt, diese Bücher primär an mit Steuergeldern finanzierte öffentliche Bibliotheken zu verkaufen, um damit die Kosten des Verlages zu decken. Im konkreten Fall werden so öffentliche Gelder an einen privaten Medienkonzern umverteilt und – so sie sich von ihrem Verlag nicht gänzlich über den Tisch haben ziehen lassen – zumindest zu einem geringen Teil an HerausgeberInnen und AutorInnen. Menschen, die nicht in der Nähe einer wissenschaftlichen Bibliothek wohnen und bereit sind, 50 Euro für ein Buch auszugeben, welches fairerweise für maximal 20 Euro im Handel erhältlich sein sollte, haben dann eben Pech gehabt. Das ist schade, trägt es doch letztlich zur Selbstmarginalisiserung kritischer Kulturwissenschaft bei.
Der Begriff der Erinnerungskultur bezeichnet einen Prozess der bewussten Vergegenwärtigung der Vergangenheit, in dem historische Ereignisse gemäß zeitspezifischer Bedürfnisse und Bedeutungsrahmen der jeweiligen Gegenwart (re-)konstruiert werden. In dieser Fallstudie zur bundesdeutschen Erstausstrahlung der US-amerikanischen Fernsehserie Holocaust im Jahr 1979 wird diese als ein soziales Ereignis verstanden und es werden die Motive und Intentionen der beteiligten Akteure, der Wahrnehmungskontext, der Kontext der Ausstrahlung sowie die Rezeption von Holocaust untersucht. Im Fokus stehen die Intentionen und Motive der verantwortlichen Akteure des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und der Bundeszentrale für politische Bildung, die die Serie den nationalen bundesdeutschen Bedeutungsrahmen anpassten und sie als Chance sahen, der jüdischen Opferperspektive auf den Holocaust in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik Gewicht zu verleihen. Mit der Veränderung der US-amerikanischen Originalversion von Holocaust durch den WDR und das pädagogische Begleitprogramm sowie den pädagogischen Blickwinkel, der sich in der Presseberichterstattung herauskristallisiert, wird die Erstausstrahlung von Holocaust von den Akteuren erinnerungskulturell funktionalisiert. ; The term memory culture (Erinnerungskultur) denotes a process in which the past is consciously envisioned in order to (re-)construct historical occurrences according to current requirements and semantic frames of reference. This case study seeks to interpret the first broadcasting of the US American TV series Holocaust in the Federal Republic of Germany in 1979 as a social event. The study focuses on the motives and intentions of persons involved in adapting the series to the national semantic frame. Working at the West German broadcasting corporation (WDR) and the federal center for political education (Bundeszentrale für politische Bildung), they regarded the broadcasting of the series as an opportunity for adding weight to the perspective of Jewish Holocaust victims in West German memory culture. This paper seeks to show how the first broadcasting of Holocaust was functionalised according to memory culture by analysing the WDR's adaptation and supporting didactic program as well as the didactic perspective which emerges in press coverage.
Marcus Stiglegger: Auschwitz-TV. Reflexionen des Holocaust in Fernsehserien Wiesbaden; Ivo Ritzer: Wie das Fernsehen den Krieg gewann. Zur Medienästhetik des Krieges in der TV-Serie; Holger Schulze: American Progress. Nerdkultur, akrobatische Komik und Commedia dell'arte; Sven Stollfuß: Cyborg-TV. Genetik und Kybernetik in Fernsehserien
Während Satelliten-Technologie und riesige internationale Konzerne die Globalisierung des Fernsehmarktes eingeleitet haben, revolutionierten Großbild-Fernseher und Dolby Surround Technologie die filmische Darstellung. Dies machte Fernsehen zu einem ernstzunehmenden Rivalen für das Kino und Amerika zum Marktführer im Fernsehbusiness. In Anbetracht dieser Entwicklungen widmet sich der erste Teil dieser Arbeit der Fernsehindustrie, ihrer Programmpolitik und den politischen und ökonomischen Einflüssen auf das Medium. Weiters werden die inhärente Dynamik von Serien-Erzählungen sowie gängige Strategien zur Steigerung der Zuschauerquoten untersucht. Anhand einer aktuellen Publikumsstudie des ORF folgt anschließend eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen Fernsehen und Zuschauern. Neben der Vorbildwirkung von Seriencharakteren werden auch ihre Stereotypisierung und die Rolle von U.S. Serien als kulturelle Trendsetter behandelt. Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit Krimiserien. Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß sich das Genre seit den 1970ern verändert hat, wird die aktuelle CBS Erfolgsserie CSI Las Vegas (2000-) mit dem NBC Klassiker Columbo (1968-2003) verglichen. Nach einer umfassenden Beschreibung der televisuellen Eigenschaften der Serie CSI Las Vegas (Kameraarbeit, Schnitt, Ton) folgt eine Untersuchung ihrer Episodenstruktur. Diese zeigt auch, mit welchen Mitteln der Spannungsverlauf und Informationsfluss optimiert werden, um die Zuseher vom Umschalten abzuhalten. Zum Schluss widmet sich diese Arbeit der ideologischen und sozio-kulturellen Problematik der Darstellung von extremer Gewalt und Sex in diesem Genre. Ausgehend von der Annahme, dass das Fernsehen unsere Gesellschaft widerspiegelt, wird erörtert, warum dieses Format so viele Zuschauer anzieht und wohin dieser Trend führen könnte. ; While satellite technology and huge international networks triggered the globalization of the TV market, wide screens, and Dolby Surround technology revolutionized the filmic realization, making television a serious rival of cinema and America the biggest player in the TV business. With respect to these changes, the first part of this paper describes the TV industry, its program policy, as well as political and economic influences on the medium. Exploring the inherent dynamics of serial narratives, it identifies common strategies to increase viewing rates. In a further step, my paper approaches the interdependence between television and its viewers, discussing a recent ORF audience study. Along with the effects of series characters' role-model function, their stereotyping and U.S. shows' status as cultural trendsetters are discussed. The second part of this paper focuses on crime series. In order to show to what extent the genre has changed since the 1970s, the current CBS success show CSI Las Vegas (2000-) is compared to the NBC classic Columbo (1968-2003). After a detailed description of CSI's televisual qualities (such as camera work, editing and sound) the series' episode structure is analyzed. This also illustrates how the series' tension arch and flow of information are optimized in order to keep viewers from zapping. Finally, this paper discusses the ideological and sociocultural problematic of such shows' detailed depiction of extreme violence and sex. Considering television as a mirror of society, it answers the questions why this format appeals to such a huge audience and where this trend could lead us. ; vorgelegt von Vanessa Legenstein ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Zsfassung in dt. Sprache ; Graz, Univ., Dipl.-Arb., 2011 ; (VLID)216029
Marcus Stiglegger: Auschwitz-TV. Reflexionen des Holocaust in Fernsehserien Wiesbaden: Springer VS 2015 (Serienkulturen: Analyse – Kritik – Bedeutung) ; 95 S. ; ISBN 9783658058760 ; EUR 29,99 Ivo Ritzer: Wie das Fernsehen den Krieg gewann. Zur Medienästhetik des Krieges in der TV-Serie Wiesbaden: Springer VS 2015 (Serienkulturen: Analyse – Kritik – Bedeutung) ; 181 S. ; ISBN 9783658059194 ; EUR 29,99 Holger Schulze: American Progress. Nerdkultur ; akrobatische Komik und Commedia dell'arte Wiesbaden: Springer VS 2016 (Serienkulturen: Analyse – Kritik – Bedeutung) ; 88 S. ; ISBN 9783658091347 ; EUR 19,99 Sven Stollfuß: Cyborg-TV. Genetik und Kybernetik in Fernsehserien Wiesbaden: Springer VS 2017 (Serienkulturen: Analyse – Kritik – Bedeutung) ; 149 S. ; ISBN 9783658144715 ; EUR 29,99
Die reimaginierte TV-Serie Battlestar Galactica gilt als ein Höhepunkt gegenwärtiger Science Fiction. Sie spiegelt aktuelle soziopolitische Brennpunkte unserer Gesellschaft und unserer Zeit in all ihrer Kontroversität wider. Darüberhinaus stellt sie mithilfe der Zylonen, humanoiden kybernetischen Organismen, die Frage nach dem Menschen, seinem Bewusstsein und seiner Subjektivität radikal neu. Der folgende Beitrag versucht, diese Radikalität, mit der Battlestar Galactica das Verhältnis von Mensch und Maschine verhandelt, anhand von diversen Reloads herauszustellen.
Birgit Däwes, Alexandra Ganser, Nicole Poppenhagen (Hg.): Transgressive Television: Politics and Crime in 21st-Century American TV SeriesJonas Nesselhauf, Markus Schleich (Hg.): Das andere Fernsehen?! Eine Bestandsaufnahme des "Quality Television"Daniela Schlütz: Quality-TV als Unterhaltungsphänomen: Entwicklung, Charakteristika, Nutzung und Rezeption von Fernsehserien wie The Sopranos, The Wire oder Breaking Bad