Der Aufsatz untersucht zentrale Widersprüche der Friedensbewegung. Ziel ist eine differenzierte Einschätzung von deren Entwicklungsrichtung nach der Raketenstationierung. Die Widersprüche werden auf vier Ebenen gesehen: der politischen Bewußtseinsebene (sicherheitspolitischer Kritizismus versus Pazifismus), der politischen Zielebene (Blockbildung versus Äquidistanz), der politischen Organisationsebene (Autonomie versus Führung) und der politisch-instrumentellen Ebene (Frage der Gewaltfreiheit/Staats- und Parlamentarismuskritik). Die Brisanz der in diesen Widersprüchen implizierten Konflikte in bezug auf die organisatorische Kontinuität der Friedensbewegung wird differenziert eingeschätzt: die in die Friedensbewegung eingeflossenen unterschiedlichen sozialen Anliegen, politischen Orientierungen und Wertmuster werden weiterhin wirksam bleiben, u.U. allerdings indem die dementsprechenden Strömungen wieder stärker ihren eigenen Weg gehen. (MB)
In dem Beitrag wird der zweite Teil eines Rundtischgesprächs vom April 1984 dokumentiert, zu dem die Redaktion der Zeitschrift eingeladen hatte. Teilnehmer sind: M. Beck-Oberdorf (MdB-Grüne); K. D. Bredthauer (Redakteur der "Blätter"); V. Deile (Aktion Sühnezeichen/ Friedensdienste); P. Dietzel (Parteivorstand DKP); J. Leinen (SPD, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz); G. Matthiessen (Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit); S. Stamer (Hamburger Friedenskoordination, Autonome). Schwerpunkte dieses Teils der Gesprächsrunde sind der Zustand der Friedensbewegung, ihre Perspektiven und Alternativen. Im Gegensatz zum ersten Teil (Heft 5/1984, Seite 521-546) handelt es sich hier um ausführliche Statements der Gesprächsteilnehmer. (RW)
In dem Beitrag werden die Erfahrungen der Friedensbewegung in den letzten Jahren bilanziert, um auf dieser Grundlage die aktuelle Situation einzuschätzen und Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Das Hauptziel und die Grundsätze werden skizziert, um dann das Problem des Abstands zu den Supermächten aufzugreifen. Es wird verdeutlicht, daß im Mittelpunkt das Engagement für alles das steht, was den Nuklearkrieg stoppt. Beispielhaft wird gezeigt, wie konservative Militärs und Politiker mit der Friedensbewegung umgehen und wie sie sie benutzen möchten. Dabei wird betont, das die Friedensbewegung kein konterrevolutionärer Vortrupp der USA ist. Als ein Beispiel der Notwendigkeit der Friedensbewegung wird die US-amerikanische Invasion auf Grenada untersucht. In weiteren Überlegungen wird das Problem der Abrüstungsverhandlungen diskutiert. Das Verhalten der UdSSR und den USA werden miteinander verglichen, um vor allen Dingen die Bedrohungslüge aufzudecken. Abschließend wird die Bedeutung der Internationalität der Friedensbewegung hervorgehoben. (RW)
Ausgehend von der Position der Bundeswehr gegenüber der Friedensbewegung wird auf dem Hintergrund der Hierarchie innerhalb der militärischen Führung die Aussagekraft offizieller Einschätzungen der Friedensbewegung analysiert. Im weiteren geht der Verfasser auf Begegnungen zwischen Bundeswehr und Friedensbewegung ein, wobei er konstatiert, daß es noch kaum zu einem fruchtbaren Dialog gekommen sei. Im weiteren wird das innere Klima der Bundeswehr als Rahmen für öffentliche Äußerungen zur Rüstungspolitik charakterisiert; abschließend nennt Schneider einige Voraussetzungen zur Widerherstellung eines gesellschaftlichen Konsenses bzgl. der Sicherheitspolitik. (KS)
In: Zur Psychoanalyse der nuklearen Drohung: Vorträge einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (1984), S. 154-167
H.-E. Richter beschreibt in diesem Beitrag sein persönliches Erleben, wie er "im Zusammenspiel innerer und äußerer Erfahrungen als Psychoanalytiker zum Engagement in der alternativen Bewegung gelangt" ist, in der er "heute den wesentlichen Kern der Friedensbewegung" erblickt. (KO2)
"Inmitten der erbitterten Auseinandersetzungen innerhalb der NATO-Staaten um den Doppelbeschluß des nordatlantischen Bündnisses wird in Frankreich der Sozialist Francois Mitterand Staatspräsident und bildet eine sozialistisch-kommunistische Regierung. Die Friedensbewegung unseres Nachbarlandes bleibt schwach und ist überdies gespalten. Mit drei Friedensorganisationen stehen sich - vereinfacht - zwei politische Strömungen gegenüber. Das 'Mouvement de la Paix' und der 'Appel des Cent' als die dominierenden Kräfte lehnen sich stark an kommunistische und linkssozialistische Kreise an und haben bis zum Bruch der Linksregierung aus PS und PCF im Sommer 1984 die Militärpolitik Mitterands in ihrem zentralen Punkt, der 'Force de frappe' nicht angegriffen. Das linksradikale friedenspolitische Bündnis C.O.D.E.N.E. hingegen erklärt die französische Atombewaffnung für disponibel; gleichzeitig greift es scharf die Politik des PCF wie auch der Sowjetunion an. Ob die heutige Oppositionspolitik des PCF Bewegung in die französische Friedensbewegung bringen wird, bleibt abzuwarten." (Autorenreferat)
Ausgehend von der historischen Entwicklung der Friedensbewegung von 1939 bis 1982 in Europa und in den USA, beschreibt der Autor ihre Situation, Struktur und Bedeutung unter besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Einflusses auf die Friedenspolitik. Die Friedensbewegung ist als Zusammenschluß von verschiedenartigen Gruppen mit hohem Jugendlichenanteil zu verstehen, denen alternative Politikvorstellungen zur politischen Praxis auf unterschiedlichen Ebenen gemeinsam sind und die eine differenzierte Reaktion der etablierten politischen Richtungen erfordern, um die Krisenursachen zu beheben. (HD)
Rückblickend auf die Erfolge der Friedensbewegung im Herbst 1983 trotz der erfolgten Raketenstationierung hebt der Verfasser vor allem die Verankerung der Forderung nach Beeindigung des Rüstungswettlaufes in breiten Teilen der Bevölkerung hervor. Angesichts der inzwischen veränderten Situation müßten nun aber auch weitergehende inhaltliche Strategien von der Friedensbewegung konzipiert werden. Ihr Ende sei solange nicht zu erwarten, wie der Rüstungskonflikt nicht beendet sei. Czempiel geht im weiteren auf die Problematik und Durchsetzbarkeit einer sicherheitspolitischen Lösung für Westeuropa ein; nur eine national übergreifende Lösung aber kann seiner Meinung nach problemlösend sein, wobei mehrere Machtzentren in einen kooperativen Zusammenhang gebracht werden müssen. (KS)
"Die DDR befindet sich mitten in einer der interessantesten politisch-kulturellen Umbruchphasen ihrer Nachkriegsgeschichte. Unter dem für diesen Wandel notwendigen Schirm von Stabilität und Kontinuität in ihren politischen Kernbereichen hat mit Beginn der achtziger Jahre im Innern ein Wandel begonnen, dessen politische Bedeutung im Westen noch ungenügend erkannt wird. Wie die neue Dynamik zwischen Partei und Gesellschaft verlaufen kann, ist besonders gut am Beispiel der neuen "Friedensbewegung" zu verdeutlichen. Für die SED war die "Friedensbewegung" bisher schlicht entweder die ganze DDR oder alle von ihr ins Leben gerufenen Vereinigungen, die seit Jahrzehnten autonome Aktivitäten überflüssig erscheinen lassen sollten. Heute gibt es aber einige zehntausend vorwiegend junge Leute, die eigene Vorstellungen haben. Sie sind ein Faktor geworden, mit dem die SED lernen muß umzugehen. Neben der staatlichen Friedenspolitik hat es eigene Friedensideen im Raum der evangelischen Kirche schon seit Jahrzehnten gegeben. Die evangelischen Kirchen in der DDR sind die einzigen Organisationen des Landes, die ihre Autonomie gegenüber dem faktischen Alleinvertretungsanspruch der SED bewahrt haben. Hinzu kommt eine besondere deutschlandpolitische Rolle von EKD und DDR-Kirchenbund, die in Friedensfragen besonders wichtig geworden ist. Wenn man nach der Ursache für das Entstehen der Friedensbewegung in der DDR fragt, dann wird man sie zuerst in der innenpolitischen Entwicklung der letzten Jahre suchen müssen. Sie ist weniger eine Reaktion auf das Vorbild westlicher Friedensbewegungen als vielmehr eine "hausgemachte" Erscheinung. Die Themen der Auseinandersetzung sind bestimmt von persönlicher Konfrontation mit dem Militärischen: Wehrunterricht, Kriegsspielzeug, Zivilschutzübungen, Armeedienst usw. Friedens- und Ökologieengagement gehören dabei oft zusammen. Spannungen zwischen drängender Basis, Kirchenleitungen und dem Staat bleiben da nicht aus. In ihrer Mittlerrolle gerät die Kirche schnell aus der Sicht von beiden Seiten ins Zwielicht. Vorwürfe wie Opportunismus auf der einen und Oppositionspartei auf der anderen Seite wechseln sich ab. Auch in der DDR gibt es unter Jugendlichen so etwas wie eine zweite Kultur. Einige zehntausend junge Leute in den großen Städten leben in einer Art innerer Emigration mit einem Lebensgefühl, das in vielem etwa der westlichen Jugendszene entspricht. Es existiert ein ähnlicher Bruch zwischen den Generationen. Ein Blick in die neuere Literatur, die letzten DDR-Filme oder die "Szene" der urbanen Metropolen, die von Punks angefangen alle Arten von Aussteigern umfaßt, zeigt, daß es sich bereits um eine ernst zu nehmende gesellschaftliche Minderheitenströmung handelt. Einen Dialog des Staates mit diesem Teil seiner Jugend gibt es jedoch bislang nicht. Die ausdauernde Existenz solcher Bewegungen ist etwas vollkommen Neues in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Sie bedeuten auch eine Herausforderung, neue Wege in der Entspannungspolitik zu beschreiten." (Autorenreferat)
Der Autor stellt ein Konzept für die Friedensbewegung im welt- und bundespolitischen Zusammenhang vor und bezeichnet einige konkrete Aktionen. Neben der Absage an die Raketenstationierung befürwortet er die Schaffung atomwaffenfreier Zonen und die Aktion des "Einfrierens aller Atomwaffen", um so zu konkreten Abrüstungsverhandlungen zu kommen. Er weist auf den Zusammenhang zwischen der Entwicklung in Zentraleuropa und der Dritten Welt hin, wobei er die Stationierung der Atomraketen in Westeuropa als Drohgebärde der USA an die UdSSR sieht, sich nicht in die Interessen der USA in der Dritten Welt einzumischen. Die Forderung nach einem Plebiszit über die Frage der Raketenstationierung und einer Zusammenarbeit von Friedens- und Arbeiterbewegung wird aufgestellt. Außerdem verdeutlicht der Autor den Zusammenhang zwischen Wettrüsten, Sozialabbau und Ausbeutung der Dritten Welt, zeigt die wirtschaftlichen Konsequenzen auf und begründet damit seine Hoffnung, daß die Gewerkschaften mit der Friedensbewegung zusammenarbeiten, da "beide nach Wegen aus einer und derselben Gefahr" suchen. Abschließend geht der Autor noch auf die politische Willensbildung vor Wahlen ein und macht deutlich, daß die Friedensbewegung den Wählern die von ihm angeführten bestehenden Zusammenhänge klarmachen muß, damit sich für die Zukunft "konstruktive neue Mehrheiten" herausschälen können. (RE)
In seinem Beitrag analysiert der Verfasser die westdeutsche Friedensbewegung hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Ideologie, Einflußmöglichkeiten und -grenzen. Dabei steht das Verhältnis der Friedensbewegung zur Linken und zur Sozialdemokratie im besonderen im Vordergrund. Peter Glotz plädiert für die Verfechtung sozialdemokratischer Konzepte innerhalb der Friedensbewegung, jegliche Berührungsängste sollten überwunden werden. Gerade wegen der erfolgten Raketenstationierung sei nun eine Verbindung zwischen Friedensbewegung und großen Organisationen der Linken notwendig; damit würde auch die notwendige Verknüpfung von Abrüstungsaktionen und Abrüstungsdiplomatie erreicht. Eine Sozialdemokratisierung der Friedensbewegung solle dabei vermieden werden. (KS)