In: Osnabrücker Jahrbuch Frieden und Wissenschaft: Osnabrücker Friedensgespräche ; Musica pro Pace ; Beiträge zur Friedensforschung, Band 8, S. 149-163
Der Verfasser plädiert für eine gründliche, ernsthafte und radikale Entmilitarisierungsforschung. Eine solche Forschung kann an die Militär- und Militarismuskritik der letzten 100 Jahre anknüpfen, die die früher selbstverständliche Legitimität von Krieg und Militär zumindest teilweise zu Fall gebracht hat. Der Verfasser sieht vor allem den historisch gewachsenen Zusammenhang von Staat und Krieg als Gegenstand einer Entmilitarisierungsforschung, die systematisch und kausal die Vieldimensionalität der Institution Militär im Geschichte und Gesellschaft, im kulturellen Selbstverständnis und in der Politik untersucht. (ICE2)
Diese Überlegungen sollen zeigen, daß klassische Themen der Friedenspolitik unter den Bedingungen unserer Gegenwart nicht nur eine spezifische Zuspitzung erfahren, sondern zugleich in ihrer unabweisbaren Dringlichkeit ans Licht treten. Die europäische Tradition der Friedensethik ist maßgeblich durch die Impulse der griechischen Philosophie, der jüdisch-christlichen Überlieferung und des römischen Rechts geprägt. Drei Themenkreise werden angesprochen, die in dieser Tradition immer wieder variiert werden: Frieden und Gewalt, Frieden und Gerechtigkeit sowie Friedensutopie und Rechtsordnung. Es wird die These vertreten, daß Friedenskonzeptionen und Friedensforschungsansätze auch heute an diesen drei Fragen auf ihre Tragfähigkeit geprüft werden können. (GF)
"Friedensforschung entwickelt sich zunehmend als interdisziplinäres Tätigkeitsfeld. Kompetenzen aus den verschiedensten Bereichen sind je nach konkret verfolgter Themenstellung notwendig für eine erfolgreiche Projektbearbeitung. Dabei spielen politische, gesellschaftswissenschaftliche, sozialpsychologische, zeitgeschichtliche, pädagogische, sozioökonomische, völkerrechtliche, naturwissenschaftliche, technische und ethische Aspekte eine wesentliche Rolle. Die Forschenden müssen eine entsprechend vielfältige Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität entwickeln. Bei der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) an der TU Darmstadt hat das Problemfeld nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung seit Jahren einen hohen Stellenwert bei der Auswahl von eigenen Projekten. Hier konnten reichhaltige interdisziplinäre Erfahrungen gesammelt werden. Wolfgang Liebert geht das Thema interdisziplinäre Friedensforschung vor allem aus der Perspektive naturwissenschaftlich orientierter, interdisziplinärer Friedensforschung an und zeigt am Beispiel 'Umrüstung von Forschungsreaktoren' wie eine zunächst distanziert wissenschaftliche Betrachtung von grundsätzlichen Proliferationsgefahren im Bereich ziviler Nukleartechnologienutzung notwendig zu einer teilnehmenden Perspektive und einer Einsicht in die Notwendigkeit politischen Handelns bei Wissenschaftlern führte." (Autorenreferat)
Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes scheint die Friedensforschung einen ihrer zentralen Gegenstände und Orientierungspunkte zu verlieren. Dennoch ergeben sich, wie der Autor zeigt, neue Herausforderungen für die Friedensforschung: Neonationalismus und ethnische Konflikte, Migration, kollektive Sicherheit, dies sind einige der neuen Themen für die Friedensforschung. Eine zweite Herausforderung sieht der Autor im feministischen Diskurs, den die männlich dominierte Disziplin bisher weitgehend ignoriert hat: Eine Wissenschaft, deren Rede der Abbau von Gewalt ist, darf nicht länger über die Gewalt im Geschlechterverhältnis und über das Geschlechterverhältnis als gesellschaftliche und zwischenstaatliche Gewaltursache schweigen. Schließlich wird eine dritte Herausforderung diskutiert: die mangelnde Reflexion über das Binnenverhältnis in der Friedensforschung und die persönlichen Motivationen der auf diesem Gebiet tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Den Ost-West-Konflikt, so das Fazit, den die Friedensforschung analysierte, gab es auch in der eigenen Disziplin: "In der Psychologie setzt das Therapieren die Selbsterfahrung voraus. Gute Therapeuten gehen regelmäßig zur Supervision, um ihre Verstrickungen in die Konfliktberatung zu kontrollieren und für Entwicklungen zu nutzen. Die Friedensforschung sollte sich daran ein Beispiel nehmen, auch wenn sie ihre eigenen Formen der Metakommunikation finden muß." (ICD)