Titelblatt, Inhaltsverzeichnis Einleitung 5 I. Der Ursprung der russischen Geschichtsphilosophie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 14 II. Die klassische russische Geschichtsphilosophie des 19. Jahrhunderts 49 III. Die Geschichtsphilosophie der Eurasischen Schule 85 IV. Kritische Erwägungen 156 Schlußbemerkungen 172 Bibliographie 176 ; In dieser Dissertation sind die geschichtsphilosophischen Ideen bekannter russischer Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts dargestellt worden, die nicht der marxistischen Denkschule angehören. Der Autor hat die eigentümliche Deutung der Weltgeschichte durch Slawophile und Eurasier zu seinem Thema gemacht. Die Hauptvertreter dieser geistigen Traditionslinie sind in seinen Augen für das 19. Jahrhundert Nikolaj Danilevskij und Konstantin Leontjev, für das 20. Jahrhundert Nikolaj Trubezkoj und Lev Gumilev. Ihnen ist es gelungen, so seine These, eine nicht universelle, sondern partikularistische Deutung der Weltgeschichte zu entwerfen, welche von der Existenz unabhängig voneinander bestehender, spezifischen Entwicklungen unterworfener und durch eigene, unübertragbare Werte geprägte Kulturen ausgeht. Darüber hinaus wird in der Arbeit auf die unterschiedliche Interpretation der russischen und der europäischen Geschichte durch die behandelten Autoren aufmerksam gemacht, was nicht nur von historischem Interesse, sondern auch von aktuell politischer Relevanz und eminent theoretischem Belang ist. Im vorletzten Kapitel der Arbeit kommt ein moderner Vertreter der eurasischen Schule, Alexander Panarin, zu Wort, der slawophilen Gedanken eine ideologische Fassung zu geben versucht und daraus eine politische Programmatik zur Schaffung einer "eurasischen Kulturgemeinschaft" zu konstruieren sich bemüht. Im letzten Kapitel wird die russische Geschichtsphilosophie in ihren beiden Versionen einer Kritik unterzogen, die nach ihrer politischen Ideologiehaftigkeit und ihrem philosophischen Wahrheitsgehalt fragt. ; In this dissertation the historico-philosophical ideas of more or less well- known ...
Titelblatt, Danksagung und Inhaltsverzeichnis 1\. Einleitung 4 2\. Internationale Gerechtigkeit 17 2.1 Was ist Gerechtigkeit? 17 2.2 Was ist Verteilungsgerechtigkeit? 23 2.3 Gerechtigkeitstheorien 26 3\. John Rawls 34 3.1 Eine Theorie der Gerechtigkeit34 3.2 Die Idee des politischen Liberalismus49 3.3 The Law of Peoples51 3.4 Zusammenfassung: John Rawls und globale Gerechtigkeit67 4\. Kosmopolitismus 75 4.1 Thomas Pogge81 4.2 Charles Beitz101 4.3 Brian Barry128 4.4 Zusammenfassung139 5\. John Rawls Gerechtigkeitstheorie und kosmopolitische Theorien: Vor- und Nachteile einer Realisierung 152 5.1 Anwendungsvoraussetzungen 152 6\. Die Realisierbarkeit globaler Gerechtigkeitstheorien in der gegenwärtigen Weltordnung 183 6.1 Das Verhältnis von Theorie und Praxis 183 6.2 Die Bedeutung internationaler Gerechtigkeit 186 6.3 Struktur des internationalen Systems 201 6.4 Internationale Akteure 207 7\. Schluss 230 Literatur 249 ; Die internationalen Beziehungen sind weitgehend bestimmt durch spezielle Interessen der einzelnen außenpolitischen Akteure. Gerechtigkeitsfragen spielen in den politischen Strategien eher eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist die Gerechtigkeit vor allem in den internationalen Beziehungen von hoher Bedeutung. Die gerechte Verteilung von Menschenrechten, von lebensnotwendigen Grundgütern und sozialem Wohlstand trägt wesentlich zur Stabilität in den internationalen Beziehungen bei. Können Interessenkonflikte, die allein aufgrund ungerechter Verteilungen basieren, vermieden werden, so ist mit einer stabilen internationalen Ordnung zu rechnen. Den Bürgern gerechter Gesellschaften ist ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben ermöglicht, dass sie auf der Grundlage der gerechten und sicheren Lebensverhältnisse führen können. Als John Rawls 1971 seine "Theorie der Gerechtigkeit" erstmals veröffentlichte, war diese auf eine geschlossene, nationale Gesellschaft zugeschnitten. Im Laufe der Jahre entwickelte Rawls seine Gerechtigkeitstheorie jedoch fort. Er dachte zunehmend auch über internationale ...
Die in der Neuzeit so auf Universalität abzielende Neubewertung der Geste erscheint in komprimierter Form in den Schriften des Londoner Arztes John Bulwer, der in vielerlei Hinsicht weniger einen radikalen Neuansatz als eine Synthese zeitgenössischer psychophysiologischer Gebärdentheorien vorlegt. Seine Erstschrift Chirologia: or the Naturall Language of the Hand, Composed of the Speaking Motions, and Discoursing Gestures thereof (1644), veröffentlicht im Kontext einer in England zur Mitte des 17. Jahrhunderts bereits blühenden Suche nach einer universalen Sprache, offenbart noch die Nähe zur Rhetorik und der ihr inbegriffenen Affektlehre als Deutungsmuster der Gebärde; und in der Tat ist, wenngleich unter separater Paginierung, diesem Buch ein zweites Buch zur Chironomia angefügt, welches sich explizit mit der Geste als rhetorischem Mittel befasst. Zuvor nimmt Bulwers Chirologia allerdings Anregungen Ciceros, Quintilians und vor allem Giovanni Bonifacios auf und verabsolutiert die Geste selbst zum Universal: "It speakes all languages, and as an universall character of Reason, is generally understood and knowne by all Nations, among all formal differences of their Tongue."
Was versteht Walter Schulz unter Totalphilosophie? Welche Aufgaben hat diese? In welchen Ausprägungen 'gibt es' Totalphilosophie? Warum sieht Schulz darin die einzige Möglichkeit, Philosophie zu betreiben? In dem von Schulz gewählten Begriff der Totalphilosophie bündelt sich in Anlehnung an Hegel das Vorhaben, dass die Philosophie die Zeit bzw. 'die' Wirklichkeit in Begriffe fassen solle. Daraus erklärt sich, dass die Totalphilosophie als Theorie der Ganzheit der Wirklichkeit expliziert werden soll. Damit ist auch gesagt, dass Schulz eine Selbstbegründung der Philosophie in einer philosophiefernen, nachmetaphysischen Zeit zu leisten sucht, denn in das Gedränge der Wissenschaften geraten, kann die Philosophie vermeintlich kaum noch Fuß fassen. Die Wirklichkeit stellt sich für Schulz allein dar in der Vermittlung zwischen Subjekt und Objekt, wobei sowohl das Subjekt der Vermittlung (Ich) als auch das Objekt (Welt) hochgradig instabil sind und keine Haltepunkte offerieren, von denen aus die Vermittlung starten könnte. Wie also kann die Totalphilosophie auf dieser 'Basis der Instabilität und Haltlosigkeit' die Wirklichkeit und die Zeit auf den Begriff bringen, ohne auf endgültige Definitionen (Begriffe) rekurrieren zu können und gleichzeitig über das Ganze der Wirklichkeit sprechen, wenn die Wirklichkeit doch 'etwas' ist, das nur in den Vermittlungen zugänglich ist? Die alleinige Möglichkeit des Zugangs erkennt Schulz über die Vermittlungsformen und -versuche der Philosophie. Schulz formuliert drei Ausprägungen der Totalphilosophie, die je verschiedene Vermittlungsformen in den Blick nehmen, und in denen sich das Subjekt je anders konstituiert. In der ersten Ausprägung basiert die Totalphilosophie auf einem verantwortlichen Subjekt, das im (politischen und ethischen) zwischenmenschlichen Handeln sein Ziel findet. Dies ist die 'Stelle', an welcher der bisherige Forschungsstand verbleibt. Dem gegenüber zeigt die vorliegende Arbeit, dass die Schulz'sche Totalphilosophie nicht in der Ethik ihre endgültige Ausprägung findet und daher nicht die 'Philosophie der veränderten Welt' das Hauptwerk von Walter Schulz darstellt. Die Ausformulierung der zweiten Form der Totalphilosophie basiert auf der Erkenntnis, dass das verantwortliche Subjekt ein einheitliches sein müsste. Nachdem Schulz die Unmöglichkeit eines solchen erkannt hat, ist er gezwungen, die Totalphilosophie als eine Philosophie des fortwährend zerbrechenden Subjekts zu formulieren. Er kennzeichnet daher den Bezug zwischen Ich und Welt als gebrochenen Weltbezug. Die 'neue' Form der Philosophie der Subjektivität basiert auf den Instabilitäten aller Aspekte, sodass allein eine Thematisierung der Versuche des Menschen, in der Welt Fuß zu fassen, möglich erscheint. Diese ist nur im Rückgriff auf eine Vermögenslehre möglich. Das Können als Selbstermächtigung impliziert eine Selbstzuwendung, welche als Reflexion aufzufassen ist. Diese Reflexion ist in 'Ich und Welt' noch unbestimmt und muss 'angestoßen' werden. Wie dies konkret vonstattengehen kann, beantwortet sich für Schulz erst unter Formulierung der Totalphilosophie als Metaphysik. Eine nicht-metaphysische Totalphilosophie würde die ungelösten, und vor allem nach wie vor drängenden metaphysischen Fragen nicht bewahren und könnte das Subjekt nicht verorten. Erst von der 'Metaphysik des Schwebens' her werden folglich alle Perspektiven und alle Probleme dieser Totalphilosophie ersichtlich, denn als Metaphysik soll sie sich ein letztes Mal mit den großen Themen der Philosophie beschäftigen. Diesen finalen Charakter erhält sie dadurch, dass Schulz seine neu konzipierte Metaphysik als Vollendung der klassischen Metaphysik kennzeichnet - in eins damit nicht nur als Höhepunkt, sondern auch als Endpunkt bzw. als letzte Möglichkeit. Ein weiterer Verdienst dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, wie sich die Möglichkeit, die Ganzheit der Wirklichkeit zu thematisieren, mit der von Schulz nicht explizit benannten Kombination der Schulz'schen Interpretation des spekulativen Satzes (Hegel) mit der 'Metaphysik des Schwebens' erweitert: ohne die Kunst gäbe es keine Reflexion der Vermittlungsleistung (und der Wirklichkeit) der Philosophie. Schulz schränkt 'die Kunst' aus mehreren Gründen auf den Roman des 19. und 20.Jahrhunderts ein. Die Ganzheit der Wirklichkeit scheint nach Schulz allein im Roman auf. Nur in der Romankunst und in der Poesie können nach Schulz die großen metaphysischen Fragen thematisiert werden. Schließlich ist es dem Menschen allein in der doppelten Reflexion der Romanformen und der in ihnen vorgestellten Transformationsformen der Negativitäten möglich, wieder zum Subjekt seiner Wirklichkeit zu werden, sodass die 'gescheiterte' Philosophie des verantwortlichen Subjekts erst hier ihren Abschluss erhält. Trotz dessen, dass Schulz die 'Metaphysik des Schwebens' als Vollendung der klassischen Metaphysik deutet, ist seine Totalphilosophie nicht die letztmögliche Philosophie, die in der Moderne Bestand haben kann. Dieser Gedanke begründet den Anstoß für den letzten Teil der Arbeit, der zum einen kritische Aspekte (vor allem in Bezug auf Philosophie und Kunst) in der Schulz'schen Totalphilosophie ausmacht und zum anderen mit Schulz - und über ihn hinausgehend - aufzeigt, ob und wie eine Verknüpfung von Totalphilosophie und modernen angewandten Ethiken Bestand haben kann. ; What does Walter Schulz mean by creating a so called 'total philosophy'? What tasks should it fulfil? Why does 'total philosophy' seem to be the only possibility for Schulz to engage in philosophy nowadays? What types of manifestations of this 'total philosophy' exist? By conceiving his philosophy as 'total philosophy', Schulz bundles up philosophy's intention - referring to Hegel - to conceptualize both the contemporary thoughts, their changes and reality. This includes that 'total philosophy' has to be explicated as a theory of reality in its whole. This procedure indicates Schulz' attempt to carry out a self-foundation of philosophy in a period of time, in which society is largely characterized as not being particularly interested in philosophical thoughts. In addition, philosophy seems to be - by definition - post-metaphysical. As a result, philosophy finds itself in a tight mingle of sciences and is not able anymore to gain a proper foothold. Schulz understands reality merely as a mediation process between subject and object. In addition to that, both the subject of the mediation (self) and the object (world) are highly unstable, which means that they are unable to offer any starting points for the mediation. How is 'total philosophy' therefore capable of conceptualizing reality and time - finding itself in the middle of such instability and groundlessness? How can it discuss a totality of reality, if reality is falling apart in every moment? Schulz reveals the single possibility to enter this totality by having an access via the forms and attempts of the mediation which are performed by philosophy. He specifies three manifestations of 'total philosophy', which each focus on different types of mediation, and which each constitute the subject in a different manner. The first type of 'total philosophy' is based on a responsible subject which finds its final destination in acting in an interpersonal ethical and political manner. This represents the current state of research. In contrast to that, this thesis indicates that Schulz' 'total philosophy' does not find its final manifestation when being understood as ethics. Therefore Schulz' first well-known book ('Philosophy in the Altered World') cannot be named as his key work (as the state of research did). The characterization of the second type of Schulz' 'total philosophy' is based on the insight that the responsible subject is supposed to be a unity. Shortly after Schulz has identified the impossibility of such a homogeneous subject, he was forced to conceive his 'total philosophy' as a 'philosophy of the continually crumbling subject'. Hence Schulz terms the relation between the self and the world as a 'broken relatedness to the world'. Therefore one has to stay in the intermediary. This 'new' kind of the 'philosophy of subjectivity' rests upon the instability of all aspects - with the result that only the thematisation of these human attempts to gain a foothold seems to be possible. The 'capability' (taken out of the doctrine of faculties) - understood as a kind of self-authorization - implicates a self-perception respectively a self-devotion which can be regarded as reflection. This reflection in Schulz' book 'Self and World' is undetermined and has to be initiated. The description of the specific process seems only to be possible by framing the 'total philosophy' as metaphysics. A 'total philosophy' which is not based on metaphysics would not be able to enshrine the still pressing metaphysical questions and would also not be able to (re-)locate the subject. Only starting from the 'metaphysics of levitation' allows us to catch sight of all perspectives and all problems of the given 'total philosophy', because being a and acting as metaphysics ensures to talk one last time about philosophy's fundamental problems. The 'total philosophy' receives this final character because Schulz is declaring his 'new' metaphysics as fulfillment of classical metaphysics. - 'Fulfillment' does not only mean 'perfection' but also 'end' or: 'last possibility'. Another contribution of this thesis is to reveal how the possibility to take hold of the wholeness of reality becomes available by the combination (which Schulz does not label) of Schulz' interpretation of Hegel's speculative proposition with the 'Metaphysics of Levitation': It is the art which is initialing the reflection of the mediation and of the reality. 'Art' is limited by Schulz for several reasons to the novel of the 19th and 20th century. The wholeness of reality appears nowadays - according to Schulz - only in these novels. According to that fact, the big and everlasting metaphysical questions can be discussed only in novels and in poetry. In conclusion, an individual can only become the subject of its reality by (double)reflecting the different - in the novels included - ways of transforming the negativity. Hence the once 'failed' 'philosophy of the responsible subject' receives now its finalization. Despite the fact that Schulz is interpreting his 'metaphysics of levitation' as completion of classical metaphysics, his 'total philosophy' is not the last possible modality of philosophy which can last in the modern age. This thought constitutes the last part of the thesis which focuses on critical aspects (especially in terms of philosophy and art) in Schulz' 'total philosophy' and which illustrates - with and against Schulz -, how and if an alliance between 'total philosophy' and modern applied ethics can endure.
With Hölderlin's conversion to philosophy, he began to take an interest in the problem of how to address philosophers and non-philosophers in one and the same literary work. He developed a doctrine that would enable him to transform the desire for eternal things in accordance with his political and educational ambitions. His understanding of exoteric teaching guided his reading of Plato, Kant, Hemsterhuis, and Fichte. It shaped both his correspondence and the composition of his novel, "Hyperion". ; With Hölderlin's conversion to philosophy, he began to take an interest in the problem of how to address philosophers and non-philosophers in one and the same literary work. He developed a doctrine that would enable him to transform the desire for eternal things in accordance with his political and educational ambitions. His understanding of exoteric teaching guided his reading of Plato, Kant, Hemsterhuis, and Fichte. It shaped both his correspondence and the composition of his novel, "Hyperion".
Mit der vorliegenden kurzen Studie (57 S.) erwarb Karl Eschweiler (1886-1936) im Jahr 1909 den Grad eines "Dr. phil." an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Betreut wurde die Arbeit durch den als Philosophen wie Politiker bekannten Georg von Hertling (1843-1919). Der Blick auf Gott als das "intelligible Schöne", so weist Eschweilers Promotion nach, steht bei Augustinus stets in Verbindung mit einer "natürlichen Veranlagung (.) zum ästhetischen Fühlen". Denn der innerste Kern der Erfahrung des Schönen – vor allem gerichtet auf zahlenmäßige Ordnung und Rhythmus – verweist auf eine Partizipation der Dinge an der "Urschönheit" Gottes. Auf einer noch tieferen Ebene wird nach Eschweiler Augustins Zugang zu Gott über das ästhetische Erleben begreifbar, wenn man dessen ethische Dimension miteinbezieht. Höchste Schönheit ist stets Schönheit der Seele in der Anerkennung des Guten. Das neuplatonische kalokagathia-Ideal erhält bei Augustinus dadurch eine religiöse Dimension, daß in psychologischer Hinsicht das Streben nach vollkommenem Glück als Streben nach höchster Freude und Lust erfahren wird. Das Gute wird immer als das Schöne geliebt, dessen Erwerb Gefallen und Genuß schenkt. Das Schlußkapitel der philosophischen Dissertation zeigt auf, wie Augustinus sogar noch die Theodizeefrage mit explizit ästhetischen Argumenten anzugehen sucht. Die vorliegende digitale Ausgabe schließt sich in Textgestaltung und Paginierung so eng wie möglich an die originale Printausgabe (Euskirchen 1909) an. Beigefügt ist ein Nachwort des Herausgebers (1*-5*).
Titelblatt Einführung 4 1\. Platons Naturrecht 12 1.1 Von der Anthropologie zur Politischen Wissenschaft: Die Analogie von Mensch und Polis 12 1.2 Der Nomos und die Entwicklungstendenz zum Positivismus 19 2\. Platons Staatslehre und Staatskonzeption 27 2.1 Entstehung und Degeneration der Stadt 27 2.2 Der historische Hintergrund der platonischen Staatsphilosophie 32 2.3 Der Verfall der Staatsformen 41 2.4 Die platonische Staatskonzeption 46 2.5 Das Erziehungssystem 64 3\. Die Philosophenherrschaft 70 3.1 Platons Bestimmung der "Herrschaftskunst" 70 3.2 Ethik, Erkenntnis und Weltverständnis 82 3.3 Die Herrschaftsmittel: Zensur und Überredung 99 4\. Die Aktualität Platons: Ist Platons Politeia totalitär? 110 4.1 Karl R. Poppers "Offene Gesellschaft" und seine Platon-Kritik 110 4.2 Leo Strauss' Politische Philosophie und seine Platon-Würdigung 135 Schluß 151 Literaturverzeichnis 159 ; Platon geht in seiner Argumentation von einem fiktiven Zustand aus, in dem die Menschen sich nur als Einzelindividuen gegenüberstehen. Diesem Zustand ist es vorzuziehen, daß die Individuen eine soziale und politische Gemeinschaft bilden. Die Entscheidungssituation wird von dem Vorteil des Zusammenschlusses gegenüber dem Naturzustand bestimmt. Der Zusammenschluß ermöglicht das Genießen des Besitzes und ein Leben in Frieden und Sicherheit. Die notwendige Vergesellschaftung des Menschen und damit die Staatsentwicklung wird von Platon zunächst utilitaristisch begründet. Der Staat ist für Platon im Wesen des Menschen begründet. Platons Naturrechtstheorie beruht auf der Voraussetzung, daß die Gesetze der Natur nicht widersprechen dürfen, da Naturordnung und Vernunft als identisch aufgefaßt werden. In einem schrittweisen Übergang von der naiven Kosmologie zu einer reflektierten Anthropologie hat die Kritik an Religion, Brauch und Sitte die archaische Einheit des alten Nomosbegriffs zerstört. Der Nomos ist nun eine Setzung ohne Begründung und Autorität. Ein vom Menschen allein gestalteter Nomos kann keine Seinskraft besitzen, sondern nur ein ...
Rezensiertes Werk: Tiedemann, Paul (Hrsg.): Right to Identity – Proceedings of the Special Workshop "Rightto Identity" held at the 27th World Congress of the International Association for Philosophy of Law and Social Philosophy in Washington DC, 2015, Nomos, 2016, 188 S., ISBN 978-3-8487-3012-4
In his Prolegomena to Historiosophy, published in 1838, August von Cieszkowski wrote that we are at the turning point in history, when facts turn into deeds. This raises the question of what is actually to be understood by the term "deed" [Tat] and why, the hour of the deed should have come precisely now. After focusing on Hegel's concept of a history of freedom, I will present two models of understanding action and conclude by discussing their consequences. More specifically, I will undertake a search that will lead us – by way of a detour via Hegel's Phenomenology of Spirit – to Fichte's concept of the act of doing. That socio-political practice can be justified in this way, however, is denied by those who argue that society and politics in Hegel fall under the category of objective and not of absolute spirit. The alternative model of action that I will focus on, concerns action in relation to objects, or labour, a model that Hegel had already worked out in Jena, and that Marx will re-discover (rather than invent) and further develop.
Die These einer globalen Urbanisierung beansprucht bei Lefèbvre eine umfassende geistige Konfrontation, die im Übergang von ruralen zu urbanen Strukturen zentrale Elemente von gesellschaftspolitischer und philosophischer Relevanz aufzeigt. Von der konkreten politischen Situation im Paris der sechziger Jahre ausgehend, entfaltet sich Lefèbvres provokative These von der Auseinandersetzung mit der "Praxis" als Kritik des Alltags ("critique de la vie quotidienne") über entwicklungstheoretische Fragestellungen und Konzepte bis hin zu ästhetischen Debatten um zentrale Probleme des Urbanismus'. Unterschiedlichste Aspekte werden schrittweise in ein umfassendes Konzept eingebunden. Einerseits die praxisorientierte Ausrichtung der These der globalen Verstädterung, die am politischen und gesellschaftlichen Alltag dokumentiert wird, andererseits die philosophische Dimension, die Schaffung einer zweiten Natur, der urbanen, ausgehend von der ursprünglichen, der ruralen als Entfaltungsprozess des Menschen. Beiden Lesarten, die sich zum Teil ergänzen, zum Teil schwer in ein schlüssiges Konzept einzubinden sind, wird in der Arbeit Rechnung getragen. Die philosophische Ausrichtung wird anhand der Bezüge zum praktischen und theoretischen Umfeld sowie der Einbindung in das Gesamtwerk progressiv erarbeitet. Die Arbeit am Original, allein schon durch die zum Teil irreführenden Übersetzungen und die Sperrigkeit einiger Textpassagen unumgänglich, steht für die Intention einer Wiedergabe und einer Interpretation aus erster Hand. Die Schwierigkeiten und Herausforderungen einer möglichst umfassenden Darstellung bestehen in der Tatsache, dass Lefèbvres Texte zur Stadt auf unterschiedlichen Ebenen zu lesen sind. Methodisch begegnet die Arbeit der These der globalen Verstädterung mit einer Darstellung von "La révolution urbaine", um darauf aufbauend, zentrale Elemente und Aspekte erneut aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Im Laufe der Arbeit ergibt sich eine zunehmende Verdichtung, die es erlaubt, die These der globalen Verstädterung als Kernaussage der Philosophie Lefèbvres 'fugenartig' darzustellen und zu deuten. Die Stadt als "oeuvre" und die globale Urbanisierung als "oeuvre total" zu bestimmen, erlaubt die "strategische Hypothese" der globalen Verstädterung über jede soziologische Dimension hinaus im "praxisphilosophischen" Zusammenhang zu deuten und Lefèbvre in philosophischen Kontext zu setzen. Der Bezug zur Gegenwart ergibt sich durch eine selektive Bestandsaufnahme, sowie den Versuch die These der Urbansierung zu aktualisieren. Fernand Mathias GUELF ; With Lefèbvre the theory of global urbanization requires a comprehensive intellectual confrontation, which manifests central elements of sociopolitical and philosophical relevance in the transition from rural to urban structures. Taking the concrete political situation in Paris in the sixties as a starting point, Lefèbvre's provocative thesis that the examination of "praxis" is a critique of everyday life ("critique de la vie quotidienne") develops from questions and concepts of evolution theory, leading on to aesthetical debates concerning central problems of urbanism. Widely differing aspects are integrated step by step into a comprehensive concept. On the one hand the practical orientation of the theory of global urbanization, documented by political and social everyday life, on the other hand the philosophical dimension, the creation of a second, urban nature, originating from the rural, as a process of human development. Both versions, partly complementary, partly difficult to integrate into a conclusive concept, are taken into account in the dissertation. The philosophical alignment is elaborated progressively by means of references to the practical and theoretical context and by integration into the complete works. The use of the original text, unavoidable due to some misleading translations and the unwieldiness of several passages, stands for the intention of a firsthand representation and interpretation. The difficulties and challenges in providing as comprehensive a portrayal as possible lie in the fact that Lefèbvre's writings about the city can be read on different levels. Methodologically, the dissertation responds to the theory of global urbanization with a portrayal of "La révolution urbaine", as a base from which to take up central elements and aspects anew and develop them further. In the course of the dissertation a gradual consolidation takes place, which allows the theory of global urbanization to be portrayed and interpreted "fugally" as the central statement of Lefèbvre's philosophy. Defining the city as "oeuvre" and global urbanization as "oeuvre total" allows the "strategic hypothesis" of global urbanization to be interpreted within the context of the philosophy of praxis, above and beyond any sociological dimension, and Lefèbvre to be placed in a philosophical context. The relation to the present day results from a selective evaluation and from the attempt to update the theory of urbanization. Fernand Mathias GUELF
Ziel der Arbeit ist es, Nietzsches Verwendung ästhetischer Kategorien zur Begriffsbestimmung der Individualität zu vertiefen. Die These situiert Nietzsches Denken innerhalb einer umfassenderen Interpretation der Moderne und des modernen ästhetischen Diskurses und zeigt, wie Nietzsche gerade durch die Radikalisierung bestimmter ästhetischer Kategorien (Genie, Bildung, Tragödie etc.) eine umfassende Kritik des modernen Subjektbegriffs durchführen konnte. Diese kritische Operation ist ihm nämlich möglich, weil der moderne ästhetische Diskurs das diskursive Mittel darstellt, welches die Moderne entwickelt hat, um einige ihrer zentralen Widersprüche zu theoretisieren und zu bearbeiten. Indem Nietzsche die Autonomie des ästhetischen Diskurses selbst kritisiert und gleichzeitig seine Logik auf den moralischen und politischen Bereich ausdehnt, entwickelt er somit nicht nur eine Kritik der wichtigsten ästhetischen Institutionen, sondern auch eine radikale Kritik der Moderne. ; The aim of this thesis is to investigate Nietzsche's use of aesthetic categories to conceptualise individuality. The investigation situates Nietzsche's thought within a broader interpretation of modernity and modern aesthetic discourse, showing how precisely through the radicalisation of certain aesthetic categories (Genius, Bildung, Tragedy etc.) Nietzsche could undertake a comprehensive critique of the modern concept of the subject. This critical operation is possible because modern aesthetic discourse represents the discursive device that modernity has developed to theorise and address some of its central contradictions. By critiquing the autonomy of aesthetic discourse and by extending at the same time its logic to the moral and political realms, Nietzsche thus develops not only a critique of the major aesthetic institutions, but also a radical critique of modernity. ; Lo scopo della tesi è di indagare l'uso delle categorie estetiche da parte di Nietzsche per concettualizzare l'individualità. L'indagine situa il pensiero di Nietzsche all'interno di un'interpretazione generale della modernità e del discorso estetico moderno, mostrando come proprio attraverso una radicalizzazione di alcune categorie estetiche (Genio, Bildung, Tragedia) Nietzsche abbia avviato una critica complessiva del concetto moderno di soggetto. Questa operazione è possibile perché il discorso estetico moderno rappresenta il dispositivo discorsivo che la modernità ha sviluppato per tematizzare e risolvere alcune delle proprie contraddizioni centrali. Criticando l'autonomia del discorso estetico ed estendone al contempo la logica al campo morale e politico, Nietzsche sviluppa così non solo una critica delle maggiori istituzioni estetiche, ma anche una critica radicale della modernità.
Der Beitrag dient als Beispiel der Ermöglichung von Permeabilität zwischen Philosophie und Geschichte im Rahmen der Erziehungswissenschaft. Er behandelt die epistemologischen, materiellen, politischen und kategorialen Bedingungen, von denen einige eine Trennung der Geschichtswissenschaft von der Philosophie initiieren, während andere dazu beitragen, dass einerseits die Geschichte von der Philosophie und andererseits die Philosophie von der Geschichte profitieren kann. Es wird aufgezeigt, welcher erwartete Zugewinn sowohl für die Philosophie als auch für die Geschichtswissenschaft durch gegenseitige Offenheit innerhalb der Erziehungswissenschaft erzielt werden kann. Eine stärkere Integration philosophischen Denkens in die Bildungsgeschichte und umgekehrt kann auf beiden Seiten blinde Flecke, unhinterfragte methodologische Archetypen und scheinbar unumgängliche mentale Dispositionen zur Sprache bringen, deren Reflexion zur Bereicherung der erziehungswissenschaftlichen Forschung beitragen kann. (DIPF/Orig.) ; The contribution serves as an example of enabling permeability between philosophy and history within the framework of educational science. It deals with the epistemological, material, political, and categorical conditions, some of which initiate a separation of historical science from philosophy, whereas others allow, on the one hand, for history to profit from philosophy and, on the other, for philosophy to profit from history. It is shown how much is to be gained by both philosophy and historical science through reciprocal openness within educational science. A greater integration of philosophical thought into education history and vice versa may draw attention to blind spots on both sides, to unchallenged methodological archetypes and seemingly unavoidable mental dispositions, the reflection of which may contribute to an enrichment of educational research. (DIPF/Orig.)
Thomas Elsaesser publiziert seit den1990er Jahren rege zu zahlreichen filmhistorischen und -theoretischen Themen und hat, gemeinsam mit Malte Hagener, eine der bis dato besten Einführung in die Filmtheorie (Filmtheorie zur Einführung, 2009) verfasst. Seit der Jahrtausendwende beschäftigt sich Elsaesser überdies mit dem sich National- und Studiogrenzen entziehenden 'Europäischen Kino'. Dazu erschien 2004 mit European Cinema. Face to Face with Hollywood eine Monographie, in welcher er das 'Filmfestival-Netzwerk' als zentralen Akteur im Bereich des europäischen Kinos identifiziert und vorschlägt, den europäisch konnotierten Autor_innenfilm zu 'globalisieren' ("the global auteur"). Die jüngste Veröffentlichung European Cinema and Continental Philosophy. Film as Thought Experiment verschränkt nun zwei der Fragestellungen, welche in den oben genannten Publikationen bereits angeschnitten wurden: Den kritischen Versuch Film philosophisch zu betrachten (in der Filmtheorie im Kapitel 'Geist und Gehirn' verhandelt), verbunden mit der Frage, was das europäische Kino womöglich – trotz oder wegen dessen Marginalisierung und Disparität – ausmacht. Dabei geht Elsaesser von drei Grundannahmen aus: Erstens hat die gegenwärtige kontinentale Philosophie, insbesondere dann, wenn sie auf die Aufklärung Bezug nimmt, etwas über Film zu sagen. Zweitens sollte der Identitätsverlust und die Marginalisierung des europäischen Kinos als Chance für eine – drittens – Neubetrachtung des Films gesehen werden. Dazu führt er sein erstes leitendes Konzept ein, das Gedankenexperiment ("thought experiment"). Filmische Gedankenexperimente sind demnach Filme, die selbstreflexiv Regelbrüche (stilistisch, formal etc.) praktizieren, narrative 'What if?'-Situationen herstellen und somit philosophische Prinzipien auf ihre Validität prüfen. Gedankenexperimente rütteln an den Grundfesten des Denkens und adressieren das Publikum auf neue Art, insbesondere darin, dass sie Film vom Zwang repräsentativ zu sein (hinsichtlich Identität, Realität) befreien. Sie können somit als politische Ethik verstanden werden, im Sinne einer Begegnung mit 'einem Anderen'. In den weiterführenden Kapiteln (2 und 3) geht Elsaesser näher auf die Wechselbeziehung von Film und Philosophie ein. Dabei fokussiert er sich auf die kontinentale Philosophie, überwiegend auf die französische. Neben Alain Badiou, Jacques Rancière, Jean-Luc Nancy und Gilles Deleuze wird außerdem Slavoj Žižek wiederholt referenziert. Bei der Lektüre dieser Kapitel stellt sich der Eindruck von Ruhelosigkeit ein, hervorgerufen einerseits durch die verknappten Anrisse komplexer Themen und großer Fragen ("A new ontology of film", S. 26-31," "The wider horizon: what is cinema good for? S. 31; "Cinema – humanism's last hope or the true face of technological determinism?", S. 32), andererseits durch die Zitationsweise des Autors: Denn oft wird nicht mit Primärquellen belegt, sondern mit Artikeln diverser Fachmagazine und einmal muss gar ein Wikipedia-Eintrag zur Begriffsdefinition herhalten ("Ontology", S. 28). Das könnte man als willkommenen Regelbruch verstehen, doch vielmehr gewinnt man den Eindruck, an repräsentativen Theorie-Gebäuden vorbei zu joggen, anstatt sie zu besichtigen. Dass sowohl die Aufklärung als auch Europa bereits Gedankenexperimente sind, beschäftigt Elsaesser im 4. Kapitel "'Europe' A Thought Experiment". Ausgehend vom derzeitigen Krisenzustand Europas/des Kinos plädiert er dafür, die Perspektive auf die Krise zu ändern, d.h. die Defizite als Vorteile ("assets", S.85) zu sehen. Hierzu fühlt er – mit einem treffsicheren Gespür für aktuelle Debatten – den Defiziten und Versprechen der aufklärerischen Proklamationen 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' auf den Zahn. Als Brückenschlag zwischen diesen, im Antagonismus verbundenen, ethischen und politischen Forderungen der Aufklärung, bietet Elsaesser – unter Bezugnahme auf Agamben und Lévinas – abschließend die Idee der 'einvernehmlichen Einmischung' ("mutual interference", S. 116 f.) an. Neben der 'einvernehmlichen Einmischung' und dem 'Gedankenexperiment' ist das 'Abjekt' der dritte Begriff, denn Elsaesser im Folgekapitel vorstellt: Das psychoanalytische Konzept von Julia Kristeva, welches in der Filmwissenschaft gerne im Zusammenhang mit dem Körperhorrorgenre zitiert wird – denn Kristevas 'Abjekt' (lat. abiectum: das Verworfene) wird mit den Affekten Ekel, Abscheu, Angst assoziiert – denkt Elsaesser politisch: Nämlich als handlungsmächtige Position zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Gemeinschaft und Individuum. Demnach kann das Abjekte im Film sowohl durch die Figuren und deren negative/destruktive Beziehung zu tradierten Gesellschafts- und Beziehungsformen zum Ausdruck kommen als auch durch die Adressierung und Positionierung der Zuschauer_innen, die somit zu "abject spectators" (S. 147 f.) werden. Außerdem kann der/die Filmschaffende innerhalb eines medienökologischen Systems ebenso zum 'Abjekt werden' wie ein Film (was sich oft in einer Schock-Reaktion äußert, beispielsweise bei Antichrist von Lars von Trier, dem 'Abjekt-Regisseur' schlechthin). Ein Kino des Abjekten ("cinema of abjection", S.219 f.) wird von postheroischen Narrativen getragen, von Narrativen, die anstelle des Konsens auf Dissens setzen und dabei das Verhältnis Individuum/Gesellschaft thematisieren. Im zweiten Teil des Bandes (Kapitel 7-11) arbeitet Elsaesser die vorgestellten Konzepte anhand einzelner Filme und Filmautor_innen heraus. So kann man anhand von Claire Denis Beau Travail eine Verschränkung des Nancy'schen Konzepts der (undarstellbaren) Gemeinschaft mit abjekter Körperlichkeit anschaulich nachvollziehen. Am Beispiel von Aki Kaurismäkis The Man Without A Past verbindet Elsasser seine Idee der 'einvernehmlichen Einmischung' mit einem auf Filmbilder und -gegenstände ausgeweiteten Agency-Denken. Dieses wird in dem Aufsatz zu Fatih Akin aufgegriffen und zu einer, gegen liberalen Multikulturalismus gewendeten, ethischen Handlungsmacht ("ethical agency", S.224) transformiert. Mit Lars von Triers Melancholia veranschaulicht Elsaesser nochmals die Idee des Gedankenexperiments, welches interessante Gedankensprünge von (innerfilmischen) Endzeitszenarien über das Konzept der Melancholie hin zur Digitalisierung des Kinos zulässt. Christian Petzolds Barbara bietet Gelegenheit, das Abjekte auf eine Nation – die 'Leiche' der DDR – auszudehnen und befragt damit Modi der Selbst-Exotisierung, für welche im deutschsprachigen Raum (nostalgieummäntelte) DDR-Themen paradigmatisch einstehen. Das abschließende Kapitel des Bandes ist ein Plädoyer für eine 'politique des auteurs', mithilfe derer es möglich sein sollte, die (durch Festivalpolitiken strukturierte) europäische Filmkultur von innen her zu reformieren und Film als eine Form von Philosophie zu begreifen. Dieser Appell führt zusammen, was sich als roter Faden durch das ganze Buch zieht: eine Wiederaufwertung des menschlichen Akteurs (als Filmfigur, als Regisseur_in, als Philosoph_in, Bürger_in), welcher in dem Sinne Abjekt ist, dass er/sie sich als Außenseiter_in innerhalb eines sich im Widerstreit befindlichen Systems bewegt. European Cinema and Continental Philosophy. Film as Thought Experiment ist eine Zusammenstellung bereits publizierter Aufsätze (Kapitel 1 und 7-12) und eigens für das Buch verfasster Kapitel. Diese Strategie, die Elsaesser bereits im angesprochenen European Cinema. Face to Face with Hollywood gewinnbringend anwandte, führt hier allerdings zu einer Häufung von Verweisen auf Kommendes und Zusammenfassungen von bereits Gesagtem. Das hat offensichtlich den Zweck, die in verschiedenen Kontexten verfassten Kapitel stärker aneinander zu binden, geht aber zulasten der Lesefreundlichkeit. Die argumentative Nachvollziehbarkeit der Kern-Konzepte, die Elsaesser bevorzugt mithilfe triadischer Begründungsmuster erläutert, wird durch die leichten definitorischen Abweichungen innerhalb der einzelnen Kapitel erschwert. Weshalb, fragt man sich am Ende der Lektüre, ist Film nun doch eine Art Philosophie? (S. 299) – wo doch Elsaesser anfangs das Gedankenexperiment einführte, um sich der Film-Philosophie-Debatte zu entziehen? ("It is to stake a more modest claim, or rather to explore and test a more modest proposal: not necessarily that films can think, but rather that a certain class of films may be best understood as borrowing the rhetorical strategies of a thought experiment. Whether this makes them 'philosophy' is a question I leave open, not least because I am neither a trained philosopher, nor do I intend to become a film-philosopher", S. 21). Dies verweist auch auf die grundsätzliche Problematik der drei Konzepte, die in ihrer Offenheit wie Schirmbegriffe anmuten – beispielsweise 'das Abjekte': Könnte man dieses Konzept in Elsaessers Lesart nicht auf fast jede gesellschaftskritische 'Außenseiter-Erzählung' zuschneiden? Auch bei der stark kanonisierten Auswahl der 'certain class of films' sowie der zitierten Philosoph(inn)en und beim Ruf nach postheroischen Narrativen hält man als Leserin inne: Welche heroischen Narrative hatte denn das europäische Kino bis dato zu bieten? Abschließend sei angemerkt, dass das eklektizistische 'zu viel' dem Thema European Cinema and Continental Philosophy inhärent und eine konzise Linie nicht zu erzwingen ist. Diejenigen, die sich mit europäischem Kino und dessen komplexen, interdisziplinären Verzweigungen beschäftigen möchten, werden auf kraftvolle Denkanstöße treffen – insbesondere dann, wenn man das Buch als Essayband begreift und liest.
Rezension von: Mark E. Jonas / Douglas W. Yacek: Nietzsche's Philosophy of Education. Rethinking Ethics, Equality and the Good Life in a Democratic Age. London: Routledge 2019 (195 S.; ISBN 978-1138544512; 124,27 EUR).
In der Medien- oder Informationsgesellschaft unserer Tage sind die Menschen einer Flut von Vorschlägen und Forderungen ausgesetzt, welcher Auffassung sie bezüglich ethischer und staatsphilosophischer, aber auch ganz privater, gleichsam lebensphilosophischer Fragestellungen sein sollen. Unter diesen Vorschlägen in nicht-beliebiger Weise die geeigneteren auszuwählen, unangemessene Forderungen jedoch aus sachlichen Gründen zurückzuweisen, ist für deren Bürger alles andere als einfach, sondern eine wirklich schwierige Aufgabe; - zumal in einer pluralistischen Gesellschaft der Rekurs auf örtliche Traditionen keine allgemeine Verbindlichkeit stiften kann. Zwar ist der Rückzug in ein juste milieu immer möglich; doch bleibt er systematisch, was er in menschlicher Hinsicht ist: Ein Rückzug. In dieser Situation Rat zu schaffen, ist das Ziel von Wissenschaftstheorie und Wertung. Dabei wird natürlich nicht prätendiert, der Verfasser wisse um das Wesen des Guten Lebens oder des Gerechten. Es geht vielmehr darum, geeignete Auswahlwerkzeuge vorzustellen, die da unabhängig von örtlich beschränkten Teiltraditionen und den Vorlieben des Verfassers nicht sinnvoll als beliebig bezeichnet werden können. Wissenschaftstheorie und Wertung schlägt vor, diese Auswahlwerkzeuge in den Ergebnissen der Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus von Karl Popper und jenen zu erblicken, die den Popperschen Ansatz kritisch weiterverfolgt haben. Die Wissenschaftslogik bietet einen von örtlichen Kulturemen weitestgehend unabhängigen Maßstab einer ihrer wesentlichen Züge ist ja, daß das Geschlecht, die Hautfarbe oder religiöse Orientierung dessen, der ein Argument vorträgt, keine Rolle spielen soll , und der Nachweis, daß es sich bei der Wissenschaftslogik um etwas äußerst Grundlegendes handle, ist sehr einfach ex negativo zu führen. Der Wertproblematik wird dabei durch verschiedene technisch-methodologische Maßnahmen Rechnung getragen. Die Argumentation von Wissenschaftstheorie und Wertung ist einfach und übersichtlich: Zunächst wird aus Poppers Aufsatz Die Zielsetzung der Erfahrungswissenschaften ein methodisches Prinzip gewonnen. Anschließend werden die Ergebnisse der Wissenschaftstheorie zu Regeln adaptiert, anhand derer man Vorschläge über das Gute Leben und das Gerechte wie Material prüfen kann. Die so gewonnenen Regeln wirken also wie Denk-Werkzeuge, mit denen die Menschen ungeeignete von eventuell geeigneten Vorschlägen bezüglich ethischer und staatsphilosophischer Dinge unterscheiden können. Natürlich ist bei alledem das Verhältnis von Prüfregeln und methodischem Prinzip ein streng systematisches; d.h. es werden nur solche Regeln aufgenommen, die der Verwirklichung des methodischen Prinzips tatsächlich dienen, und die Gesamtheit der Regeln soll für die Umsetzung des methodischen Prinzips hinreichend sein. Die Prüfregeln werden in vier Gruppen vorgestellt, geordnet nach den Forderungen: 1.Daß die Vorschläge keine Sätze enthalten mögen, die nachgewiesenermaßen falsch sind; 2.einen größtmöglichen Anteil von Sätzen enthalten sollen, die falsch sein können (wobei die Fakt/Wert-Unterscheidung zu berücksichtigen ist); 3.Umfassendheit zeigen sollen und 4.systematische Tiefe an den Tag legen mögen. Wenn man in dieser Weise vorgeht, bedarf man keiner gesonderten Brückenprinzipien , wie sie Hans Albert vorschweben. Inhaltlich betrachtet, entsteht aus der Anwendung von Prüfkriterien, die der Wissenschaftstheorie entstammen, eine robuste, weil systematisch tiefe und von örtlichen Traditionen unabhängige Legitimation der Liberalen Demokratie. Wie es aus kritizistischer Perspektive nicht anders sein kann, handelt es sich dabei um eine Legitimation ex negativo, den Ausschluß konkurrierender Vorschläge bezüglich staatsphilosophischer Angelegenheiten. Wo es um gleichsam innerdemokratische Fragestellungen geht, schließt das Prüforganon von Wissenschaftstheorie und Wertung sowohl paternalistische, als auch radikalliberale (libertarian) Vorschläge aus. Verschiedene weitere Implikationen lassen sich ablesen oder selbst ziehen. Hinsichtlich privaterer, lebensphilosophischer Sorgen und Träume schließlich eignet dem Prüfapparat eine besondere Schutzfunktion. Wie sich nämlich im Durchführungsteil erweist, hat keine einzige der in Feuilletons und anderswo verbreiteten Verzweiflungsreligionen Bestand. Folglich wird sich ein Mensch, der mit solchen Prüfregeln vertraut ist, deren Herleitung und Legitimation selbst verstanden hat, von Schreckgespenstern wie Sinnverlust , Solipsismus und Relativismus, von anti-europäischen Schlagworten wie der Phrase intellektueller Imperialismus , von der Vergottung des Kunstlosen in der Kunst und was dergleichen mehr sein möchte, nicht mehr schrecken lassen. Dies ist ganz sicher ein besonderer Akzent der vorliegenden Arbeit, zumal Wissenschaftstheoretiker über derartig unnütze Fragestellungen nur selten nachdenken. Eine Reflexion über die Grenzen des vorgestellten Ansatzes beschließt Wissenschaftstheorie und Wertung. ; Liberal Democracy embedding the principles (or virtues) of pluralism and tolerance, always finds itself threatened by the onslaught of anti-liberal ideologies, such as theocratic propaganda, the variants of Marxism, fascist thought-clusters etc. Therefore, defending Liberal Democracy is always important, but, under the conditions of pluralism, not in every case trivial, as far as the philosophical foundations for such a defence are concerned. The option human rights endowed by God does not pierce deeply enough in a pluralist world, if ever it did. Furthermore, modern pluralist society is often scorned to make intellectual orientation more difficult or even impossible for its own citizens. In the turmoil of competing ideologies, beliefs and counterbeliefs, commandments and quasi-pedagogic recommendations, citizens of modern pluralist societies feel a pressing demand for a means of measurement, or set of criteria, to select among all these ethical, aesthetical, or political proposals. But whence can they obtain them? And how can they prove that their selection criteria are not ideological or a mere quodlibet themselves, since such measuring ideologies by ideologies would destroy the very idea of true intellectual orientation? This is the problem situation which Wissenschaftstheorie und Wertung tries to mend. In order to do this , a method of weak presuppositions is followed to show ex negativo that the (expanded) logics enabling us to make scientific discoveries constitute a proper criterion which can be used to check ethical or political propositions. This criterion is non-ideological in all possible senses, for the logic of science itself urges us to ignore the race, sex or religious affiliation of the person arguing. Since the inner ways of science are best explored by Popper and his constructive Critics, Wissenschaftstheorie und Wertung develops the organon of Critical Rationalism into easily usable thought-tools which enable the citizens of pluralist societies to select among all the ethical and political propositions they hear, read, or otherwise glean. With the right methodological steps, such a development is possible without any blur on the fact/value-dichotomy which remains fully respected in the given approach. Technically , Wissenschaftstheorie und Wertung gains a methodological principle from Poppers Essay The Aim of Science , realized by a set of methodological rules or selection criteria. The ethical or political proposals available on the ideology market serve as material for inspection. Ethical or political propositions not refuted by the methodological apparatus might be called suitable or less bad : They constitute what is recommended by Wissenschaftstheorie und Wertung again ex negativo. It should be noted here that the given approach does not need special Brueckenprinzipien , or principles to bridge the gap between science and ethics , as suggested by Hans Albert. The problem of how to legitimate such Brueckenprinzipien seems therefore solved. Materially , the thought-tools of Wissenschaftstheorie und Wertung provide a robust legitimation (of course, ex negativo) of Liberal Democracy, not erodable by cultural relativism and not dependent on any overlapping consensus of Rawlsian provenience. Paternalistic proposals are refuted by its organon as well as libertarian ones, which are blind for the necessity of rational social politics. Concerning more private ethical matters, Wissenschaftstheorie und Wertung serves as an antidote against many a gloomy ideology, usually called modern or deeply thought , such as solipsism, ethical or even epistemological relativism, reductionism of psychoanalyst style, or aesthetical brutalism. This nuance might turn out to be important, since the tradition of continental Lebensphilosophie, or existentialism, has the semblance of being in love with the depressing or even schizophrenogene. With a reflection on the bounds of the given approach and on the twofold nature of the ethical Wissenschaftstheorie und Wertung closes.