In: Swiss political science review: SPSR = Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft = Revue suisse de science politique, Band 10, Heft 1, S. 137-140
Sozialer Raum und Ursprung der 'Klassen'. Die Konstruktion einer Theorie des sozialen Raums als mehrdimensionaler Raum von Positionen setzt einen Bruch mit jenen beiden Tendenzen voraus : der Privilegierung einer realistischen Erfassung von Gruppen auf Kosten von Relationen und der Vermischung von theoretischer Klasse als einem Bereich dieses Raums mit realer und effektiv mobilisierbarer Klasse. Allerdings mussen in die Konstruktion des Soziologen die spontanen, vorwissenschaftlichen Konstruktionen der Akteure eingehen : die Wahrnehmung von sozialer Welt impliziert einen in der Regel praktisch, aufierhalb expliziter Vorstellungen und auf der Grundlage eines Sinns für die je eigene soziale Position sich vollziehenden Konstruktionsakte. Aus dieser Logik heraus läßt sich Politik definieren als Kampf um Durchsetzung einer legitimen Wahrnehmung von sozialer Welt und der Staat als Instanz mit der Macht zur legitimen Benennung, d.h. der Macht zur offiziellen Durchsetzung einer legitimen Sicht von sozialer Welt. Die Wissenschaft, die zu klassifizieren (z.B. im Raum des Sozialen zu verteilen) erlaubt, begründet eine Wissenschaft vom Kampf der Klassifizierungen, und namentlich von der spezifischen Logik des politischen Feldes, das durch ein Verhältnis strukturaler Homologie mit dem sozialen Feld insgesamt verbunden ist. Letzten Endes geht es um das Verständnis jenes alchimistischen Prozesses, worin sich Gruppen und zumal die so genannten Klassen, diese Art wohlbegrundeter Mythen, entwickeln.
Die waschpritschen, waschküchen und wäscherei : beziehnungen zwischen privaten undöffentlichen raümen. Im Elsass verdankt die zunehmende Entwicklung der öffentlichen Waschhäuser ihren Erfolg vor allem den eifrigen Bestrebungen der Hygienisten und der Wohltatigkeitskomitees im 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts. In den Stadten und Dörfem erscheint das öffentliche Waschhaus als ein Raum der den niedrigsten sozialen Sschichten bestimmt ist. In den wohlhaben-den Schichten besitzt man meinstens ein privates Waschhaus. In den zwanzigem Jahren konnte man ein Waschhaus kaum noch entbehren. Da wird allmahlich eine Verschiebung des eints gemeinschaftlichen Raumes zu einem halbgemein-schaftlichen entstehen. In den sechzigern Jahren neigt er im Inneren des Hauses sich zu verkleinern. Weil eben das Waschen als eine private Sache aufgefasst wurde, horte man damit auf das öffentliche Waschhaus, das lange als ein öffentliche Dienst betrachtet wurde, zu verteidigen. Aus dieser Verwandlung des Raumes entstand eine Verschlechterung der zozialen Beziehungen sowohl in den Stadten als in den Dörfern. Von nun an werden sich nueu Strategien in der Besorgung der Wäsche entwickeln : ein privät individuelles System und nationale oder internationale Handelssysteme, die sich unteranderem im Reinigen und Vermieten der Wäsche an die Gemeinschaften spezialisiert haben.
Die Restrukturierung des Dorfes als Raum Ist das Dorf immer eine geeignete Analyseeinheit, um die bäuerliche Welt zu untersuchen ? Die praktischen Probleme, die bei der Begrenzung eines westfranzösischen Dorfes als Untersuchungseinheit auftraten, führen zu einer Infragestellung des Begriffes "Grappe dcr Dorfbewohner" and der Dorfmonographie als Untersuchimgsmethode. Sind die geographische Mobilitäat der Dorfbewohner, die Ausdehnung der täglich zurückgelegten Entfernungen, niit einem Wort die Veränderimgen des sozialen Raumes der Bauern, nicht Phanomene, die eine rein geographische Abgrenzung des Untersuchungsraumes untersagen ? Das Dorf, das weder ein geschlossener Mikrokosmos ist, noch eine einfache Zusammenfassung von Bewohnern ohne Beziehungen untereinander, hat eine Zwischenstellung, die es erlaubt, die Frage nach den Beziehungen zwischen sozialen Gruppen und geographischem Raum zu stellen.
Die Jugendlichen im öffentlichen Raum zurückhaltend gegenüber Institutionen ? Anhand einer Studie, die in Grosssiedlungen von Rennes durchgeführt wurde, befragen die Autoren die Jugendlichen über ihre Präsenz im öffentlichen Raum und ihre Beziehungen zu den Institutionen. Sie unterscheiden dann 2 Jugendtypen : die "Dorfbewohner" und die "Reisenden ".
Nach der Unabhängigkeit übernahmen die afrikanischen Staaten fast unverändert die Verwaltungspraxis aus der Kolonialzeit, wonach der städtische Raum von einer modernen Zivilgesellschaft organisiert wurde, während der ländliche Raum traditionellen Eliten zugewiesen wurde: eine moderne Version des "indirect rule". Dezentralisierung sollte diesen Dualismus überwinden. Bisherige Erfahrungen haben aber gezeigt, daß es sehr schwierig ist, dieses Ziel zu erreichen. Dies wird anhand von Beispielen aus Senegal, Mali, Benin, Burkina Faso und Ghana in den 80/90er Jahren belegt. (DÜI-Wgm)
Der Weinberg des Herrn und der Acker der Heiligen. Die Migrationen der Puritaner im atlantischen Raum. Die Migrationen der Puritaner waren nicht auf Neu-England beschränkt, sondern erstreckten sich während des 17. Jahrhunderts über den gesamten atlantischen Raum. Dieser Artikel untersucht die von den puritanischen Gemeinschaften in ihren sehr unterschiedlichen Siedlungsräumen vorgefundenen Lebensbedingungen und zeigt auf, weshalb für ihre dauerhafte Niederlassung schließlich nur Neu-England infrage kam.
Der Verfasser untersucht Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur ländlicher Räume in Frankreich, die sich als sehr vielfältig erweist, je nachdem, ob es sich um sich entvölkernde, peri-urbane oder "lebende ländliche Räume" handelt. Die Landwirtschaft spielt eine immer geringere Rolle; dagegen entwickelten sich zahlreiche nichtlandwirtschaftliche Aktivitäten und Wirtschaftszweige. Eine kohärente Raumordnungspolitik sollte auf Erhaltung und Entwicklung der Infrastruktur bedacht sein. (IAB)
Das literarische Feld. Als theoretische Bilanz einer Anzahl empirischer Studien stellt dieser Text Grundlagen dar einer Methode zur Analyse kultureller Werke, im vorliegenden Fall besonders literarischer Werke. Das Vorgehen umfasst drei Momente : die Analyse der Position des kulturellen Produktionsfeldes im Macht-Feld (die hier zur Erhellung der ambivalenten Position der konservativen Intellektuellen führt : diese sind als - temporell - dominante, aber - symbolisch - dominierte innerhalb eines insgesamt dominierten Universums in einer prekaren Situation) ; die Analyse der Struktur und Funktionsweise des literarischen Feldes selbst ; schliessli-ch die Analyse der Laufbahnen der Schriftsteller innerhalb dieser Räume. Das literarische Feld, relativautonom, bleibt dennoch beherrscht von der Konkurrenz zwischen zwei unabhangigen, ja antagonistischen Hierarchisierungsprinzipien : einem internen, dem mit der Anerkennung durch die Schriftstellerkollegen verbundenen symbolischen Kapital, einem externen, dem durch mondänen Erfolg gewonnenen ökonomischen und politischen Kapital. Es ist der Ort unaufhörlicher Kämpfe, und primär um die Voraussetzungen der Zugehörigkeit zum Kampf, d.h. der Grenzen des Feldes selbst. Gegen die neo-marxistische Sicht (Lukacs, Goldman), die den Raum der Werke in eine direkte Beziehung setzt zum sozialen Raum in seiner Gesamtheit, wie gegen die neohegelianische Sicht (Tynjanow, Foucault), die dem System der Werke völlige Autonomie konzediert und dessen Transformation im Zeitverlauf als Produkt seiner eigenen Logik denkt, wird hier die These vertreten, dass das Prinzip des Raums der Stellungnahmen, d.h. der Strategien mit dem Ziel der Veränderung oder des Erhalts des Feldes, in diesem als Feld von Positionen, Stellungen selbst liegt. Das Spiel selbst aber, der Wert der Einsàtze, folglich die Kàmpfe um ihre Erringung, existieren und iiberdauern nur vermittels der Investition in das Spiel, seiner Besetzung, die das Spiel selbst unaufhörlich produziert und reproduziert. Um die literarischen Werke angemessen zu verstehen, muss also sowohl der Raum der (stilistischen, formalen usw.) Möglichkeiten, die jedem Schriftsteller zu einem bestimmten Moment in der Geschichte des Feldes vorgegeben sind, beriicksichtigt werden als auch die Dispositionen gegenï-ber diesen Möglichkeiten - Dispositionen, die sich seiner Stellung innerhalb des Feldes und der Laufbahn, die ihn dahin gebracht hat, verdanken. Soziale Herkunft wirkt sich nie unmittelbar und mechanisch aus : sie wird durch die gesamte Geschichte des Feldes vermittelt.
Abidjan vereint Stadtplanung und anarchische Entwicklung. Letztere manifestiert sich vor allem in rechtlich unklaren Räumen und ist Auslöser vieler Konflikte. Vermittelnde Instanz sind oft gesellschaftliche Zusammenschlüsse und Organisationen, die zwischen Individuum und gesellschaftlichem Raum bzw. Stadtverwaltung aktiv sind. Dabei wird der Alleinvertretungsanspruch moderner Verwaltung generell akzeptiert, es kommt jedoch zu unterschiedlichen Ansichten über die Verwaltungspraxis. Gefordert ist hier die Entwicklung einer Zivilgesellschaft als untrennbarer Bestandteil des Staates. (DÜI-Wgm)
Analyse der ethnischen Herkunft der ehemaligen Sklavenbevölkerung im amerikanischen und karibischen Raum. Kulturelle Überbleibsel. Zahlreiche regionale Beispiele. Herkunft und Bestimmungsorte nach Unterlagen der transportierenden Handelsgesellschaften. Hohe Sterblichkeit der Sklavenbevölkerung in Amerika. Westafrika als wichtigste Herkunftsregion, gefolgt vom Kongobecken (Kongo, Angola). (DÜI-Hlb)
Die Entwicklung fiktiver jüdischer Identitäten in Papua-Neuguinea und im pazifischen Raum (17. -21. Jahrhundert). In früheren Arbeiten habe ich dargelegt, auf welche Weise der Einfluß des «Orientalismus» - dieses wesentlichen Elementes kolonialer Mechanismen und kolonialistischer Ideologien - weltweit dazu beigetragen hat, fiktive jüdische Identitäten entstehen zu lassen. In diesem Artikel wird die Untersuchung auf den pazifischen Raum und dort vor allem auf Papua-Neuguinea ausgeweitet, wo die Entwicklung dieses identitären Typus auf die ersten Entdecker und in ihrem Gefolge die Missionare zurückgeht. Bestimmte Volksgruppen wie die Gogodala haben diese identitären Konstruktionen begeistert für sich übernommen.