Im Mittelpunkt steht die Frage, was der Vorruhestand für die Ostdeutschen lebensbiographisch bedeutet und welche Funktion und Effekte dieser Aspekt des Institutionentransfers arbeits-markt- und sozialpolitisch hatte. Der Autor entwickelt zur Charakterisierung dieses Vorgangs den Begriff des "Verordneten Ruhestands". Eine theoretisch modellierte umfangreiche Empirie zeigt die subjektiv biographischen Erfahrung und Verarbeitung des "Verordneten Ruhestands" im Kontext der umfas-senden Probleme der deutschen Einigung. Die Darstellung macht deutlich, daß der Institutionentransfer im Zuge der Einigung zwar eine Einheit institutioneller Regeln, zugleich aber auch eine Differenz der Mentalitäten erzeugt und verstärkt hat. Im Ergebnis entwirft der Autor eine theoretisch begründete und empirisch differenzierte Typologie kultureller Handlungs- und Rückzugsmuster. Die Darstellung zeigt, wie differenziert Lebens- und Systemgeschichte zusammengehören. Unübersehbar, daß Probleme des Wohlfahrsstaates im Zuge fortschreitender Modernisierung von den Menschen Anstrengungen, Neuarrangements und Verantwortung verlangen. ; This thesis focuses on the effect of early retirement on the lives of East Germans, the function of this aspect of institutional transfer and its consequences for the job market and socio-political structures. The term coined by the author to describe this process is "prescribed retirement". Comprehensive empirical analysis based on a theoretical model has been used to demonstrate in subjective, biographical terms how "prescribed retirement" is experienced and dealt with within the problematical context of German unification. This account shows clearly that, while generating a uniform set of institutional norms, the institutional transfer necessitated by unification has also served to produce and heighten differences in mentality between the respective citizens of the two former German states. In his conclusions, the author has set up a theoretically based and empirically differentiated typology of cultural patterns of action and withdrawal. His account demonstrates the many ways in which human lives can be linked with the history of the system. The obvious conclusion is that in view of the modernisation process, the problems of the welfare state will necessitate an increased contribution from its members in terms of effort, re-arrangement and responsibility.
Standortdebatten und Diskussionen über die Aufrechterhaltung des Wohlfahrtsstaates gibt es derzeit nicht nur in Deutschland. Neben der zunehmenden Alterung der Gesellschaft ist es vor allem das Defizit an Arbeitsplätzen, das die Systeme der Sozialen Sicherung belastet. Die stetige Verlängerung der Ruhestandsphase bei einer gleichzeitigen Verkürzung der Erwerbsphase durch einen im Durchschnitt späteren Eintritt in das Arbeitsleben und dessen frühere Beendigung haben in erheblichem Maße zu den wachsenden Finanzierungsproblemen der Rentenversicherung beigetragen. Eine zunehmende Beitragsbelastung der Erwerbstätigen, aber damit zugleich auch steigende Lohnnebenkosten sind die Folgen. Im Rahmen ihres 'Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung' hat die Bundesregierung kürzlich Maßnahmen - wie z. B. die Anhebung der Altersgrenzen für langjährig Versicherte - beschlossen, die hier Abhilfe schaffen sollen. Ob derartige Maßnahmen geeignet sind, den Trend zur früheren Beendigung des Erwerbslebens zu stoppen oder lediglich eine Umschichtung der Finanzlasten zwischen den Sozialversicherungssystemen bewirken werden, wird kontrovers beurteilt. Vor dem Hintergrund dieser Problemlagen untersucht der vorliegende Beitrag, wie sich der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Deutschland entwickelt hat und wie sich die Situation in anderen Ländern im Vergleich dazu darstellt.
Es waren in erster Linie ältere Menschen und insbesondere die Gruppe der Kleinrentner, die unter den Folgen der Inflation in der Weimarer Republik zu leiden hatten, da ihre Ersparnisse durch die Inflation für den Lebensabend wertlos wurden. Der Staat, der von den Kleinrentnern für ihre Verluste verantwortlich gemacht wurde, entwickelte ein bis zu diesem Zeitpunkt einzigartiges Fürsorgesystem, nicht zuletzt um seine eigene Existenz zu legitimieren. Dieses ambitionierte und auch erfolgreiche System konnte jedoch letztendlich die Kleinrentern nicht zufriedenstellen. Diese waren zornig, überhaupt auf Almosen angewiesen zu sein und enttäuscht von der Lücke, die zwischen versprochenen und erhaltenen Leistungen klaffte. Diese Enttäuschung über die demokratischen Parteien und über die Weimarer Republik trug dazu bei, daß viele Kleinrentner NSDAP-Wähler wurden. ; The article deals with a small yet powerful group of elderly people during the time of the Republic of Weimar. These so-called 'Kleinrentner' (persons with small pensions) were people who in old age, due to the dependancy on their savings, had been impoverished as consequence of the great inflation which took place during the Republic of Weimar. Blaming the government for the loss of their money they put in claims for compensation. The government, though being unable to meet with the demands of this particular group, tried hard to provide for them by granting a subsistance on the basis of welfare, a complex system of benefits developed in those years. But the beneficiaries were repelled by the very idea of welfare, and they wanted what they thought their due. Disappointed by the political parties which had failed to give them substantial help they possibly fell prey to the promises of Hitler's Nazi-Party. The final question is: Have they been frustrated enough to vote for Hitler?
Beitrag in der Broschürenreihe Demographie und Erwerbsarbeit. Viele Ältere sind bislang recht unfreiwillig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und haben nun kaum Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz, auch weil sie in ihrer Erwerbsbiographie nicht durch eine notwendige Politik des Lebenslangen Lernens unterstützt wurden. Zukünftig werden diese Probleme noch zunehmen: Die Rentenpolitik sorgt für Abschläge bei vorzeitigem Ruhestand; nichts deutet darauf hin, dass die bisherige Unterrepräsentation Älterer bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sich wesentlich ändert. Klar ist aber auch, dass weder bei den Arbeitnehmern noch der Personalpolitik der Betriebe diese Fakten schon ausreichend verankert sind. Die Senatsverwaltung Berlin hat mit den Instituten SÖSTRA und INIFES in einem vom BMBF geförderten Projekt eine Workshop durchgeführt, der dieser Veröffentlichung zu Grunde liegt. Weitere Beiträge sind Ausdruck der Einsicht, wie sehr es bei einer Politik in der hier skizzierten Richtung auf einen strukturellen, Teilpolitiken integrierenden Ansatz ankommt, und dass bei der Frage nach der Arbeitsmarktentwicklung für ältere Erwerbspersonen die Situation von Frauen besonderer Beachtung bedarf.
Die Lebensbedingungen und Lebensqualität der älteren Bevölkerung rücken um so stärker in den Mittelpunkt des Interesses, je größer der Anteil der Bevölkerung ist, der sich in dieser Phase des Lebenszyklus befindet und desto mehr Lebenszeit jeder Einzelne in der Phase des Ruhestands und des 'Lebensabends' verbringt. Im Vergleich zu 1970 hat sich die weitere mittlere Lebenserwartung eines bzw. einer 60-Jährigen in Westdeutschland mittlerweile um rund fünf Jahre auf 24 Jahre bei den Frauen bzw. 20 Jahre bei den Männern verlängert. In Ostdeutschland ist die Lebenserwartung ebenfalls deutlich gestiegen und hat sich den westdeutschen Werten zunehmend angenähert. Die Beantwortung der Fragen nach der Qualität des Lebens im Alter im Allgemeinen sowie der Qualität der zusätzlich gewonnenen Jahre im Besonderen sind daher gerade auch für die Gesellschaftspolitik von wachsender Bedeutung. Das gilt zweifellos auch im Hinblick auf die gegenwärtige Diskussion über die Reform der wohlfahrtsstaatlichen Institutionen, von denen unmittelbare Konsequenzen für die Lebenssituation der Rentner und ihrer Angehörigen zu erwarten sind. Das Leben im Alter und dessen Wandel wird darüber hinaus jedoch von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, darunter z.B. von der ökonomischen Situation, der Entwicklung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, Infrastruktur- und Dienstleistungsangeboten, aber nicht zuletzt auch von allgemeinen Trends des sozialstrukturellen Wandels, wie z.B. den Veränderungen der Haushalts- und Verwandtschaftstrukturen, der zunehmenden Instabilität von Ehen oder auch dem räumlichen Strukturwandel.
Der Mitgliederschwund sollte die deutschen Gewerkschaften alarmieren: nur noch jeder fünfte Arbeitnehmer der noch nicht im (Vor-)Ruhestand ist, zahlt heute einen Mitgliedschaftsbeitrag, während die anderen als Trittbrettfahrer von der Arbeit der Tarifverbände profitieren, ohne hierzu beizutragen. Die Probleme der Mitgliederwerbung und -bindung deutscher Gewerkschaften werden anhand der Analyse langfristiger sozioökonomischer Entwicklungen, aber auch der rapiden Veränderungen seit der Vereinigung analysiert und im internationalen Vergleich betrachtet. Die langfristige Mitgliederentwicklung kann zum Teil auf veränderte wirtschaftliche und politische Bedingungen zurückgeführt werden. Auch der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft schuf besondere Herausforderungen. Die deutschen Gewerkschaften haben im Vergleich zu nordischen Gewerkschaftsbewegungen jedoch versäumt, die neuen Arbeitnehmergruppen hinreichend zu werben. Der Verlust der neu gewonnenen 4 Millionen Mitglieder im Osten unmittelbar nach der Vereinigung wurde als Sonderfall und nicht als Untergrabung des Modells Deutschland gesehen. Nicht nur der Stellenabbau, auch die Aushöhlung der Mitbestimmungs- und Tarifinstitutionen haben die betriebliche Werbungsarbeit für die Gewerkschaften erschwert. ; The German unions face disturbing membership decline. Only every fifth employee who is not yet retired is willing to pay union dues, while the others free ride as they enjoy the advantages of collective bargaining practices but do not contribute to it. The problems of membership recruitment of German unions are placed in the context of social-economic changes and the rapid decline after unification. In addition, the paper provides a cross-national comparison. The long-term membership development is partly due to the changing economic and political conditions. The shift towards a service economy poses additional challenges. But in comparison to Nordic countries, the German trade unions have failed to recruit the new social groups. Many saw the loss of the four million members in the East short after German unification to be an exceptional case, but few as undermining the German model. Not only the downsizing of firms, but also the erosion of German labour relations - codetermination and collective bargaining - made plant level access and membership recruitment more difficult.
This paper deals with the situation in the European car industry since the crisis of the early 1990s. After a short review of the structural problems of the industry and the main responses by car manufacturers, the discussion shifts to a detailed analysis of labour union responses. The paper discusses two broad stages in labour responses. The first consisted of the traditional social plans and early retirement measures that had been at the core of labour union strategies before. The second is a broader strategy, which trades working time reduction, working time flexibility and wage concessions for job security and investment guarantees. A detailed analysis of such agreements in five carproducing European countries - Germany, France, Spain, the UK and Belgium - as well as two detailed case studies of the competitive dynamic between local unions in different countries prompted by these agreements -- in GM Europe and Renault -- illustrates the main strengths and weaknesses of this strategy. While these agreements may be able to secure employment, they also install a competitive spiral on working conditions among unions. The paper then discusses the contours of an alternative strategy that attempts to avoid interunion competition, and the role for institutions such as European Works Councils in this alternative. ; Die vorliegende Studie befaßt sich mit der Situation der europäischen Autoindustrie seit der Krise Anfang der 90er Jahre. Auf eine kurze Beschreibung branchenspezifischer struktureller Probleme sowie der Reaktionen seitens der Autohersteller folgt eine detaillierte Analyse der gewerkschaftlichen Reaktionen. Diskutiert werden zwei Schritte in diesem Reaktionsprozeß. Der erste Schritt bestand aus traditionellen Sozialplänen und Maßnahmen zum vorzeitigen Ruhestand, die schon vorher ein Kernelement gewerkschaftlicher Strategien ausgemacht hatten. Der zweite Schritt beinhaltet eine breitere Strategie, in welcher Arbeitszeitverkürzung, Arbeitszeitflexibilität und Lohnkonzessionen gegen Arbeitsplatz- und Investitionsgarantien eingetauscht werden sollen. Eine gründliche Untersuchung derartiger Abkommen in fünf europäischen Autoindustrien (Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Belgien) sowie zwei detaillierte Fallstudien der durch diese Abkommen ausgelösten kompetitiven Dynamik zwischen lokalen Gewerkschaften in verschiedenen Ländern (GM Europa und Renault) illustrieren die wesentlichen Vor-und Nachteile dieser zweiten Strategie. Während derartige Abkommen möglicherweise Arbeitsplätze sichern helfen, führen sie gleichzeitig zu einer Wettbewerbsspirale in Bezug auf die Arbeitsbedingungen der Gewerkschaften. Im Anschluß an diese Analyse werden die Grundzüge einer alternativen Strategie diskutiert, mit deren Hilfe zwischengewerkschaftliche Konkurrenz verhindert werden soll. Die Rolle von Institutionen, wie sie beispielsweise der Europäische Betriebsrat in dieser Alternative einnimmt, wird ebenfalls untersucht.
Die Themen 'Alter', 'Bildung', 'Zivilgesellschaft' sind jeweils zentrale Themen des wissen-schaftlichen und politischen Diskurses. Dies trifft für die Altenbildung und für ihr Verhältnis zur Zivilgesellschaft nicht oder nur sehr bedingt zu. Entsprechend hat die Wissenschaft der Altersbildung, die Geragogik, sich noch nicht zu einer eigenen allgemein anerkannten Wis-senschaftsdisziplin etabliert. Allerdings setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Bil-dung im Alter eine Investition ist, die positive psychische, soziale und ökonomische Effekte hat. Bildung ist darüber hinaus einer der wichtigsten Prädiktoren für zivilgesellschaftliches Engagement auch im Alter. Hinzu kommt, dass der Altersstrukturwandel zu ansteigenden (politischen) Aktivitäten von Senioren und zu einer Ausweitung des Berufsfeldes der Arbeit mit älteren Menschen führt. All diese sozialen Prozesse berühren Themen der Altenbildung. Allerdings findet dies kaum eine angemessene Entsprechung in Form der wissenschaftlich beglei-tenden Implementierung, Evaluation von Modellprojekten der Altenbildung, der beruflichen Fort- und Weiterbildung, der Entwicklung von Curricula etc. Aus diesem Grund ist die Gera-gogik wissenschaftshistorisch die adäquate Antwort auf den komplexer werdenden Alters-strukturwandel. So wie sich die soziale Gerontologie ebenfalls im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung des demographischen Wandels herausgebildet hat. Während die Altenbildung wenigstens in Ansätzen in unterschiedlichen Feldern vorhanden ist, so ist das Thema politische Weiterbildung mit älteren Gewerkschaftsmitgliedern ein Desi-derat. Bisherige Altenbildungsansätze bleiben oft auf die individuelle Bewältigung des Über-gangs vom Erwerbsleben zum 'Ruhestand' und der Erschließung individueller Aktivitäten begrenzt. In der vorliegenden Arbeit wird besonders die Frage untersucht, wie eine Altenbil-dung in Theorie und Praxis zu gestalten ist, damit sie sowohl die Identitätsentfaltung als auch gesellschaftspolitische Partizipationsprozesse fördert. Es existiert eine große Forschungslücke im Hinblick auf Bedingungen, Voraussetzungen und Chancen für eine gewerkschaftlich ausgerichtete Altenbildung, die emanzipatorische Po-tentiale im Alter freilegt. Daraus ergibt sich die zentrale Leithypothese dieser Arbeit: Syste-matisch organisierte lebensbe-gleitende Weiterbildung, die sich der Aufklärung verpflichtet fühlt, ist eine wesentliche Voraussetzung, im Alter ein mündiger Bürger zu sein und die Per-sönlichkeitsentfaltung zu stärken. Hieraus leiteten sich zunächst vier erkenntnisleitende Fragestellungen ab:1. Kann kritische Altenbildung einen Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft leisten?2. Kann kritische Altenbildung einen Beitrag zur Stabilisierung der Per-sönlichkeit leisten?3. Welche praxeologischen Konklusionen ergeben sich aus der Analyse der empirischen Ergebnisse einer gewerkschaftlich orientierten Al-tenbildung am Beispiel der Bil-dungsstätte 'neues alter' in Hat-tingen? 4. Welche konzeptionellen Schlussfolgerungen sind für eine gewerkschaftlich orientierte kritische Altenbildung zu ziehen? Im Zuge des wissenschaftlichen Forschens stellte sich die dringliche Frage, wie Altenbil-dung und - umfassender - Geragogik nicht nur durch alterstheoretische Überlegungen fun-diert, sondern auch meta- bzw. wissenschaftstheoretisch begründet werden kann. Nach wie vor gibt es keine allgemeingültige Alterstheorie, denn Alter gilt als normativ und instrumen-tell unter-bestimmt. Von daher hat die Darlegung der wissenschaftstheoretischen Begründung und des eigenen theoretischen Standpunktes, von dem aus zusätzliche ergänzende Aspekte für eine moderne Alterstheorie entfaltet werden, einen größeren Stellenwert erhalten als ur-sprünglich geplant. Das Anliegen dieser Arbeit besteht dann auch darin, Geragogik stärker theoretisch aus kritischer Perspektive zu untermauern. Die Untersuchung gliedert sich in fünf Haupteile, sowie die Einleitung und den Schlussteil. Nach den einleitenden Ausführungen beschreibe ich im zweiten Teil auf der Phänomenebene die gesellschaftlichen Voraussetzungen einer kritischen Geragogik. Arbeiterbewegung und demographischer Wandel werden in den Kontext ge-sellschaftlicher Umbrüche gestellt, um von hieraus erste Konklusionen für eine kritische Ge-ragogik zu beschreiben.Zunächst verdeutliche ich die Schwierigkeiten der Soziologie bei der Suche nach den Struk-turmerkmalen einer Gesellschaft, die sich in einer epochalen Umbruchsituation befindet. Zwischen den Polen der Individualisierung und Globalisierung gelten alte Orientierungen nicht mehr, ohne dass sie aber bereits von neuen abgelöst wären. Nach neuen Antworten wird allerdings intensiv gesucht: Stichworte sind 'Risikogesellschaft', 'Erlebnisgesellschaft', 'Dienstleistungsgesellschaft', 'Bildungsgesellschaft' etc. Sicher ist, dass im Zuge des gesellschaftlichen Strukturwandels proletarische Milieus erodie-ren und damit weitreichende individuelle Unsicherheiten, aber auch Entfaltungspotentiale verbunden sind. Bildung wird dabei zentrale Ressource individueller und gesell-schaftlicher Entwicklung. In diesem Kontext wird auch über die Diffusion des gesellschaft-lichen Zusammenhalts diskutiert. Die 'Zivilgesellschaft' soll dem entgegenwirken. Eine An-nahme dabei ist, dass sich die Erwerbsarbeitsgesellschaft in die Tätigkeitsgesellschaft wan-delt. Relevant ist nicht mehr die Unterscheidung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Bedeut-sam ist eine neue Zeitstruktur. Danach befindet sich der Einzelne in den unterschiedlichen Zeitzonen der Erwerbszeit, Bildungszeit, Bürgerzeit, Familienzeit und Eigenzeit. Unabhängig von der Richtigkeit der dieser Vorstellung zugrunde liegenden Annahme, dass Vollbeschäfti-gung nicht mehr erreichbar ist, verbergen sich hinter der Debatte um die Bürgergesellschaft Ambivalenzen: Da sind zum einen durchaus Chancen im Sinne der Ausweitung demokra-tischer Beteiligung, der Wohlfahrtsökonomie und der Linderung von Arbeitslosigkeit. Zum anderen besteht aber die Gefahr des Missbrauchs, indem ehrenamtliches Engagement zum Auffangbecken für den Abbau sozialer Leistungen des Staates wird.Für die Arbeiterbewegung und ihre Organisationen sind mit diesem Wandel weitreichende Schwierigkeiten verbunden: Mit dem Wegbrechen der Montanindustrie verliert sie auch die industrielle Arbeiterschaft, die immer den Kern der Arbeiterbewegung bildete. Im Zuge der Individualisierung und der Technisierung der Arbeitswelt ändern sich kollektive Denk- und Handlungsmuster. Es steigen ebenso die Ansprüche an die eigene Organisationen im Hinblick auf Transparenz und Mitgestaltungs-möglichkeiten. Schließlich ist mit dem Scheitern der staatssozia-listischen Länder Osteuropas jede grundlegende Alternative zum Kapitalismus diskreditiert. Neoliberales Gedankengut, dass die betriebswirtschaftliche Sichtweise als Blau-pause für alle gesellschaftlichen Felder nutzen will, ist vorherrschend. Die Gewerkschaften befin-den sich in einer existentiellen Krise. Eine erneuerte Gewerkschaftsbewegung muss sich die Frage nach ihren unabgegoltenen emanzipatorischen Potentialen stellen. Dazu gehören Werte wie zum Beispiel die freie Entwicklung des Einzelnen als Voraussetzung für die Frei-heit aller, die Entfaltung der Demokratie und die allseitige Entwicklung der Persönlichkeit. Gleichzeitig erzeugt der Kapitalismus als einzig vorherrschendes Weltsystem seit der histo-rischen Wende aus sich heraus Widersprüche und Probleme, die die Forderung nach einer sozialeren und demokratischen Regulierung von Wirtschaftsprozessen immer wieder auf die Tagesordnung stellen. Die Gewerkschaften haben sich in ihrem Erneuerungsprozess an einem Paradigmen-wechsel von der Betriebsorientiertheit auf ein politisches Mandat zu orientieren und müssen als Beteili-gungsgewerkschaften eine eigene Vorstellung von gesellschaftspoli-tischer Vernunft ent-wickeln. Die Vorstellung der Dichotomie von Kapitalismus und Sozialis-mus ist nicht mehr aufrecht zu halten. In Zukunft wird es um eine Mischung des Verhältnis-ses zwischen Gesellschaft, Markt und Staat gehen. Zur Bewältigung gesellschaftlicher Um-brüche ist auch der demographische Wandel zu zählen, dem sich die Gewerkschaften eben-falls stel-len müssen.Zentrales Merkmal des Altersstrukturwandels ist nach Naegele und anderen die Differenz des Alters, die sich in der Singularisierung, Entberuflichung, Hochaltrigkeit, Feminisierung etc. ausdrückt. Hierauf sind entsprechend differenzierte sozialpolitikwissenschaftliche Antworten zu finden. In einer erwerbszentrierten Gesellschaft kann es bei dem Übertritt in den 'Ruhe-stand' zu individuellen Krisen kommen. Entscheidend für das Verhalten in der nachberuf-lichen Lebensphase ist die vorangegangene Lebensbiographie. Danach kommt es im 'Ruhestand' lediglich zu einer Ausweitung von Tätigkeiten, die bisher im bisherigen Le-ben in der Freizeit praktiziert wurden (Kontinuitätsthese). Gleichzeitig vollzieht sich ein para-digmatischer Wandel des Alterbildes von der Fürsorge zur Selbstinitiative. Dies kommt in der steigenden Anzahl von Selbsthilfegruppen im Alter und stärkerem politischen Engagement Älterer zum Ausdruck. Senioren sind allerdings eher nach wie vor eine 'latente' Altenmacht. Dazu trägt ihre Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit bei, die die Entfaltung gemeinsamer Akti-vitäten erschwert. Außerdem ist im Alter eine deutliche Präferenz für konservative Ein-stellungen festzuhalten. Der medial oft beschworene 'Generationenkrieg' ist em-pirisch nicht nachweisbar. Eher kommt es zu einer 'Verflüssigung' des Generationenverhält-nisses. Das Verhältnis von Jung und Alt wird für den Zusammenhalt der Gesellschaft in der Zukunft zentrale Bedeutung erhalten. Von besonderem Interesse ist das 'ehrenamtliche' Engagement von Älteren. Vermutet man hier doch enorme - auch ökonomische - Potentiale für die Gesellschaft. Allerdings gilt hier die gleiche Ambivalenz, wie sie grundsätzlich für zivilgesellschaftliche Aktivitäten be-schrieben ist: Chancen und Risiken des Missbrauchs bis hin zu einer erneuten Verpflichtung von Älteren liegen hier dicht zusammen. Besonders bei den 'jungen Alten' werden große Ressourcen vor allem für personale Dienstleistungen vermutet.Die Gewerkschaften hat der demographische Wandel eingeholt, ohne dass sie hierauf zum Beispiel innergewerkschaftlich angemessen reagiert hätten. Die 1,5 Millionen 'Ruheständler' im DGB werden eher negativ im Sinne von 'Überalterung' diskutiert. Die Ressourcen bleiben ungenutzt. Es verdichtet sich die wissenschaftliche Erkenntnis, dass mit der 'Altersfrage' die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften zukünftig berührt ist. Dieser erste Teil schließt mit der Erkenntnis, dass Geragogik ein Erfordernis ist, um die Transferprozesse des sich wechselseitig beeinflussenden Bedingungsgefüges von Gesell-schaft, Kultur und Individuum zu organisieren. Geragogik ist Teil eines neuen Lernzyklus, der sich aus den beschriebenen gesellschaftlichen Umbrüchen ergibt. Dabei sind die Chancen für eine kritische Altenbildung mit älteren Gewerkschaftsmitgliedern günstig, denn erstens sind sie oft politisch interessiert und zweitens durch ihr früheres Engagement eher bereit, weitere Aktivitäten zu entfalten. Bildungsarbeit könnte besonders für Personen in der Übergangsphase zur nachberuflichen Lebensphase bedeutsam sein, um zum Beispiel dem Verlust von Mitglie-dern vor-zubeugen. Gleichzeitig eröffnen sich für den Einzelnen Chancen der Identitäts-entfal-tung im Alter durch einen voranschreitenden tertiären Sozialisationsprozess, der zielge-richtet verläuft. Nach der Beschreibung der gesellschaftlichen Bedingungen einer kritischen Gerago-gik wende ich mich im Folgenden ihren theoretischen Voraussetzungen zu.Im dritten Teil lege ich in Abgrenzung zu gängigen soziologischen Modellen meinen eigenen Theorieansatz dar. Dies begründet die An-lage der gesamten Untersuchung und ist die Grundlage für den rationalen Diskurs. In der Metatheorie wird die Wissenschaft selbst zum Ge-genstand der Wissenschaft. Wissenschaftstheorie befasst sich mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisprozess: Danach gilt ein Aussagesystem als wissenschaftlich, wenn es empirisch gestützt ist, soziale Prozesse erklärt und weitere Entwicklungen prognostiziert. In der Analyse des Theorie-Praxis-Verhältnisses wird herausgearbeitet, dass sich die Diesseitigkeit einer Theorie an ihrer praktischen und problemlösenden Kompetenz erweist. Des Weiteren wird Wissenschaft metatheoretisch als soziales System betrachtet. Sie hat die soziale Funktion, die Existenz und die Fortentwicklung der Gesellschaft zu gewährleisten. Damit ist Wissenschaft als Teil von Wissenschaftsgeschichte zu betrachten. Im Unterschied zur Kunst, in der große Werke nicht veralten, ist es das 'Schicksal' der Wissenschaft, dass ihre Erkenntnisse im Laufe der Zeit anachronistisch werden. Ausgenommen sind hiervon die Methoden der Wissenschaften. Diese Bezogenheit der Wissenschaft auf Gesellschaft und Geschichte führt zum Werturteils-streit in der Soziologie, der auf Weber zurückgeht, aber noch heute wiederzufinden ist. So vertritt zum Beispiel Habermas einen normativen Universalismus, wonach sich Aufklärung an der besseren Gesellschaft zu orientieren hat. Dagegen steht für Luhmann die Frage nach der Funktion von Gesellschaft angesichts der Vielfalt von Problemen im Vordergrund. Für ihn geht es um gesellschaftliche Selbstbeobachtung. Letztlich wird hier der Meinungsstreit über das Selbstverständnis der Soziologie ausgetragen: Sieht sie sich als Ordnungswissenschaft oder als kritische Gesellschaftstheorie mit der Anmaßung des Ganzen? Eine methodologische Schlussfolgerung besteht in dieser Untersuchung darin, dass Werturteile nicht in den unmit-telbaren Forschungsprozess einfließen dürfen: Es existiert eine Dichotomie zwischen Wert-urteilen und Erkenntnissen von Zusammenhängen. Allerdings kommt der Wissenschaftler angesichts der Vielzahl der Probleme ohne Wertbeziehungen nicht aus (Dezisionismus): Wertfragen des Forschers sind bei der Auswahl des Forschungsgegenstandes und der Inter-pretation von Daten bedeutsam. Nach diesen metatheoretischen Überlegungen gehe ich über zur Beschreibung soziologischer Sozialisationsforschung, da meiner Untersuchung die These von Veelken zu Grunde liegt, dass Entfaltungsmöglichkeiten im Alter im Rahmen von 'tertiären Sozialisationsprozessen' zu betrachten sind. Es werden grundsätzliche Überlegungen zur interdisziplinären Anlage der Sozialisationsforschung dargelegt. Deutlich wird: Leistungsfähige Sozialisationstheorien haben das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft als Prozess der Individuation und Vergesellschaftung zu betrachten. Der Sozialisationsforschung liegen wiederum unterschiedliche soziologische Theoriemodelle zu Grunde: In der Systemtheorie nach Parsons und fortentwickelt durch Luhmann interessiert die Frage, unter welchen Bedingungen Gesellschaft und soziale Pro-zesse zu einem gleichgewichtsregulierenden Wirkungszusammenhang kommen. Das Ganze besteht aus gleichrangig angeordneten Subsystemen, die sich im Prozess der Autopoiesis selbsterhalten. Sie bleiben autonom und müssen gleichzeitig ihre Anschlussfähigkeit zu ande-ren Systemen herstellen. Systemisches Denken bedeutet Reduktion von Komplexität ange-sichts einer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft. Subsysteme befinden sich in einem dauernden Austauschprozess. Dadurch wird die Dynamik des gesellschaftlichen Wan-dels erklärt. Ein Vorwurf an diesem Ansatz ist, dass das Individuum vernachlässigt wird. Hier hilft der handlungstheoretische Ansatz des 'symbolischen Interaktionismus' nach Mead weiter, der besonders die individuellen Handlungsoptionen betont. Allerdings besteht hier das Problem, dass der Realität keine eigene Seinsqualität mehr zukommt und nur noch qua sub-jektiver Interpretationen besteht. Im Ansatz der Gesellschaftstheorie, der sich auf den Theo-rietypus Marx bezieht, wird herausgearbeitet, dass 'Arbeit' als bewusste soziale Tätigkeit das Gattungswesen des Menschen ausmacht. Die Verknüpfung von Individuum und Gesellschaft erfolgt über die Tätigkeit, die durch historische Gesellschaftsformationen bestimmt ist. Der historische Prozess wird als voranschreitende Entwicklung der Vernunft begriffen. Im Abgleich der verschiedenen soziologischen Ansätze und ihrer Konsequenzen für die So-zialisationsforschung kritisiere ich, dass das Verhältnis Individuum und Gesellschaft zwischen den Polen der Nach- und Vorrangigkeit des Einzelnen betrachtet wird. Positiv ist hervorzuheben, dass eine sozialisationstheoretische Herangehensweise das Individuum in seinen Entfaltungsmöglichkeiten und seiner permanenten Lernfähigkeit sieht. Für den eigenen Theorieansatz versuche ich diese vorwärtsweisenden Aspekte der Sozialisationstheorie aufzu-nehmen und sie mit einem gesellschaftstheoretischen Gedankengebäude zu verknüpfen. Gesellschaftstheoretisch wird von folgenden Eckpunkten ausgegangen:· Wissenschaft durchdringt die Erscheinungsform eines Phänomens auf sein Wesen.· Die Dialektik ermöglicht die Analyse der Gesellschaft in ihrer Widersprüchlichkeit und Totalität. Das gesellschaftliche Ganze wird durch die Arbeit erzeugt. Somit sind ökonomische Prozesse und Interessen sowie ihre Auseinandersetzungen wesentlich für die Explikation sozialer Vorgänge. · Anthropologisch ist die teleologische, bewusste und soziale Tätigkeit das Gattungsmä-ßige des Menschen.· Geschichte ist ein Prozess menschlicher Selbstverwirklichung auf immer höheren Stu-fen. Mit Bourdieu begründe ich den emanzipatorischen Charakter meines Theorieansatzes. Für ihn ist Soziologie politisch und historisch und hat einen Beitrag zu mehr Demokratie zu leisten, damit sozial Ausgegrenzte zu politischen Akteuren ihrer Interessen werden. Er überwindet die Dichotomie zwischen Individuum und Gesellschaft durch ein relationales Denken. Das heißt: Gegenstand der Soziologie ist nicht der Einzelne oder die soziale Gruppe, sondern sind ihre Bezüge untereinander, ihre Relationen. Er fordert, dass kritische Intellektuelle gegen den vor-herrschenden Neoliberalismus 'wissenschaftliche Gegenautorität' erzeugen. Eine 'neutrale' Wissenschaft hält er für eine interessengeleitete Fiktion. Dazu will er einen 'Generalstand sozialer Bewegungen' formieren, der auch die zu erneuernden Gewerkschaften einschließt. Metatheoretisch versucht er die Antinomien in den Sozialwissenschaften zu überwinden. So geht er von einem praexeologischen Theorieverständnis aus, nach dem Theorie und Praxis sich wechselseitig durchdringen. Aus der Selbstreflexivität der Soziologie erschließt sich ihr emanzipatorischer Charakter: Der Soziologe gewinnt ein Teil Freiheit, indem er Gesetzmä-ßigkeiten sozialer Felder erkennt und sie als veränderbar begreift. Die Analyse sozialer Felder praktiziert er mit seinen theoretischen Werkzeugen 'Kapital', 'Habitus' und 'Feld'. In sozialen Feldern finden Kämpfe um Macht und Einfluss statt. Die Positionen der sozialen Akteure sind in diesem 'Spiel' durch ihre Verfügungsmacht über Kapital bestimmt. Zustimmung zu Herrschaftsstrukturen erklärt er durch den Habitus. Er ist ein inneres Regulativ, das soziale Feldbedingungen inkorporiert, soziale Vorgehen bewertet und interpretiert und soziale Praxis generiert. Der Habitus ist sozial bestimmt und begründet die Relation zwischen Lebensstil und sozialer Position. Die Unterscheidung zwischen sozi-alen Gruppen drücken sich in Distinktionsbeziehungen aus. Gesellschaft besteht aus der Summe sozialer Felder, die relativ autonom sind. Bourdieus politische Soziologie zielt auf eine universell intellektuelle Freiheit, die zu einer rationalen und humanen Veränderung der Gesellschaft führt.Meinen eigenen gesellschaftstheoretischen Ansatz wende ich im vierten Teil auf das Phäno-men 'Alter' an. Zunächst beschreibe ich verschiedene Alterstheorien und arbeite den Para-digmenwechsel von der Theorie des Disengagement zur Aktivitätstheorie heraus. Eine zen-trale Argumentationslinie ist dabei der Ansatz der tertiären Sozialisation. Er impliziert die Möglichkeit für den Einzelnen, seine Identität auch im Alter durch tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt fortzuentwickeln. Gleichzeitig sind Ältere als eine sehr differenzierte Grup-pierung zu beschreiben. Die Theorien über das Alter haben sich allerdings noch nicht zu einer allgemein gültig anerkannten Alterstheorie verdichtet.Gemäß meines eigenen dialektischen Ansatzes versuche ich unter soziologischer Perspektive das Verhältnis von Alter und Gesellschaft in seiner Widersprüchlichkeit zu erfassen. Dies impliziert auch eine relationale Betrachtung, die Alter nur im gesellschaftlichen Kontext erfasst. Danach ist die negative Konnotation von Alter vor dem Hinter-grund des wachsenden Widerspruchs zwischen Alter und Gesellschaft zu betrachten, wie dies Backes erläutert. Grund hierfür ist ein Vergesellschaftungsmodell 'Alter', das mit seinen zwei Komponenten der materiellen Abgesichertheit und des 'Ruhestands' hinter den wachsenden Anforderungen Älterer an ihr Leben zurückbleibt. Gemäß des eigenen materialistischen Ansatzes erläutere ich die Zusammenhänge zwischen Alter und Ökonomie, sowie der im Kapitalismus spezifischen Interessen. Ich lege am Beispiel der Analyse der letzten Rentenreform dar, warum eine Politik des Neoliberalis-mus den Wi-derspruch zwischen Alter und Gesellschaft verschärft und hier eine tendenzielle Erosion des Generationenvertrages droht. Schließlich ordne ich die Ausweitung der berufsfreien Lebens-phase in der Jugend und im Alter historisch ein und zeige, dass aufgrund der fortschreitenden Pro-duktivkraftentwicklung in langfristiger Perspektive die Le-bensarbeitszeit potentiell weiter verkürzt werden kann. Hier eröffnen sich Chancen für eine 'Kulturgesellschaft' , in welcher der Einzelne jenseits der Erwerbsarbeit in zunehmender Weise seine Persönlichkeit all-seitig entwickeln kann. Damit wird das Phänomen 'Alter' in den historischen Kontext der wachsenden Selbstverwirklichung des Menschen gestellt.Mithilfe von Bourdieu gehe ich der Frage nach, wer die vordringliche Zielgruppe einer kri-tischen Geragogik sein kann. Hier wird die Verbindung zu den sozialen Bewegungen im all-gemei-nen und den sich zu erneuernden Gewerkschaften im besonderen hergestellt (Bourdieu 2001a). Durch den Bezug auf ältere Gewerkschaftsmitglieder wird auch der Problematik der sozialen Differenz im Alter für gemeinsame politische Aktivitäten Rechnung getragen. Da-durch wird natürlich nicht die Vielfältigkeit im Alter aufgehoben, aber durch den gemeinsa-men gewerkschaftlichen Bezug überdacht. Danach wende ich Bourdieus Kapital- und Habi-tustheorie auf das 'Alter' an, um zu zeigen, unter welchen Voraussetzungen, Senioren sich von einer latenten zu einer realen Macht entwickeln können. Bedeutsam ist hier die These der Herausbildung eines Altershabitus, der durch die Widersprüchlichkeit von Befreiungspoten-tialen und Ausgrenzungstendenzen gekennzeichnet ist und sozial bedingt ist.Zur Beantwortung der Frage, was denn das Sinnvolle im Alter ist, greife ich auf Koflers Tä-tigkeitskonzept zurück und begründe anthropologisch, dass Arbeit im umfassenden Sinn als zielbewusstes Tätigsein das Gattungsmä-ßige des Menschen ausmacht und sich im histo-rischen Prozess als wachsende Selbstverwirklichung realisiert. Daraus entwickle ich ein neues Vergesellschaftungsmodell, das die bisherigen Elemente der sozialen Absiche-rung und der Entpflichtung von Erwerbsarbeit in modifizierter Form enthält und um ein drittes Element zu er-gänzen ist: Dies besteht in der teleolo-gischen, sozialen und be-wussten Tätig-keit, die auch im Alter die Vermittlungsebene zwischen Indi-viduum und Gesellschaft gewährleistet. Diesen Teil beende ich mit Veelkens Ansatz der tertiären Sozialisation. Dieser schließt die Lücke der bisherigen Betrachtungen, die das Individuum eher vernachlässigen. Hiermit wird gezeigt, wie der Einzelne seine Identität im Dreiecksverhältnis zwischen Individuum, Kultur und Gesellschaft entfalten kann. Gleichzeitig eröffnet diese Be-trachtung des Alters den Weg zur Altenbildung. Im folgenden fünften Teil wird der Bogen von der Alterstheorie zur kri-tischen Geragogik gespannt. Dazu werden die sozialisations- und habitustheoretischen Überlegungen auf die Altenbildung übertragen. Altenbildung ist eine zentrale Voraussetzung, damit der Ältere über andere soziale Gruppen seine An-schlussfähigkeit an andere Subsysteme erhält. Kritische Altenbildung knüpft an einem Alters-habitus an, in dem sich lebensbiographische Prozesse mit Einstellungen aus sozialen Her-künften miteinander verbinden. Die Position im sozialen Feld 'Alter' bestimmt sich für den einzelnen Älteren über das Ausmaß der Verfügung über öko-nomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital. Entsprechend zielt kritische Gera-gogik darauf ab, die individuelle und gesellschaftliche Handlungskompetenz älterer Gewerk-schaftsmitglieder zu stärken, in-dem sie sich vor allem kulturelles Kapital aneignen. Dieser Aneignungsprozess von kultu-rellem Kapital zielt allerdings nicht auf die Anhäufung abstrak-ten Wissens, sondern ist als Erfahrungslernen zu organisieren. Mit der Reflexion der eigenen Lebensbiographie ist eine visionäre Lebensführung verbunden, die auch im Alter individuelle und gesellschaftliche Zu-kunftsentwürfe erlauben. Dabei kommt älteren Gewerkschaftsmit-gliedern eine besondere Be-deutung zu: Die Gewerkschaften haben aus ihrem Selbstverständ-nis und der Interessenslage ihrer Mitglieder heraus Potentiale für eine Politik gegen den Neoliberalismus. Zudem be-sitzen ältere Gewerkschaftsmitglieder wichtige Lebenserfahrun-gen, die es aufzuheben gilt. Ihre relativ stark ausgeprägten Interessen an politischen Vorgän-gen sind darüber hinaus gute Voraussetzungen für eine politische Weiterbildung im Alter. Anschließend erfolgt die Beschreibung der konkreten historischen Sozialisationserfahrungen der Jahrgänge von etwa 1920 bis ca. 1940. Da bei der vorliegenden Untersuchung Möglich-keiten einer kritischen und politischen Altenbildung ausgelotet werden, be-schreibe ich die kritische Dimension von Bildung und die Bedingungen von politischer und gewerkschaft-licher Weiterbildung im Alter. Daran schließt sich die Schilderung von Eckpunkten einer kri-tischen Geragogik an. Aus der wis-senschaftshistorischen Sicht wird die Herausbildung der Geragogik zu einer eige-nen Wissenschaftsdisziplin als Erfordernis einer zunehmenden Diffe-renzierung des Alters-strukturwandels, der im Kontext gesellschaft-licher Umbrüche zu sehen ist, gesehen. Gerago-gik wird nach Veelken definiert als die Umsetzung der Lehre vom Lebenslauf und Lebensziel in die Praxis des Lehrens und Lernens. Sie befasst sich mit Altenbildung, gerontologischer Aus-, Fort- und Weiterbildung und der Forschung in Theorie und Praxis. Im Zuge der Her-ausbildung der Zivilgesellschaft besteht eine ihre wichtigen Herausforderungen darin, Ältere zu Tätigkeiten zu befähigen, die selbstbestimmt und emanzipatorisch angelegt sind. Damit werden Anforderungen der tertiären Sozialisation mit dem neuen Vergesellschaftungsmodell verknüpft. Insofern ist Geragogik ein wesentliches Element zur Überwindung des Wi-der-spruchs von Alter und Gesellschaft. Weiter werden die Zusammenhänge zwischen Identitätsent-faltung und gesellschaftspolitischer Partizipation ex-pliziert, die zentraler Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind. Ab-schließend werden in diesem Teil die methodisch-didak-tischen Besonder-heiten des Lernens im Alter herausgestellt. Schließlich werden Aussagen zu den Themen der politischen Altenbildung, zur Zielgruppe und zum Verhält-nis von Dozenten und Teilnehmern, die auch die Beziehung von Jung und Alt betrifft, getroffen. Im sechsten Teil werden anhand einer Sekundärbetrachtung empirischer Ergebnisse über ge-werkschaftlich orientierte Altenbildung am Beispiel der Arbeit in der Bildungsstätte 'neues alter' praxeologische Konklusionen ge-zogen, die sich aus dem Kontext des übergeordneten theoretischen Zusam-menhangs ergeben. Dazu werden zunächst die Sozialdaten der Teilneh-mer und ihre politischen Präferenzen erfasst. Die empirischen Daten beantwor-ten die Frage, ob es gelingen kann, bei bildungsungewohnten Personen (Stahlarbeiter), die in der Regel ge-werkschaftlich organisiert sind, über Weiterbildung im Alter die Identitätsentfaltung durch neue Tätigkeiten zu festigen und zu verbessern und zu einem stärkeren politischen En-gage-ment zu kommen. Anhand der Beschreibung unter anderem zweier Projekte zur Ge-schichte und zum Naturschutz werden Handlungsorientierungen für eine kritische Al-tenbildung darge-stellt. Darüber hinaus werden Voraussetzungen für eine erfolg-reiche Altenbildung skizziert. Es wird deut-lich, dass Lernen im Alter erfahrungsbezogen und handlungsorientiert anzulegen ist. Dies kann durchaus dazu beitragen, im Alter neue Hand-lungsfelder zu erschließen, die in der bisherigen Lebensbiographie unerschlossen geblieben sind. Die empirischen Ergebnisse verdeutlichen darüber hinaus, dass das Bildungsprogramm durch eine große Nähe zu den Teilnehmern, die die direkte Beteiligung an der Planung des Bildungsprogramms impliziert, eine starke Akzeptanz erfährt. Es wird der Lebenslagean-satz bestätigt und die Notwendigkeit einer großen Partizipation im Binnenverhältnis betont. Ebenso ist die Ganzheitlichkeit des Bildungsangebotes, das kognitives, emotionales und so-ziales Lernen beinhaltet, wichtig für die Akzeptanz des Bildungsprogramms. Der empirische Teil weist nach, dass praktische Al-tenbildung, wie sie theoretisch begründet ist, sowohl per-sönlichkeitsstabilisierend als auch demokratiefördernd wirksam sein kann. Im Schlussteil bündele ich die Erkenntnisse der Untersuchung, verknüpfe die Geragogik mit der Alterstheorie in nuce und beschreibe Bausteine für eine kritische gewerkschaftlich ausge-richtete Altenbildung. Wichtige davon sind:1. Alter in seiner neuen historischen Qualität ist Ergebnis eines Sozials
Dokumentation des Erhebungsdesigns und der Instrumente (CAPI und Drop-Off-Fragebogen) der DEAS-Erhebung 2002. Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine Langzeitstudie zum Wandel der Lebenssituationen und Alternsverläufe von Menschen, die sich in der zweiten Lebenshälfte befinden. Grundlage sind bundesweit repräsentative Befragungen im Quer- und Längsschnitt von jeweils mehreren tausend Teilnehmern im Alter ab 40 Jahren. ; Documentation of the survey design and instruments of DEAS survey year 2002. The German Ageing Survey (DEAS) is a longitudinal survey for the analysis of life situations and biographies of people in the second half of their lives. The data is based on nationally representative surveying (cross-sectional and longitudinal) of some thousand participants from the age of 40 onwards.
Dokumentation des Erhebungsdesigns und der Instrumente (CAPI und Drop-Off-Fragebogen) der ersten DEAS-Erhebung 1996. Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine Langzeitstudie zum Wandel der Lebenssituationen und Alternsverläufe von Menschen, die sich in der zweiten Lebenshälfte befinden. Grundlage sind bundesweit repräsentative Befragungen im Quer- und Längsschnitt von jeweils mehreren tausend Teilnehmern im Alter ab 40 Jahren. ; Documentation of the survey design and instruments of the first DEAS survey year 1996. The German Ageing Survey (DEAS) is a longitudinal survey for the analysis of life situations and biographies of people in the second half of their lives. The data is based on nationally representative surveying (cross-sectional and longitudinal) of some thousand participants from the age of 40 onwards. ; Die Dokumentation wird als Forschungsbericht 61 der Forschungsgruppe Altern und Lebenslauf zum Download im PDF-Format angeboten und enthält 125 Seiten. ; The documentation (Research Report No. 61 of the Research Group on Ageing and the Life Course) is available as a PDF file and contains 125 pages.