Einleitend wird die Frage behandelt, welche sozialen Probleme erzeugt der Wohlfahrtsstaat? Dabei werden aus der politischen Diskussion drei Hypothesen zusammengefaßt: (1) Der Wohlfahrtsstaat gefährdet individuelle Freiheiten, reglementiert und bürokratisiert immer mehr Lebensbereiche und schmälert so die private Wohlfahrt, die er öffentlich fördern will. (2) Der Wohlfahrtsstaat schwächt die individuelle Leistungsbereitschaft und damit einhergehend die Leistungsfähigkeit des ökonomischen Systems. (3) Der Wohlfahrtsstaat führt zu steigenden individuellen Ansprüchen an den Staat und wird dadurch überfordert. In den Abschnitten zwei bis vier werden diese Hypothesen überprüft, indem Wohlfahrtsstaaten mit Nicht-Wohlfahrtsstaaten etwa des gleichen Entwicklungsstandes verglichen werden: Niederlande und Schweden als Wohlfahrtsstaaten; USA und Japan als ihr Gegenbild. Großbritannien und die BRD nehmen eine Zwischenstellung ein. Die Ausführungen machen deutlich, daß die genannten Problembereiche weniger durch den Wohlfahrtsstaat selbst erzeugt sind und durch ihn erklärt werden können, als durch spezielle Organisations- und Regelungsvorkehrungen in modernen Gesellschaften und letzten Endes durch die Entwicklungsgesetze, denen diese Gesellschaften auf dem Weg durch die Industrialisierung unterliegen. Im fünften Abschnitt werden die zentralen Probleme industrieller Gesellschaften skizziert und die Möglichkeiten ihrer Lösung durch den Wohlfahrtsstaat diskutiert. Im letzten Abschnitt geht es um das ungelöste Problem der Größe. Abschließend wird festgestellt, daß die Probleme und Herausforderungen des Wohlfahrtsstaates keine für ihn spezifischen Probleme sind, sondern Probleme der Organisation moderner Gesellschaften schlechthin sind. (RW)
In der Studie werden die Beitrittsformulare von neu rekrutierten Parteimitgliedern empirisch-analytisch ausgewertet, um Probleme von Kontinuitäten und Brüchen in der deutschen Arbeiterbewegung und der Bedeutung der Einbindung in das ehemalige subkulturelle Milieu dieser Bewegung aufzuhellen sowie der Frage nach der Bedeutung der Erfahrungen nachzugehen, die das neu oder wieder eintretende Parteimitglied im Faschismus gemacht hat. Zunächst wird anhand der univariaten Verteilung der untersuchten SPD-Mitglieder in Berlin-Schöneberg der Verlauf der Rekrutierung über Zeit (von 1945 bis 1973) betrachtet. Folgende andere Variablen werden in die Analyse einbezogen: (1) Geschlecht; (2) Alter; (3) Familienstand; (4) Geburtsort; (5) Beruf; (6) soziale Mobilität; (7) berufliche Mobilität; (8) Mitgliedschaft in Gewerkschaften und Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst. Anhand der Daten werden dann zwei Aspekte der Parteiloyalität nachvollzogen: Integration und Einbindung. Dazu wird die Dauer der Mitgliedschaft ermittelt. Ausgehend von einer Einteilung in politische Perioden (1945-49, 1950-62, 1963-73) werden einige Analyseansätze über Kontinuität und Wandel in der Parteimitgliedschaft vorgestellt. Gefragt wird vor allem nach den sozialstrukturellen Veränderungen. Als zentrale Ergebnisse werden hervorgehoben: Es ist eine erhebliche Verjüngung der Neumitglieder zu beobachten; die SPD gewann eher die etablierten Jüngeren (Berufstätige, Verheiratet); die Rekrutierung erfolgte zu einem großen Teil aus den Bereichen Gewerkschaft und öffentlicher Dienst. (KW)
Aus der Einleitung: Die Ausgangsthese der Arbeit lautet, dass Interdependenzen zwischen wirtschaftstheoretischen Vorstellungen und konkreten Veränderungen in den verschiedenen Politikfeldern bestehen. Selbstverständlich wirkt die wissenschaftliche Theorie nicht direkt, durch ihr bloßes Vorhandensein, auf die politische Praxis ein, aber sie gibt den politischen Akteuren Handlungsanleitungen und/oder Legitimationsinstrumente zur Hand, die sie zur Verfolgung ihrer Interessen nutzen und einsetzen können. In der Regierungserklärung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel aus dem Jahr 2000, dem komprimierten Programm der ÖVP-FPÖ Regierungskoalition, wurden die inhaltlichen Vorstellungen zu den verschiedenen Politikfeldern jeweils mit 'Neu regieren heißt' präsentiert. Dieses 'Neu regieren' implizierte, im Bereich des politischen Prozesses, eine Abkehr vom bisherigen konsensorientierten Muster der Entscheidungsfindung und, im Bereich der politischen Inhalte, eine grundsätzliche Veränderung in der inhaltlichen Ausrichtung des österreichischen Sozialstaats. Die wirtschafts- und sozialpolitischen Zielvorstellungen der ÖVP-FPÖ und später der ÖVP-BZÖ Regierung, ablesbar an Regierungsprogrammen, Regierungserklärungen und Reden von zentralen Repräsentanten der Regierung, orientierten sich dabei wesentlich an neoliberalen beziehungsweise angebotspolitischen Theorien und Konzeptionen. Daraus ergibt sich erstens ein generelles Misstrauen gegenüber vielen Leistungen des öffentlichen Bereichs und die daraus abgeleitete Forderung nach staatlicher Aufgabenbeschränkung und einem schlanken Staat. Zweitens werden als zentrale Staatsaufgabe die Förderung von 'aktiven', zukunftsorientierten Investitionsleistungen (Forschung und Entwicklung, Infrastruktur) zuungunsten von 'passiven', gegenwartsbezogen Transferleistungen (Verwaltung, Subventionen, soziale Leistungen) definiert. Mit diesen Festlegungen ist der gut ausgebaute, wenngleich auf manche neuen gesellschaftlichen Entwicklungen nur unzureichend reagierende, österreichische Sozialstaat in die Defensive und unter politischen Druck geraten. Die Unterordnung von sozialpolitischen unter wirtschafts- und standortpolitische Überlegungen muss als gegeben angenommen werden. Diese politischen und ideologischen Entwicklungen sind allerdings nicht allein mit dem Regierungswechsel - von der Großen Koalition zur Rechtskoalition - zu erklären. Die politische Unterstützung des Sozialstaats nimmt – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – quer durch die politischen Parteien hindurch ab. So gibt es vielen Ländern der Europäischen Union (EU-15), obwohl sie von unterschiedlichen Parteien bzw. Parteikoalitionen regiert werden, ähnlich gelagerte Ziele und Maßnahmen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die häufig einer neoliberalen Logik folgen. Im Mainstream der Wirtschaftstheorie wurde dieser neoliberale Trend der Politik vorweggenommen. Die meisten Ökonomen wandten sich bereits in den 1960er Jahren von keynesianischen Ansätzen ab und monetaristischen zu. Da (Teile von) Wirtschaftstheorien häufig von politischen Akteuren aufgenommen werden um entweder als inhaltliche Anstöße oder als nachträgliche Begründung für politische Entscheidungen zu fungieren, sind die Konjunkturen der Wirtschaftstheorien nicht nur in ihrem unmittelbaren, wissenschaftlichem Feld, sondern darüber hinaus politisch von großer Bedeutung. Die ökonomischen Wirkungen sozialstaatlicher Leistungen, zum Beispiel, fällt bei keynesianisch orientierten Wissenschaftern und Politikern sehr viel positiver aus, als dies bei Anhängern von monetaristischen Konzepten der Fall ist. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen wird der österreichische Sozialstaat, mit dem Schwerpunkt gesetzliche Pensionsversicherung, dargestellt. Besonderes Augenmerk wird auf die Analyse der Pensionsreform 2003 und der Pensionsharmonisierung 2004 gelegt. Die mit den Reformen einhergehende Kürzung der durchschnittlichen Pensionsleistung und der erschwerte Zugang zu Pensionen sowie der Abgang von der Lebensstandardsicherung und die intendierte Etablierung eines 3-Säulen Pensionsmodells werden in dieser Arbeit als Ausdruck von veränderten politischen Prioritäten (Stichwörter: Mehr Privat – Weniger Staat; Dominanz der Wirtschaftspolitik über die Sozialpolitik) interpretiert. Gang der Untersuchung: Ausgangspunkt der Arbeit ist die Wirtschaftstheorie. Zuerst wird die klassische politische Ökonomie dargestellt, die den Beginn der Wirtschaftswissenschaft markiert und Staat und Ökonomie erstmals nicht als Einheit, sondern als Gegensatz betrachtete. Ab diesem Zeitpunkt beinhaltet makroökonomische Wirtschaftstheorie immer auch eine Festlegung des Verhältnisses von Staat und Ökonomie und wirkt dadurch potentiell auf die Politik ein. Dann werden Grenznutzenschule und Wohlfahrtsökonomik (d.h. die Neoklassik) präsentiert, welche die Vorläufer beziehungsweise die Basis des Monetarismus - der führenden neoliberalen Wirtschaftstheorie - sind. Es folgt die Präsentation des großen 'Gegenspielers' der neoklassischen und neoliberalen Wirtschaftstheorie, des Keynesianismus. Dieser hat mit zentralen Theoremen der neoklassischen Wirtschaftstheorien gebrochen, dem Staat wichtige wirtschaftliche Funktionen zugestanden und legte den Ausbau des Wohlfahrtsstaats auch aus volkswirtschaftlichen, nicht 'nur' aus sozialpolitischen, Gründen nahe. Das nächste Kapitel behandelt den Neoliberalismus und ist zweigeteilt. Der erste Teil beschäftigt sich mit neoliberalen Wirtschaftstheorien. Darunter fallen der Ordoliberalismus, die deutsche Spielart des Neoliberalismus, vor allem aber der Monetarismus, die aktuell wichtigste neoliberale Wirtschaftstheorie. Anschließend werden die zentralen Unterschiede von Monetarismus und Keynesianismus gegenübergestellt und die wirtschaftspolitischen Grundkonzeptionen der Angebots- und Nachfragepolitik erläutert. Im zweiten Teil wird auf die unterschiedlichen neoliberalen Vorstellungen über den Menschen (Stichwort: homo oeconomicus), die Gesellschaft und den Staat sowie dessen Aufgaben eingegangen. Weiter wird die Frage beantwortet, wie es dem Neoliberalismus gelungen ist zur hegemonialen Wirtschaftstheorie und -politik aufzusteigen. Schließlich wird die neoliberal und angebotspolitisch motivierte Kritik am Sozialstaat besprochen, analysiert und kritisiert. Im Abschnitt über den österreichischen Sozialstaat wird auf die Charakteristiken und Gestaltungsprinzipien des österreichischen Sozialstaats eingegangen. Weiter werden diverse Fakten zu den Sozialausgaben präsentiert. Auch die Akteure der Sozialpolitik und die historischen Veränderungen der Akteurskonstellationen werden besprochen. Es folgt die Darstellung der Sozialversicherung, dem wichtigsten Bestandteil des österreichischen Sozialsystems. Zuerst werden die Institutionen und deren Organisation vorgestellt. Anschließend werden Daten zu den Versicherten sowie zur Einnahmen- und Ausgabensituation aufbereitet und analysiert. Im Kapitel Pensionsversicherung, dabei handelt es sich um den quantitativ größten Zweig der Sozialversicherung, werden zahlreiche Daten und Fakten über die wesentlichsten Ausprägungen und Merkmale der Pensionsversicherung vorgestellt und untersucht. Behandelt werden überblicksweise die Pensionsarten und die Pensionsvoraussetzungen, die Pensionsstände und das Pensionsantrittsalter, die Pensionsberechnung, die Pensionsfinanzierung sowie die Pensionsbelastungsquote. Danach wird die die Geschichte der Pensionsversicherung in der Zweiten Republik skizziert. Schwerpunkt des Kapitels sind jedoch die Entstehungsgeschichte, die Regelungen und die Auswirkungen der Pensionsreform 2003 und der Pensionsharmonisierung 2004. Danach wird der Zusammenhang von wirtschaftstheoretischen Vorstellungen und (sozial)politischer Praxis an Hand zweier handelnder Personen geprüft. Zu diesem Zweck werden zentrale Dokumente von Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser, hauptsächlich aus der Zeit der ÖVP-FPÖ Regierungsperiode, analysiert. Im Resümee wird der methodische Ansatz kurz reflektiert.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung8 2.Wirtschaftstheorie15 2.1Die klassische politische Ökonomie16 2.1.1Der Ausgangspunkt16 2.1.2Das klassische Modell18 2.1.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie22 2.1.4Die Kritik24 2.2Die Grenznutzenschule26 2.2.1Der Ausgangspunkt26 2.2.2Das Grenznutzenmodell27 2.3Die Wohlfahrtsökonomik29 2.3.1Der Ausgangspunkt29 2.3.2Das wohlfahrtsökonomische Modell30 2.3.3Die Wohlfahrtsfunktion32 2.3.4Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie33 2.3.5Kritik der Wohlfahrtsökonomik und der Grenznutzenschule34 2.4Der Keynesianismus37 2.4.1Der Ausgangspunkt37 2.4.2Das keynesianische Modell39 2.4.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie43 2.4.4Die Kritik45 3.Der Neoliberalismus47 3.1Der Neoliberalismus als Wirtschaftstheorie48 3.2Der Ordoliberalismus48 3.2.1Der Ausgangspunkt48 3.2.2Das ordoliberale Modell49 3.2.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie51 3.3Der Monetarismus53 3.3.1Der Ausgangspunkt53 3.3.2Das MonetaristischeModell54 3.3.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie55 3.3.4Kritik des Monetarismus57 3.3.5Monetarismus versus Keynesianismus58 3.4Die wirtschaftspolitische Umsetzung von Monetarismus und Keynesianismus60 3.4.1Angebotspolitik versus Nachfragepolitik61 3.4.2Die Wirtschaftspolitik der Angebotsökonomie62 3.4.3Das Verhältnis von Angebots- und Nachfragepolitik69 3.4.4Die Kritik an der Angebotspolitik70 3.5Der Neoliberalismus als Gesellschaftstheorie73 3.5.1Der methodologische Individualismus73 3.5.2Der homo oeconomicus75 3.5.3Die Kritik am homo oeconomicus und seiner Gesellschaft83 3.5.4Das Gesellschaftsmodell von Hayek87 3.6Durchsetzungsgeschichte des Neoliberalismus93 3.6.1Die Hegemonie bei Gramsci93 3.6.2Der Aufstieg des Neoliberalismus zur hegemonialen Ordnung: Drei Erklärungsversuche99 3.7Neoliberale Kritik am Sozialstaat106 3.8Kritik an der neoliberalen Sozialstaatskritik113 4.Der österreichische Sozialstaat117 4.1Charakteristika und historische Entwicklung117 4.2Gestaltungsprinzipien der österreichischen Sozialpolitik121 4.3Die Sozialausgaben124 4.3.1Vorbemerkung125 4.3.2Sozialausgaben127 4.3.3Gliederung der Sozialausgaben129 4.3.4Finanzierungsquellen130 4.3.5Internationaler Vergleich131 4.4Akteure der Sozialpolitik132 4.4.1Veränderungen in der Akteurskonstellation135 4.5Zusammenfassende Darstellung137 5.Die Sozialversicherung140 5.1Institutionen140 5.1.1Interne Organisation: Selbstverwaltung142 5.2Versichertenkreis144 5.3Einnahmen145 5.4Ausgaben147 6.Die Pensionsversicherung149 6.1Pensionsversicherte149 6.2Pensionsarten150 6.3Pensionsvoraussetzungen153 6.3.1Alterspension nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz (APG; Neurecht)153 6.3.2Alterspension nach dem ASVG (Altrecht)154 6.3.3Vorzeitige Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer155 6.3.4Korridorpension156 6.3.5Schwerarbeitspension156 6.4Pensionsstände157 6.5Pensionsantrittsalter158 6.6Pensionsberechnung160 6.6.1Pensionsberechnung nach dem APG (Neurecht)160 6.6.2Pensionsberechnung nach dem ASVG (Altrecht)161 6.6.3Pensionshöhe164 6.7Pensionsfinanzierung167 6.8Pensionsbelastungsquote170 6.9Die Entwicklung der Pensionsversicherung in der Zweiten Republik172 6.10Die Pensionsreform 2003173 6.10.1Entstehungsgeschichte173 6.10.2Inhalt der Pensionsreform 2003173 6.10.3Analyse der Pensionsreform 2003173 6.11Die Pensionsharmonisierung 2004173 6.11.1Entstehungsgeschichte173 6.11.2Inhalt der Pensionsharmonisierung 2004173 6.11.3Analyse der Pensionsharmonisierung173 7.Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser: Wirtschaftliberale Kritik und umbau des Sozialstaats173 8.Resümee173 9.Literaturverzeichnis173Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.8, Kritik an der neoliberalen Sozialstaatskritik: Auf einer sehr allgemeinen Ebene geht Schui davon aus, dass es das Hauptziel der Vertreter und der Profiteure des Neoliberalismus ist, den Sozialstaat und die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Implikationen, unter anderem den materiell abgestützten Klassenkompromiss, einen großen öffentlichen Sektor, die teilweise Einführung von Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen, zu beseitigen. Das kapitalistische Glücksversprechen - die Akkumulation von Kapital führt zum Glück für alle, zum Wohlstand der Nationen -, welches mit der Einführung des Wohlfahrtsstaats in Ansätzen verwirklicht wurde, soll nun wieder zurückgenommen und durch individuelle Marktprozesse ersetzt werden. Konkreter, das heißt auf der Ebene der Empirie, lässt sich ein – von den neoliberalen Sozialstaatskritikern unterstellter - unmittelbarer Zielkonflikt zwischen einer negativ korrelierenden Höhe der sozialen Sicherung und des Wirtschaftswachstum beziehungsweise zwischen einer positiv korrelierenden Höhe der sozialen Sicherung und der Höhe der Arbeitslosigkeit generell nicht nachweisen. Eine differenzierte Sichtweise vertritt auch Schmidt mit seiner 'These der Doppelfunktion'. Diese besagt, dass die Sozialpolitik nicht per se schlecht oder gut für die Wirtschaft und deren Wachstum ist. Vielmehr stehen diese beiden Bereiche in einem zwiespältigen Verhältnis zueinander: 'Die Sozialpolitik ist eine wichtige Funktionsvoraussetzung einer komplexen leistungsfähigen Wirtschaft; zugleich steht sie jedoch in einem Spannungsverhältnis zu den Rationalitätskriterien unternehmerischen Handelns und zur Beschäftigung'. Die meisten Bereiche der Sozialpolitik sind zudem auf die Marktwirtschaft bezogen und federn 'nur' die dabei entstehenden Problemlagen für das Individuum ab. Für den Sozialstaat beziehungsweise genauer, für dessen konkrete Ausgestaltung, ist es von immanenter Wichtigkeit, wie der Zusammenhang von Ökonomie und Sozialstaat von den maßgeblichen gesellschaftlichen Kräften eingeschätzt wird: 'Wenn man zeigen kann, dass der Sozialstaat nicht nur von wirtschaftlicher Leistung abhängig ist, sondern diese zugleich befördert oder ermöglicht, entsteht eine gänzlich andere Einschätzung der politischen Wirkungsmöglichkeiten als wenn man zeigen kann, dass der Sozialstaat die Probleme, die er zu bearbeiten vorgibt, durch Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vergrößert statt löst'. Das heißt also, wenn die maßgeblichen wirtschaftspolitischen Akteure der ersten Einschätzung anhängen, werden sie unter anderem die natürliche Stabilisierungsfunktion der Sozialleistungen zu schätzen wissen und eventuell im Raum stehende Kürzungen (auch) unter diesem sozialstaatsfreundlichen Gesichtspunkt betrachten. Falls jedoch für die entscheidenden wirtschaftspolitischen Akteure der zweite Fall plausibler erscheint, laufen sozialstaatliche Transfers große Gefahr, als zu teuer sowie leistungs- und innovationshemmend abgelehnt und entweder ganz abgebaut oder in Richtung einer besseren Wirtschaftskompatibilität reformiert zu werden. Es ist relativ leicht nachvollziehbar, dass die unterschiedlichen Einschätzungen beziehungsweise Wahrnehmungsweisen des Zusammenhangs von Sozialstaat und Wirtschaft eng mit der jeweils präferierten Wirtschaftspolitik einhergehen. Etwas vereinfacht und gerafft dargestellt, werden Vertreter eines angebotsorientierten wirtschaftspolitischen Kurses im Normalfall die Überzeugung vertreten, dass der Sozialstaat tendenziell zu weit ausgebaut worden ist und mehr (wirtschaftliche) Probleme erzeugt als er löst. Durch die hohen sozialstaatlich bedingten Ausgaben werden Investitionen erschwert, und das Wirtschaftswachstum entwickelt sich suboptimal. Hingegen werden die Anhänger einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik die (wirtschaftlichen) Wirkungen des Sozialstaats diametral anders und damit ungleich positiver einschätzen. Da die Leistungen des Sozialstaats großteils sogar unmittelbar nachfragewirksam werden, beflügeln sie das Wirtschaftswachstum.
Dieselbe Welt – und doch alles anders. Dies könnte eine knappe Formel für das sein, was der italienische Philosoph Giorgio Agamben in seinen Studien freizulegen sucht: Kategorien eines neuen Denkens, eines anderen Gebrauchs und einer Lebens-Form, in denen das natürliche Leben nicht vom sozialen Leben getrennt werden kann und in denen die Logik des Ausschlusses und die Gewalt der Herrschaft außer Kraft gesetzt sind, die unsere Welt in Bann halten. Ausgehend vom letzten Band des Homo-Sacer-Projekts zeichnen die Studien dieses Bandes Agambens Suche nach einer "destituierenden Kraft" nach, die einen Ausweg aus dem Ausnahmezustand öffnet, in dem wir leben. Ein solcher "subversiver Messianismus" bewegt sich zwischen Politik und Theologie, Ontologie und Poesie; er arbeitet sich archäologisch durch die griechischen und römischen, jüdischen und christlichen Wurzeln westlicher Kultur, um sie in überraschenden Konstellationen einem neuen Gebrauch zuzuführen. Mit Beiträgen von Daniela Blum, René Dausner, Daniel Kazmaier, Martin Kirschner, Aaron Looney, Edda Mack, Moritz Rudolph, Joost van Loon, Josef Wohlmuth, Peter Zeillinger, Michael Zimmermann
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Das Buch vereint die vielen positiven Ansätze im globalen Norden und im Süden, durch gemeinwohlorientiertes, ökologisches Handeln eine bessere Zukunft zu erreichen. Sie plädiert für eine neue linke Erzählung, deren Politik sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht an denen des Marktes. Rezension: Die Journalistin beginnt ihr Buch mit einer Übersicht über "neoliberale Erzählungen", die den Menschen suggerieren, dass jede(-r) mit Fleiss Erfolg haben kann - was erfahrungsgemä ︢nicht stimmt. Sie plädiert für eine neue linke Erzählung, die statt einfach gegen etwas zu sein, positiv für eine Zukunft arbeitet, die an den Bedürfnissen der Menschen und am Gemeinwohl orientiert ist und nicht an denen des Marktes. Diese gesellschaftlichen Ansätze gibt es schon: die "Care-Revolution" z.B., das Netzwerk der in der Pflege Arbeitenden, die ihre Patienten/-innen im Blick behalten. Es gibt die v.a. im globalen Süden entstandenen "Buen vivir"-Bewegungen, die ursprünglich von indigenen Völkern ausgehen und ein Leben in Harmonie mit Natur und Mitmenschen anstreben. Die Autorin beschreibt Bewegungen, die eine Abkehr von der imperialen Lebensweise befürworten. Beispielhaft für den globalen Norden genannt sind die "Solidarische Ökonomie"; die "Solidary Cities"; die Degrowth-Bewegung, die Common-Bewegung, Umwelthilfe, solidarisches Handeln der Asylhelfer/-innen, die Queer-Bewegung. Ein für viele lesenswertes Buch. (1)
Totgesagte leben länger: Neue Ansätze in der praktischen Arbeit, Streiks und Lernbewegungen in den Betrieben – es tut sich etwas in den Gewerkschaften. Das ist dringend nötig, denn Prekarisierung und soziale Spaltung der Lohnabhängigen haben sie in die Defensive gedrängt. Sozialpartnerschaftliche Praxis blieb dem gegenüber hilflos. Neuerdings gibt es wieder Hoffnungsfunken. In Belegschaften hat der Druck von Oben die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit verstärkt. Daran kann die gewerkschaftliche Organisierung ansetzen. Die neuen Ansätze blieben bisher aber vereinzelt. Das bremst die Erneuerung. Ein gemeinsamer Rahmen könnte die "Gewerkschaft als Bewegung" sein. Sie setzt auf klare Konfliktorientierung, den Ausbau demokratischer Machtpositionen in den Betrieben und die bewusste Verbindung mit anderen Organisationen und Aktivitäten, etwa mit Erwerbslosengruppen, Stadtteilinitiativen oder Antiprivatisierungsbündnissen. Ihr Horizont ist die möglichst umfassende Solidarität der abhängig Beschäftigten.
Chapter 1. Introduction: Chinese Social Policy in a Time of Transition. - Karen Baehler and Douglas J. Besharov, S. 1. - Chapter 2. Welfare Regimes in the Wake of State Socialism: China and Vietnam. - Jonathan London, S. 18. - Chapter 3. Social Benefits and Income Inequality in Post-Socialist China and Vietnam. - Qin Gao, Martin Evans, and Irwin Garfinkel, S. 48. - Chapter 4. Social Security Policy in the Context of Evolving Employment Policy. - Barry Friedman, S. 68. - Chapter 5. Urban Social Insurance Provision: Regional and Workplace Variations. - Juan Chen and Mary Gallagher, S. 86. - Chapter 6. Health and Rural Cooperative Medical Insurance. - Song Gao and Xiangyi Meng, S. 101. - Chapter 7. The Quest for Welfare Spending Equalization: A Fiscal Federalism Perspective. - Xin Zhang, S. 121. - Chapter 8. Financing Migrant Child Education. - Jing Guo, S. 142. - Chapter 9. Labor Migration, Citizenship, and Social Welfare in China and India. - Josephine Smart, Reeta Tremblay, and Mostaem Billah, S. 160. - Chapter 10. Ethnic Minorities and Trilingual Education Policies. - Bob Adamson, Feng Anwei, Liu Quanguo, and Li Qian, S. 180. - Chapter 11. Danwei, Family Ties, and Residential Mobility of Urban Elderly in Beijing. - Zhilin Liu and Yanwei Chai, S. 196. - Chapter 12. Marriage, Parenthood, and Labor Outcomes for Women and Men. - Yuping Zhang and Emily Hannum, S. 223. - Chapter 13. Implications of the College Expansion Policy for Social Stratification. - Wei-Jun Jean Yeung, S. 249. - Chapter 14. The Evolving Response to HIV/AIDS. - Zunyou Wu, Sheena G. Sullivan, Yu Wang, Mary Jane Rotheram,and Roger Detels, S. 270. - Index, S. 297
"This paper presents a new framework for analyzing inequality that moves beyond the anonymity postulate. We estimate the determinants of sectoral choice and the joint distributions of outcomes across sectors. We determine which components of realized earnings variability are due to uncertainty and which components are due to components of human diversity that are forecastable by agents. Using our tools, we can determine how policies shift persons across sectors and outcome distributions across sectors"--Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit web site
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