"Die Überzeugung, dass nach der Befreiung aus dem politischen Kolonialismus auch die Befreiung aus dem akademischen Kolonialismus folgen müsse, hat seit den 1970ern viele Bemühungen um Indigenisierung der Sozialwissenschaften inspiriert. Doch blieben diese befangen im Rahmen der segmentierten Einzelwissenschaften, der selber eine eurozentrische Konstruktion der sozialen Wirklichkeit reflektiert. Zur Verdeutlichung der verblassten Befreiungshorizonte, die wieder zu gewinnen wichtig wäre, erinnert der Beitrag an die Visionen einer Dekolonisierung des Bewusstseins, der Bildungsschicht und der Institutionen der Wissensproduktion, die von Intellektuellen mit Erfahrung aus dem anti- und postkolonialen Widerstand artikuliert wurden." (Autorenreferat)
'Die Studie untersucht Selbstverständnis und Zielvorstellungen Irans als Regionalmacht. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie der '20-Jahre-Vision' von 2005 - einem grundlegenden Konsenspapier, das als Entwicklungsziel Irans den 'ersten Platz in der Region bei der wirtschaftlichen, technologischen und wissenschaftlichen Entwicklung' festschreibt. Seinen regionalen Machtanspruch begründet Iran nicht zuletzt mit der geopolitischen Zentralität des Landes. Revolutionsführer Khamenei sieht in der Islamischen Republik zugleich ein 'iranisch-islamisches Entwicklungsmodell', das im Kampf gegen den Imperialismus über die islamische Welt hinaus beispielhaft ist. Dieser Anspruch findet Niederschlag im außenpolitischen Slogan von Präsident Ahmadinejad 'Gerechtigkeit unter den Nationen und Staaten'. Innenpolitisch ist umstritten, wie die '20-Jahre-Vision' verwirklicht werden soll. Dies betrifft vor allem das Verhältnis zwischen Entwicklung und Sicherheit. Diskutiert wird auch über Strategieansätze zur Schaffung einer eigenen regionalen Ordnung. Autoren aus den Kreisen der Revolutionsgarden plädieren für eine Kooperation mit den anderen 'überlegenen' Staaten der Region - Saudi-Arabien, Pakistan und der Türkei. Normale Beziehungen zu den USA werden trotz aller antiimperialistischen Rhetorik nicht ausgeschlossen. Selbst eine Art Modus Vivendi mit Israel (auch ohne dessen Anerkennung) erscheint prinzipiell nicht unmöglich. Doch nicht konkrete Außenpolitik bestimmt die Bedeutung der untersuchten Diskurse, sondern deren innenpolitische Funktion: Es geht um Regimesicherheit. Die am Außenverhältnis orientierte Identitätsbeschreibung dient als Messlatte für Regimeloyalität, und die ausufernde Rhetorik soll die gesamte Nation mit ihren unterschiedlichen Kräften ansprechen und zusammenhalten.' (Autorenreferat)
"Im Mai 2003 hat der Lehrstuhl Internationale Politik gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und einer Reihe namhafter Experten eine Onlinedebatte zum Thema 'Anti-Terrorpolitik in Deutschland. Kann mehr Sicherheit mit weniger Freiheit erkauft werden?' geführt. Diese Diskussion war Teil einer Serie von Onlineveranstaltungen, die im Jahr 2003 zum Thema 'Terrorismus' angeboten wurde. Das vorliegende AIPA analysiert und dokumentiert die ebenso informationsreiche wie lebhaft-kontroverse Diskussion um die innenpolitische Dimension des Terrorismus." (Textauszug). Inhaltsverzeichnis: Andrea Szukala: Anti-Terror-Politik in Deutschland: eine Onlinediskussion im Rahmen des Terrorosmus-Projektes mit der Bundeszentrale für Politische Bildung (3-19). Eröffnungsstatements - Erhard Denninger: Über die Verhältnismäßigkeit. Risiko-Unbestimmtheit und Maß(stabs)losigkeit im neuen Sicherheitsrat (20-21); Klaus Jansen: Wenig Veränderungen nach dem Kalten Krieg (22); Heribert Prantl: Mechanismus der Angst (23-24); Wolbert Smidt: Effektiver Kampf gegen den Terrorismus (25-26); Konrad Weiß: Demokratie braucht Freiheit (27); Steve Zwick: Keine öffentliche Debatte in Deutschland (28-30). Paneldiskussion (31-147).
Nach der Welle von Großdemonstrationen in den 1970er und 1980er Jahren war es, so der Verfasser, zunächst ruhig geworden, zumal das Ergebnis der so genannten Konsensgespräche über den Ausstieg aus der Atomenergie abgewartet wurde. In dieser Phase war auch das Netzwerk der Initiativen stark zusammengeschmolzen. Heute bestehen nur noch wenige größere regionale Initiativen sowie überregional wirkende Einrichtungen, z. B. die nur noch selten und in kleinem Rahmen stattfindenden Konferenzen von Anti-Atomgruppen. Die Wiederbelebung der Proteste im Zusammenhang mit den seit 1994 stattfindenden Castor-Transporten hat zwar zu zeitlich und räumlich konzentrierten Massenaktionen und einer Erneuerung des praktischen, sich nicht nur in Kundgebungen manifestierenden Widerstands geführt, aber vermochte nicht, das früher bestehende dichte Netz von Anti-Atomkraftgruppen wiederherzustellen. Die bundesdeutsche Anti-Atomkraftbewegung hat zwar ihr Maximalziel, den (sofortigen) Bau- und Betriebsstopp aller atomaren Anlagen, bis heute nicht erreicht. Sie war jedoch die ausschlaggebende Kraft, um die Atomprogramme der 70er Jahre drastisch zu reduzieren und auf dem Niveau der frühen 80er Jahre einzufrieren. Die Tatsache, dass bis heute nur noch drei zusätzlich georderte Atomkraftwerke gebaut werden konnten und fast ein Dutzend andere Projekte storniert wurde, ist der vielleicht aussagekräftigste Indikator für die präventive Wirkung, welche die bundesdeutsche Anti-Atomkraftbewegung ab Mitte der 70er Jahre entfaltete. Darüber hinaus hat die maßgeblich von der Anti-AKW-Bewegung entwickelte Widerstandskultur lange Zeit weit über die Bauplätze hinaus gestrahlt und das Ringen um Grundrechte, soziale Gerechtigkeit und Demokratie in anderen gesellschaftlichen Bereichen geprägt. Dass es zu solchen Effekten kam, so die These, liegt nicht nur an der quantitativen Stärke der Bewegung, der zunehmenden Konvergenz ihres vormals bürgerlichen und ihres linksradikalen Flügels und der Beharrlichkeit des Protests. Es bestand auch eine Reihe günstiger Kontextbedingungen: insbesondere (1) ein föderatives politisches System und ein relativ offenes Verwaltungsgerichtswesen, die Ansatzpunkte für Interventionen boten, sowie (2) die sich allmählich abzeichnende Spaltung der politischen Eliten in der Frage der Atomenergie. (ICF2)
Die Autoren gehen der Frage nach, ob Rassismus mit einem Anti-Diskriminierungsgesetz zu bekämpfen ist. Dabei wird zunächst das UNO-Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung kurz dargestellt. Sodann wird deutlich gemacht, daß die Anerkennung des multiethnischen Charakters der Gesellschaft und die staatsbürgerliche und rechtliche Gleichstellung der Einwanderer wesentliche Voraussetzung einer erfolgreichen Antidiskriminierungsgesetzgebung sind. Ein Antidiskriminierungsgesetz kann allerdings nicht dem Zustand abhelfen, daß Staatsangehörige eines Drittstaates in Deutschland rechtlich schlechter gestellt sind als Deutsche; im weiteren können Antidiskriminierungsgesetze lediglich die Bedingungen der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung mit rassistischen Strömungen verbessern, nicht aber Rassismus abschaffen. In rechtlicher Hinsicht wird dafür plädiert, daß die Betroffen die Möglichkeiten haben sollten, ihr Recht, nicht diskriminiert zu werden, mit Leistungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüchen gegenüber Privatpersonen gerichtlich durchzusetzen. Im weiteren werden wirksame Sanktionen in privatrechtlicher Hinsicht wie auch im Presserecht gefordert. Abschließend werden Überlegungen zu den Verfahrensvorschriften vorgelegt (Beweisregelung, Verbandsklage). (ICD)
Sowohl in Europa als auch im Mittleren Osten war der 11. September 2001 kein Bruch in der Entwicklung des Anti-Amerikanismus, wohl aber ein wichtiger und entscheidender Katalysator. Im europäischen Raum etwa wird die Schuld an den Anschlägen des 11. Septembers indirekt den Vereinigten Staaten selbst zugewiesen. Deren wiederholte Interventionen, imperiales Gebaren und geostrategische, vor allem ökonomische Interessen werden in den anti-amerikanischen intellektuellen Zirkeln Europas als der sinnstiftende Kontext des 11. September interpretiert. Dass Barack Obama weder den Irak-Krieg noch das Engagement in Afghanistan umgehend beendete, erklärt dann auch den anhaltenden, beziehungsweise rasch wieder einsetzenden Popularitätsverlust in Europa. Es ist diese vermeintliche Solidarisierung mit den Gesellschaften des Mittleren Ostens, die den europäischen Anti-Amerikanismus mit demjenigen dieser Region verbindet. Der Anti-Amerikanismus in seiner gegenwärtigen Form bezieht seine Kraft aus einer paradox anmutenden Verbindung beider Anti-Amerikanismen: aus politisch motivierter Zurückweisung der Moderne im Nahen und Mittleren Osten und einer Kritik an den Vereinigten Staaten in Europa, die den politischen Begriff der Moderne an sich schon als imperialistisch ablehnt. (ICB2)
Extremismus gilt als Bedrohung der modernen demokratischen Gesellschaft, er hat das Potenzial zur Zerstörung der offenen Gesellschaft, bewirkt Angst und den Wunsch, sich zu schützen. Demokratieschutz ist der Sinn anti-extremistischer Maßnahmen staatlicher und gesellschaftlicher Akteure. Der Anti-Extremismus lässt sich verstehen als Gesamtheit von Aktivitäten, die gegen den Extremismus gerichtet sind und die, die Absicht haben, die Demokratie zu erhalten oder zu entwickeln. Der Beitrag geht auf die Begriffe und Konzeptionen von Extremismus und Anti-Extremismus ein, erläutert Staatskonzeption und Anti-Extremismus sowie anti-extremistische Policy-Netzwerke. (ICB2)