Bevölkerungswissenschaft 1920-1950 in Deutschland
In: Das Konstrukt "Bevölkerung" vor, im und nach dem "Dritten Reich", S. 510-547
Vor 1952 hatte die Demographie in Deutschland keine organisierte Struktur, keine wissenschaftliche Einrichtung, Zeitschrift oder Organisation. Eine Untersuchung der deutschen Demographie zwischen 1920 und 1950 musste sich daher eine empirische Basis schaffen. Eine Analyse von Publikationen aus den Bereichen Demographie und Wissenschaftsgeschichte ergab eine Liste von 391 Autoren, die in der Literatur genannt worden waren oder selbst einschlägig publiziert hatten. Diese Autoren repräsentieren eine Vielzahl von Disziplinen. Veröffentlichungsort ist in der Regel Berlin. Nur wenige Autoren tauchen in allen Quellen auf. Die Autoren sind über die Geburtskohorten zwischen 1860 und 1910 relativ gleich verteilt. Demographen zitieren jedoch zunehmend ältere, Historiker jüngere Autoren. Demographen zitierten mehr Autoren aus dem Bereichen Statistik, Mathematik, Wirtschaftswissenschaften und Anthropologie, Historiker eher Soziologen, Philosophen, Hygieniker und Geschichtswissenschaftler. 25 der zitierten Autoren mussten Deutschland im Dritten Reich verlassen, 67 starben in oder nach dem Krieg, 60 setzten ihre akademische Karriere nach 1945 fort, 22 von ihnen in offiziellen Funktionen und Ämtern. Bei den zitierten Verfassern handelt es sich also offensichtlich nicht um eine homogene Gruppe, auch nicht bezüglich ihrer Haltung zum Nationalsozialismus. Ihre Publikationen haben wissenschaftlichen, populärwissenschaftlichen oder politischen Charakter. (ICEÜbers)