Minimalistische Reaktion oder vorauseilende Reform?: der nationale Umgang mit der Rechtsprechung des EuGH
In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Band 42, Heft 2, S. 181-196
"Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs als 'Motor der Integration' ist umfassend untersucht, doch die Wirkung der Rechtsprechung auf nationale Politik wird weniger beachtet. Insbesondere der Auslegungsbedürftigkeit vieler Urteile werden ganz gegensätzliche Wirkungen zugeschrieben: Nach einer Lesart bietet die europäische Rechtsprechung den Mitgliedstaaten viele Schlupflöcher, um sich Urteilen nur im Einzelfall zu beugen, breitere Implikationen aber zu ignorieren. Nach einer anderen Lesart ist es gerade die Offenheit vieler Urteile, die interessierte AkteurInnen zu weiteren Klagen ermächtigt, um umfassende Anpassungen auf nationaler Ebene zu erzwingen. Ob Mitgliedstaaten auf die Rechtsprechung eher minimalistisch reagieren oder vorauseilende Reformen unternehmen, hängt davon ab, wer die Kosten dauerhafter Rechtsunsicherheit zu tragen hat: Verteidiger oder Herausforderer des rechtlichen Status quo. Dieses Argument wird durch zwei Fallstudien zum nationalen Umgang mit Urteilen zur Kapitalverkehrsfreiheit (goldene Aktienfälle) und zur Dienstleistungsfreiheit (Entsendefälle) plausibilisiert und konkurrierenden Erklärungen gegenübergestellt." (Autorenreferat)