Am 19. Mai 2016 organisierte das BICC den eintägigen, internationalen Expertenworkshop "Ehemalige militärische Liegenschaften im urbanen Raum - Konversion für die Zukunftsstadt?" in Bonn. Der Workshop war der übergeordneten Fragestellung gewidmet, welche Impulse von der Umwandlung ehemals militärisch genutzter Gebäude für die zukünftige Stadtentwicklung ausgehen können. So hat zum einen das Thema Liegenschaftskonversion durch den gewachsenen Bedarf an urbanem Wohnraum auch durch Geflüchtete neue Aktualität erfahren. Dies beschäftigt nicht nur die politischen Planungsebenen und die Stadtentwicklung, sondern auch die Flucht- sowie die Friedens- und Konfliktforschung. Zum anderen liegt es im Forschungsinteresse des BICC, den Erinnerungs- und Denkmalwert ehemaliger militärischer Liegenschaften auf friedenswissenschaftliche Ansatzpunkte zu untersuchen. Transdisziplinär diskutierten Vertreterinnen und Vertreter der Forschungsbereiche Denkmalpflege, Geographie, Stadtentwicklungsforschung sowie Politik- und Geschichtswissenschaften mit Expertinnen und Experten aus der Landes-, Bundes- und kommunalen Ebene sowie der Zivilgesellschaft über die "Konversion für die Zukunftsstadt". Die Einbeziehung internationaler Beispiele aus Italien und dem Vereinigten Königreich vertiefte die Einsicht, dass Konversion mehr denn je einen wichtigen Baustein der dynamischen Stadt- und Quartiersentwicklung darstellt.
Anlässlich seines zwanzigjährigen Bestehens veranstaltete das BICC am 10. April 2014 den Expertenworkshop "Konversionsforschung im Praxistest - Liegenschaftskonversion in Deutschland und Westeuropa". 25 Vertreterinnen und Vertreter aus Ministerien und der Staatskanzlei des Landes Nordrhein- Westfalen (NRW), aus Forschung und Praxis sowie der Zivilgesellschaft gingen zunächst der Frage nach, welchem Wandel der Begriff Konversion im Verlauf der Zeit unterlag. Der Workshop versuchte auch anhand von praktischen Beispielen eine aktuelle Bestandsaufnahme insbesondere mit Bezug zum Bundesland NRW und gab darüber hinaus einen beispielhaften Einblick in Liegenschaftskonversion im europäischen Kontext. Ziel des Expertentreffens war, zukunftsweisende Fragen der Konversionsforschung zu identifizieren.
Diese Studie befasst sich mit Integrationsprozessen geflüchteter Menschen in Deutschland und bezieht hierfür besonders die Situation in Nordrhein- Westfalen mit ein. Sie untersucht, wie sich das Ankommen in Deutschland gestaltet, wie Geflüchtete ihr Leben hier wahrnehmen und welchen Herausforderungen sie in ihrem Alltagsleben begegnen. Im Vordergrund steht, wie geflüchtete Menschen ihre Integrationsprozesse subjektiv erfahren. Das Working Paper vergleicht hierzu die Erfahrungen von Menschen, die schon vor längerer Zeit (ca. 20 bis 40 Jahre) nach Deutschland flüchteten, mit denen von Menschen, die nach 2014 ankamen. Diese Langzeitperspektive erlaubt es, Kontinuitäten und Veränderungen im Zeitverlauf zu identifizieren. Sie macht gleichzeitig deutlich, wie sich asylrechtliche Beschränkungen auf das Leben der Menschen auswirken. Die Autorin versteht Integration nicht als eine einseitig zu erbringende Anpassungsleistung, sondern als einen interaktionistischen und ergebnisoffenen Prozess mit dem Ziel einer chancengerechten Teilhabe an der Gesellschaft. Methodisch hat sie in dieser qualitativen Studie teilnehmende Beobachtung in einer Unterkunft für geflüchtete Menschen mit biographischen Interviews und Experteninterviews verknüpft.
Seit dem gescheiterten Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs gegen Präsident Erdogan im Sommer 2016 suspendierte die türkische Regierung mehr als 100.000 Staatsbedienstete unter dem Vorwand, sie hätten einen Umsturz geplant. Aus Angst vor Verfolgung und willkürlichen Inhaftierungen stellten seitdem etwa 21.000 türkische Staatsbürger einen Asylantrag in Deutschland. Viele von ihnen fanden Zuflucht in Nordrhein-Westfalen (NRW). Gleichzeitig leben insbesondere in den Großstädten des Bundeslandes schon seit den 1960er Jahren Gemeinschaften von Menschen mit türkeibezogenem Migrationshintergrund. Diese Studie untersucht, wie sich Angehörige beider Gruppen in NRW gegenseitig wahrnehmen und wie sie im Alltag miteinander umgehen, welche Konflikte dabei entstehen und wie die politischen Entwicklungen in der Türkei auf diese Prozesse einwirken. Die Studie zeigt, dass türkische Geflüchtete einerseits Solidarität und Anteilnahme durch Menschen mit türkeibezogenem Migrationshintergrund und ihre Organisationen erleben, andererseits aber auch von ihnen im Alltag angefeindet werden. Dies spiegelt die starke Polarisierung innerhalb der Gemeinschaften von Menschen mit türkeibezogenem Migrationshintergrund in NRW seit 2016 wider, auf welche das Working Paper ebenfalls eingeht. Der Autor plädiert für einen differenzierten, durch Empirie gestützten Zugang zum Themenfeld und warnt eindringlich vor Verallgemeinerungen. Ansätze zur Konfliktbearbeitung müssen die Komplexität von Akteuren und Interkationen sowie die Vielfalt an Meinungen und Positionen innerhalb der Gemeinschaften mit Türkeibezug einbeziehen.
Bei der Bleibeperspektive handelt es sich um eine bürokratische Kategorisierung, die im Widerspruch zur individuellen Prüfung von Fluchtgründen steht. Sie schafft Ungleichheiten zwischen Geflüchteten und schränkt Integration ein. Die Bundespolitik und –gesetzgebung muss die Selektion in Menschen mit "guter" bzw. "schlechter" Bleibeperspektive einstellen und allen Geflüchteten von Anfang an Zugang zu integrationspolitischen Maßnahmen gewähren. Die Integration geflüchteter Menschen in den Bereichen Sprache und Arbeit ist von zentraler Bedeutung. Die bundespolitische Ebene muss gesetzliche Grundlagen schaffen, die Sprach- und Integrationskurse von Anfang an ermöglicht und dabei auch die Unterschiede, die sich etwa aus Geschlecht, Alter oder dem Bildungshintergrund ergeben, berücksichtigen. Aufgehoben werden müssen die Vorrangprüfung und die 2016 beschlossene Wohn- sitzauflage, die beide die Arbeitsmarktintegration behindern. Auf kommunaler Ebene muss eine ausreichende sozialarbeiterische Betreuung gewährleistet werden. Eine eigene Wohnung ist ein wichtiger Schritt zu einem selbstverantwortlichen Leben. Auf kommunaler Ebene ist die Unterbringung in Wohnungen bzw. abgeschlossenen Wohneinheiten Gemeinschaftsunterkünften vorzuziehen. Das Land Nordrhein-Westfalen und andere Bundesländer müssen an ihrer Politik festhalten, keine AnkER-Zentren einzurichten, da diese die Bewohner isolieren, zu Konflikten führen und der Integration entgegenstehen. Geflüchtete leben häufig getrennt von anderen Familienmitgliedern, die sich beispielsweise noch im Konfliktgebiet aufhalten. Die Restriktionen beim Familiennachzug können Integration behindern, da sie vielfältige materielle wie psychische Belastungen für die betroffenen Menschen schaffen. Die Länder sollten sich auf der Bundesebene dafür einsetzen, die Einschränkungen des Familiennachzugs abzubauen.
Flucht und Vertreibung sind in Lateinamerika vielfach die Folge krimineller Aktivitäten. Organisierte Kriminalität ist nicht nur Ursache von Flucht, sondern strukturiert die Ausprägung von Fluchtbewegungen maßgeblich. Flüchtlingspolitik muss daher kriminelle Aktivitäten als Fluchtursache ernst nehmen und dementsprechend ihre Maßnahmen neu ausrichten. Zudem ist die internationale Gemeinschaft aufgefordert, kohärente und präventive Maßnahmen zu entwickeln, um die Bevölkerung vor organisierter Kriminalität zu schützen. Lateinamerikanische Entwicklungen sind in vielerlei Hinsicht prototypisch für den Globalen Süden. Die "Erklärung von Brasilien", die 2014 lateinamerikanische Staaten verfassten, rückt organisierte Kriminalität, Binnenvertriebene und Flüchtlinge in einen gemeinsamen Kontext. Dies bietet der internationalen Gemeinschaft einen Ansatz, um die Ausbreitung von Gewaltrisiken, die globale Vernetzung transnationaler krimineller Gruppen und die Etablierung von Gewaltmärkten einzudämmen. Praxisorientierte Strategien, die Bürgerkriege, organisierte Kriminalität, Binnenvertreibung, Migration und Flucht ganzheitlich mit einer Kombination von Entwicklungszusammenarbeit, humanitärer Hilfe und Friedensförderung angehen, versprechen ein Mehr an Nachhaltigkeit. Um entsprechend der New Yorker Erklärung der Vereinten Nationen von 2016 globale Lösungsansätze für Flucht- und Migrationsbewegungen zu finden, ist es nötig, die aktuellen, auf internationaler Ebene verhandelten Konzepte wie den Migrations- bzw. Fluchtpakt miteinander stärker zu verbinden. Dabei gilt es, auch neue Formen der Vertreibung als Fluchtursachen anzuerkennen. Zu nennen sind explizit organisierte Kriminalität und kriegsähnliche Situationen. Die Bundesregierung muss dazu beitragen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention inhaltlich – gemäß ihren ursprünglichen Zielen – wieder zur zentralen Referenz für globale Lösungsansätze im Umgang mit Flüchtlingen wird.
Viele Geflüchtete erleben Diskriminierung und Anfeindungen in Deutschland aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit bzw. ihrer Weltanschauung. Manche von ihnen empfinden dies als Fortsetzung von Konflikten aus ihrem Herkunftskontext. Um dem vorzubeugen, müssen Landesregierung und Kommunen Strategien zur Konfliktprävention entwickeln. Diskriminierungen und Anfeindungen geschehen oft sehr subtil im Alltag, können jedoch zu Gewalt führen, wenn Geflüchtete keine anderen Möglichkeiten zur Konfliktaustragung sehen. Unterkunftsbetreiber, Kommunen und das Land NRW müssen daher niederschwellige Mechanismen zur gewaltlosen Konfliktlösung bereitstellen. Ungleiche Behandlung, aber auch offene Diskriminierungen von Geflüchteten durch Unterkunftsmitarbeiter und Ehrenamtliche verstärken Konflikte. Unterkunftsbetreiber müssen dies durch Aufklärung und Sensibilisierung von Mitarbeitern und eine bessere Koordination von Unterstützungsangeboten verhindern. Konfliktprävention bedeutet nicht nur die Integration von Geflüchteten in die deutsche Mehrheitsgesellschaft, sondern muss alle Bevölkerungsteile gleichermaßen auf Augenhöhe einbeziehen. Migrantenselbstorganisationen können hierbei einen wertvollen Beitrag leisten, wofür sie jedoch Kapazitäten und Wissen benötigen. Die NRW-Landesregierung und Kommunalverwaltungen müssen Migrantenselbstorganisationen auf Grundlage transparenter Kriterien fördern.
Auch wenn die mit dem Transitionsprozess in Myanmar verbundenen Hoffnungen groß waren - sie dürfen die eingehende und nüchterne Analyse der aktuellen Situation nicht beeinträchtigen. EZ Projekt-Strategien zur Lösung der anhaltenden Fluchtsituation in Myanmar und den Anrainerstaaten müssen fortlaufend überwachen, ob und welche Fluchtursachen weiterhin - unverändert oder in anderer Form - fortbestehen, um flexibel und angemessen darauf zu reagieren. Der von der Verfassung und den momentanen Machtverhältnissen vorgegebene Rahmen zementiert die Ausgrenzung von Binnenvertriebenen und Rückkehrern in Myanmar. Wenn die internationale Gemeinschaft gegensteuern will, müssen die Wahrung der Menschenrechte sowie Reintegrations- oder Entschädigungsmaßnahmen in transparenter Weise zu verbindlichen Erfolgsindikatoren international koordinierter und kohärenter EZ-Maßnahmen erhoben werden. Durch rechtsberatende Maßnahmen bei Konflikten um Landrechte und den Abbau von Ressourcen kann die EZ dazu beitragen, Rechtssicherheit für IDPs und Flüchtlinge neu aufzubauen. In von den bewaffneten Gruppen kontrollierten und der Regierung lange nicht zugänglichen Gebieten kann sie helfen, existierende Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur auszubauen, die den Aufnahmegemeinden, Binnenvertriebenen und Flüchtlingen gleichermaßen zugutekommt. Jahrzehntelange Vertreibungen haben zu transnationaler Arbeitsmigration, Diversifizierung, Vernetzung und Urbanisierung geführt. Die EZ braucht realistische Szenarien, die nicht nur die Rückkehr von Flüchtlingen beinhalten, sondern den erfolgten sozialen Wandel in Rechnung stellen. Binationale Ausbildungsangebote (z. B. mit Thailand) und Arbeitsmarktmaßnahmen würden Flüchtlingen und Migranten nachhaltige Einkommensperspektiven im jeweils anderen Land eröffnen und zur wirtschaftlichen Entwicklung beider Länder beitragen.
Die deutsche Asyl-und Einwanderungspolitik soll neu gestaltet werden. Darüber herrscht weitgehende Einigkeit zwischen den Parteien, die sich Hoffnungen auf einen Einzug in den Deutschen Bundestag am 24. September 2017 machen. Der Autor, Wissenschaftler am BICC, fragt kritisch nach, ob das viel zitierte "Vorbild Kanada" auch für Deutschland taugt. Als ein Vorbild für die Neugestaltung der deutschen Asyl- und Einwanderungspolitik gilt derzeit für viele Kanada mit seiner strikten Trennung von Arbeitsmigration und Asyl, seinem quotengesteuerten Punktesystem und seinen umfangreichen humanitären Umsiedlungsprogrammen. Die SPD erwähnt das kanadische Modell sogar wörtlich in ihrem Wahlprogramm. Auch Vertreter der Grünen, der FDP und selbst der AfD bezogen sich in Interviews auf dieses Vorbild. Lediglich die Linke lehnt aus humanitären Gründen eine Trennung von Flucht und Arbeitsmigration sowie Quotenregelungen strikt ab. Doch wie funktioniert die kanadische Asyl- und Migrationspolitik eigentlich und eignet sie sich als Vorbild für Deutschland?
Auffanglager dürfen nur eine Übergangslösung darstellen. Mittelfristig ist ein rascher Übergang zu "Cash for Rent"-Modellen unter dem Dach einer internationalen Organisation, wie zum Beispiel den Vereinten Nationen, nötig. Um langfristig integrative wirtschaftliche Anreize zu schaffen, sollten Mietzuschüsse von Anfang an gewährt und mit beruflicher Bildung, Hochschulbildung und "Cash for Work"-Modellen kombiniert werden. Die Bewertung der regionalen oder lokalen Daseinsvorsorge muss mit profunden Konflikt- und Marktanalysen verknüpft werden. Darauf basierend sollten Erwerbsgrundlagen und Märkte (neu) aufgebaut werden. Statt zu einem ineffizientem Wirtschaftssystem zurückzukehren, gilt es kleine und mittlere Unternehmen besonders zu fördern. Maßnahmen der Regionalregierungen zu Förderung von lokaler Integration und Reintegration sollten gefördert werden. Dafür muss in den Aufnahmegemeinschaften die erforderliche zusätzliche Infrastruktur (Wohnungsbau / Bildung / Gesundheit) geschaffen werden. Dadurch würde die Solidarität mit den Geflüchteten honoriert werden, anstatt soziale Spannungen durch Beschränkung von Hilfe auf besonders schutzbedürftige Gruppen zu erhöhen. Minderheiten- und Menschenrechtsgarantien, (Wieder-)Eingliederungsprojekte und gute Regierungsführung sollten zur Voraussetzung für Hilfeleistungen gemacht werden. Um die Aussöhnung voranzutreiben, sollten alle Aktivitäten mit vertrauensbildenden Maßnahmen verknüpft werden. Im Rahmen von Infrastrukturprojekten sollten Räume der Begegnung zwischen Aufnahmegemeinschaften und Vertriebenen ausgebaut werden. Dabei sind allerdings traditionelle Strukturen ethnisch- religiöser Koexistenz zu berücksichtigen. Traumata sind weit verbreitet und müssen bei allen Projekten in entsprechenden psychosozialen Maßnahmen Berücksichtigung finden.
Radikalisierungsprävention braucht eine klare, zielgerichtete Strategie. Dazu muss sie Antworten auf drei Fragen finden: Was genau ist die Radikalisierung, die hier verhindert werden soll? Welche Ursachen hat sie? Und wie lassen sich diese Ursachen beseitigen? So einfach diese Fragen klingen mögen, so schwierig ist ihre Beantwortung. Geht es um die Prävention radikaler Ideen oder um die Prävention gewalttätiger Anschläge? Sind es eher ideologische, psychologische oder politische und gesellschaftliche Faktoren, die eine Radikalisierung antreiben? In Bezug auf islamistische Radikalisierung regt das Working Paper drei mögliche Orientierungspunkte für die Entwicklung inländischer Präventionsstrategien an: Erstens: Fokus auf Gewaltprävention: Nicht alle Personen, die einer islamistischen Ideologie nahestehen, befürworten Gewalt. Umgekehrt haben nicht alle islamistischen Gewalttäterinnen und -täter eine solche Ideologie wirklich verinnerlicht. Das Problem ist daher zuallererst die religiös begründete bzw. dschihadistische Gewalt, der terroristische Anschlag. Prävention sollte sich auf die Verhinderung einer Radikalisierung zur Gewalt konzentrieren und insbesondere jene Elemente des islamistischen Spektrums adressieren, die eine Hinwendung zur Gewalt befürchten lassen. Der Salafismus in Deutschland stellt indes nur bedingt einen Nährboden für Terrorismus dar. Der Begriff der "Salafismusprävention" ist deshalb irreführend. Viele dschihadistische Anschläge in Deutschland wurden von Personen ohne direkte und enge Verbindungen in das heimische salafistische Milieu verübt. Eine primär auf Gewaltprävention gerichtete Strategie hätte über den Tellerrand des hiesigen Salafismus hinauszuschauen und transnationale dschihadistische Netzwerke stärker in den Blick zu nehmen. Zweitens: Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit: Islamistische Radikalisierung vollzieht sich im Kontext globaler wie auch inländischer Konflikte. Radikalisierungsprävention ist deshalb immer auch eine Konfliktbearbeitung, die bei allen darin involvierten Parteien ansetzen muss. Für Deutschland heißt das unter anderem, gesamtgesellschaftlichen Desintegrationserscheinungen entgegenzuwirken. Viele muslimische Menschen mit Migrationshintergrund erleben Ausgrenzung und Diskriminierung in ihrem Alltag. Muslimfeindliche Ressentiments in der Gesellschaft nehmen in jüngster Zeit zu. Sie bieten dschihadistischen Gewalttätern 1 ein willkommenes Einfallstor, fügen sie sich doch in das von ihnen propagierte Weltbild ein, das einen Verteidigungskampf gegen die globale Unterdrückung aller Muslime beschwört. Persönliche Diskriminierungserlebnisse können dann in Bezug zu einer größeren Konfliktkonstellation gesetzt und auf diese Weise erklärt werden. Bei einigen jungen Menschen können sie - im Zusammenspiel mit anderen Faktoren - im Entschluss münden, dieser Gesellschaft den Rücken zu kehren, sie vielleicht sogar gewaltsam bekämpfen zu wollen. Ressentiments erzeugen Widerstand, Widerstand erzeugt Ressentiments. Eine Präventionsstrategie hätte diesen Teufelskreis durch Maßnahmen zu durchbrechen, die die gesamte Gesellschaft adressieren. Die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit leistet immer auch einen Beitrag zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung. Drittens: Ermöglichung der gewaltfreien Austragung von Wertekonflikten: Vorurteilen entgegenzuwirken bedeutet mitnichten, bestehende gesellschaftliche Konflikte um Werte und Weltanschauungen unter den Teppich zu kehren. Die Achtung des Gegners hebt die Gegnerschaft nicht auf. Der Konflikt auf Augenhöhe schafft jedoch die Voraussetzung für seine Überführung in eine gewaltfreie und vielleicht sogar konstruktive Bahn. Die Präventionsstrategie einer offenen und pluralistischen politischen Ordnung hätte Konflikte, auch um grundsätzliche Fragen der normativen Ausgestaltung unserer Gesellschaft, anzuerkennen sowie große und kleine Räume für ihre friedliche Austragung zu schaffen. Alle Konfliktparteien haben sich selbstredend an die verfassungsrechtlichen Spielregeln zu halten. Gleichzeitig sollte eine solche Strategie auch marginalisierte Personengruppen in den Disput einbinden und womöglich fundamental abweichende Meinungen zulassen. Gewalt mag mitunter weniger der Anlass des Ausschlusses aus dem öffentlichen Streit als eine Folge davon sein. Radikalisierungsprävention ginge es dann nicht so sehr darum, Wertekonflikte zu lösen, indem Menschen auf bestimmte Weltanschauungen normiert werden; ihre vornehmste Aufgabe ist die Übertragung gewalttätiger in gewaltfreie Konflikte. Hintergrund: Dieses BICC Working Paper entstand im Projekt "Radikalisierungsprävention in NordrheinWestfalen: Wie können die Kapazitäten von Intermediären gestärkt werden?", das vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NordrheinWestfalen gefördert wird. Es ist der erste einer Reihe geplanter Beiträge zum Thema. Ziel der vorliegenden Übersichtsstudie ist eine erste Selbstverortung des Projekts innerhalb größerer wissenschaftlicher und politischer Debatten zu Salafismus, dschihadistischer Gewalt und Radikalisierungsprävention. Ausgehend von den hier aufgeführten Überlegungen sollen über die nächsten zwei Jahre konkrete Empfehlungen für die praktische Präventionsarbeit in NordrheinWestfalen erarbeitet werden.
Die strukturelle Marginalisierung der kolumbianisch- ecuadorianischen Grenzregion bietet einen Nährboden für das Übergreifen kolumbianischer Gewaltkonflikte auf ecuadorianisches Territorium. Die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sollte mithilfe von sektorübergreifenden und grenzüberschreitenden Programmen einen Beitrag zur langfristigen Eindämmung von Drogen- ökonomien und den hiermit einhergehenden Vertreibungen leisten. Ein integraler und partizipativer bottom-up Ansatz sollte den Aufbau staatlicher Infrastruktur, v.a. in den Bereichen Justiz, Bildung, Gesundheit und Arbeit voranbringen. Vertrauensaufbau und Versöhnung sind wesentliche Voraussetzungen sowohl für Friedens- als auch für (Re-)integrationsprozesse. Sie müssen auch in Ecuador in Programme für eine traumatisierte kolumbianische Exilbevölkerung eingebaut werden, die sowohl Opfer als auch Täter umfasst. Die EZ kann Träger sozialer Arbeit, öffentliche Bildungsinstitutionen sowie insbesondere kirchliche Institutionen, die in der Region Vertrauen und Autorität genießen, unterstützen. Die EZ muss Aufklärungsarbeit in den Kommunen sowie im Bildungs- und Gesundheitssektor mit dem Abbau von finanziellen bzw. bürokratischen Hürden kombinieren. Maßnahmen, die lokale Ombudsstellen sowie Opfer- und Migrantenverbände unterstützen, stärken zudem lokale Eigenverantwortung. Durch Beratung zur Formalisierung von Kleinstunternehmen in Existenzgründungsprogrammen kann die EZ Begünstigten den Aufstieg aus dem informellen Sektor ermöglichen. Hierbei sollten die Geber Maßnahmen grundsätzlich auf alle besonders schutzbedürftigen (kolumbianischen, ecuadorianischen und venezolanischen) Bevölkerungsteile ausweiten. Das regionale Ausmaß von Flucht und Vertreibung erfordert ein regional abgestimmtes und langfristig angelegtes humanitäres und entwicklungspolitisches Vorgehen, das kolumbianische und venezolanische Geflüchtete gleichermaßen berücksichtigt. Die EZ kann hierzu durch eine fachliche Beratung der zuständigen Ministerien und die Unterstützung regionaler Initiativen, wie etwa des Cartagena Prozesses, beitragen.
Der Globale Militarisierungsindex (GMI) des BICC bildet alljährlich das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats von Staaten im Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes ab. Der GMI 2017 umfasst 151 Staaten und basiert auf den aktuellsten vorliegenden Zahlen, in der Regel sind das die Daten des Jahres 2016. Der Index wird durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert. Die zehn Länder, die für das Jahr 2016 den höchsten Militarisierungsgrad aufweisen, sind Israel, Singapur, Armenien, Russland, Südkorea, Kuwait, Jordanien, Zypern, Griechenland und Brunei. Diese Staaten stellen dem Militär, im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Bereichen, besonders viele Ressourcen zur Verfügung. Bei einigen Ländern, die zu den 20 höchst militarisierten der Welt gehören, hat der Verfall des Ölpreises zu einem Rückgang der Militärausgaben geführt: Oman, Bahrain, Saudi-Arabien aber auch Aserbaidschan. Auch in Südamerika, insbesondere Venezuela, Ecuador, Peru und Mexiko, ließ der gesunkene Ölpreis die Militärausgaben mehr oder weniger deutlich sinken. Auf Amerika liegt ein regionaler Schwerpunkt des GMI 2017: Die beiden am stärksten militarisierten Staat in der Region sind Kuba und die USA. Die Militärausgaben der Vereinigten Staaten sind zum ersten Mal seit 2009 wieder gestiegen und sind mit 611 Milliarden US-Dollar die weltweit höchsten. Während die Staaten Mittelamerikas und der Karibik mit Ausnahme Kubas einen relativ niedrigen Militarisierungsgrad aufweisen, liegen die südamerikanischen Staaten eher im oberen Mittelfeld. Der diesjährige GMI setzt den Militarisierungsgrad ins Verhältnis zum Government Defence Anti-Corruption Index (GI) von Transparency International (TI). Der Rüstungssektor ist besonders intransparent und anfällig für folgendes Phänomen: Korrupte Eliten tätigen Rüstungsgeschäfte, die häufig zwar verteidigungspolitisch wenig sinnvoll sind, aber ihnen helfen, sich zu bereichern. Der Vergleich der Indices macht jedoch deutlich, dass Korruption keineswegs nur bei besonders hoch militarisierten Staaten sondern auch bei vielen Staaten mit vergleichsweise niedrigem Militarisierungsgrad auftritt, was auf Defizite im Sicherheitssektor und schwache staatliche Institutionen hinweist.
Der Globale Militarisierungsindex (GMI) des BICC bildet alljährlich das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats von Staaten im Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes ab. Der GMI 2016 umfasst 152 Staaten und basiert auf den aktuellsten vorliegenden Zahlen, in der Regel sind das die Daten des Jahres 2015. Der Index wird durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert. Mit Armenien, Russland, Zypern, Griechenland und Aserbaidschan befinden sich fünf europäische Länder unter den weltweiten Top Ten. Insbesondere infolge der Annexion der Krim durch Russland und des andauernden Konflikts in der Ostukraine hat sich die Sicherheitslage verändert. Während sich 2015 jedoch vor allem in den Staaten Osteuropas eine deutliche Zunahme der Militarisierung beobachten lässt, ist eine ähnliche Entwicklung bei den meisten westeuropäischen Staaten noch nicht zu erkennen. Der Militarisierungsgrad der meisten Länder im Nahen und Mittleren Osten ist vor dem Hintergrund lang andauernder Konflikte nach wie vor hoch. Israel und Jordanien nehmen global Platz 1 beziehungsweise 4 ein. Interessant wird sein, wie sich der seit Mitte 2014 stark gefallene Ölpreis auf die Militarisierung der Golfstaaten und deren massive Waffenkäufe auswirken wird. Auch Singapur, Südkorea und Brunei nehmen Spitzenplätze ein. Es bleibt zu beobachten, wie die Spannungen im Südchinesischen Meer und die damit zusammenhängenden Modernisierungs- und Aufrüstungspläne in Zukunft den Militarisierungsgrad Asiens beeinflussen werden. Der diesjährige GMI setzt den Militarisierungsgrad ins Verhältnis zum Welthunger-Index 2016, der Hunger nicht nur mit ökonomischen oder klimatischen Ursachen, sondern auch mit Instabilität und gewaltsamen Konflikten erklärt. Dass die meisten Staaten, in denen Hunger herrscht, einen relativ niedrigen Militarisierungsgrad haben, verweist darauf, dass eine schwache Militarisierung häufig nicht auf eine friedliche Gesellschaft, sondern vielmehr auf einen schwachen Sicherheitssektor und ein unsicheres Umfeld hindeutet. Nichtsdestotrotz befinden sich unter den 20 am stärksten unter Hunger leidenden Ländern auch Staaten mit einem relativ hohen Militarisierungsgrad. Möglicherweise binden dort die starken Investitionen in das Militär Ressourcen, die sonst zur Bekämpfung des Hungers oder für das Gesundheitssystem zur Verfügung stünden.
Seit Februar dieses Jahres läuft der zwischenstaatliche Verhandlungsprozess zur Erarbeitung des Globalen Migrationspakts in New York. Die Bundesregierung sollte (1) dafür eintreten, dass die afghanische nationale Arbeitsmigrationsstrategie und das Rahmenwerk zur regionalen Arbeitskräftemobilität berücksichtigt werden. Sie sollte sich (2) für eine Senkung der Überweisungsgebühren von Geldsendungen afghanischer Migrantinnen und Migranten einsetzten, wie es die KfW vorschlägt. Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, dass Binnenvertriebene in Afghanistan und Flüchtlinge in den regionalen Aufnahmeländern Iran und Pakistan grundsätzlich das Recht auf Bildung, Land und Wohnraum, medizinische Versorgung sowie einen effektiven Rechtsschutz erhalten. Verwaltungsbehörden der Bundesländer sollten Abschiebungen von Afghaninnen und Afghanen nur dann durchführen, wenn sie den Abgeschobenen langfristig Sicherheit garantieren und nachhaltig menschenwürdige Lebensverhältnisse ermöglichen. Ein Einwanderungsgesetz würde den rechtlichen Zugang zum deutschen Arbeits- und (Aus-)Bildungsmarkt für qualifizierte Personen und Fachkräfte aus dem Ausland, u. a. aus Afghanistan, regeln und die Einwanderung nicht berechtigter Personen ausschließen. Weiterbildungs- und Beschäftigungsprogramme sollten sowohl in Gebieten unter Regierungskontrolle als auch außerhalb dieser Gebiete über die Zusammenarbeit mit lokal gewählten Gemeindeentwicklungsräten, Zünften und Berufsvereinigungen realisiert werden.