Die ersten geschriebenen Verfassungen in Deutschland werden bis heute unterschätzt. Besonders in Kontrast zu den frühkonstitutionellen süddeutschen Verfassungen wurde dieser rheinbündische Konstitutionalismus der Jahre 1807-1811 lange Zeit als napoleonisch diktierter Scheinkonstitutionalismus abgewertet. In den Beiträgen dieses Sammelbandes werden die insgesamt sechs einzelstaatlichen Verfassungen sowie die Rheinbundakte analysiert. Damit wird sowohl der rheinbündische Konstitutionalismus rehabilitiert als auch neues Material fur eine komparative Sicht auf die rheinbündischen Reformen bereitgestellt. Dies ermöglicht die prazisere Verortung der ersten deutschen Konstitutionen innerhalb der Entwicklung hin zum Verfassungsstaat in Deutschland.
Die deutsche Verfassungsgeschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1945 ist nicht nur eine Geschichte von Verfassungstexten. Wie bewährte sich die geschriebene Verfassung in der Praxis? Wie entwickelten sich die Machtverhältnisse jenseits der Verfassungsartikel? In welchem Verhältnis standen Regierung und Parlament zueinander? Hartwig Brandt zeigt überaus anschaulich und informativ, welche zum Teil verhängnisvollen Umwege Deutschland auf dem Weg in die liberal-demokratische Moderne gegangen ist.
Der Beitrag untersucht unter Heranziehung von Sekundärliteratur die Phasen der Judenemanzipation im 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland. Bis ins 18. Jahrhundert waren die Juden gezwungen, als außerständische, beruflich, sozial und politisch diskriminierte Minderheit zu leben. Aufgrund der Einschränkungen ihrer Erwerbstätigkeit waren sie überwiegend im Darlehensgeschäft tätig. Finanziell waren sie weitgehend das Objekt obrigkeitlicher Ausbeutung. Trotz dieser einschneidenden Beschränkungen kam es innerhalb der jüdischen Bevölkerung zu einer sozialen Differenzierung. Die Parolen der Aufklärung und die Auflösung des Ancien Regime initiierten nach 1780 eine Reformbewegung in den deutschen Staaten, die im Gegensatz zu Frankreich eine Politik schrittweiser Emanzipation verfolgte. die Judenemanzipation erfuhr nach 1815 keine konsequente Fortsetzung, da sie in Staaten mit liberalem Wahlrecht von breiten Schichten blockiert wurde, die von einer Liberalisierung die eigene soziale Deklassierung befürchteten. Zum anderen waren die frühdemokratischen und frühliberalen Lehren von vorindustriellen, vorkapitalistischen und sozialständischen Leitbildern geprägt. Erst nach 1850 erhielt die Judenemanzipation mit der fortschreitenden Industrialisierung neue Impulse. (AM)
"In Württemberg korrespondierten Wahlrecht und Sozialstruktur auf eine frappierende Weise. Ein milder Zensus in Form der Entrichtung von Grund-, Haus- oder Gewerbesteuer ohne Ansehung der Höhe der Abgabe entsprach dem im Gewerbe vorherrschenden Handwerk und einem für das Land eigentümlichen agrarischen Kleinbesitz. Die Verfassung machte den letzten Parzelleninhaber ebenso wie den an der Schwelle der Armut lebenden Meister noch zum Stimmbürger. Folgerichtig dominierten diese Schichten mit bis zu 98 Prozent der Sitze in den Wähler- und Wahlmännerlisten. Auch in den Wahlcomites verfügten sie noch über solide Mehrheiten. Und doch der totale Verzicht auf die Entsendung standeseigener Vertreter in den Landtag! Gegen die ratio des Gesetzes und nicht als Folge ihm immanenter Beschränkungen, wie durchweg vermutet wird, war die württembergische II. Kammer ein Parlament der Kommunbediensteten und Staatsbeamten, in geringerem Maße der Advokaten und Kaufleute. Mit der emphatischen Betonung, ja Stilisierung des Mandats im Sinne ungebundener, nur dem allgemeinen Landesinteresse, ja dem Gemeinwohl schlechthin geltender Vertretungsweise baute sich vor Handwerkern und ländlichen Kleinbesitzern eine neue Hürde auf, mochte diese von den Liberalen des kaufmännischen und bildungs-bürgerlichen Milieus auch mit bestem Gewissen und ohne sozial diskriminierende Absicht errichtet sein. Es ist keine Frage, daß die gegen herkömmliche Honoratiorenpraktiken bemühte Repräsentativlehre mit ihrer Denunziation des Interessenmotivs jene politisch irritierte und einschüchterte, die im Überschaubaren, Lokalen, Alltäglichen, ständisch Gebundenen dachten und lebten. Und das war nun einmal die Masse der Kleinproduzenten in Handwerk und Landwirtschaft. Mochten sie in den Wahlmännergremien auch in erdrückender Überzahl sein, dem mit dem freien Mandat assoziierten Bildungsanspruch glaubten sie sich nicht gewachsen." (Autorenreferat)
In fünfzehn großen Themenblöcken werden alle Bereiche des Alltagslebens der Deutschen zwischen den napoleonischen Kriegen und der Reichsgründung anschaulich gemacht. In einem ungeheuren Modernitätssprung entwickelt sich Deutschland in dieser Zeit von agrarisch geprägter Kleinstaaterei zu einer der wirtschaftlich wie politisch führenden Nationen.
Klappentext: Zwischen 1815 und 1870 entwickelte sich Deutschland von einem Kleinstaatenteppich zu einer der führenden Groß- und Wirtschaftsmächte. Dieser rasante Sprung in die Moderne musste sich auf alle Bereiche des Alltagslebens auswirken. Die Quellensammlung bietet einen facettenreichen Überblick zu den unterschiedlichsten Ausprägungen des Alltagslebens der Deutschen. In 15 Themenblöcken werden die Akteure, die Orte und Riten des Alltäglichen anschaulich vor Augen geführt: Wohnen und Ernährung, Familie und Bildung, Religiosität und öffentliches Leben ...
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