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Staat und Kirchen in der DDR - dieses Thema hat besonders in den neunziger Jahren heftige kontroverse Diskussionen ausgelöst. Dabei wurde besonders die Frage nach der Rolle der Kirchen und der Haltung einiger namhafter Kirchenvertreter in den Mittelpunkt gestellt. Die im vorliegenden Band versammelten Autoren verschiedener Provenienz analysieren den Erkenntnisstand und machen in ihren Beiträgen deutlich, daß es Forschung zum Verhältnis von Staat und Kirchen in der DDR schon weit vor der Wende und nicht nur beschränkt auf den deutschen Raum gab. Insgesamt liegt hier ein in seiner Konzentration und Vielfalt einmaliger Überblick vor, der gestandenen und jungen Wissenschaftlern ebenso wie Interessierten aus Politik, Bildung und Medienöffentlichkeit hilft, sich auf einem wichtigen Feld der Aufarbeitung der Geschichte der DDR zu informieren und zu orientieren.

Der Autor geht der Frage nach, welche Motive die SED veranlassten, in den Zielkatalog ihrer Kirchen- und Religionspolitik die Institutionalisierung sozialistischer Rituale aufzunehmen, Rituale, die als Gegen- oder Ersatzsymbole zu den entsprechenden christlichen Ritualen konzipiert wurden und diese mehr oder weniger rasch ablösen sollten. Sozialistische Rituale sollten nach dem Entwicklungskonzept der SED eine die einzelnen Lebensabschnitte des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft prägende Bedeutung haben bzw. gewinnen. Im Zusammenhang mit der Frage, ob Partei, Staatsapparat und gesellschaftliche Institutionen ihr Ziel, "sozialistische Rituale" in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen, erreicht haben bzw. ihm nahe gekommen sind, werden auch Formen zu ihrer Realisierung erörtert. Die Frage, ob diese Riten entscheidend den weiteren Entkirchlichungsprozess in der DDR beeinflusst haben, kann sie, so der Autor, aufgrund des bis jetzt nur lückenhaften Materials für die nachfolgenden Jahre und Jahrzehnte nicht abschließend beantwortet werden. Die vorhandenen Forschungsergebnisse, die ein nicht geringes Interesse in der Bevölkerung an diesen Riten erkennen lassen, können keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben. Generell ließe sich sagen, dass alle sozialistischen Riten - von der Namensweihe über die Jugendweihe und die sozialistische Eheschließung bis zur weltlichen Bestattung mit sozialistischer Feier - den Entkirchlichungsprozess mehr oder weniger intensiv beeinflusst haben. (ICG)

Bereits im Zweiten Weltkrieg trafen die Hauptmächte der Anti-Hitler-Koalition USA, Sowjetunion und Großbritannien grundlegende Entscheidungen im Blick auf die Gestaltung eines militärisch besiegten, vom NS-Regime befreiten Deutschland. Dazu zählte auch, den Nationalsozialismus personalpolitisch "mit Stumpf und Stil auszurotten" und Deutschland zu bestrafen. Der vorliegende Beitrag unterscheidet zunächst deutlich die politische Säuberung, auch als "Entnazifizierung" bezeichnet, von der strafrechtlichen Verfolgung und Aburteilung einzelner zur NS-Machtelite zählender Positionsinhaber (Elitenabbruch). Bei diesem anspruchsvollen Vorhaben ging es den vier Besatzungsmächten um einen Elitenwechsel zunächst im öffentlichen Dienst, bald aber auch in anderen Teilen der Gesellschaft (insbesondere der Wirtschaft). Der Autor zeigt, dass die mit dem Elitenwechsel verbundenen gesellschaftspolitischen Zielsetzungen der westlichen Besatzungsmächte auf der einen und der sowjetischen auf der anderen Seite - in Zusammenarbeit mit den jeweiligen deutschen Instanzen - grundlegend divergierten. Während in den Westzonen die seit dem Ausgang der vierziger Jahre erkennbare breite Rehabilitierungspraxis dazu führte, dass ehemalige NSDAP-Mitglieder wieder in den öffentlichen Dienst zurückkehrten, fand in der SBZ/DDR ein gravierender Elitenwechsel statt. (ICA2)

Der Autor stellt zahlreiche Publikationen vor, in denen Themen wie das Staat-Kirche-Verhältnis, die Kirchen- und Religionspolitik der SED und die Rolle der Kirchen- und Religionsgemeinschaften im politischen und gesellschaftlichen System der DDR nicht nur marginale Beachtung finden, sondern Hauptthema der Arbeit sind. Eine Durchsicht wissenschaftlicher Bibliographien führte zu den vorgestellten Publikationen aus soziologischen, historischen, politologischen und juristischen Fachbereichen. Es sind aber auch Arbeiten aus der außeruniversitären "journalistischen DDR-Forschung" enthalten. Insgesamt kranken viele Publikationen an einer unzulänglichen Quellenlage. Das Quellenproblem der gesamten DDR-Forschung vor 1989 hat sich mit der Öffnung der Partei- und Staatsarchive ab 1990 erledigt. Das war aber in vielen Fällen keine Veranlassung zu grundlegenden Revisionen. (ICF)

Ausgehend von einem erkennbaren Abwärtstrend in der Mitgliederentwicklung wird die Situation der evangelischen Kirche zwischen Krise und Umbruch analysiert. Es wird aufgezeigt, daß die evangelische Kirche in der DDR ihren Charakter als Volkskirche immer mehr verliert und in einem Umbruch von einer Massen- und Mitläuferkirche in eine Freiwilligenkirche steht. Die Haltung der SED gegenüber der Kirche und der zu konstatierende Wandel in den 80er Jahren werden beschrieben. Verschiedene Aspekte des Entkirchlichungsprozesses in der DDR werden erörtert. In diesem Zusammenhang wird dann die Frage gestellt, wie die evangelischen Landeskirchen auf den Schrumpfungsprozeß zu reagieren beabsichtigen. Die Doppelstrategie im Krisenmanagement der Kirche wird erläutert: zum einen eine vornehmlich institutionell-organisatorisch orientierte Strategie und zum anderen eine Strategie, die das Selbstverständnis von Kirche in der DDR als Kirche im Sozialismus neu definiert. Strukturelle Aspekte, die Rahmenbedingungen und Instrumentarien für den Gemeindeaufbau werden erörtert. Die Ansätze eines neuen Verstehens von christlichem Glauben und Praxis werden diskutiert. Die Reaktionen der Machtelite und der Gesellschaftswissenschaften auf den als Suchbewegung der Kirche gekennzeichneten Umbruch werden eingeschätzt. Es wird deutlich, daß wichtige Schritte in Richtung auf ein entspanntes Verhältnis zwischen Staat und Kirche bereits getan worden sind. (KW)