Zur Judenfrage (1843/44): Bruno Bauer und Karl Marx - eine Textgeschichte
In: Kapitalismusdebatten um 1900 - über antisemitische Semantiken des Jüdischen, S. 141-179
Im März 1844 publizierten Karl Marx und Arnold Ruge die erste und einzige Ausgabe der Deutsch-Französischen Jahrbücher, die wegen der damals herrschenden Zensur in Paris erschienen. In ihnen findet sich neben der berühmt gewordenen "Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie" als zweiter Beitrag des damals 25-jährigen Marx dessen Aufsatz "Zur Judenfrage", eine Rezension von zwei 1843 erschienenen Traktaten des Junghegelianers Bruno Bauer: "Die Judenfrage" und "Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden". Dieser rund 30 Druckseiten umfassende marxsche Text blieb seinerzeit wie auch in den folgenden Jahrzehnten innerhalb und außerhalb der sozialistischen Bewegung zunächst relativ unbeachtet. Erst nach 1945 begann, ausgehend von den Schriften Edmund Silberners, eine umfängliche und bis heute kontrovers geführte Debatte darüber, ob der Text Elemente des Antisemitismus transportiert und welche Bedeutung ihm für den Antisemitismus innerhalb der politischen Linken zukommt. Im vorliegenden Beitrag werden einige für das Verständnis des Textes wichtige philosophiegeschichtliche Kontexte beleuchtet und der bauersche und marxsche Argumentationsgang nachgezeichnet. Im Mittelpunkt stehen anschließend die bekannten Schlusspassagen von "Zur Judenfrage", eine Auseinandersetzung mit der Silberner-These bzw. dessen Antisemitismus-Begriff sowie die Rezeptionsgeschichte des zwiespältigen marxschen Textes. (ICI2)