"In dieser Erwiderung auf Siegwart Lindenbergs Beitrag (Heft 1/1996) zu ihrem Aufsatz (Heft 2/1995) machen die Autoren deutlich, daß sie weder induktive logische Schlüsse propagieren noch eine naiv empiristische Postion der Entwicklung von Theorien auf der Basis von Datenmaterial vertreten. Sie kritisieren Lindenbergs unzweckmäßige Ausweitung des Theoriebegriffs und zeigen, daß seine Theorie sozialer Produktionsfunktionen genau das nicht leistet, was er von dieser Theorie fordert, nämlich 'Vorhersagen darüber, wie und was Menschen in einer bestimmten Situation substituieren.'" (Autorenreferat)
"Rational Choice Theorien wird oft vorgeworfen, daß ihr Theoriekern empirisch gehaltlos sei und es deshalb nicht erlaube, Erklärungen oder Prognosen von spezifischem Verhalten zu formulieren. Um dies zu leisten, ist es erforderlich, zusätzliche 'Brückenannahmen' über die für Akteure jeweils relevanten Handlungsalternativen, Handlungsfolgen, deren Erwartungen und Bewertungen sowie über Handlungsrestriktionen zu formulieren. In diesem Artikel wird Lindbergs Heuristik sozialer Produktionsfunktionen, die eine deduktive Gewinnung solcher Brückenannahmen ermöglichen soll, einer Kritik unterzogen. Es wird gezeigt, daß sich mit Hilfe dieser Heuristik keine spezifischen und gehaltvollen Brückenannahmen für die Erklärung konkreten Verhaltens ableiten lassen und daß der Forscher dabei verleitet wird, eine problematische 'Gewohnheitsheuristik des Alltagswissens' anzuwenden. Wir vertreten dagegen die Auffassung, daß sich das Problem der Gewinnung von Brückenhypothesen nicht theoretisch, sondern nur methodologisch lösen läßt. Daher werden zwei Verfahren der Gewinnung von Brückenannahmen auf der Grundlage empirischer Daten vorgestellt, die es ermöglichen, mit Hilfe explorativer Studien sowie unter Verwendung computergestützter Analysen von unstrukturiertem Datenmaterial derartige Zusatzannahmen zu gewinnen." (Autorenreferat)
Im vorliegenden Beitrag greifen die Autoren auf die Ergebnisse einer empirischen Studie zurück, in der es u.a. um Macht und Machtbalancen zwischen Akteuren innerhalb einer Figuration "Strafverfahren", um beabsichtige sowie unbeabsichtigte und um individuelle sowie kollektive Handlungsresulate geht. In dieser Untersuchung wurden insgesamt 255 standardisierte Interviews mit Richtern, Staatsanwälten, Strafverteidigern und Beamten der Kriminalpolizei sowie der Finanzbehörden im gesamten Bundesgebiet geführt. Ziel der Studie ist es, die Implementation, d.h. Anwendung von Normen des Wirtschaftsstrafrechts in Strafverfahren zu untersuchen. Diese Untersuchung ist komparativ angelegt, da sowohl Akteure aus Wirtschaftsstrafverfahren als auch aus vergleichbaren allgemeinen Strafverfahren befragt wurden. (pmb)