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Orig.-Ausg.

Die Einheit des Wissens beruht nach Meinung des Autors auf der Annahme von mehreren Einheiten bzw. Postulaten: Erstens auf der Einheit der Welt, in der überall die gleichen Gesetze gelten, auf die manche Menschen geradezu gottesfürchtig vertrauen; zweitens auf der Einheit der Menschheit in allen ihren Mitgliedern; drittens auf der Überzeugung, dass alle Menschen an der gleichen Vernunft teilhaben - ein Postulat kantianischer Philosophie, also der Einheit menschlicher Vernunft und des menschlichen Geistes. Daraus folgt dann die "consilience", das heißt die Einheit der Wissenschaften, die in allen ihren Zweigen das Bewusstsein dafür - gleichsam als lenkendes Vorstellungsbild ihres gemeinsamen Zieles - niemals vergessen darf. Aber eine "Einheitswissenschaft" kann damit nicht gemeint sein, wie der Autor in einer kritischen Betrachtung der gegenwärtigen Vermengung von Geistes- und Naturwissenschaften zeigt. Die Freiheit wissenschaftlicher Erkenntnis zeigt sich seines Erachtens in der gleichberechtigten Vielfältigkeit ihres Erkenntnisstrebens und wirkliche Einheit als überzeugende Einsicht kann nur aus der Freiheit zum Widerspruch kommen. (ICI2)

Wissen aus erster, zweiter und dritter Hand durchdringt heute alle weltweit vernetzten Gesellschaften. Ein globales Management von Klima und Biosphäre wäre ohne wissenschaftliche Kenntnisse nicht möglich. Global ist dabei auch der scharfe Wettbewerb um die besten Köpfe der Wissenschaft geworden, genauso aber jener um Patente und Lizenzen. Der vorliegende Essay diskutiert vor diesem Hintergrund das Verhältnis von Politik und Wissenschaften. Dies Verhältnis ist für die Politik nicht anders als ihr Verhältnis zu Wirtschaft, Kultur oder Religion: unentbehrlich dabei, die Vielfalt zu schützen, zu ordnen und zu ermöglichen, aber unfähig, jemals an ihre Stelle zu treten. Politiker müssen hier und jetzt in Konflikten entscheiden, und sie brauchen dazu das Wissen, das ihnen nur wissenschaftlicher Rat gewähren kann. Nur Wissenschaftler können das Wenn-dann-Geflecht der Folgen möglicher Einwirkungen auf die natürliche oder gesellschaftliche Wirklichkeit entwirren. Folgen und Nebenfolgen politischer Entscheidungen (auch Unterlassungen sind solche) können nur jene Spezialisten der wirklichen Verhältnisse vorausdenkend erfassen, die zugleich zu umfassender wie zu tatsachengerechter Analyse befähigt, berechtigt und verpflichtet sind. Das Vertrackte in diesem Verhältnis sieht der Autor darin, dass die "politische Versuchung der Wissenschaft" fast immer keine Versuchung zum Bösen ist, der mit den Mitteln von Recht und Sitte beizukommen wäre: Es ist eine "Versuchung zum Guten", unter der die Wissenschaft leiden könnte. Das Heil der Menschheit vor Augen, droht Wissenschaft die eigene Leitdifferenz (Wahrheit) zu verfehlen, indem sie ihre Geltung verliert: "Deshalb tut es ihr am Ende vielleicht sogar gut, wenn die Politik sie nur mit Vorsicht genießt". (ICA2)

Vor dem Hintergrund einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Natur und Kultur beschäftigt sich der Beitrag mit drei Fragen: (1) Was ist Kultur wirklich? (2) Wodurch kam der Mensch zur Kultur; was machte ihn so einzigartig kulturgeeignet, was sind die evolutionären, das heißt letztlich doch die genetischen Grundlagen dafür? (3) Welche Folgen hat dieser Entwicklungsprozess, einerseits für alle Menschenkinder, die ihn individuell immer neu durchlaufen müssen, und andererseits für alle erwachsenen Menschen, die ihn onto- und phylogenetisch durchlaufen haben? Die Beantwortung umfasst insbesondere folgende Aspekte: (1) das Kulturwesen Mensch, (2) Religion, (3) Nachahmung und Innovation, (4) Gehirnentwicklung und Kulturentfaltung, (5) Entwicklung eines Bewusstseins sowie (6) Freiheit des Geistes. Die Befreiung von der Macht der Gene und der Triumph der Kultur über sie hat etwas durchaus Zwiespältiges. Was emergent mittels der Kulturen unzweifelhaft gewaltige Potentiale des Lebendigen im Menschen freigesetzt hat, was seinem - aufgeklärten - Geist und seiner stupenden Technik im Wortsinn Flügel verliehen hat, führte den Menschen Ikarus nicht nur bedrohlich in Sonnennähe. Dies machte den Menschen auch anfällig für kulturelle Zwänge aller Art, von wohlmeinender sozialer Betreuung und parasozialistischer Bevormundung, wie man sie derzeit erfährt, bis zu brutaler Unterjochung unter herrschende Kulturtraditionen. (ICG2)