Christian Sammer draws upon the East German Hygienics Museum and the West German Health Museum to examine media-based and institutional continuities along with efforts to restart health education between 1945 and 1967. He shows how the intersections between medical expertise, advertising concepts, and conceptions of social order formed the ideal "responsible citizen" and "socialist personality."
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In dieser Einführung des Open-Access-Sammelbandes "Gesundheitskommunikation und Geschichte. Interdisziplinäre Perspektiven" stellen wir die Beiträge und ihre verbindenden Elemente sowie die Zielstellungen des Sammelbandes vor. In diesem Band geht es darum zu überprüfen, ob man voneinander lernen kann: Der Band versammelt geschichts-, kultur- und kommunikationswissenschaftliche Zugänge auf die Historizität des Redens, Schreibens und Zeigens der Bedingungen von Gesundheit und Krankheit. Sein Ziel ist, im Zusammenklang seiner Artikel mögliche interdisziplinäre Perspektiven, Zugänge, Materialien und Methoden auszuloten. Wir wollen tastend erfragen, ob und inwieweit die gegenseitige Irritation, die interdisziplinäre Vorhaben auslösen, nicht nur verunsichert, sondern auch eine konstruktive Unruhe auslöst. Dafür bietet der Band verschiedene Zugangswege durch unterschiedliche Strukturierungsansätze an. Dementsprechend werden die Beiträge anhand der (1) Gesundheitsthemen, der (2) Chronologien sowie Kontinuitäten, Analogien und Brüchen, der (3) Kommunikationsformate und (4) der damit verbundenen Sammlungen bzw. Institutionen vorgestellt. Abschließend werden auch Hinweise zu den ergänzenden digitalen Materialien gegeben.
Im Beitrag beschreibe ich ausgewählte Aspekte des Gesundheitswesens im deutschsprachigen Raum der Frühen Neuzeit. Dabei spielen obrigkeitliche Verordnungen zur Regelung des Gesundheitswesens ebenso eine wichtige Rolle wie die verschiedenen Akteure in einer überwiegend ländlich und ständisch geprägten Gesellschaft. Auf die stationären Gesundheitseinrichtungen der Hospitäler, Apotheken und Heilbäder aufbauend entwickelte sich ein ausdifferenziertes Gesundheitssystem, das unter hygienisch und medizinisch schwierigen Bedingungen ein hohes Vertrauen der Bevölkerung genoss. Ein Großteil der Behandlungen wurde von praktisch ausgebildeten Barbieren, Badern, Wundärzten, "Kräuterhexen", Hebammen und Chirurgen vor Ort erbracht. Die gelehrten Mediziner waren dagegen fernab an den wenigen Universitäten in der Lehre für den akademischen Nachwuchs tätig oder praktizierten in den größeren Städten. Sie repräsentierten das Gelehrtenwissen und veröffentlichten in hoher Zahl ihre überwiegend in lateinischer Sprache verfassten Schriften. Eine Ausnahme hiervon bildeten die sogenannten Pesttraktate, die den Bewohnern in deutscher Sprache Handlungsanleitungen an die Hand gaben, wie man sich vor den Seuchen schützen könne.
Die Ansprache von gesundheitsrelevanten wie -bezogenen Themen erfolgt heutzutage über die unterschiedlichsten Wege. Innerhalb der Medien stellen klassische Printmedien und Bewegtbildformate derweil die dominierenden Basismedien dar. Auditiven Medien, wie dem Radio oder dem Podcast, wird bisweilen eine vergleichsweise geringe Bedeutung zugesprochen. Einzelne Gesundheitskampagnen zogen in den vergangenen Jahren jedoch auch immer wieder verschiedene Hörmedien in Betracht. Vor diesem Hintergrund widmet sich der nachfolgende Beitrag dem Einsatz von auditiven Medien in der Gesundheitskommunikation. Hierzu wird die historische Entwicklung der ausgewählten Hörmedien skizziert sowie eine Auswahl historischer wie aktueller gesundheitsbezogener Hörformate vorgestellt. Darauf aufbauend wird der Stellenwert auditiver Medien innerhalb der Gesundheitskommunikation diskutiert.
Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden (DHMD) versteht sich heute als ein Forum für aktuelle Fragestellungen, die sich aus den gesellschaftlichen Umwälzungen unserer Gegenwart ergeben. Aktuell und anhand von historischen Perspektiven werden hier Aspekte des menschlichen Lebens wie Körperanatomie, Leben und Sterben, Sexualität und Ernährung behandelt. Das DHMD erlebte seit 1912 wechselnde politische Systeme und war in diesen maßgeblich an Kampagnen beteiligt. Die Austellungsstücke geben somit auch Auskunft über Wissenstand und Auffassungen ihrer Entstehungszeit und lassen einen Wandel in der Wissensvermittlung deutlich werden. Beispielhaft kann dies an der Sexualaufklärung anhand von Körpermodellen nachvollzogen werden. Die Modelle entwickelten sich von solchen, die die Schwangerschaft und Geburt zeigten und damit die Sexualität zwischen Mann und Frau zum Zwecke der Fortpflanzung propagierten, hin zu einer progressiven Sexualaufklärung, die eine Abkehr von dem normativen Zwei-Geschlechter-Modell durch bunte, teils flauschige intergeschlechtliche Genitalorgane zeigt. Ein solcher Wandel ist ebenfalls in der Kommunikation zu sexuell übertragbaren Krankheiten und Ernährungskampagnen zu beobachten, welche insbesondere durch Plakate in die Öffentlichkeit gebracht wurden. Im Gegensatz dazu ist in der Geschichte der Impfkampagnen so wenig Wandel zu beobachten, dass ein historischer DDR-Aufklärungsfilm aus dem Jahr 1968 genutzt wird, um für die Corona-Schutzimpfung zu werben.
Die Aufklärung über HIV und AIDS durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Deutschland war wegweisend für die Renaissance gesellschaftsbezogener Reaktionsweisen auf Infektionskrankheiten in der Bundesrepublik am Ende des 20. Jahrhunderts. Im Zuge der Pandemie in den 1980er-Jahren entwickelten sich in Westdeutschland Konzepte und Grundlagen für die partizipative Aufklärung über Gesundheitsprobleme, die ihre sozialen Probleme in den Blick nehmen und nach 30 Jahren noch immer Anwendung finden. In diesem Beitrag wird die Evaluation von Gesundheitskommunikationskampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu HIV und AIDS von 1987 bis 2017 mittels qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse untersucht, um deren These des evaluationsgestützten Lernens zu überprüfen. Abschließend wird diskutiert, inwiefern die Evaluationsstudien zu einer Weiterentwicklung der Aufklärungsarbeit und des Verständnisses für Kampagneneffekte beigetragen haben.
Die Aufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist es, verantwortungsbewusstes und gesundheitsgerechtes Verhalten der Bevölkerung zu förden. Dazu gehören beispielsweise die Prävention von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen, die Suchtprävention und die Organspende. Die Strategien, Methoden und Konzepte zur Erfüllung dieser Aufgaben sind im stetigen Wandel. Sie orientieren sich an aktuellen Präventionskonzepten und einem zeitgenössischen themen- und zielgruppenspezifischen Medienmix. Dazu gehören zum Beispiel Ausstellungen, die nicht museal entrückt, sondern in das Setting der Bevölkerung geholt und aufmerksamkeitserregend in Innenstädten und Schulen aufgebaut werden. Während Plakate mit einprägsamen Slogans im Straßenbild für ein unmittelbares Wahrnehmen und Verstehen im Vorbeigehen eingesetzt werden, dienen Printbroschüren der Vermittlung von neuen oder umfangreichen Informationen. Im Gegensatz zu diesen historisch relativ konstanten Medienarten sind audiovisuelle Medien einem stärkeren und ständigem Wandel unterworfen, zu dem seit den 1990er Jahren das Internet hinzukam. Auf die seit den späteren 1980er Jahren in TV und Kino eingesetzten Filmspots folgen im Internetzeitalter nach Zielgruppen ausdifferenzierte Webpräsenzen mit neuen audiovisuellen Formaten. Erklärvideos, Podcast und Kanäle auf Youtube und Instagram sollen vor allem auch jüngere Menschen zeitgemäß ansprechen.
Der Herausforderung, eine Ausstellung über eine Pandemie während einer Pandemie zu gestalten, hat sich das Deutsche Medizinhistorische Museum Ingolstadt (DMMI) angenommen. Die Ausstellung "Die Ingolstädter Maskentonne. Eine Corona-Ausstellung mit medizinhistorischen Bezügen" vom 10. Dezember bis zum 16. Mai 2021 thematisiert die lokalen Strategien der Pandemiebekämpfung in Ingolstadt. Im kuratorischen Prozess war die rasche Entwertung immer neuer Wissensstände zur Covid-19-Pandemie eine stete Begleitung. Die begrenzte Haltbarkeit und der vorläufige Charakter von Wissen zur Pandemie wurden szenografisch wie erzählerisch in der Ausstellung transparent gemacht. Als Ausstellung ist die "Ingolstädter Maskentonne" ein Zwischenstand. Sie verweist auf ihre Nähe zur Gegenwart, indem sie sich von ihr unterscheidet. Für die objektbasierte Vermittlung der (zukünftigen) Geschichte der Covid-19-Pandemie macht sie auf die Rolle von Museen und medizinhistorische Sammlungen aufmerksam.
Während die HIV-Neuinfektionsrate mittlerweile auf einem niedrigen und stabilen Niveau ist, sind die Erkrankungszahlen verschiedener sexuell übertragbarer Infektionen (STI, z. B. Syphilis) in den letzten Jahren stark angestiegen. So ist neben der Prävention einer Infektion mit HIV heute auch die Prävention von anderen STI durch die mediale Aufklärung über Ansteckungswege, Schutzmaßnahmen und Symptome von großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit. Dementsprechend hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit kommunikationsstrategische Aufgaben für die STI-Prävention übernimmt, ihre ursprüngliche Kampagne GIB AIDS KEINE CHANCE schrittweise zur STI-Kampagne LIEBESLEBEN entwickelt. Zur Veranschaulichung dieses Wandels zeichnet der vorliegende Beitrag die Kampagnenkommunikation der BZgA seit 2008 nach.
In seinem fünfbändigen Werk "Das Leben des Menschen" erklärte der Mediziner Fritz Kahn (1888-1968) der bildungshungrigen Mittelschicht der Weimarer Republik die Anatomie, Biologie, Physiologie und Entwicklungsgeschichte des Menschen. Zwischen 1922 und 1931 veröffentlicht, gilt seine enzyklopädische Gesamtdarstellung heute als eine der Meisterleistungen populärer Wissenschaftsvermittlung und - wegen der weit über 1.000 Abbildungen auf Tafeln - als ein Meilenstein der visuellen Kommunikation. Der Beitrag untersucht die Visualisierungsstrategien des Werkes und seine Vermittlungswege, auch im Hinblick auf aktuelle Ansätze der Gesundheitskommunikation.
Sexuell übertragbare Krankheiten (STI) beschäftigen Menschen seit jeher. Nachdem Sexualität und Fragen sexuellen Verhaltens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts im öffentlichen Diskurs jedoch weitgehend tabuisiert waren, rückte das Thema Geschlechtskrankheiten während der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert immer mehr in den Fokus des öffentlichen Interesses. Die Aufklärung der breiten Bevölkerung über die Geschlechtskrankheiten und der damit verbundene Wunsch nach Prävention wurde zu einer wichtigen Aufgabe erklärt. Bis heute sind die Förderung sexueller Gesundheit und die STI-Prävention elementarer Bestandteil der Gesundheitskommunikation. Dieser Beitrag widmet sich einer kommunikationswissenschaftlichen Analyse der hierfür eingesetzten Botschaftsstrategien im frühen 20. Jahrhundert. Dafür werden unterschiedliche Aufklärungsmaterialien im Kontext der historischen öffentlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen analysiert. Auf Basis dessen findet zudem ein Vergleich der historischen Persuasionsstrategien mit Strategien aktueller Angebote zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten in Deutschland statt.
Medizinische Fachsammlungen und ihre Schaustücke spielen in der Regel in breiten gesellschaftlichen Diskursen keine Rolle. Eine so eigenwillige wie interessante Ausnahme ist die "Humanembryologische Dokumentationssammlung Blechschmidt" am Zentrum Anatomie der Universitätsmedizin Göttingen. Sie geht auf den Anatomen Erich Blechschmidt (1904-1992) zurück, der von 1942 bis 1973 die Göttinger Anatomie leitete, dort einen humanembryologischen Schwerpunkt etablierte, mit ärztlicher Unterstützung Hunderte embryonaler Präparate sammelte und auf dieser Grundlage Forschungsmodelle herstellen ließ. Entstanden ist so neben einer Referenzsammlung histologischer Schnittserien eine beeindruckende Fachausstellung mit dutzenden, ausgesprochen detaillierten Kunststoffmodellen menschlicher Embryonen. Diese Ausstellung ist bis heute auch für ein Laien zugänglich und diente während der 1980er und 1990er Jahren im öffentlichen Diskurs um den Schwangerschaftsabbruch als fragwürdiger wissenschaftlicher Beleg dafür, dass jeder Embryo ein vollwertiger Mensch und deshalb vor Abtreibung zu schützen sei. Im Beitrag werde ich der Beziehung zwischen hochspezifischer Fachausstellung und gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung nachgehen. Vorgestellt werden verschiedene Lesarten der Modellausstellung, die um Embryologie, Moral, NS-Verbrechen und Wissenschaftsgeschichte kreisen und die Frage aufwerfen, wie im Ausstellungsraum die vielfältigen historischen Kontexte sichtbar gemacht warden können.