Sammelwerksbeitrag(elektronisch)2021

Aliens im Keller: eine embryologische Universitäts-Ausstellung als Medium für Fachwissenschaft, Weltanschauung und Sammlungsgeschichte

In: Gesundheitskommunikation und Geschichte: interdisziplinäre Perspektiven

Abstract

Medizinische Fachsammlungen und ihre Schaustücke spielen in der Regel in breiten gesellschaftlichen Diskursen keine Rolle. Eine so eigenwillige wie interessante Ausnahme ist die "Humanembryologische Dokumentationssammlung Blechschmidt" am Zentrum Anatomie der Universitätsmedizin Göttingen. Sie geht auf den Anatomen Erich Blechschmidt (1904-1992) zurück, der von 1942 bis 1973 die Göttinger Anatomie leitete, dort einen humanembryologischen Schwerpunkt etablierte, mit ärztlicher Unterstützung Hunderte embryonaler Präparate sammelte und auf dieser Grundlage Forschungsmodelle herstellen ließ. Entstanden ist so neben einer Referenzsammlung histologischer Schnittserien eine beeindruckende Fachausstellung mit dutzenden, ausgesprochen detaillierten Kunststoffmodellen menschlicher Embryonen. Diese Ausstellung ist bis heute auch für ein Laien zugänglich und diente während der 1980er und 1990er Jahren im öffentlichen Diskurs um den Schwangerschaftsabbruch als fragwürdiger wissenschaftlicher Beleg dafür, dass jeder Embryo ein vollwertiger Mensch und deshalb vor Abtreibung zu schützen sei. Im Beitrag werde ich der Beziehung zwischen hochspezifischer Fachausstellung und gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung nachgehen. Vorgestellt werden verschiedene Lesarten der Modellausstellung, die um Embryologie, Moral, NS-Verbrechen und Wissenschaftsgeschichte kreisen und die Frage aufwerfen, wie im Ausstellungsraum die vielfältigen historischen Kontexte sichtbar gemacht warden können.

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