Fälle verstehen und durchblicken kann als eine der zentralen Herausforderungen Sozialer Arbeit gelten. Was als ein Fall verstanden und wie diese Arbeit konzeptionell begriffen und methodisch gestaltet werden kann, aber auch um Grenzen und Zweifel an professioneller Verstehensarbeit, darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Kinderrechte sind im Kern Rechte auf selbstbestimmte Teilhabe, förderliche Entwicklung und zuverlässigen Schutz. In der Praxis jedoch sind immer wieder Vorfälle massiver Missachtung dieser Rechte zu verzeichnen – und ein frühzeitiges Entdecken bleibt oftmals aus. Es gilt also, die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen um die »No-Go's« zu ergänzen: um das Bewusstsein und Kriterien für Grenzüberschreitungen und Rechtsverletzungen.
Über die erschütternde Geschichte der Heimkinder in der jungen Bundesrepublik informierte zuletzt das Buch von P. Wensierski: "Schläge im Namen des Herrn" (06A10). Die im Rahmen der Reihe Zeit + Geschichte und unter Leitung des Koblenzer Sozialpädagogik-Professors Christian Schrappner erstelle Studie belegt, dass die staatlich verordnete Erziehung auch in Schleswig-Holstein ein dunkles Kapitel war. Das Buch beginnt mit Lebensberichten der Bewohner und ihrem über "freiwillige Erziehungshilfe" oder "Fürsorgeerziehung" führenden Weg ins Heim. Die Geschichte Glückstadts als Anstaltsort und des Landesfürsorgeheims selbst werden ausführlich und anhand zahlreicher Fotos und Dokumente geschildert, bis hin zur Debatte um die endgültige Schließung 1974. Am Eindrucksvollsten sind die Erzählungen und Erinnerungen ehemaliger Zöglinge über ihr Leben im Landesfürsorgeheim. Diese und andere Zeitzeugenberichte als Interviews auch auf der beiliegenden DVD. Ein sehr gut gemachtes Buch! (S. Gülck)
Der Autor zeigt, wie im Zeitraum von 1950 bis 1970 in Westdeutschland das Versprechen des Grundgesetzes von 1949, als demokratisches Gemeinwesen die Menschwürde aller achten zu wollen, in der Heimerziehung systematisch missachtet wurde. Er skizziert gesellschaftliche Funktionen damaliger Heimerziehung und fordert vor dem Hintergrund vielfältiger Aufarbeitungsprozesse auch an den Runden Tischen dennoch darauf zu bestehen, dass Unrecht sehr konkret und zurechenbar von Menschen an Menschen begangen wurde.
"Trotz einer deutlichen Zunahme der Zahl tatverdächtiger junger Menschen in den letzten Jahren besteht kein Grund zur Dramatisierung der Lage. Auch für die Bedrohung durch Jugendkriminalität gilt, dass die 'subjektiven Bedrohungsgefühle' vieler Bürger und Politiker und die 'objektive Bedrohungslage' oft wenig zusammenpassen. Aber es besteht auch keine Berechtigung zu bagatellisieren: Kriminelles Handeln junger Menschen ist ein ernst zu nehmender Indikator für Probleme, vor allem im Blick auf die Lebensumstände und Zukunftsaussichten derjenigen Menschen, die Straftaten begehen. Jedoch erfordern 'komplizierte Probleme komplexe Lösungen'. Dies sollte ein Kernmotiv kommunaler Strategien gegen Jugendkriminalität sein, denn es gibt keine einfachen Erklärungen, die dem Phänomen Jugendkriminalität in seiner Vielschichtigkeit gerecht werden, und es gibt leider auch keine einfachen Lösungen. Orientierungspunkte für eine erfolgreiche kommunale 'Kriminalprävention' sind: Infrastruktur und Regeleinrichtungen stärken, individuelle Belastungen und Krisen als Warnsignale verstehen, besondere Förderung für belastete Gebiete und Gruppen bereitstellen, für angemessene und zeitnahe Sanktionen sorgen, eine aufgeklärte politische Kultur und verbindliche Kooperationen der Systeme Bildung, Jugendhilfe und Polizei/ Justiz herstellen." (Autorenreferat)
Von tiefgreifenden Veränderungen im Sinne einer Entstrukturierung der Lebenslagen bei gleichzeitiger Pluralisierung der Bewältigungsmöglichkeiten sind Jugendliche im ländlichen Bereich stärker und anders betroffen als Jugendliche generell. Deren, in den meisten wissenschaftlichen Untersuchungen vernachlässigte, spezifische Situation, wurde durch Daten einer weitgehend standardisierten Fragebogenerhebung, basierend auf Sozialraumanalyse und Experteninterviews, untersucht: "Jung sein im Westerwald - Lebens- und Freizeitsituation junger Menschen im Westerwaldkreis", durchgeführt von einer Projektgruppe der Universität Koblenz-Landau. Schwerpunkte sind dabei alltägliche Einstellungen, die eingeschränkte Mobilität zur Nutzung erwünschter Freizeitaktivitäten, bzw. der Bereitstellung von "Jugendräumen" in nächster Nähe, die Bereitschaft zu gezieltem Engagement v.a. in eigenen Belangen und Demokratisierungsbedarf. Hilfs- und Beratungsangebote in spezifischen Problemsituationen scheinen kaum bekannt oder vorhanden zu sein, deren Bedarf seitens der Erwachsenen ignoriert zu werden, zumal politisch Verantwortliche über Lebensräume und deren politisches und soziales Potenzial nur unzureichend informiert zu sein scheinen. Der Anteil Jugendlicher, die im Westerwald leben und arbeiten wollen, ist gering; Möglichkeiten der Zukunftssicherung sind trotzdem zu bieten. (DJI/EL)