Wanner makes a significant contribution to the project to embrace language in three dimensions at the same time: (1) daily acts of production and reception, (2) acquisition of first language, and (3) linguistic change. To do so, it moves the object that needs to be the process to the speaker — not a language — and describes the analogy as the basic device. To support this project, he called Skousen's Dynamic analogy and Culicover's Concrete Minimalism to which he added a 'Soft Syntax'. After reporting through the text, I make a critical assessment of the device so constituted and say to what extent the project is, in my view, supported. ; Wanner fait une contribution significative au projet d'embrasser le fait linguistique dans trois dimensions à la fois : (1) les actes quotidiens de production et de réception, (2) l'acquisition de langue première, et (3) le changement linguistique. Pour cela il déplace l'objet qui doit être les processus chez le locuteur - et non une langue - et qualifie l'analogie comme l'appareil fondamental. Pour soutenir ce projet il convoque la "Dynamic Analogy" de Skousen et le "Concrete Minimalism" de Culicover à quoi il ajoute une "Soft Syntax". Après un compte rendu au fil du texte, je fais une évaluation critique de l'appareil ainsi constitué et dis dans quelle mesure le projet est, selon moi, soutenu.
Wo stehen die Politische Philosophie und Politische Theorie zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Was haben sie uns anlässlich der gegenwärtigen Herausforderungen von scheinbar übermächtigen globalen Strukturen ohne geregelte Verantwortlichkeiten (noch) zu sagen? Kann politische Theorie unser politisches Leben richtungsweisend beeinflussen? Sollte sie das überhaupt wollen oder sich lieber der Analyse, Erklärung und vielleicht Kritik bestehender Verhältnisse widmen? Zu dem Thema erschien das Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie, hrsg. v. Stefan Gosepath, Wilfried Hinsch und Beate Rössler in Zusammenarb. mit Robin Celikates und Wulf Kellerwessel, Verlag Walter de Gruyter, November 2008 ; Die Rolle der politischen Philosophie in der gegenwärtigen Gesellschaft , discussion, ICI Berlin, 3 March 2009
Es ist der Berner Historiker Stefan Guth, der sich in seiner Dissertationsschrift der schwierigen Aufgabe stellte, die wechselhafte Beziehungsgeschichte beider nationaler Historiographien über Generationsgrenzen und die tiefgreifenden politischen Zäsuren des letzten Jahrhunderts hinweg zu synthetisieren. Die mit dem Klaus-Mehnert-Preis der DGO ausgezeichnete Arbeit lässt kaum Raum für wesentliche inhaltliche Kritik. Der Autor hat vielfältige Quellen wissenschaftlicher Institutionen, aber auch die Überlieferung von Ministerien und anderen regierungsamtlichen Stellen herangezogen, die zum Teil bislang kaum genutzt wurden. Guth kommt mit seiner Arbeit vor allem das Verdienst zu, eine erste Gesamtdarstellung des "deutsch-polnischen Historikerdialogs" vorgelegt zu haben, die von der Zwischenkriegszeit bis in die 1970er Jahre (bzw. im Falle der DDR bis in die 1980er Jahre) reicht. Dabei analysiert er die historiographischen Entwicklungen beiderseits der Oder in ihren jeweils eigenen inneren Dynamiken, arbeitet deren Spiegelung in den jeweils konkurrierenden Narrativen im Nachbarland heraus und zeichnet schließlich den Weg zu einer konstruktiveren Diskussionskultur im deutsch-polnischen Historikermilieu sachlich und kenntnisreich nach.
Abstract ; Maximilian Diesenberger, Predigt und Politik im frühmittelalterlichen Bayern. Arn von Salzburg, Karl der Große und die Salzburger Sermones-Sammlung, Berlin, New York (De Gruyter) 2016, XII–507 S. (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr./Millenium Studies in the Culture and History of the First Millennium C. E., 58), ISBN 978-3-11-044117-8, EUR 109,95. ; SeriesInformation ; Francia-Recensio, 2017/4
Im Mittelpunkt dieser Studie über die Hauptstadt der Woiwodschaft Schlesien, Kattowitz/Katowice, steht die kulturelle Neuerfindung der Stadt nach 1989 und ihr Umgang mit der lokalen Geschichte. Die Metropole im oberschlesischen Industrierevier entstand vergleichsweise spät und wuchs besonders rasant. Erst 1865 wurden der Ansiedlung die Stadtrechte verliehen – sie bildete eine Industriemetropole, geplant auf dem Reißbrett. An die dörflichen Strukturen ihrer Ursprungssiedlungen erinnert heute fast nichts mehr. Die wechselhafte und kurze Entwicklungsgeschichte prägt das Antlitz der Stadt, das stark von zwei Weltkriegen und mehrfachen Grenzverschiebungen zwischen Deutschland und Polen beeinflusst wurde. Den heutigen Umgang von Kattowitz mit seiner Geschichte beleuchtet Juliane Tomann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Imre Kertész Kolleg in Jena, in ihrer 2015 vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin angenommenen Dissertation anhand der Erzählungen meinungsbildender Akteure und Institutionen wie Museen, Stadtverwaltung, Journalisten und Politiker. Die Autorin stellt dabei fest, dass nicht die Suche nach einer langen Tradition oder die Entdeckung der deutschen Vergangenheit diesen neuen Umgang prägte, wie es in Breslau/Wrocław oder Danzig/Gdańsk nach 1989 zu beobachten war, sondern vor allem eine bewusste Abwendung von den alten Bildern, vom Image der Industriestadt, stattfand. Der Umgang mit der deutschen Vergangenheit und der oberschlesischen Regionalgeschichte blieb hingegen bis heute vergleichsweise zaghaft und verkrampft.
Historikerkommissionen haben sich zu maßgeblichen Institutionen im öffentlichen Umgang mit Geschichte entwickelt. Nicht nur Ministerien, auch Unternehmen, Stiftungen, Verbände oder Vereine beauftragen Gruppen professioneller Historiker, wenn es darum geht, sich mit Themen der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, die in einer breiteren Öffentlichkeit als brisant erachtet werden. Vor allem seit den 1990er-Jahren haben Historikerkommissionen an Bedeutung gewonnen – und dies ist kein Zufall. Erstens entstand nach der politischen Wende 1989/90 in den Ländern Mittel- und Osteuropas die Möglichkeit und Notwendigkeit, sich mit den untergegangenen kommunistischen Diktaturen zu beschäftigen. Zweitens rückte aber auch in Westeuropa die Verantwortung für die Massenverbrechen des Nationalsozialismus und des Faschismus stärker als zuvor in den Fokus der Öffentlichkeit, da der gesellschaftliche Einfluss derjenigen Eliten und Bevölkerungsteile nachließ, die die Zeit vor 1945 aktiv mitgestaltet hatten. Die daraus folgenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Deutung der Vergangenheit erhöhten das Bedürfnis nach geschichtswissenschaftlicher Klärung. .
In ihrer 2015 veröffentlichten Studie zum römischen Bindungswesen "Was die römische Welt zusammenhält" analysiert Angela Ganter cliens-patronus-Beziehungen in der Zeit zwischen Cicero und Cyprian. Ihr Ansinnen ist es dabei, "das Wechselverhältnis von patronalen Haltungen und politischem Einfluss neu zu reflektieren" (S. 23). Im Fokus ihrer Untersuchungen stehen Verhaltensweisen und Wertvorstellungen von Patronen und Klienten gerade auch im Hinblick auf politisch-gesellschaftliche Veränderungen und Verwerfungen zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 3. Jahrhundert n. Chr. Diese lange Zeitdauer strukturiert Ganter durch einzelne Fallstudien, die sie als "Tiefenstudien" (S. 25) bezeichnet. .
Nein, in vorliegender Form hätte diese Doktorarbeit nie veröffentlicht werden dürfen, weist sie doch, hochgerechnet, eine sicherlich im vierstelligen Bereich liegende Zahl an Fehlern, Nachlässigkeiten, ja Schlampereien auf. Ein Leser, der sich bis zum bitteren Ende durchgekämpft hat, dürfte fassungslos auf einen Kampf zurückblicken, den der Autor seinerseits mit der, nein: gegen die deutsche Sprache führte, um dabei an elementaren Regeln der Grammatik, Zeichensetzung und bisweilen sogar an der Orthografie zu scheitern. A. Willershausen ist mithin nicht nur dem Genetiv und Dativ, sondern der deutschen Sprache überhaupt feind. Ähnlich sieht's im Lateinischen und Französischen aus; oft sind nicht einmal gedruckte Texte korrekt wiedergegeben. Und ganz schlimm wird's, wenn Deutsches und Französisches zusammenstoßen: "Vermittlung Gui de Boulognes […] Verhandlungen Talleyrands de Périgord auf der Poitier-Kampagnes" (S. 81, Anm. 349) ‒ "Sainte-Maria-Madelaine" (S. 196). Diese zwei Beispiele müssen hierfür aus Platzgründen genügen; generell gilt, dass mein Monita-Leporello sehr, sehr lang ist und bei Bedarf eingesehen werden kann. Doch jedem, der sich der Mühe der Lektüre nur eines einzigen Kapitels unterzieht, dürften die vielen Fehlleistungen ohnehin auffallen. Die Verantwortung für all das liegt natürlich beim Autor, aber sicher sind hier auch kritische Fragen an den Doktorvater und den Zweitgutachter sowie an einen Verlag zu stellen, der die Vorlage offensichtlich unbesehen, geschweige denn lektoriert zum Druck freigab. .
Dogmatism and skepticism are not simply opposed. Contemporary expressions of cultural skepticism (e.g. towards vaccines or pandemic regulations) are often entangled with the dogmatic attitudes of those who cling to their right to come into touch with others and the world as they please. Is it our right to touch and be touched? When is it our ethical imperative to doubt our right to touch or the rightness of our touching? The pandemic requires each of us to suspend our practices of coming into touch. It also requires us to suspend our certainty towards our freedom to touch. The opportunity to doubt our touch in each instance is also an opportunity to grasp touch itself differently. Touching is not just a private matter but has global consequences. And yet the international rise of conspiracy theories and science denialism suggests that cultural skepticism is itself a kind of pandemic. One of the dangers of radical skepticism is its tendency to betray itself. The activity of doubting or questioning what is presented as truth, gives birth to a theory, which itself becomes the new dogma that cannot be questioned. Cultural skepticism can be identified as a global crisis. Yet, other expressions of skepticism challenge a dogmatic-skepticism that justifies recklessness and violence. How does haptic skepticism—the suspension of touch—hold open the ethical and political space of questioning? This roundtable discusses the varieties of cultural dogmatism and skepticism that have emerged during the pandemic. The participants will specifically explore touch as the site of radical certainty and doubt, by analysing pandemic experience through the lens of their recent publication A Touch of Doubt: On Haptic Scepticism, ed. by Rachel Aumiller (Berlin: De Gruyter, 2021, open-access) ; Suspending Touch: Haptic Skepticism for Life During a Pandemic , discussion, ICI Berlin, 20 May 2021
The relationship between past and present has been the subject of controversial debates in historical research time and again. In 2013, to give a prominent example, Philip Alston in a review essay discussed the issue of "Does the past matter?" with regard to a debate on the origins of human rights. The debate was dedicated to the controversial question of "[h]ow far back can we trace the genealogy of today's international human rights system". In this review, I would like to rephrase this question to ask instead to what degree the present matters for historical writing. Other than in the work of Alston, this is not meant as a question on the contingency and path-dependence of history, but rather as a reflection on how historians describe and evaluate the past and what role knowledge of the present may have in this context. .
Partant des conditions de mise en place de l'une des dernières commissions d'historiens bilatérales en date – à savoir la commission germano-italienne en 2008 – et du constat de la nature à la fois ambigüe et excessive des attentes formulées à son encontre, cet ouvrage collectif dirigé par deux historiens du temps présent (l'Allemand Christoph Cornelißen et l'Italien Paolo Pezzino) place au cœur de la réflexion la figure de l'historien confronté à une demande d'expertise croissante dans le contexte de l'après guerre froide. Il examine les usages pratiques (voire politiques) des savoirs académiques historiques et leurs effets sur les standards de production de ces savoirs assurant la légitimité professionnelle et sociale des historiens. .
In seiner mit dem Otto-Hintze-Preis ausgezeichneten Habilitationsschrift bietet Markus Payk eine Entstehungsgeschichte des internationalen Rechtssystems, wie es in der Zwischenkriegszeit bestand. Demgemäß behandelt er die Pariser Vorortverträge – schwerpunktmäßig den Versailler Vertrag – von 1919/1920, mit denen ein neues zwischenstaatliches Regelungswerk erstellt wurde, das das gescheiterte System der Vorkriegszeit vor 1914 ablösen sollte. Der Autor will diese Verträge aus ihrem historischen und ideellen Kontext heraus erklären, um so deren wichtigste Charakteristika herauszuarbeiten und dabei verdeutlichen, dass ihnen "trotz aller Defizite […] [eine] einzigartige Stellung in der Geschichte der modernen Staatenbeziehungen" (S. 661) zukomme. .
La comunità professionale in tutto il mondo discute - spesso animatamente - su due domande chiave:La digitalizzazione sarà la fine delle istituzioni culturali?La spinta ad assumere un ruolo sociale va o no al di là della funzione di sviluppo e accesso alla collezione per tutte e tre queste istituzioni? In questione c'è l'identità professionale, con la necessità di convincere la società del valore dei servizi bibliotecari in era digitale. La lettura di questa antologia, disponibile in accesso aperto nel sito dell'editore De Gruyter, è un'opportunità importante per conoscere il dibattito internazionale su un tema che riguarda tutti i professionisti.
Was bleibt vom genuin Fotografischen/Filmischen nach dem Ende des fotografischen Zeitalters? Welche grundlegenden medialen Charakteristika des Fotografischen bzw. Filmischen werden von aktuellen künstlerischen Prozessen aufgegriffen oder umgedeutet? Derartigen Fragen widmete sich das Forschungsprojekt RESET THE APPARATUS!, das als PEEK-Projekt (Arts- based Research) an der Abteilung für Medientheorie der Universität für Angewandte Kunst in Wien realisiert wurde und mit dieser Publikation eine Mischung aus Überblickskatalog und Abschlussbericht vorlegt. Ausgehend von dem – freilich nur auf den ersten Blick – paradox wirkenden Umstand, dass die neuen digitalen Technologien ein gesteigertes Interesse an den analogen Medien hervorgerufen haben, widmet sich dieses Buch – das auch und insbesondere Materialsammlung ist – Fragen nach der Rolle des spezifisch Fotografischen (photographic) bzw. Filmischen (filmic) in der zeitgenössischen Kunst. Im Zentrum steht eine genaue Betrachtung der im Forschungsprojekt untersuchten Medien bzw. deren materieller/technischer Grundlagen, die niemals allein Mittel zum Zweck sind, sondern sich auf mannigfaltige Weise in den künstlerischen Prozess, dessen Ergebnis, Wahrnehmung und Verwertung einschreiben.Dieses konstitutive Potenzial des Apparatus ist aus den Medienwissenschaften gut bekannt, weshalb das Besondere an der vorliegenden Publikation nicht die Fragestellung per se, sondern viel mehr dessen Aufbereitung ist. Als Arts-based Research-Projekt wird hier gewissermaßen der Spieß umgedreht und sprichwörtlich in der Schraube die Maschine erkannt. Ausgehend von einer umfangreichen Materialsammlung und in Zusammenarbeit mit externen Partner*innen (aus den Bereichen der Wissenschaft als auch den Künsten, heimischer als auch internationaler Provenienz) wird ein Feld erschlossen, das man in den medienwissenschaftlichen Diskursen schon öfters betreten hat, hier aber plötzlich aus einem anderen Blickwinkel sieht. Und das ist nicht bloß als Metapher gemeint, denn zu sehen gibt es in diesem Buch/Katalog wirklich einiges: Die Publikation präsentiert sich als durch theoretische Texte angereicherter Bildband und stellt in dieser Form ein beeindruckendes Zeugnis zeitgenössischer Medienkunst vor, die das Projektteam in den vergangenen Jahren befragt hat. Das Buch ist folgendermaßen aufgebaut: Ein einleitender Aufsatz der drei Projektleiter*innen, Gabriele Lutz, Edgar Lissel und Nina Jukić – der sich selbst explizit als "Gebrauchsanweisung" ("User's Manual") versteht – erörtert nicht nur die wesentlichen Fragestellungen und Perspektiven, sondern zieht zugleich Resümee über den aktuellen Stand von Kunstproduktionen, die Analoges und Digitales zusammendenken, beziehungsweise der theoretischen Debatten, die dieses Verhältnis begleiten. Hervorzuheben ist, dass sich die hier angestellten Betrachtungen niemals in einer Gegenüberstellung oder Aufrechnung eines Verfahrens gegenüber dem anderen erschöpfen, sondern darauf angelegt sind, die tradierten Grenzen der als überkommen (vor)verurteilten medialen Technologien aufzubrechen und deren Einfluss auf aktuelle künstlerische Verfahren zu bewerten. Die Aussage "For a contemporary understanding of medium specificity, it is necessary to give up 'the old fiction of the purity of media' and to consider their 'interpenetration and contamination'" wird unter Bezug auf die Filmwissenschaftlerin Erika Balsom als ein Hauptanliegen des Projekts formuliert. Bei dem thematischen Streifzug durch die maßgebende Film- und Medientheorie gerät denn gemäß der Stoßrichtung des Projekts insbesondere die Perspektive der Künstler*innen in den Blick, die den zweiten Teil des Buches bildet. Dabei geht es etwa um künstlerische Entscheidungen für die Arbeit mit speziellen medialen Technologien, ausgehend von dem simplen – auch wenn für die Betrachter*innen des fertigen Werkes oft nicht maßgebenden – Umstand der direkten Arbeit am künstlerischen Produkt und die Anwendung künstlerischer Verfahren, die nicht notwendigerweise auf standardisierten Wegen erfolgen muss; man denke an das breite Feld des experimentellen Films und der experimentellen Fotografie und seiner Tradition des physischen Zugriffs auf das Trägermaterial. Bezugnahmen zu jener filmischen Praxis, die unter dem Label expanded cinema ausgehend von avantgardistischen Kunstproduktionen seit den 1960er-Jahren unterschiedliche Zuschreibungen erfahren hat, prägen dann auch stark die vorliegende Analyse, wobei der hier angelegte Begriff der "Erweiterung" (im Sinne eines 'to expand') auch auf das Feld der Fotografie, oder besser: des Fotografischen, übertragen wird. Etwa wenn unter Bezug auf das erst später geprägte und weniger bekannte Schlagwort der expanded photography argumentiert wird, dass die hier verwendeten Begriffe photographic bzw. filmic darauf hinweisen würden, dass sich solcherart bezeichnete Praktiken, auch wenn sie ihre medialen Grenzen überschreiten, dennoch stets genuine Medienspezifika bewahren. Der dritte und vierte Teil des Buches stellt die Kooperationen mit verschiedenen Medienkünstler*innen bzw. "Partner Collaborations" sowie die Arbeiten von Studierenden aus Wien und Essen vor. In dieser heterogenen Werkcollage werden theoretische Mythen des Digitalen, wie etwa der Tod des Kinos und Videos in Zeiten von digitalen Medien aufgegriffen und dekonstruiert (etwa in den Beiträgen von Jonathan Walley über Gibson+Recorder und Andy Birtwistle über die Arbeiten von Gebhard Sengmüller), Bezugnahmen zu historischen Vorläufern des kinematografischen Dispositivs, etwa zur Phantasmagorie, gezogen (Beitrag von Hubertus Amelunxen) und schließlich mit den Arbeiten der Studierenden die Frage nach dem Verbleib des Analogen ins Zeitalter der "Digital Natives" transferiert. Der letzte Teil des Buches bindet über drei theoretische Texte und ein Essay die künstlerischen Arbeiten wieder an den Apparatus-Begriff zurück. Der im Titel des Projekts angelegte Terminus des Apparatus hatte seinen Ursprung bekanntermaßen in der französischen psychoanalytischen Filmtheorie der 1970er-Jahre, die stark mit dem Namen Jean-Louis Baudry verbunden ist, den Film seines Objektcharakters enthebt und seine Analyse in ein weiter gefasstes architektonisches wie diskursives Setting einbindet, das zahlreiche zusätzliche Aspekte – vor allem jenen der Rezeption – berücksichtigt. Die Autor*innen halten fest, dass die Apparatus-Theorie der Rolle der Produktion keine herausragende Aufmerksamkeit beikommen hat lassen – ein Missstand, den das vorliegende Werk kompensieren soll. Dieser letzte Teil steht dabei in direkter Verbindung zum sogenannten "Corpus", ein von Lissel, Jutz und Jukić zusammengetragener Katalog künstlerischer Arbeiten, die allesamt die Fragestellungen des Projektes von unterschiedlichen Perspektiven ausgehend illustrieren und kommentieren. Dieser wird von TAGS strukturiert, die jeweils einen spezifischen, medialen Aspekt im Nachdenken über den Apparatus adressieren. Damit wird quasi eine nonlineare Lektüre des Buches – ähnlich dem Blättern in einem Ausstellungskatalog – nahegelegt und so nicht nur das Verhältnis von Theorie und Medienkunst, sondern auch dessen Erfassungsprozesse als ein vernetztes Bedeutungsfeld dargestellt.Diese von den Autor*innen in der Einleitung festgelegten TAGS werden damit nicht als unverrückbare Zuschreibungen, sondern als Ausgangspunkte zur Erkundung eines heterogenen Korpus von Medienkunst konzipiert, der so von verschiedenen Seiten aus durchwandert werden kann. Am besten funktioniert das auf der Homepage des Projektes (http://www.resettheapparatus.net), die mit präzisen Beschreibungen, Informationen und weiterführenden Links zu allen 140 versammelten Arbeiten aufwartet. Die ausgewählten Arbeiten selbst fokussieren – gemäß der Themensetzung des Projekts – die letzten zehn Jahre, reichen aber da und dort bis in die 1960er-Jahre zurück. Versammelt sind sowohl bekannte Projekte, als auch solche, die weniger bekannt sind. So reicht etwa der TAG "Body Involvement", der auf ein Miteinbeziehen des gesamten Körpers in den medialen Prozess abzielt, von Alfons Schillings Sehmaschinen (mehrere Arbeiten ab den 1960er-Jahren) über Gustav Deutschs Taschenkino (1995), bis hin zu einer aus den frühen 2000er-Jahren stammenden Arbeit von Olena Newkryta (Absolventin der Universität für Angewandte Kunst Wien), die Proband*innen dazu aufforderte, unbelichteten Negativfilm ein Monat lang am Körper zu tragen, um diesen anschließend zu entwickeln und in Fotografien überzuführen. One month on skin (2013 – 2014) treibt so den indexikalischen Charakter der analogen Fotografie – und damit eines der zentralen Merkmale des Mediums – auf die Spitze.Der TAG "Still / Moving" wiederum erkundet das Verhältnis zwischen Einzelbild und Laufbild, wodurch auf die ganz grundsätzliche materielle Verbindung zwischen analoger Fotografie und analogem Film fokussiert wird. Die unter diesem TAG versammelten Arbeiten bieten einen geradezu lehrbuchartigen Überblick über experimentelles Filmschaffen, das dieses Verhältnis auf unterschiedlichste Weise hinterfragt und in der Arbeit Motion Picture (1984) von Peter Tscherkassky, die auf einem Frame von Arbeiter verlassen die Fabrik (1895) der Brüder Lumière basiert, bis in die Geburtsstunde des Films zurückreicht. Weitere TAGS, wie "Darkroom Exposed", "Fleeting Images", "Live Acts", "Lost & Found", "Material Agency", "Relics", "Repurposing the Hardware", "Scale & Format", "Site Specifity" und "Transplanar Images", illustrieren dabei nicht nur die strukturierte Weise, mit der sich das Forschungsprojekt den Gegenständen genähert hat, sondern auch die beeindruckende politische Tragweite der Verflechtung von Film und Fotografie. Sie zeigen so die vielen Kernbereiche der Gesellschaft auf, die von Medien schon immer durchzogen sind bzw. waren. Dass dabei etwa Themenfelder wie das Anthropozän und der materielle Überfluss, die Energieballung in städtischen Räumen und der stete Zerfall von Bildträgern wie Zelluloid als konstitutiver Bestandteil unserer Erinnerungspraxis thematisiert werden, erweist, wie vielfältig anschlussfähig die hier aufgeführten theoretischen wie künstlerischen Impulse sind. Die englischsprachige Publikation ist – auch das soll gesagt werden – ein schön gemachtes, wertiges und preiswertes Buch, das so einige Verlage über Buchdesign und Preisgestaltung nachdenken lassen sollte. Am bemerkenswertesten ist dabei sicher die Funktion, die es – in Verbindung mit den Beiträgen der Projektpartner*innen – als überraschend übersichtliches Nachschlagwerk und gleichsam Dokumentationsversuch einer heterogenen Medienkunst-Medientheorieszene erfüllt. Der einleitende Text des Projektteams ist in seiner Klarheit und Übersichtlichkeit zudem eine Lektüre, die sich sämtlichen Leser*innen empfiehlt, die sich mit Film, Fotografie und Medienkunst beschäftigen – und zwar unabhängig davon, ob dies auf einem akademischen Niveau geschieht oder auf einem ganz "allgemeinen" Interesse an Kunst und Medien fußt. Auch das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. www.resettheapparatus.net