'In der Russischen Föderation bildet der Islam die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft nach der russisch-orthodoxen Kirche. Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung im 21. Jahrhundert gehen davon aus, daß die muslimische Komponente bei gleichzeitiger Abnahme der russischen noch an Gewicht gewinnen wird. In Rußland selber weist man darauf hin, daß heute dort mehr 'Muslime' leben als im Ursprungsland des Islam, in Saudi-Arabien, und in manchen anderen arabischen Staaten. Allerdings ist die Zahl der 'rußländischen Muslime' ebenso wie der Terminus 'Muslim' selber unbestimmt. Angaben schwanken zwischen 8,5 und 21 Mio. Der Terminus 'Muslim' ist eher ethnisch als religiös determiniert und umfaßt viele Angehörige islamischer Nationalitäten (Tataren, Baschkiren, Kaukasier), die sich persönlich nur bedingt als 'Gläubige' identifizieren würden. Dennoch vollzieht sich in Rußland seit 1990 eine sichtbare Wiedergeburt islamischer Gemeinden und Institutionen.' (Autorenreferat)
Das Buch analysiert den aktuellen Diskurs um die Integration des Islams in die deutsche Gesellschaft. Es wird gezeigt, wie unterschiedliche Akteure bestimmte Bilder des Islams in der Öffentlichkeit etablieren, um damit Positionen zu stützen und Interessen zu vertreten. Auf dieser Grundlage werden die Perspektiven diskutiert, die der deutsche Islam unter diesen diskursiven Bedingungen hat.
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"Die 1. Bremer Islam-Woche 1997 fand bundesweite Beachtung: Nie zuvor war es gelungen, die unterschiedlichsten politischen und kulturellen Traditionen des Islam zusammenzubringen und eine Veranstaltung zu organisieren, an der die Kirchen, die Universität, Museen und Firmen mitarbeiteten. Unter der Schirmherrschaft des Bremer Bürgermeisters wurde den muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das zuteil, woran ihnen jenseits aller Diskussionen um Religionsunterricht und Kopftuch am meisten mangelt: an öffentlicher Anerkennung als drittstärkter Religionsgemeinschaft in Deutschland.Die Mehrzahl der Muslime in Deutschland will hier bleiben. Ob man deswegen bereits von einem »deutschen Islam« sprechen kann, ist Gegenstand der Diskussion. Unverkennbar aber gibt es Veränderungen in der Wirklichkeit des hier gelebten Islam.Solchen Veränderungen gehen die Beiträge genauso nach wie Fragen nach Feindbildern, der Stellung der Frau im Islam oder den Grundsätzen einer islamisch orientierten Wirtschaftsordnung. Kritische Rückfragen werden nicht verschwiegen, müssen aber - und auch da war die Bremer Islam-Woche ein Lehrstück - im Dialog und nicht in der Konfrontation gelöst werden." (Verlagsinformation)
'Ein Haupthindernis für die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Muslimen der ehemaligen UdSSR bestand in der Beschränkung auf sowjetische Quellen, da zu eigener 'field work' kaum Möglichkeiten bestanden. Das Bemühen, aus der ideologisch verzerrten Quellengrundlage objektive Erkenntnisse herauszufiltern, konnte nicht verhindern, daß spezifische Sichtweisen sowjetischer Islamexpertise durch den Filter hindurch- und in westliche Analysen hineingelangten, etwa die Charakterisierung islamischer Bewegungen und Organisationen außerhalb des staatlich kontrollierten Sektors als konspirativ. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde in voreiligen westlichen und russischen Kommentaren ein 'islamischer Krisenbogen' um Eurasien erweitert und bis vor die Tore Moskaus gespannt. Nach ersten publizistischen Paukenschlägen zur Rückmeldung der 'vergessenen Muslime' auf der Weltbühne wurde das Thema der 'islamischen Wiedergeburt' in zahlreichen internationalen Publikationen differenzierter dargestellt. Es ist aber imer noch wenig präzisiert, mit widersprüchlichen Informationen und Daten gefüllt, die zumeist nicht aus empirischer Forschung resultieren. Im vorliegenden Bericht soll der Islam im exsowjetischen Raum überwiegend auf der Grundlage englischsprachiger und russischer Quellen nach ineinander übergreifenden Schichten und Funktionen wie 'Hochislam' und 'Volksislam', 'offizieller' und 'inoffizieller Islam', nach konservativen und reformistischen, mystischen und orthodoxen, politischen und unpolitischen Facetten unterschieden werden. In weiteren Berichten wird er auf der regionalen und einzelstaatlichen Ebene differenziert und gesondert in bezug auf Rußland behandelt.' (Autorenreferat)
'Ausgangspunkt der vorliegenden Studie ist das seit dem 11. September 2001 wieder offenkundig gewordene Problem der Versuchung, politische Probleme mit muslimischen Ländern über Bemühungen, den Islam zu verstehen, zu bewältigen. Doch ein besseres Verständnis von Religion, Kultur und Geschichte der islamischen Völker allein reicht zur Behandlung der politischen Differenzen nicht aus. Kulturdialog kann kein Ersatz für den notwendigen politischen Dialog sein. Notwendig ist, auf die Interessen der Muslime in ihrer existenziellen Situation zu schauen. Diese ist - wie bei uns - prinzipiell von gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen und Säkularisierung als einem Teilaspekt von ihnen bestimmt. Doch handelt es sich um Säkulisierungserfahrung unter Fremdbestimmung. Darin liegt der entscheidende Grund dafür, dass die theologisch-ideologische Bearbeitung im Sinne von Bewältigung der Modernisierungsprozesse eine andere ist als in Europa. Die Arbeit gibt einen kursorischen Überblick über die unterschiedlichen Reaktionsformen in der islamischen Welt auf fremdbestimmte Modernisierung seit dem 19. Jahrhundert, von Strategien der Anpassung islamischer Dogmatik an Konzepte der kulturellen Moderne, über islamistische Bewegungen und ihrer Ideologie des 'islamischen Systems' bis hin zum Extremismus des Dschihad-Islam, der auch vor Terror nicht zurückschreckt. Dem schließt sich eine Erörterung der Frage an, was der Kulturdialog angesichts der Vielfalt von Islamverständnis und praktizierter Religion leisten kann. Dabei ist auch auf das Problem der Kulturalisierung von Politik und die Gefahr hinzuweisen, dass neue Kulturgrenzen errichtet werden können. Die abschließenden Empfehlungen sind als konzeptionelle Handreichung zum Thema Islam gedacht. Ihr Kernsatz lautet: Der Islam handelt nicht.' (Autorenreferat)
'Ist die Türkei wirklich ein 'islamischer Großstaat', der seinem Wesen nach keinen Platz in der Europäischen Union hat? Dominiert 'der Islam' Politik und Gesellschaft der Türkei in einer Art und Weise, dass diese einfach nicht 'europäisch' werden können? In der Studie wird, ausgehend von der historischen Entwicklung, das aktuelle Verhältnis von Staat und Islam in der Türkei untersucht. Unter Zurückweisung eines unveränderlichen Wesens 'des Islam' und seines Verhältnisses zur Politik wird in einer historisch-strukturellen Analyse gezeigt, wie die islamische Religion nach europäischen Vorbildern in den Dienst der türkischen Staatsraison und des Aufbaus einer republikanischen Nation (nation building) gestellt wird. Der so entstandene türkische Laizismus ist gekennzeichnet durch eine strikte staatliche Kontrolle des öffentlichen religiösen Lebens, einschließlich einer von einer staatliche Einrichtung verfügten 'korrekten' Interpretation der Religionsinhalte, und dadurch, dass jegliche Form von 'freier' Religionsausübung als existentielle Bedrohung für die Republik wahrgenommen wird. Erst unter der AKP-Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beginnt sich das offizielle Religionsverständnis zu wandeln: Laizismus wird im europäischen Sinn als echte Trennung von Staat und Islam gesehen; Islam wird zwar als eine mögliche ethische Grundlage, nicht aber als Handlungsanleitung für Politik verstanden und ein pluralistisches Verständnis von Religionsfreiheit beginnt zu keimen. So gesehen ist zwar die aktuelle Situation von Staat und Islam immer noch durch ein in den meisten EU-Ländern bereits weitgehend überwundenes Verhältnis gekennzeichnet, aber im Prozess ihrer Säkularisierung ist die Türkei 'verspätetes Europa' und nicht 'aktueller Orient'.' (Autorenreferat)
Eine Betrachtung des Islam in Europa in seinen unterschiedlichen religiösen, kulturellen, sozialen und politischen Ausformungen am Beispiel Deutschlands und Frankreichs. Auch wenn es "den" Islam gar nicht gibt und die Vielfalt seiner Ausprägungen erst auf dem ausdifferenzierten Hintergrund seiner jahrhundertelangen Geschichte und Geographie verständlich wird, werden muslimischer Kulturraum und arabische Welt doch meist gleichgesetzt, auf fast hysterische Art und Weise erst recht dann, wenn der Islam politisch fundamentalistisch instrumentalisiert wird. Aus dem Blick gerät dabei nicht zuletzt die Tatsache, daß Muslime arabischer Abstammung lediglich ein Viertel dieser Glaubensgemeinschaft darstellen. Nach dem 11. September 2001 bleibt so das Bedürfnis nach analytischer Ausdifferenzierung mehr denn je aktuell, und wo dies ausbleibt, haben interreligiöser Dialog und gesellschaftliche Bereitschaft zum Kennenlernen wenig Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Die Präsenz des Islam auf europäischem Boden ist längst zur alltäglichen gesellschaftlichen Realität geworden. Im zusammenwachsenden Europa stellt die muslimische Bevölkerung mit rund 15 Millionen Anhängern die zweitgrößte Religionsgemeinschaft dar. Die neuerlichen Entwicklungen der Weltpolitik zeigen es: Ob Palästina-Konflikt, Kosovo- oder Afghanistan-Einsatz, Al Qaida-Bekämpfung oder militärische Eskalation im Irak globalisierte Außen- und Innenpolitik sind ihren Ursachen wie ihren Folgen nach kaum noch voneinander zu trennen. Angesichts heutiger Problemlagen bietet der vorliegende Band eine Auswahl von fachkundigen Essays aus Frankreich und Deutschland zu Einzelaspekten des europäischen Islam. - Alexandre Escudier: Der Islam in Europa zwischen nationalstaatlichem und europapolitischem Rahmen. Der deutsche und der französische Fall. Einleitung. Remy Leveau: Der Islam in Frankreich.: Wandel und Kontinuitäten. Daniele Hervieu-Leger: Der Wandel der religiösen Landschaft Europas im Spiegel des Islam: Der Fall Frankreich. Claire de Galembert: Die öffentliche Islampolitik in Frankreich und Deutschland: Divergenzen und Konvergenzen. Riva Kastoryano: Frankreich, Deutschland und der Islam: Die Aushandlung der Identitätsfrage. Farhad Khosrokhavar: Die verschiedenen Formen muslimischer Religiosität in Frankreich. Penelope Larzilliere: Palästinensische Studenten in Deutschland und Frankreich im Vergleich: Netzwerkmechanismen und Wege der Identitätskonstruktion. Nikola Tietze: Islamische Identitäten: Muslimische Religiosität als Auseinandersetzungsformen mit der französischen und der deutschen Gesellschaft. Wener Schiffauer: Muslimische Organisationen und ihr Anspruch auf Repräsentativität: Dogmatisch bedingte Konkurrenz und Streit um Institutionalisierung. Thomas Meyer: Demokratie und kultureller Pluralismus. Chantal Saint-Blancat: Die europäischen Muslime: Akteure sozialer Innovation. Tareq Oubrou: Die "Minderheits-Scharia" in Frankreich: Reflexionen zu einer rechtlichen Integration des Islam
Seit September 2006 trifft sich die vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufene und nach den Regierungswechseln 2009 und 2013 jeweils neu konstituierte Deutsche Islam Konferenz (DIK) in regelmäßigen Plenumssitzungen, Arbeitskreistreffen und Tagungen. Unter dem Motto "Muslime in Deutschland - Deutsche Muslime" soll hier erklärterweise die Institutionalisierung des Islams in Deutschland und die Entwicklung eines "deutschen Islams" angestoßen, begleitet und regierungstechnisch angeleitet werden. Das Mittel der Wahl, das politische Instrument hierfür, ist der langfristig angesetzte Dialog, den der deutsche Staat (repräsentiert durch Regierungs- und BehördenvertreterInnen) mit den "Muslimen in Deutschland" (in Person der geladenen DialogpartnerInnen - VertreterInnen von Verbänden und Einzelpersonen) auf der DIK führt. Diesen Islamdialog sehe ich als Feld vielfältiger Auseinandersetzungen, in dem sich ein Prozess spezifischer "Teilwerdung" des Islams in Deutschland beispielhaft betrachten lässt. Mit einem starken Fokus auf die im Dialog entwickelten und angewandten Politiken der als "Muslime" adressierten und zur DIK geladenen IslamvertreterInnen wird den Praktiken der Grenzziehung nachgegangen und nach den Auseinandersetzungen um Bestehen, Transformation und Aufhebung der diskursiven Trennlinie zwischen Islam und Deutschland im politischen Dialog der DIK gefragt. Hierbei geht es nicht zuletzt um die Verhandlung dessen, was es heißt "deutsch" zu sein sowie von Ideen der nationalen Gemeinschaft und Staatsbürgerschaft unter Bedingungen europäischer und globaler Transnationalisierung und Migration. Empirische Grundlage der Untersuchung bilden die Dokumente der ersten Runde der DIK.
Die Wiederbelebung muslimischer Wert- und Ordnungsvorstellungen in Zentralasien wird von den lokalen Regimen ebenso wie von der westlichen Politik vor allem unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten wahrgenommen. Dabei verhindert die Fokussierung auf Extremformen des Islams eine angemessene Einschätzung nicht nur des religiösen Diskurses selbst, sondern auch der Gründe für die wachsende Attraktivität des Islams und seines ordnungsstiftenden Potentials. Die Studie beleuchtet den gesellschaftlichen und politischen Hintergrund der Wiederbelebung islamischer Diskurse, Netzwerke und Praktiken in Tadschikistan seit Ende der Sowjetunion, identifiziert die maßgeblichen Akteure und sucht die symbolischen Kämpfe, die sie ausfechten, intellektuell und sozial zu verorten. Mit der wachsenden Bedeutung des Islams als Quelle moralischer und handlungspraktischer Orientierung geht eine Differenzierung und Pluralisierung der Akteurs- und Diskurslandschaft einher. Das Deutungsmonopol des hanafitischen Klerus, der eine Tradition der Toleranz gegenüber kulturspezifischen Ritualformen und säkularen Lebenswelten repräsentiert, wird dabei herausgefordert durch reformistische und universalistische Doktrinen, die den pragmatischen Konsens des religiösen Establishments zurückweisen. Die staatliche Politik Tadschikistans, die den Einfluss der Religion zurückdrängen will, reagiert mit einer immer stärkeren Überwachung des religiösen Feldes, kann die Verbreitung der unerwünschten Lehren damit aber nicht verhindern. Um ihnen entgegenzuwirken, müsste offensiv in gute religiöse Bildung investiert werden. (Autorenreferat)