Gegenstand der Untersuchung sind Denormalisierungstendenzen im internationalen Feld. Der Verfasser geht der Frage nach, warum der Iran den atomaren Kreislauf ankurbelt. Hier wägt er das häufig vorgetragene Energieargument gegen Sicherheitsargumente ab. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt der Kontinuität des nuklearen Projekts Irans und seiner Bedeutung im Kontext der Förderung des nationalen Stolzes. Des Weiteren analysiert der Autor, warum die USA eine solche Atompolitik des Irans unbedingt unterbinden wollen, und hinterfragt die US-amerikanische Bündnispolitik. In diesem Zusammenhang wird die generelle Konfliktstruktur im Nahen und Mittleren Osten berücksichtigt und thematisiert. Die Rolle der EU und die Alternativen zu einem neuen Krieg stellen eigene Akzente der Studie dar. Mit dem Vorschlag einer Konferenz mit einer weltweiten Agenda, die analog zur KSZE agiert, wird ein Weg aufgezeigt, um zu einer friedlichen Perspektive in der Region zu gelangen und die drohende Politik der "verbrannten Erde" zu verhindern. (ICG2)
Die Verfasserin argumentiert, dass die aktuellen Religionskontroversen neue Anwendungsfragen der normativen Leitprinzipien moderner politischer Ordnung, insbesondere von Freiheit und Gleichheit, aufwerfen. Wiewohl die von religiösen Minderheiten in ihrer Identitätspolitik artikulierten offensiven Anerkennungsforderungen eine andere Logik aufweisen als die eher defensiven Forderungen religiöser oder säkularer Mehrheiten, tragen beide zum Wandel der historisch entstandenen religionspolitischen Arrangements bei. Insbesondere das Prinzip der religiösen Neutralität des Staates - in Deutschland als Säkularität, in Frankreich als Laizität gedeutet - wird dabei neu verhandelt. Die Analyse der deutschen Kruzifixkontroverse sowie der Kopftuchdebatten in beiden Ländern dechiffriert nicht nur die komplexen rechtlichen Abwägungsfragen positiver und negativer Religionsfreiheit, sondern beleuchtet auch die Destabilisierung sozialer Kategorisierungen des Religiösen. So können das muslimische Kopftuch und das christliche Kruzifix je nach Argumentationskontext als religiöses Symbol, als ethnisch-kultureller Identitätsmarker gedeutet werden. Religiöse Aufladung und Kulturalisierung sind dabei, so die These, nur zwei von verschiedensten Strategien der Aneignung einst institutionell stabilisierter Deutungsmuster des religiösen Symbolbestands. Religiöse Pluralisierung unter postnationalen Bedingungen führt insofern zu neuen Unsicherheiten nicht nur der sozialen, sondern auch der symbolischen Grenzziehung zwischen religiöser und politischer Sphäre. (ICF2)
This study of the education system of France is part of the handbook "The education systems of Europe" which presents an analytical description of the education systems of all European countries, following common guidelines. The study begins with the historical and socio-cultural background of the French educational system which is followed by the description of the organizational and administrative context of the current education system. The next step is the functioning of the current education system, beginning with a structural overview and followed by an analysis of the different levels of the education system, including, as a separate chapter, post-secondary and tertiary education. The country study ends with an analysis of current problems and discussions, and opens perspectives for further development. A diagram illustrating the structural scheme of the French educational system is part of this article. (DIPF/Orig./Kie.).
In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1996 in Dresden ; Band 2: Sektionen, Arbeitsgruppen, Foren, Fedor-Stepun-Tagung, S. 662-666
"Nach einem kurzen Überblick über die spezifische ethnische Zusammensetzung und rechtliche Lage eingewanderter Minderheiten in Großbritannien werden Genese, Entwicklung und Grundzüge kommunaler Integrations- und Antidiskriminierungspolitik dargestellt. In der Analyse der Ergebnisse dieses neuen Policy-Bereiches wird ein besonderer Akzent auf nichtintendierte, aber systematisch in der Minderheitenpolitik angelegte Wirkungen kommunaler Reformen gelegt. Zur Verdeutlichung der möglichen kontra-produktiven Resultate einer städtischen Politik der Multikultur wird als Beispiel die nordenglische Industriestadt Bradford herangezogen. Aufgrund des hohen Pakistanianteils lebt dort heute die drittgrößte Muslimgemeinschaft Großbritanniens. Die möglichen inversen Folgen multikultureller Stadtpolitik werden an zwei Problemfeldern illustriert: Zum einen am Beispiel der polarisierenden Effekte einer antirassistischen Umerziehung in der städtischen Verwaltung, zum anderen am Beispiel der Stärkung fundamentalistischer Muslimorganisationen im kommunalen Bargaining-Prozeß. Wahrend zu Beginn der 80er Jahre sich nach 'race'-Kriterien formierende Asiaten-Organisationen einen starken Einfluß auf die kommunalpolitische Willensbildung ausübten, wurde nicht zuletzt auch infolge der kommunalen Minderheitenpolitik und der daraus entstehenden Umsetzungskonflikte der Repräsentationsanspruch sich religiös definierender Gruppen verstärkt. Die gewachsene Bedeutung islamisch-fundamentalistischer Einwandererorganisationen zeigte sich auch in der Rushdie-Affäre, die 1989 in Bradford ihren Ausgang nahm. Politische Partizipation ethnischer Minderheiten, so das etwas ernüchternde Ergebnis der Analyse, führt nicht zwangsläufig zu einem mehr an Integration. Unter bestimmten sozioökonomischen und politischen Bedingungen kann sie sogar eine genau gegenteilige Wirkung evozieren und statt sozialer Inkorporation soziale Segregationstendenzen stärken." (Autorenreferat)
Die ökologische Krise im Sahel ist fundamental gesellschaftlich. Die ländlichen Produktions- und Sozialsysteme wurden aufgebrochen, ihre Flexibilität und Sicherheit gingen verloren. Es gibt keine eigenständige soziale Organisation der Produktion, Distribution und Technologieaneignung mehr. Es geht also primär nicht um Technologietransfer, sondern darum, "wie die Prozesse aufgehalten werden können, die die Bevölkerung des Sahel bzw. große Teile der Gesellschaften der sogenannten Dritten Welt zu internationalen Almosenempfängern machen, und darum, wie die autonome Veränderung von Gesellschaft und Technologie erreicht werden kann." (psz)
Die vorliegende Studie untersucht junge türkeistämmige hannafitisch-sunnitische Muslim*innen in Deutschland in Hinblick darauf, wem und warum sie religiöse Meinungsführerschaft zuschreiben. Die kommunikationswissenschaftliche Meinungsführerschaftsforschung und die Anführerschaftsforschung bilden die theoretische Grundlage der Arbeit. Herausforderungen wie gesamtgesellschaftlicher und innermuslimischer Sexismus prägen in dem Kontext der nicht-muslimischen Gesellschaft die Zuschreibung religiöser Meinungsführerschaft. Basierend auf dem unterschiedlichen Umgang der befragten Muslim*innen mit den spezifischen Herausforderungen wird eine Typologie der religiösen Orientierung im deutschen Marginalisierungskontext aufgestellt. Die identifizierten vier Typen zeichnen sich durch unterschiedlich starke Nähe- und Distanzverhältnisse zu medialen Meinungsführenden und traditionellen religiösen Orientierungspunkten aus. Dabei zeigt sich, dass teilweise eine völlige Umorientierung von traditionellen auf nicht-traditionelle Orientierungspunkte - insbesondere auf virtuelle Meinungsführende - stattfindet.
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 247-259
"The concept of resentment is inherently linked to the cultural criticism of Europe and the West. By way of this cultural criticism and affirmative reaction to it, the syndromes of resentment are widespread in non-European cultures. Thus resentment is also linked to the often diverse multiple formulations of the cultural programs of modernity. The conventional usage of the term would suggest that resentment means a sort of envy of the socially and culturally deprived or a psychological reactive attitude of the unjustly treated who are - morally or factually - deprived to act for revenge and justice. However, in Nietzsche's genealogy of morals, we are informed that Christian altruism and generalised morals of love produce a sort of self-distancing disinterestedness, a general value orientation which in itself remains non-interested in the fate of values in general and in the fate of the other in specific. For Nietzsche, it were priests and other office holders who with their own distancing attitude were - in the process of civilizational constitution of Europe - strongly involved in featuring the general laws of the 'morality of resentment' (i. e. the religious and intellectual formulations of restraint against immediate revengeful action) and in making it the most ambiguous and powerful cultural tool ('Kulturwerkzeug') in the construction of modernity. Since Max Weber the social philosophy of modernity and modernization was - in an affirmative turn - to a large extent engaged in developing science and rationality, as non-resentful components of modern self-construction, professionalism and individualism. The point is that the constitution and reconstitution of the cultural and institutional programs of modernity are as a whole fossils of the inherent struggle to come to grips with 'resentment' and the challenges of the cultural criticism of modernity. Moreover, and following this statement, the essential point is that modern dialogue - in as far as it is determined by the logic to overcome or even to suppress the 'Kulturkritik' on which it was originally built - remains at large inapt to understand the constitution and reconstitution of the non-modern, the non-European and the non-western in contemporary cross-civilizational exchange. I will develop this line of argument by looking closer to the conditions and potentials of dialogue between Muslims and Europeans in the contemporary scene which is so strongly marked by the 'resurgence' of religion and the new modes in which religious components enter or are re-entering today the cultural and political arenas of modernity." (author's abstract)
Der Beitrag untersucht, inwieweit die Einstellungen zu einigen zentralen sozialen und politischen Fragen fortgeschrittener Gesellschaften auf kulturelle Einflüsse zurückgeführt werden können. Im Anschluss an einige allgemeine Überlegungen zu Kultur und Kulturabhängigkeit wird auf Orientierungen zurückgegriffen, die Jagodzinski et al. (2006) in einem deutsch-türkischen Vergleich untersucht haben: die Einstellung zur Homosexualität, die berufliche Gleichbehandlung von Mann und Frau, die Einstellung zu Demokratie und Autokratie, sowie die soziale Distanz zu Minderheiten. Jagodzinski et al. (2006) haben in bivariaten Aggregatanalysen gezeigt, dass die durchschnittlichen Einstellungen der Türken und der Bürger der ökonomisch fortgeschrittenen westeuropäischen Gesellschaften recht stark differieren, dass sich aber die Türkei von anderen europäischen Ländern auf vergleichbarem ökonomischen Entwicklungsniveau vielfach gar nicht sonderlich unterscheidet. Zwei deskriptive, multivariate OLS-Regressionen für Deutschland und die Türkei stehen im Einklang mit der These, demzufolge Bildung in der Türkei einen starken Effekt auf eine Reihe von sozialen und politischen Einstellungen hat. Die Autoren gehen der Frage nach, in welchen Fällen es sich um kulturabhängige und kulturunabhängige Einflüsse handelt. Dazu werden einige Hypothesen formuliert, die in einer Mehrebenenanalyse mit Daten aus der europäischen Wertestudie 1999 empirisch getestet werden. (ICA2)
Der Autor geht in seiner Untersuchung über gegenwärtige Phänomene ritueller politischer Gewalt in Algerien von der Kultur- und Gewalttheorie aus, die Frantz Fanon im Kontext des Algerienkrieges entwickelt hat. Politische Gewalt soll dieser Theorie zufolge zum einen als grenzziehende Gewalt Emanzipation ermöglichen; zum anderen soll sie den Übergang von einer traditionalen Gemeinschaft in eine solidarische Gesellschaft freier und gleicher Individuen ermöglichen. Im heutigen Algerien zielt dieses Handlungsprogramm nach der Interpretation des Autors darauf ab, einerseits die Sippenverbände ('assabiya') zu zerschlagen und durch eine gesellschaftsförmige Ordnung ('umma') zu ersetzen sowie andererseits eine Grenze zwischen säkularem Staat und islamischer 'umma' zu ziehen. Übertragen auf die politische Situation in den 1990er Jahren führt dieses Programm zu paradoxen Folgen: Da der Versuch einer klaren Grenzziehung scheitert, wird Gewalt zum Dauerzustand. Vor diesem Hintergrund kann das kulturelle Muster von Frantz Fanon - so die These des Autors - die heutige Eskalation extremer und ritueller Gewalt in Algerien erklären. (ICI2)