Ein Gerichtsurteil und seine mediale Inszenierung
In: Beschneidung: das Zeichen des Bundes in der Kritik. Zur Debatte um das Kölner Urteil., S. 219-227
Das Landgericht Köln hat in einem Urteil vom 7. Mai 2012 entschieden, dass der Arzt, der bei einem vierjährigen Jungen auf Wunsch seiner muslimischen Eltern eine Beschneidung durchgeführt hatte, das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit verletzte. Dieses Urteil entfachte heftige Diskussionen nicht nur in Deutschland, sondern auch jenseits der Grenzen, weil es auf der Annahme beruhte, ein zentraler Ritus von Muslimen und Juden widerspreche einem von der Verfassung garantierten Recht. Das Gericht argumentierte, dass in dem Fall mehrere Grundrechte miteinander kollidierten: das Wohlergehen des Kindes und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht der Eltern auf Erziehungsfreiheit und das Recht auf Religionsfreiheit. Der Autor setzt sich in seinem Beitrag mit der medialen Inszenierung des Gerichtsurteils kritisch auseinander und zeigt, dass sich dieser Vorgang auf zweierlei Weise interpretieren lässt: Er lässt sich als ein weiteres Anzeichen dafür betrachten, dass Deutschland wie andere europäische Länder Probleme im Umgang mit der Vielfalt hat, die durch Globalisierung, Immigration und sozialen Wandel in den letzten Jahrzehnten entstanden ist. Auf den zweiten Blick wird sichtbar, wie eine kleine Zahl Interessierter der öffentlichen Debatte eine bestimmte Wendung geben konnte und Medienmechanismen so nutzten, dass ein Landgerichtsurteil zum internationalen Medienereignis wurde. (ICI2).