Korruptionsneigung bei unterschiedlichen Erwartungkonstellationen in der Handlungssituation: ein Quasi-Experiment mit Studenten
In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie: KZfSS, Band 45, Heft 3, S. 465-483
ISSN: 0023-2653
"Ausgehend von einem Korruptionsbegriff als Tauschbeziehung in einem Dilemma von universalistischen und partikularistischen Standards, das, trotz Erwartung negativer Sanktionen bei Aufdeckung, zugunsten letzterer entschieden wird, entwerfen wir ein Mikromodell korrupten Handelns in Anlehnung an den Rational-Choice-Ansatz. Unter der Annahme, daß die Entscheidung zu (proto-)korruptem Handeln von externen situativen Anreizen bzw. normativen Blockaden abhängig ist, wurde an 639 Studenten in einer schriftlichen Befragung ihr fiktives Verhalten in der Situation einer betrieblichen Personalentscheidung erhoben. Dabei variierten wir die zu übernehmende Rolle (aktiv entscheidender Chef versus Bewertung der schon getroffenen Entscheidung), die Merkmale von drei Bewerbern und die Struktur der situativen Erwartungen systematisch nach vier Typen. Die Hauptbefunde lauten: Partikularistische Anreize fördern, universalistische mildern Prokorruption. In einer bezüglich universalistischer und partikularistischen Erwartungen ambivalenten Situation setzen sich eher die partikularistischen Orientierungen durch. In der aktiven Situation sind die Zusammenhänge schwächer ausgeprägt als in der passiven, was durch die größere Komplikation der antizipierten Handlungskonsequenzen ersterer erklärt wird. Die Ergebnisse lassen die Notwendigkeit plausibler erscheinen, sich in der Forschung stärker auf die alltäglichen Vorformen von Korruption und die strukturellen Bedingungen des Übergangs von 'normalen' zu sanktionsfähigen Formen zu konzentrieren, was auch einen besseren Zugang zur praktischen Kontrolle von Korruption verspricht." (Autorenreferat)