Jugendliche in der Schule - Versuch einer aktuellen Typologie
In: Gegenwartskunde: Zeitschrift für Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Bildung, Heft 2, S. 55-70
ISSN: 0016-5875
Auf dem Hintergrund von E. Eriksons Theorie vom Jugendalter als dem Zeitraum notwendigen Probehandelns und wichtiger Probeidentifikationen wird der Versuch gemacht, eine Schüler-Typologie zu entwerfen, die sich an der Frage nach der Identitätsbildung und deren möglichen Störungen orientiert. Als Folge traumatisierter oder zu früh beendeter Identitätsentwicklung läßt sich der Typ des familienzentrierten Jugendlichen beobachten, bei dem die Phase der für die Identitätsentwicklung notwendigen seelischen Krisen und Brüche fehlt oder im Stillen verläuft. Die Identitätsschließung geschieht vorzeitig, wodurch eine übermäßige Anpassung und Angst vor Neuem, Ungewohntem gefördert wird. Beim Typ des jugendzentrierten Jugendlichen, der sich in eine Subkultur zurückzieht, entstehen die Schwierigkeiten durch zu frühe und abrupte Lösung von den Elternautoritäten. Hier verstärkt die Schule, wie beim familienzentrierten Typ die Angepaßtheit, die Tendenz zu Regelverletzung, Feindseligkeit und Flucht in die Subkultur. Als dritte Gruppe wird die der lustlos-apathischen Jugendlichen behandelt, deren diffuse, regressionsfreie Verweigerung allen Anforderungen gegenüber, die nicht in ihrem momentanen Bedürfnisspektrum liegen, auf narzißtische Störungen während der frühen Phase der Identitätsbildung, der Phase der Eltern- und Selbstidealisierung, zurückzuführen ist. Die Folge ist ein ständig bedrohtes Selbstgefühl, für das Anforderungen den Charakter bedrohlichen Drucks annehmen. Gesellschaftspolitisch sind diese Identifikationsstörungen durch bestimmte Veränderungen, allgemein den Zusammenbruch der Sinnauslegung der Tradition, bedingt. Abschließend werden aus dieser Typologie pädagogische Konsequenzen für die Praxis gezogen. (SD)