In: Veröffentlichungsreihe der Abteilung Öffentlichkeit und Soziale Bewegung des Forschungsschwerpunkts Sozialer Wandel, Institutionen und Vermittlungsprozesse des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung 96-103
Die zentrale These des Beitrags ist, dass Verhandlungslösungen im Konfliktfeld der nuklearen Entsorgung in spätmodernen Demokratien in besonderer Weise Ausdruck der Übernahme von Verantwortung aller Betroffenen und Beteiligten sind. Welche Bedeutung das Beziehen verbindlicher Positionen in polarisierten Konflikten und dabei insbesondere Expertenkommunikation hat, ist damit Thema des Beitrags. Dazu wird in einem ersten Schritt auf demokratische Strukturen von Entscheidungsfindung und Interessenvermittlung eingegangen. Anschließend wird die Eigenlogik verschränkter Entscheidungsprozesse aus Perspektive der Öffentlichkeitssoziologie umrissen, um darauf folgend die Rolle von Experten in deliberativen Verfahren zu diskutieren. Referenzpunkt ist dabei immer der deliberative Prozess, den der AkEnd (Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte) parallel zur Erarbeitung seiner Expertise in den Jahren 1999 bis 2002 organisierte und dessen Fortsetzung er auch für die folgenden Phasen eines vergleichenden Standortauswahlverfahrens vorschlug. Die Ausführungen zeigen, dass bei gestiegenem Beratungsbedarf Experten mit einer doppelten Erwartung konfrontiert sind: Sie müssen die Rolle des professionellen und wissenschaftlich ausgerichteten Spezialisten ebenso übernehmen wie die des problem- und entscheidungsorientierten Experten und "Übersetzers" von Informationen für ein auf Sachfragen ausgerichtetes Entscheidungssystem (hier nukleare Entsorgung). Die letztere Rolle muss nicht nur gegenüber der eigenen "scientific community", sondern auch gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit eingenommen werden. Zur Optimierung dieser Kommunikationsräume bedarf es der Etablierung spezifischer "Formate" von Diskursen. (ICA2)
Nach welchen Mustern und mit welcher Selektivität berichten Massenmedien über lokalen Protest? Dieser Frage geht die Fallstudie für den Raum Freiburg in den 1980er Jahren nach. Sie vergleicht ungewöhnlich umfangreiche und hochwertige Zeitreihendaten, die aus Polizeiakten und Medienquellen gewonnen wurden. Die Studie zeigt, dass für Freiburg ein ausgesprochen vitaler Bewegungssektor diagnostiziert werden kann. Lokalpresse und überregionale Presse waren bei der Berichterstattung hochgradig selektiv und hatten jedoch gleichzeitig unterschiedliche Auswahlmuster. Nachrichtenfaktoren spielten bei der Auswahl der Proteste, die die Medien als berichtenswert einstuften, eine wichtige steuernde Rolle.
Am Beispiel der Berichterstattung über lokale Demonstrationen analysiert der Autor das Auswahlverhalten der Massenmedien, für das er besonders einschlägige Nachrichtenfaktoren und themenspezifische Aufmerksamkeitszyklen nachweisen kann. Bei ihrer Abbildung gesellschaftlichen Lebens und politischer Aktivitäten wirken die Massenmedien wie "Filter", indem sie die überkomplexe Wirklichkeit reduzieren und somit meist hochgradig selektiv abbilden. Vorgestellt wird ein Projekt, das als Lokalstudie innerhalb eines mehrjährigen Projektes zur Protestgeschichte der Bundesrepublik Deutschland am Wissenschaftszentrum Berlin durchgeführt wurde. Untersucht wurde das Protestgeschehen der westdeutschen "Bewegungshochburg" Freiburg als einem räumlich und zeitlich präzise abgrenzbaren Raum. Das Projekt konnte anhand ausgesprochen vollständiger und systematisch erstellter Daten über Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und Blockaden, die in den Jahren 1983 bis 1989 stattfanden, das Auswahlverhalten von Massenmedien in der Protestberichterstattung ermitteln. Durch die Berücksichtigung von medienunabhängigen Daten über das Geschehen differenziert die Studie Ereignis- und Nachrichtenmerkmale und verdeutlicht Prozesse medialer Koorientierung. Die Studie zeigt, dass Nachrichtenfaktoren auswahlsteuernd wirken und der Nachrichtenwert wurde bestätigt. Es lassen sich auch unterschiedliche Profile von Nachrichtenfaktoren ermitteln, die je nach Mediengattung den Nachrichtenwert generieren und damit die Selektion steuerten. Innerhalb des Nachrichtenwert-Konzeptes konnte gezeigt werden, dass Studien, die in erster Linie "Ereignismerkmale" als Indikatoren für Nachrichtenfaktoren berücksichtigen, gewinnbringende Ergebnisse präsentieren können. Will der Nachrichtenwert-Ansatz im Kern journalistisches Auswahlverhalten jenseits individueller Einstellungen erklären, so macht es Sinn, "Ereignismerkmale" zu berücksichtigen und "Nachrichtenmerkmale" auszublenden. (RG)
Auf der Grundlage von empirischen Daten zu Protestereignissen, die im Rahmen des "Prodat"-Projekts ( Dokumentation und Analyse von Protestereignissen in der Bundesrepublik Deutschland, 1950-1994) erhoben worden sind, werden im vorliegenden Beitrag studentische Proteste in mittelgroßen Städten und insbesondere in Freiburg untersucht. Der Autor geht zum einen der Frage nach, ob sich die relativ hohe Freiburger Protestdichte von derjenigen vergleichbarer Universitätsstädte unterscheidet. Zum anderen soll geprüft werden, ob Studierende bei den Protesten - unabhängig von deren Anliegen - als soziale Träger eine wichtige Rolle spielten. Weiterhin wird gefragt, ob speziell studentische Themen bei Protesten in Freiburg von besonderer Bedeutung waren. Durch diese Zugangsweise wird es möglich, die Rolle des studentischen Engagements für das Protestgeschehen in der Bundesrepublik an einem konkreten Fall näher zu bestimmen und begründete Hypothesen in späteren Untersuchungen zu generieren. Die Ergebnisse zeigen, dass studentische Anliegen und Mobilisierung in den mittelgroßen Universitätsstädten nicht die erwartet herausragende Position einnehmen. Während z. B. in Kassel, Aachen, Augsburg und Oberhausen die Protestthemen überwiegend von Arbeitnehmern und Gewerkschaften bestimmt wurden, waren es in Freiburg vor allem Gruppen aus der Hausbesetzer-Szene und ihre Unterstützer, die das Protestgeschehen prägten. Als besonderer Anziehungspunkt für studentische Proteste erweisen sich vor allem Städte, die Sitz einer Landesregierung sind. (ICI2).
Auf der Grundlage von empirischen Daten zu Protestereignissen, die im Rahmen des "Prodat"-Projekts (Dokumentation und Analyse von Protestereignissen in der Bundesrepublik Deutschland, 1950-1994) erhoben worden sind, werden im vorliegenden Beitrag studentische Proteste in mittelgroßen Städten und insbesondere in Freiburg untersucht. Der Autor geht zum einen der Frage nach, ob sich die relativ hohe Freiburger Protestdichte von derjenigen vergleichbarer Universitätsstädte unterscheidet. Zum anderen soll geprüft werden, ob Studierende bei den Protesten - unabhängig von deren Anliegen - als soziale Träger eine wichtige Rolle spielten. Weiterhin wird gefragt, ob speziell studentische Themen bei Protesten in Freiburg von besonderer Bedeutung waren. Durch diese Zugangsweise wird es möglich, die Rolle des studentischen Engagements für das Protestgeschehen in der Bundesrepublik an einem konkreten Fall näher zu bestimmen und begründete Hypothesen in späteren Untersuchungen zu generieren. Die Ergebnisse zeigen, dass studentische Anliegen und Mobilisierung in den mittelgroßen Universitätsstädten nicht die erwartet herausragende Position einnehmen. Während z.B. in Kassel, Aachen, Augsburg und Oberhausen die Protestthemen überwiegend von Arbeitnehmern und Gewerkschaften bestimmt wurden, waren es in Freiburg vor allem Gruppen aus der Hausbesetzer-Szene und ihre Unterstützer, die das Protestgeschehen prägten. Als besonderer Anziehungspunkt für studentische Proteste erweisen sich vor allem Städte, die Sitz einer Landesregierung sind. (ICI2)
Media reporting of protest events in Freiburg, Federal Republic of Germany, 1983-1989 was investigated by comparing a reconstruction of actual protests (based partially on police & previous research data) with local & regional print coverage. Although a higher % of protests & demonstrations were reported in local vs regional papers, a significantly large number of protests received no print coverage whatsoever. Only an extremely small % of protest events were selected by regional papers. Final analysis of media selectivity regarding social movement activities in Freiburg will have to account for methodological complexities (eg, incompleteness of police data, the fact that protests are only one element of movements' repertoires) & the specific characteristics of Freiburg (eg, relatively small size, status as a university city). 7 References. E. Blackwell
The search for a final repository in Germany lies in the field of tension between a past characterized by conflicts and a future-oriented process shaped by the repository site selection procedure. An examination of the history of social conflicts can be of assistance for the organization of participation concepts and positively influence the discourse. In this context, narratives play a special role in the discourse strategies. Over the course of the research project "Public participation in the search for a repository site: challenges of an intergenerational self-questioning and learning procedure" (Brohmann et al., 2021) narratives were analyzed by the Institute for Technology Assessment and Systems Analysis (ITAS) at the Karlsruhe Institute of Technology (KIT) and future images for the repository were developed. Narratives consolidate very different discourse elements and therefore provide coherent tales. These are important narratives and temporally structured descriptions that refer to the past and can encroach upon the present. They are simultaneously open with respect to the future (Geiger, 2006), which makes them interesting for the development of future images. In turn, concrete perceptions, wishes and visions for aspects not yet experienced in the present are elucidated in future images. In the context of the search for a repository site, it is the "sociotechnical futures" (Lösch et al., 2019) that can be used with technical and political means for the accompanying construction of a social task. Sociotechnical futures designate different and possibly contrary futures, the sketching of which are usually related to larger public debates. Starting from a theoretical and conceptional classification of narratives and future images, an empirical examination is carried out in which qualitative social research methods and technology assessment concepts were applied. Using qualitative guideline-assisted interviews, experts were questioned about their present perspectives on the site selection procedure for a repository for highly radioactive nuclear waste. This also included the consideration of the context and reflections on futures to be expected. The interviews were evaluated by qualitative content analysis and the results consolidated in narratives. In a further step, the narratives were further developed in a reflection workshop with young adults and future images were conceptualized starting from various developmental pathways. The results and the recommendations for action derived from them for the participation process of the search for the repository site are the central subject of the presentation. Special emphasis is placed on the challenge of an intergenerational participation. Then, whereas (conflict afflicted) narratives encroach on the discourse in the present (and future) but "new" players without (conflict) experience participate in the discourse, this places a special challenge on the participation process as a whole, as interpretive patterns and expectations are also debated over and over again.
The search for a final repository in Germany lies in the field of tension between a past characterized by conflicts and a future-oriented process shaped by the repository site selection procedure. An examination of the history of social conflicts can be of assistance for the organization of participation concepts and positively influence the discourse. In this context, narratives play a special role in the discourse strategies. Over the course of the research project "Public participation in the search for a repository site: challenges of an intergenerational self-questioning and learning procedure" (Brohmann et al., 2021) narratives were analyzed by the Institute for Technology Assessment and Systems Analysis (ITAS) at the Karlsruhe Institute of Technology (KIT) and future images for the repository were developed. Narratives consolidate very different discourse elements and therefore provide coherent tales. These are important narratives and temporally structured descriptions that refer to the past and can encroach upon the present. They are simultaneously open with respect to the future (Geiger, 2006), which makes them interesting for the development of future images. In turn, concrete perceptions, wishes and visions for aspects not yet experienced in the present are elucidated in future images. In the context of the search for a repository site, it is the "sociotechnical futures" (Lösch et al., 2019) that can be used with technical and political means for the accompanying construction of a social task. Sociotechnical futures designate different and possibly contrary futures, the sketching of which are usually related to larger public debates. Starting from a theoretical and conceptional classification of narratives and future images, an empirical examination is carried out in which qualitative social research methods and technology assessment concepts were applied. Using qualitative guideline-assisted interviews, experts were questioned about their present perspectives on the site selection procedure for a repository for highly radioactive nuclear waste. This also included the consideration of the context and reflections on futures to be expected. The interviews were evaluated by qualitative content analysis and the results consolidated in narratives. In a further step, the narratives were further developed in a reflection workshop with young adults and future images were conceptualized starting from various developmental pathways. The results and the recommendations for action derived from them for the participation process of the search for the repository site are the central subject of the presentation. Special emphasis is placed on the challenge of an intergenerational participation. Then, whereas (conflict afflicted) narratives encroach on the discourse in the present (and future) but "new" players without (conflict) experience participate in the discourse, this places a special challenge on the participation process as a whole, as interpretive patterns and expectations are also debated over and over again.
In: Journal of risk research: the official journal of the Society for Risk Analysis Europe and the Society for Risk Analysis Japan, Band 22, Heft 11, S. 1343-1356