Die Autorin erläutert, wie sich im Rahmen der Frauenbewegung der amerikanische Protestantismus des 19. Jahrhunderts grundlegend veränderte. Sie umschreibt mit dem Begriff "Feminisierung" einen radikalen Veränderungsprozeß der Religion, der sie häuslicher, gefühlsvoller, kurz femininer machte. Bedeutsam für diese Entwicklung war die Überantwortung der Angelegenheiten der Religion, ebenso wie der Familie und der Alltagskultur an Frauen. Männer hingegen wirkten in den existenziell und gesellschaftlich relevanten Bereichen von Politik und Wirtschaft. Auf diese Weise konnten traditionelle religiöse Werte wie Bescheidenheit, Unterwürfigkeit und Sanftmut in einer Gesellschaft beibehalten werden, deren Hauptinteresse - der Erfolg - mit diesen religiösen Werten unvereinbar war. (KO)
In: Neokonservative und "Neue Rechte": der Angriff gegen Sozialstaat und liberale Demokratie in den Vereinigten Staaten, Westeuropa und der Bundesrepublik, S. 122-162
In dem Beitrag wird die Verwobenheit von Rationalität und Irrationalität, von Scharfsinn und Unsinn in der neuen Religion der Rasse, wie sie von der Neuen Rechten propagiert wird, untersucht. Die Theorie der Neuen Rechten, in der von einer genetischen und rassischen Bestimmtheit der Kulturen zu einer neuen Religion der Rasse die Rede ist, wird behandelt und der vorgebliche Rationalismus der Neuen Rechten in seinen irrationalistischen Grundstrukturen aufgedeckt. Als Grundlage der Theorie werden die Ethologie und biologische Naturgesetze beschrieben, die in einem biologischen Materialismus münden, der von der Existenz von Rassen ausgeht, die von Grund auf verschieden sind, angefangen von der Hautfarbe bis zur Intelligenz. Die neue kollektive Ethik wird unter den Schlagworten Eugenismus und Biopolitik zusammengefaßt. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob es sich bei der Ideologie der Neuen Rechten um eine Wiederkehr des nationalsozialistischen Rassismus handelt. (RW)
Am Beispiel der im östlichen Teil der preußischen Provinz Westfalen gelegenen Region Minden-Ravensberg wird dargelegt, welchen Einfluß Religion auf die Form sozialer Proteste hat. Als ein Zentrum des protoindustriellen Leinengewerbes bestand die Bevölkerung hauptsächlich aus Kleinbauern und Tagelöhnern. In dieser protestantisch geprägten Region gewann die Erweckungsbewegung, die die Autorität der Bibel und den Primat des religiösen Gebots gegenüber der weltlichen Moral betonte, immer mehr Anhänger. Die Bewegung erwies sich dann im Vormärz insofern als konflikthemmend, da offener gewalttätiger Aufruhr nur sehr selten vorkam. Andere Protestformen wie Diebstahl und Schuldenbetrug ließen sich angesichts der herrschenden Not sehr wohl mit dem Glauben vereinbaren. (HOE)
"Als Ergebnis der Bemühungen, eine religiöse Erneuerung und Verinnerlichung christlicher Normen zu erreichen, kann wohl von einer gewissen äußerlichen Kirchlichkeit gesprochen werden, aber nicht von einer Verinnerlichung, die äußere Disziplin weitgehend überflüssig gemacht hätte. Nichtsdestoweniger wurde selbst diese Verkirchlichung durch die 'christliche Obrigkeit' - die adligen Gutsherren - unterlaufen. Sie hinderten ihre bäuerlichen Untertanen durch das Ansetzen von Scharwerk am regelmäßigen sonntäglichen Kirchgang und oft an der Anwesenheit bei der Kirchenvisitation, sie unterbanden ebenfalls die Gebetskontrolle durch die Pfarrer. In Preußisch-Litauen wurde selbst diese äußere Kirchlichkeit trotz der intensiven Bemühungen um Kirchen- und Schulgründungen und trotz der regen Übersetzungstätigkeit nicht erreicht. Für die Masuren wird von 'strenger Kirchlichkeit' berichtet, aber verbunden mit einer nicht christlichen Religiosität und starkem Hang zum Volksglauben. Während es für diese 'ethnischen' Unterschiede im Verhältnis von Bauer und Religion/ Kirche/ Volksglaube eine reiche Überlieferung gibt, hat die Forschung bisher keine Daten für schichtenspezifische Unterschiede bereitgestellt. Das Beispiel Ostpreußens belegt zweifelsohne einen 'sozialen Wandel' im 18. Jahrhundert, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts manifest wird, 'kultureller Wandel' ist institutionell durch den Ausbau des Schulwesens angelegt, wenn auch noch nicht in diesem Sinne wirksam. Die Verkirchlichung der Bauern und die Entkirchlichung der Landarbeiter im 19. Jahrhundert sind jedoch nicht Ausdruck von 'Säkularisierung' und 'Entzauberung' der Welt, sondern der sozialen Polarisierung in der ländlichen Gesellschaft, so daß eine Ungleichzeitigkeit oder unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeit von 'sozialem' und 'kulturellem' Wandel vorzuliegen scheint. Der Wandel der säkularen Deutungsmuster Gemeinde und Familie ist unter politischem und moralischem Aspekt schon vielfach behandelt worden, doch ist bisher zu wenig die Wechselwirkung der verschiedenen, an der 'Deutungsfunktion' beteiligten weltlichen und religiösen Institutionen, sie seien formell oder informell, beachtet worden, deren Charakter sich im 19. Jahrhundert grundlegend veränderte." (Autorenreferat)
"Die Kritik an der Religionskritik von K. Marx führt uns zu folgendem Schluß: Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Formation einer Epoche prägt (weitgehend) die Religion, sie erschafft sie aber nicht. Religion tritt in allen Phasen der menschlichen Geschichte auf, sie inkarniert sich sozusagen in die verschiedensten menschlichen Gesellschaften mit den verschiedenartigsten Produktions- und Konsumverhältnissen. Aber sie geht in ihnen nie restlos auf. Dieser Tatbestand deutet auf eine anthropologische und eine utopische Komponente der Religion hin. Die Tatsache, daß sich Religion in den mannigfaltigsten Gestalten durch alle Epochen menschlicher Geschichte trotz deren verschiedenartigsten sozioökonomischen Bedingtheiten und Bestimmtheiten durchhält, scheint Religion doch als eine anthropologische Konstante, als eine feste, basale Eigenschaft des Menschen auszuweisen. Als solche fällt sie mit dem Menschen als Sinn und Sinnerfüllung, als die eigene Identität, aber auch umfassende Solidarität und Kommunikation, Gleichheit und Gerechtigkeit für alle suchenden Wesen zusammen. Da diese Suche durch keine (bisherige) sozioökonomische Organisation menschlichen Zusammenlebens befriedigt worden ist, weist sie auch ein kritisches und ein utopisches, zukunftsweisendes Element auf." (Autorenreferat)
Es wird von einer Lebensgeschichte berichtet, die im Zusammenhang mit Religion von erheblichen Konflikten gekennzeichnet war. Dabei geht es um den Ausbruch eines jungen Mannes aus der Lebens- und Gedankenwelt seiner Eltern, seiner Schule, seiner gesamten pietistisch geprägten Umwelt. Der Lebenskonflikt wird als Kontroverse mit seinem Glaubensbekenntnis nachgezeichnet, das ihm im Rahmen seiner Persönlichkeitsentwicklung zunehmend fremd wurde, weil er mit den Ideen der Aufklärung in Berührung kam und sich daher von der Religion zu emanzipieren suchte. Der nicht gelöste Konflikt innerhalb des Pietismus - zwischen dualistischer Anthropologie und genetischer Pädagogik - wird als Grundlage der Lebensgeschichte betrachtet; sie bringt als Resultat, daß Zwang Widerstand und Kontrolle "Freiheitsdurst" bewirkt. (HA)
Der Aufsatz handelt von den Zusammenhängen zwischen Religion und Alltagskultur. Dabei wird aus der Perspektive der neueren Volkskunde vor allem der gegenseitige Bedingungszusammenhang im gesellschaftlichen Kontext erörtert. Die Studie führt zu folgenden Ergebnissen: (1) volkstümliche Anschauungen und Handlungsweisen sind von der Theologie abhängig; (2) Religion kann ein Mittel zur Lebensbewältigung sein; (3) das Kreuz als religiöses Symbol ist Schutz- und Abwehrmittel, aber auch Ausdruck von Identität und Markierung von Freund-Feind-Verhältnissen; (4) "Volksfrömmigkeit" ist Folge des "Kulturkampfes" und (5) insgesamt haben religiöse Alltagsrituale disziplinierende und integrative Funktion. (HA)
"Die abendländische Utopie kennt nicht nur jenes funktionale Modell, wie ich es hier bezeichnet habe, das Robert von Mohl einst als 'Staatsroman' in die wissenschaftliche Diskussion einführte, sondern auch die Hoffnungen auf die Wiederkehr des Paradieses am Ende der Zeiten, mit vergleichbaren Grundzügen einer harmonischen Welt. Karl Mannheim sah wohl richtig, daß diese chiliastische Hoffnung seit dem Spätmittelalter 'säkularisiert' wurde, durch die Erwartung, das transzendente Paradies würde hier und jetzt ins Diesseits eindringen, ja, seine Wiederkehr könne gar durch menschliche Aktivität erzwungen werden. Ungeheure revolutionäre Energien ließen sich solcherart freisetzen, namentlich in religiös erweckten, aber kaum weltkritischen Bevölkerungskreisen. Es ist bisher noch kaum beobachtet worden, daß dieser politisierte und damit säkularisierte Chiliasmus seine Anhänger hauptsächlich auf dem Lande fand, weniger in der skeptischeren Stadtbevölkerung, oder dort vornehmlich in Unterschichten." (Autorenreferat)
"Marxens Bemühung, auch die Moral nicht mehr einen supranaturalen Faktor, der transzendent in das Weltliche hereinwirkt, sein zu lassen, sondern Moral aus ihren gesellschaftlichen Bedingungen zu erklären, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Impetus seines Denkens und das Pathos seiner Gesellschaftskritik ein moralisches Postulat - oder besser: eine moralische Vision und Herausforderung war: die Befreiung der Menschen zur Menschlichkeit, d. h. zur Entfaltung ihrer positiven, ihnen als Menschen eigenen Möglichkeiten. Den Marxismus in Strukturalismus umzuinterpretieren und den Humanismus aus ihm zu eliminieren muß von da aus als abenteuerliches Unterfangen erscheinen. Ob sie zur Humanisierung der Menschengesellschaft beitragen oder für sie hinderlich sind, das ist die kritische Frage des Marxismus an die Religionen. Deren Antwort kann auch den Hinweis darauf enthalten, daß sie in der Lage sind, die Vision der Humanität, den Begriff des vollen Menschseins zu erweitern gegenüber einer Verengung, mit der Marx dem einseitigen Wertschema der bürgerlich-europäischen Neuzeit seinen Tribut zahlte." (Autorenreferat)
"These 1. Religiöser Wandel auf dem Lande ist keine Sache des 18. Jahrhunderts, zumal was die Grobstrukturen betrifft. Feinstrukturierungen kennen wir ohnehin kaum punktuell, weil die Forschungslage desolat ist. Religiöse Phänomene des 18. Jahrhunderts vor der Aufklärung interessieren so gut wie niemanden. Unser Bild ist das ungeprüft übernommene der Aufklärung oder ein ebenso unkritisch rückprojiziertes von Tatbeständen des 19. und 20. Jahrhunderts aus. Hierher gehört das aufgespießte Epitheton 'barockfromm'. Vom 17. zum 18. Jahrhundert gibt es ... keinen wirklichen Wandel struktureller oder mentaler Art im Bereich der religiösen 'Volks'-Kultur Mitteleuropas, jedenfalls keinen von grundlegender Art. ... These 2. 'Religiosität' als religiöse Kultur und 'Frömmigkeit' als praktische Religionsausübung auf dem platten Lande ist keine genuin ländliche Kulturleistung im 18. Jahrhundert (und auch sonst nicht). Im 18. Jahrhundert allerdings ist der fromme Landmann erfunden worden als poetische Hoffnung eines Adams vor dem Sündenfall der Kultur und als Zielobjekt utopischer Erzieher. ... These 3. Religiöses Leben der Vergangenheit ist kein abtrennbares Forschungshobby für Spezialisten, sondern religiöses Leben stellt eine der wichtigsten Rahmenbedingungen für sozio-kulturelle Entwicklungen und Wandlungen in der Geschichte dar. Die Tatsache sowie die Art und Weise der Religionsausübung läßt Mechanismen und Motivationen erkennen unter denen sich Gruppenleben generell vollzieht." (Autorenreferat)
In diesem Aufsatz werden institutionalisierte Religion, konfessionelle Lehren und Praktiken als Elemente gesellschaftlicher Entwicklung analysiert. Im Mittelpunkt steht dabei der Vergleich zwischen Protestanten und Katholiken in der Bundesrepublik. Es wird verdeutlicht, daß methodische Lebensführung und kompromißlose Selbstverwirklichung typisch protestantisch sind, während Katholiken an eine moralische Ordnungsstruktur der Welt glauben und deshalb gesellschaftlich weniger aktiv und engagiert sind. Die Protestanten als "Trendmacher" werden als Auslöser großer politischer Umschwünge und auch als Träger des jüngeren Terrorismus eingestuft. Neuere Reformimpulse in der katholischen Bevölkerung werden auf Widersprüche zwischen offizieller Lehre und Institution einerseits und sozialer und kultureller Realität andererseits zurückgeführt. (HA)
"Kurz zusammenfassend können wir feststellen, daß das utopische Potential des Paradies- und des Bundesmythos von Prophetismus und Apokalyptik aktualisiert wurden. Obwohl die Entwicklung der Dogmatik die Interpretation des Genesisberichtes später festlegte, akzentuierte und begrifflich mit Urstand, Erbsünde, Gottebenbildlichkeit usw. umschrieb, ließ sich die Rezeption dieses mythischen Textes nicht festlegen, weil der Text in seiner bildlich-narrativen Prägnanz mehrdeutig bleibt und immer wieder neue - auch revolutionäre - Aktualisierungen hervorrief. Ähnliches gilt für die Offenbarung des Johannes. Die Amtskirchen versuchten zwar, den prophetisch oder apokalyptisch auftretenden Chiliasmus zu neutralisieren, da die Texte aber besonders in Zeiten der Krise als Gottes Wort und Mahnung an die auserwählten Frommen gelesen und gehört wurden, drängten sie auf Verwirklichung, und wenn die chiliastischen Führer der Sekten sich auch nicht als Christus auffaßten so doch oft als Vorläufer und Wegbereiter. Diese Skizze hat verdeutlicht, daß die Zeitutopie nicht, wie oft behauptet, die ältere Raumutopie ablöst, sondern eher umgekehrt: die Raumutopie entsteht später und hört übrigens keineswegs um 1800 auf, weil die ganze Welt erforscht sei, wie ein beliebtes Argument lautet." (Autorenreferat)
Der Beitrag fragt nach den Wirkungen konfessioneller Unterschiede auf das Bewußtsein der Menschen in der Gegenwart. Gegenüber der verbreiteten These, daß es keine religiösen Vorurteile mehr gibt, wird aus der Perspektive der kritischen Theorie das Problem neu aufgegriffen; dabei dienen Adornos Studien als Leitfaden. Aus der Literatur werden katholische und evangelische Stereotypen herausgestellt und gegenübergestellt. Die Analyse von Schulaufsätzen von vierten bis achten Klassen erbringt den Nachweis, daß durchaus noch Restbestände konfessioneller Vorurteile existieren, insbesondere wenn das Wissen über Religion gering ist. Diese gegenseitigen Vorurteile werden auch auf reale Unterschiede im religiösen und symbolischen Alltag von Protestantismus und Katholizismus zurückgeführt. Insgesamt wird das Thema als bisher unerforscht betrachtet. (HA)