Venezuela auf dem Weg zu einem autoritären Neopopulismus?
In: Autoritäre Systeme im Vergleich, p. 35-52
Das politische System Venezuelas entspricht inzwischen ziemlich genau dem, was als "delegative democracy" bezeichnet worden ist. Deren Merkmale sind: eine durch Wahlperioden zeitlich begrenzte Delegierung der Entscheidungsbefugnisse auf den Präsidenten, was auf die Monopolisierung der Befugnisse in den Händen der Exekutive hinausläuft; eine messianische Erlösungsrhetorik; die Mobilisierung politischer Unterstützung durch Massenbewegungen und nicht durch Parteien; die Missachtung von Normen und Verfahren durch die Exekutive; die Schwäche von intermediären Organisationen wie Parteien und Verbänden sowie vor allem die relative Bedeutungslosigkeit solcher Institutionen, denen gegenüber die Regierung laut Verfassung rechenschaftspflichtig wäre. Der vorliegende Beitrag versucht, die Entwicklung des Landes von einer relativ konsolidierten Demokratie zu einer "defekten" und "illiberalen" bzw. "delegativen", mit zunehmenden autoritären Elementen ausgestatteten Demokratie nachzuzeichnen, einer Demokratie, die ausgeprägt neopopulistische Züge trägt. Die politische Krise wird durch eine Darstellung und Erklärung der ökonomischen Krise des Landes komplementiert, was eine Auseinandersetzung mit den ökonomischen Fundamenten der venezolanischen Demokratie und deren Erosion erfordert. Einleitend werden die Begriffe "Populismus" und "Neopopulismus" definiert. (ICA2)