Stufen der Re-Zivilisierung
In: Verantwortung in der Zivilgesellschaft: zur Konjunktur eines widersprüchlichen Prinzips, p. 265-271
Mit dem Begriff der "Barbarei" wird der völlige Zusammenbruch der moralischen und rechtlichen Ordnung einer Gesellschaft bezeichnet, sozusagen ihr Rückfall in den Naturzustand. Eine zeitgeschichtliche Entsprechung zu diesem Grundtypus der unzivilen Gesellschaft war in den 1990er Jahren in den Gesellschaften Südosteuropas und in den südlichen Territorien der ehemaligen Sowjetunion und heute noch in Afrika zu beobachten, wo staatliche Strukturen in Bürgerkriegen implodierten. Diese Formen der "Barbarei" sind der Gegenpol zur "zivilen" Gesellschaft. Der vorliegende Beitrag reflektiert über Strategien und Stufen (Waffenstillstand, Rechtszustand, ziviler Zustand) der (Re-)Zivilisierung als einer "Kunstlehre der Intervention in unendlich variablen Kontexten". Das beliebte Anrufen der Zivilgesellschaft bleibt demgegenüber meist soziologisch unterbestimmt, da "die zivile Gesellschaft ein großer Schirm ist". Welche Gruppen sich spezifisch bei welchem Problem verantwortlich fühlen sollen, und welche (moralische oder gar rechtliche) Form diese Verantwortung in einem bestimmten Fall annehmen kann, ist nicht ein für allemal ausgemacht. Unbestimmt und meist umstritten bleibt auch der Zeitpunkt, an dem eine zivilisierende Intervention zu erfolgen hat. Der Autor entwickelt Kriterien einer unabdingbaren "politische Urteilskraft", die am jeweils vorliegenden Fall entscheidet, wer wen wann mit welchen Mitteln und welcher Zielrichtung zivilisiert. (ICA2)