Die Regierungen haben das Feld der Außen- und Sicherheitspolitik früher immer sich selbst, den Experten vorbehalten. Jetzt haben sich die Betroffenen selbst zu Wort gemeldet und noch nie sind derartige Fragen in solcher Breite diskutiert worden wie heute. Zumindest Zeitpunkt und Hauptthesen der gegenwärtigen "Friedensbewegung" (Nachrüstung) deuten darauf hin, daß hier nicht wirklich die Probleme des Friedens erfaßt werden. Eine wirkliche Friedensinitiative und -diskussion täte jedenfalls dringend - auch in Österreich - not. (GW)
"Die bisherige Geschichte des 20. Jahrhunderts weist als wesentliches Kennzeichen das Fehlen oder Scheitern einer tragfähigen Friedensordnung auf. Verantwortlich dafür sind in erster Linie drei Faktoren, Prozesse und Verhaltensweisen: nationalstaatliche Egozentrik, politisch-ideologische Spaltung der Welt und wechselseitige Fehleinschätzungen von Hauptakteuren der Weltpolitik. Der eine friedliche Zukunft der Menschheit langfristig vielleicht am stärksten gefährdende Nord-Süd-Konflikt bleibt deshalb unberücksichtigt, weil er im Unterschied zu den drei genannten, im 20. Jahrhundert durchgängig wirksamen Faktoren erst in den sechziger Jahren voll in Erscheinung getreten ist. In dem Bemühen, Geschichte als aktuelle Orientierungshilfe für das Friedensthema nutzbar zu machen, werden aus der Kurzanalyse der drei genannten Faktoren diese gegenwartsbezogenen Folgerungen abgeleitet: radikale Absage an nationalstaatliche Egozentrik, aber engagiertes Festhalten am nationalen Prinzip auch und gerade aus gesamtdeutscher Friedensverantwortung mit übernationaler Wert- und Zielsetzung; Verstärkung der Anstrengungen, den nach wie vor unaufhebbaren macht- und ordnungspolitischen Fundamentalkonflikt zwischen Ost und West durch Verhandlungen unter Kontrolle zu halten, auch Teilkonflikte, sofern möglich, einvernehmlich zu lösen und auf möglichst niedriger militärischer, insbesondere atomarer Paritätsebene einen freilich weiterhin labilen Weltfrieden zu gewährleisten; Schärfung unseres kritischen Bewußtseins dafür, daß die friedensbedrohende Gefahr wechselseitiger Fehleinschätzungen von Hauptakteuren der Weltpolitik fortbesteht." (Autorenreferat)
"Die "fünf Mahnminuten für den Frieden", zu denen der Deutsche Gewerkschaftsbund für den 5. Oktober 1983 alle Arbeitnehmer aufgerufen hatte, sowie die zahlreichen gewerkschaftlichen Friedensaktivitäten im Betrieb haben eine Reihe juristischer Diskussionen ausgelöst. So wurde behauptet, daß die Mahnminuten einen unzulässigen politischen Streik darstellten und daß die Erörterung "politischer Fragen" im Betrieb unzulässig sei. Eine demonstrative Arbeitsniederlegung ist aber keinesfalls verboten, sondern im Gegenteil verfassungsrechtlicht geschützt. Im übrigen gibt es in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Beispiele für politische Streiks. Auch das Betriebsverfassungsgesetz schränkt Friedensaktivitäten im Betrieb nicht ein. So darf die Gewerkschaft im Betrieb für Friedensaktivitäten werben und Informationsmaterial verteilen. Auch das betriebsverfassungsrechtliche Verbot der parteipolitischen Betätigung hindert den Betriebsrat nicht daran, für Frieden und Abrüstung einzutreten, da eine allgemeinpolitische Betätigung durch Paragr. 74 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht untersagt ist. Fragen der Friedenssicherung dürfen auch zum Thema von Betriebsversammlungen gemacht werden." (Autorenreferat)
In dem Beitrag wird der zweite Teil eines Rundtischgesprächs vom April 1984 dokumentiert, zu dem die Redaktion der Zeitschrift eingeladen hatte. Teilnehmer sind: M. Beck-Oberdorf (MdB-Grüne); K. D. Bredthauer (Redakteur der "Blätter"); V. Deile (Aktion Sühnezeichen/ Friedensdienste); P. Dietzel (Parteivorstand DKP); J. Leinen (SPD, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz); G. Matthiessen (Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit); S. Stamer (Hamburger Friedenskoordination, Autonome). Schwerpunkte dieses Teils der Gesprächsrunde sind der Zustand der Friedensbewegung, ihre Perspektiven und Alternativen. Im Gegensatz zum ersten Teil (Heft 5/1984, Seite 521-546) handelt es sich hier um ausführliche Statements der Gesprächsteilnehmer. (RW)
Der Autor stellt ein Konzept für die Friedensbewegung im welt- und bundespolitischen Zusammenhang vor und bezeichnet einige konkrete Aktionen. Neben der Absage an die Raketenstationierung befürwortet er die Schaffung atomwaffenfreier Zonen und die Aktion des "Einfrierens aller Atomwaffen", um so zu konkreten Abrüstungsverhandlungen zu kommen. Er weist auf den Zusammenhang zwischen der Entwicklung in Zentraleuropa und der Dritten Welt hin, wobei er die Stationierung der Atomraketen in Westeuropa als Drohgebärde der USA an die UdSSR sieht, sich nicht in die Interessen der USA in der Dritten Welt einzumischen. Die Forderung nach einem Plebiszit über die Frage der Raketenstationierung und einer Zusammenarbeit von Friedens- und Arbeiterbewegung wird aufgestellt. Außerdem verdeutlicht der Autor den Zusammenhang zwischen Wettrüsten, Sozialabbau und Ausbeutung der Dritten Welt, zeigt die wirtschaftlichen Konsequenzen auf und begründet damit seine Hoffnung, daß die Gewerkschaften mit der Friedensbewegung zusammenarbeiten, da "beide nach Wegen aus einer und derselben Gefahr" suchen. Abschließend geht der Autor noch auf die politische Willensbildung vor Wahlen ein und macht deutlich, daß die Friedensbewegung den Wählern die von ihm angeführten bestehenden Zusammenhänge klarmachen muß, damit sich für die Zukunft "konstruktive neue Mehrheiten" herausschälen können. (RE)
Daß es auch in Österreich eine "neue Friedensbewegung" gibt, ist anderswo ziemlich unbekannt. Christliche, insbesondere katholische Kräfte spielen darin eine große Rolle. Auch die katholischen Bischöfe Österreichs haben sich aktiv in die Diskussion eingeschaltet, namentlich mit einem aufsehenerregenden "Friedensappell", der sich in Form und Inhalt von den Lehrschreiben anderer katholischer Bischofskonferenzen stark unterschied. Das heißt zugleich: daß die Position der Kirche in Gesellschaft und Politik eine Schlüsselposition ist, und daß sie sich in einem Prozeß der Neubestimmung befindet. (GW)
"Betriebliche Friedensinitiativen (BFI) entstanden zumeist auf Anstöße aus der außerbetrieblichen Friedensbewegung hin durch Aktivität linker Kerne in den Betrieben. Sie haben v.a. die betriebliche Mobilisierung für Großaktionen der Friedensbewegung zum Ziel und sind dabei auf gewerkschaftliche Verankerung und Unterstützung angewiesen. Dabei können sie zu auch innergewerkschaftlich wirksamen Zentren politisch entwickelter Kräfte im Betrieb werden. In diesem Zusammenhang untersucht der Autor die Verteilung der BFI auf Branchen und Gewerkschaftssektoren, ihre Träger und Bewußtseinswirkungen in die Belegschaften." (Autorenreferat)
In dem Beitrag werden die Erfahrungen der Friedensbewegung in den letzten Jahren bilanziert, um auf dieser Grundlage die aktuelle Situation einzuschätzen und Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Das Hauptziel und die Grundsätze werden skizziert, um dann das Problem des Abstands zu den Supermächten aufzugreifen. Es wird verdeutlicht, daß im Mittelpunkt das Engagement für alles das steht, was den Nuklearkrieg stoppt. Beispielhaft wird gezeigt, wie konservative Militärs und Politiker mit der Friedensbewegung umgehen und wie sie sie benutzen möchten. Dabei wird betont, das die Friedensbewegung kein konterrevolutionärer Vortrupp der USA ist. Als ein Beispiel der Notwendigkeit der Friedensbewegung wird die US-amerikanische Invasion auf Grenada untersucht. In weiteren Überlegungen wird das Problem der Abrüstungsverhandlungen diskutiert. Das Verhalten der UdSSR und den USA werden miteinander verglichen, um vor allen Dingen die Bedrohungslüge aufzudecken. Abschließend wird die Bedeutung der Internationalität der Friedensbewegung hervorgehoben. (RW)
In seinem Beitraf formuliert der Verfasser zehn Thesen zu den Entwicklungsperspektiven und Problemen der Friedensbewegung. Trotz Raketenstationierung sieht der Autor die Bundesregierung in einer sicherheitspolitischen Minderheitsposition; die Friedensbewegung hat seiner Meinung nach zwar eine Niederlage erlitten, sei aber nicht gescheitert, da sie das Problem der Kriegsverhütung zum entscheidenden Diskussionsthema gemacht habe, breite Bündnisse - auch mit der SPD - möglich gemacht habe und "zur gößten Bürgerinitiative der Geschichte" wurde. Angesichts der momentanen sicherheitspolitischen Situation gäbe es noch genug Aktionsmöglichkeiten gegen die Rüstungspläne der NATO; der Verfasser warnt allerdings vor einer Fraktionierung und fordert eine breite Bündnispolitik sowie eine inhaltliche Ausdehnung. Aktionsformen müßten etabliert werden, notwendig sei aber auch eine intensivere Theorie- und Strategiediskussion, so Butterwegge. (KS)
Ausgehend von der Position der Bundeswehr gegenüber der Friedensbewegung wird auf dem Hintergrund der Hierarchie innerhalb der militärischen Führung die Aussagekraft offizieller Einschätzungen der Friedensbewegung analysiert. Im weiteren geht der Verfasser auf Begegnungen zwischen Bundeswehr und Friedensbewegung ein, wobei er konstatiert, daß es noch kaum zu einem fruchtbaren Dialog gekommen sei. Im weiteren wird das innere Klima der Bundeswehr als Rahmen für öffentliche Äußerungen zur Rüstungspolitik charakterisiert; abschließend nennt Schneider einige Voraussetzungen zur Widerherstellung eines gesellschaftlichen Konsenses bzgl. der Sicherheitspolitik. (KS)
In seinem Beitrag analysiert der Verfasser die westdeutsche Friedensbewegung hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Ideologie, Einflußmöglichkeiten und -grenzen. Dabei steht das Verhältnis der Friedensbewegung zur Linken und zur Sozialdemokratie im besonderen im Vordergrund. Peter Glotz plädiert für die Verfechtung sozialdemokratischer Konzepte innerhalb der Friedensbewegung, jegliche Berührungsängste sollten überwunden werden. Gerade wegen der erfolgten Raketenstationierung sei nun eine Verbindung zwischen Friedensbewegung und großen Organisationen der Linken notwendig; damit würde auch die notwendige Verknüpfung von Abrüstungsaktionen und Abrüstungsdiplomatie erreicht. Eine Sozialdemokratisierung der Friedensbewegung solle dabei vermieden werden. (KS)