Open Access BASE2015

gelebte Wissenschaft - registriertes Leben. Wissenschaftsgeschichte und/als Kulturgeschichte der edierten Hauschronik eines Berliner Germanisten ; The "Hauschronik" of Richard M. Meyer and the Tradition of Scholarship in 19th Century Berlin. Cultural History, Biography and the History of Philology

Abstract

Am Beispiel philologisch reflektierter Editionsarbeit wird gezeigt, wie eine gehaltvolle kulturgeschichtlich orientierte Wissenschaftsgeschichte zu konzipieren ist. Im Zentrum steht eine durch Kommentar, Register und vier teils publizierte, teils ungedruckte Aufsätze erschlossene ,Hauschronik' des Berliner Germanisten Richard M. Meyer (1860-1914). Die systematischen Aufsätze behandeln verschiedene Aspekte von Institution, Fach, Person, Werk und historischem Kontext und sollen dazu anzuregen, theoretische Konzepte der Literaturwissenschaft, einander beeinflussende Wissenschaften und disziplinär-semantische Felder auf eine Art herausfordernd zu denken. Sie sind mit der Edition in einen allgemeinen Texthorizont eingebettet, für den die Hauschronik eine Art Hypertext-Status in Anspruch nehmen kann. Die zusammengestellten Proben demonstrieren in der Verschränkung der verschiedenen literaturwissenschaftlichen Formate das ,interaktive' Konzept und die Reichweite dieses Editionsprojekts; die aus der editorischen Arbeit hervorgegangenen biographischen, germanistischen, kultur- und wissenschaftshistorischen Schriften werden in einer Art unaufhörlicher Spiralbewegung gleichsam wiederum Grundlage zur Erschließung des Chronik-Textes durch den Kommentar und die umfangreichen Sachregister, die detailliert einzelne Themenkomplexe aufschlüsseln. Die systematische Bündelung dieser aus dem Lebenskontext gewonnenen Daten zu den zwischen 1889 und 1914 dokumentierten akademischen Veranstaltungen, Reisen und Aufenthaltsorten, Kunstwerken, Theater- und Spielplänen sowie nicht zuletzt zu den über 2000 Personen versteht sich als eine über den konkreten Nutzen für die Quelle hinausgehende Service-Leistung für noch nicht absehbare Fragestellungen und Recherchen. Der Arbeit geht es insbesondere um die Annäherung an eine schwer zu greifende Ebene, in der Wissenschaft als Lebensform und Leben als vergesellschaftete Wissenschaft aufgesucht werden können. Dabei ist bemerkenswert, wie viel niedrigschwellige Daten aus der alltäglichen Lebenswelt einer gelehrten Persönlichkeit über die Praxis und Theorie vom Forschen, Lesen, Lehren, Publizieren preisgeben. In den Blick geraten nebenbei Formen von Geselligkeit und Mäzenatentum, des Sammelns und entsprechender Ordnungsversuche ebenso wie etwa eine wachsende Resignation aufgrund von Antisemitismus und politischer Entwicklungen, einer stagnierenden Karriere, gesundheitlicher oder familiärer Probleme. Ein auf diese Weise ermöglichter mehrdimensionaler Zugang offenbart erst Resonanzraum und Wert einer solchen autobiographischen Quelle – sowohl für die Welt der Wissenschaft(en) als auch für weiterführende Arbeiten zur Gattungsforschung, zur Literatur-, Stadt-, Sozial-, Kultur- und Bildungsgeschichte der Berliner jüdischen Intelligenz im Deutschen Kaiserreich. Hier lässt sich zeigen, wie Wissenschaftsgeschichte zugleich auch immer Kulturgeschichte ist und macht, und dasselbe auch umgekehrt. ; The annotated and indexed edition of the 'Hauschronik' of Richard M. Meyer (1860-1914), German philologist from Berlin, represents a philologically reflected endeavor of editorial work. It contains useful informations for the urban, social, cultural or educational history of Berlin's Jewish intellectual elite around the turn of the 19th century. The four essays grant exemplary insight into the wealth that the 'estate chronicle' of Meyer will provide the academic disciplines with.

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