Buch(elektronisch)2018

Soziale Ungleichheiten nach Studienabschluss? Wie sich die Bildungsherkunft auf weitere Bildungsübergänge und den erfolgreichen Berufseinstieg von Hochschulabsolventen auswirkt

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Abstract

Die soziale Herkunft gilt in Deutschland als starker Prädiktor des Bildungserfolgs. Deutliche Disparitäten zugunsten von Schüler/innen mit hohem sozioökonomischen Status bestehen nicht nur auf dem Weg zum Hochschulstudium, sondern zeichnen sich auch bei hochschulischen Bildungsübergängen ab – vom Bachelor- ins Masterstudium und vom Masterstudium in die Promotion. Die soziale Binnendifferenzierung der Hochschulbildung kann sich in Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt manifestieren. Bisherige Untersuchungen betrachten vor allem objektive Merkmale (Biographien, Leistungen, Humankapital) als Mechanismen sozialer Ungleichheiten bei Bildungsübergängen und beim Berufseinstieg von Absolvent/innen. Handlungstheoretische Abwägungen (Kosten-, Nutzen- und Erfolgserwartungen) wurden bisher nicht spezifisch für die Entscheidung zwischen Berufseinstieg und weiteren Studienphasen, sondern nur anhand objektiver Merkmale oder anhand der entsprechenden Abwägungen bei Studienbeginn
modelliert.

Die Studie Soziale Ungleichheit und Diversity bei Übergängen in weiterführende Studiengänge und in den Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen setzt an dieser Forschungslücke an und versucht zu klären, ob und warum die soziale Herkunft die Masteraufnahme, die Promotionsaufnahme und den Berufserfolg von Hochschulabsolvent/innen beeinflusst. Neben Biographien und Leistungsmerkmalen werden Abwägungen bezüglich der Kosten, des Nutzens und der Erfolgswahrscheinlichkeit als Mechanismen sozialer Ungleichheiten bei der Aufnahme weiterer Studienphasen betrachtet. Zudem wird untersucht, wie herkunftsspezifische Abwägungen durch herkunftsspezifische soziale Unterstützungen zustande kommen: In höheren Herkunftsgruppen sollten mehr finanzielle und fachliche Unterstützungen zu erwarten sein, wodurch die eingeschätzten Kosten einer weiteren Studienphase sinken und ihre Erfolgschancen steigen. In Bezug auf den Berufserfolg wird ebenfalls geprüft, ob Absolvent/innen beim Berufseinstieg durch verschiedene Netzwerke sozial selektiv unterstützt werden und dadurch höhere Arbeitsmarkterträge erzielen.

Datenbasis sind die Absolventenbefragungen von 15 Fachhochschulen und 13 Universitäten in Nordrhein-Westfalen, die im Rahmen des Kooperationsprojekts Absolventenstudien (KOAB) durchgeführt wurden. Für den Prüfungsjahrgang 2014 wurden handlungstheoretische Abwägungen und soziale Unterstützungen als Schwerpunktthema erhoben. Insgesamt liegen Angaben von bis zu 17000 Absolvent/innen der Abschlüsse Bachelor, Master, Staatsexamen, Diplom und Magister vor. Als zentrale Ungleichheitsdeterminante wird die Bildungsherkunft anhand des höchsten beruflichen Abschlusses der Eltern untersucht. Zur Erklärung der Ungleichheiten werden Regressions- und Dekompositionsverfahren angewendet.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Übergangsquoten in ein Masterstudium bei akademischer gegenüber nichtakademischer Bildungsherkunft um etwa zehn Prozentpunkte erhöht sind. Im Vergleich dazu sind die Ungleichheiten bei der Aufnahme einer Promotion gering. Finanzielle Unterstützungen durch das Elternhaus erhöhen, teilweise vermittelt über die Kosten- und Erfolgserwartung, die Wahrscheinlichkeit, ein Masterstudium aufzunehmen, und erklären dadurch einen Teil des Herkunftsunterschieds. Neben Kostenerwartungen und Unterstützungen tragen ungleiche Bildungsbiographien, vor allem die Hochschulart des Bachelorstudiums, in deutlichem Maße zu disparaten Übergangsquoten in ein Masterstudium bei. Die Ungleichheiten in der Aufnahme einer Promotion können vor allem durch Unterschiede in biographischen Merkmalen, im Leistungsniveau und in der Erfolgserwartung erklärt werden. Im Vergleich zu früheren Absolventenkohorten deutet sich an, dass die Bologna-Reform zu einer Vorverlagerung sozialer Ungleichheiten auf dem Weg zur Promotion geführt hat.

Der Berufserfolg wird anhand objektiver und subjektiver Indikatoren untersucht. Absolvent/innen aus akademischem Elternhaus sind beim Berufseinstieg etwas erfolgreicher: Sie erzielen z.B. vier Prozent höhere Stundenlöhne als Erstakademiker/innen. Die Ungleichheiten im Berufserfolg lassen sich durch die untersuchten Mechanismen größtenteils erklären. Vor allem der ungleiche Zugang zu Master- und vergleichbaren Studiengängen sowie Leistungsunterschiede in Schule und Studium tragen zu herkunftsspezifischen Ungleichheiten beim Berufseinstieg von Absolvent/innen bei. Somit übersetzen sich die Bildungsungleichheiten im Hochschulsystem in berufliche Ungleichheiten.

Absolvent/innen mit akademischem Bildungshintergrund werden beim Berufseinstieg – vor allem durch Kontakte der Herkunftsfamilie – häufiger unterstützt als Absolvent/innen aus nichtakademischen Herkunftsfamilien. Unterdurchschnittliche Examensnoten werden von der akademischen Herkunftsgruppe durch familiale Unterstützungen bei der Stellenfindung kompensiert. Bei Erstakademiker/innen ist dies nicht der Fall. Des Weiteren unterscheiden sich die Erträge der Unterstützung durch die Herkunftsfamilie: Unterstützungen durch eine nichtakademisch gebildete Herkunftsfamilie sind zum Teil mit niedrigeren objektiven Arbeitsmarkterträgen verbunden als Unterstützungen durch eine akademisch gebildete Herkunftsfamilie. Die Ergebnisse der Dekompositionsanalysen weisen darauf hin, dass vor allem familiale Unterstützungen bei der Karriereplanung zu sozialen Ungleichheiten im Berufserfolg beitragen.

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