Aufsatz(gedruckt)1976

Systemtheorie und Theorie der Gesellschaft: zur gegenwärtigen Kybernetik-Rezeption in den Sozialwissenschaften

In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie: KZfSS, Band 28, Heft 1, S. 27-47

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Abstract

In den Sozialwissenschaften werden sowohl begrenzte, zweckrational organisierte Teilbereiche als auch die Gesamtgesellschaft mit Hilfe von Systemtheorie und Kybernetik zu erfassen versucht. Die lebhafte Rezeption der Kybernetik war und ist von großen Hoffnungen und auch von prinzipieller Kritik begleitet. Der vorliegende Beitrag behandelt vor allem methodologische und erkenntnistheoretische Fragen der Anwendung kybernetischer Systemtheorie. Kritisiert wird insbesondere, daß viele Sozialwissenschaftler (Apologeten und Kritiker der Kybernetik) die zentralen Bestandteile der Kybernetik zu stark simplifizieren. Diese reduktionistische Rezeption wird am Beispiel der Probleme Systemfestlegung, Systemdynamik und Systemkomplexität beschrieben. Ausführlich wird unter anderem der systemtheoretische Ansatz von N. Luhmann kritisch dargestellt. Besondere Beachtung widmen die Autoren der oft gestellten Frage, ob sozialer Wandel kybernetisch erfaßt werden kann. Der pauschale Vorwurf des Konservatismus gegenüber der Kybernetik wird abgelehnt; gerade die kybernetische Theorie sei aufgrund ihrer Komplexität besonders geeignet, dynamische Phänomene zu beschreiben. Allerdings müsse die Kybernetik als strukturwissenschaftliche Disziplin behandelt werden, während oft der Fehler gemacht würde, strukturierte Realität und analoge Modellstruktur gleichzusetzen. Die Anwendung strukturwissenschaftlicher Modelle in den Sozialwissenschaften ist generell noch kaum wissenschaftstheoretisch erarbeitet. Die Autoren versuchen eine wissenschaftstheoretische Positionsbestimmung der Kybernetik und kommen vor allem zu dem Ergebnis, daß Analogisierungen zwischen sozialwissenschaftlichen und kybernetischen Aussagen unbedingt modelltheoretisch expliziert werden müssen; andererseits bleibt die Reichweite der Aussagen unbekannt. Wesentlich bei der Bewertung kybernetisch orientierter Modelle ist die analytische Trennung von Kybernetik als methodischem Instrument und den zugrundeliegenden sozialwissenschaftlichen Theorien (und ihren ideologischen Aspekten). Ausgehend von dieser analytischen Trennung werden Leitfragen zur Beurteilung kybernetischer Modelle formuliert. (JL)

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